Nach meiner Wahrnehmung existiert dieser Konflikt nicht in diesen Dimensionen, sondern wird lediglich von einer Einzelbeschwerde befeuert. Von einer Einzelmeinung auf die Gesamtsituation zu schließen, ist fragwürdig, und, denke ich, auch nicht statthaft.
Herr Abgeordneter Knöfler, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Anmerkung des Abgeordneten Habersaat?
Abseits dessen könnte man den Eindruck bekommen, dass die SPD anstrebt, die Trägerschaft der Schulen auf das Land zu übertragen. Was ich hinter dem SPD-Antrag aber auch erkenne – und da kommt die große Überraschung –, ist die Forderung nach mehr Geld, viel Geld. Ich muss sagen: In finanzpolitisch herausfordernden Zeiten zu fordern, das Land solle noch weitere Verpflichtungen eingehen, ist schon stark. Würden Sie das in Regierungsverantwortung intrinsisch motiviert auch tun? – Ich glaube, das ist eine rhetorische Frage. Sinkende Steuereinnahmen und steigende Zinsen bringen uns in neues Fahrwasser. Während Sie das Schiff möglichst schwer beladen wollen, setzen wir uns für eine vernünftige und realistische Finanzpolitik ein.
Wir müssen mit Sicherheit dafür sorgen, dass Lehrkräfte auch die Möglichkeit haben, ihren arbeitsmedizinischen Schutz sicherzustellen. Wir müssen dafür sorgen, dass Lehrkräfte Termine für ihren Arbeitsschutz und die Unterweisungen vereinbaren und wahrnehmen können.
Anstatt bei der Arbeitsmedizin ausschließlich auf Zahlen abzustellen, erscheint es sinnvoll, die Frage zu diskutieren, ob ein gleichwertiger Arbeitsschutz im Vergleich zu den sonstigen Arbeitgebern vorhanden ist. Denn die Gewährleistung eines sicheren Arbeitsumfeldes und die Stärkung des Gesundheitsmanagements für in der Schule tätige Personen sind wichtig für die Arbeitsmotivation und die Arbeitszufriedenheit der Lehrkräfte und damit für die Lernerfahrung von Schülerinnen und Schülern. Das muss für Lehrkräfte und weiteres pädagogisches Personal gleichermaßen gelten.
Daher bittet der Landtag die Landesregierung, den Bereich Gesundheit von Lehrkräften in den Handlungsplan Lehrkräftegewinnung zu integrieren und im Rahmen bestehender Berichte darzulegen, wie sich die geplanten Maßnahmen im Rahmen der Experimentierklausel und der Veränderungen im Bereich der Lehrkräftegewinnung auf die Gesundheit von Lehrkräften auswirken.
Wir halten in schwierigen Zeiten Kurs. Denn nach dem Sturm kommt auch wieder sanftes Gewässer. Doch dafür muss das Schiff seetauglich bleiben.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun der Abgeordnete Malte Krüger das Wort, dem hierfür sicherlich auch die gesamte Aufmerksamkeit des Plenums gegeben wird. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Habersaat, es ist schon ein wenig absurd, dass Sie uns vorwerfen, uns würde die Gesundheit von Lehrkräften nicht am Herzen liegen. Natürlich tut sie das – das einmal vorneweg.
Bernd und Heiner sind ständig am Sabbeln und Lisa und Paula sind am Handy. Stellen Sie sich das mal vor! Das ist schon eine anstrengende Situation.
(Dr. Bernd Buchholz [FDP]: Bernd und Hei ner sind ständig am Sabbeln, weil sie etwas zu sagen haben! – Heiterkeit – Zuruf Christo- pher Vogt [FDP])
Da wäre ich mir nicht so sicher. Vor allem ist es also die psychische Belastung, die den Alltag zeichnet. Unmotivierte und verhaltensauffällige Schüler_innen, überforderte oder uneinsichtige Eltern und auch soziale Medien erzeugen Stress und Depressionen. Studien zeigen, dass psychische Erschöpfung bei Lehrkräften stärker als bei anderen Berufsgruppen auftritt. Eine hohe Arbeits- und insbesondere Lärmbelastung werden von Lehrkräften deutlich häufiger genannt als von anderen Berufsgruppen. Die psychische Belastung von Lehrkräften nimmt dabei über den Unterrichtstag immer weiter zu – das konnten Forschende der Universität Bremen herausfinden. Was ich dabei am absurdesten finde: Die Stresswerte sind – das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen – in den Pausen oft noch höher als in den Unterrichtsstunden.
Das erklärt wirklich einiges. Ein oft genannter Grund dafür: Es fehlt an Rückzugsräumen, das Lehrerzimmer ist voll, die Schlange am Kopierer lang, Schüler_innen stellen Fragen, der Lärmpegel ist hoch.
Die Coronapandemie hat den Stress zum Teil noch erhöht. Onlineunterricht erforderte plötzlich ganz andere Lernformen und eine andere Form der Vorbereitung, kranke Kolleg_innen mussten vertreten werden, parallel zum Unterrichten galt es, Zeiten für das Lüften einzuhalten, durch die offenen Fenster stieg die Lärmbelastung zum Teil weiter. Das alles habe ich selbst mitgemacht. Es war keine schöne Zeit.
90 Prozent der Lehrkräfte gaben in einer Umfra ge der DAK während der Pandemie an, der Unterricht sei im Vergleich zum Vorjahr deutlich anstrengender geworden. Die Folgen dieses belastenden Alltags: Etwa jede dritte Lehrkraft gibt an, sich überlastet zu fühlen; Studien zeigen, dass etwa 30 Prozent der Lehrkräfte Burnout-Symptome zei gen oder gefährdet sind. Die Symptome reichen von Müdigkeit und dem anhaltenden Gefühl des Ausgelaugtseins bis zu körperlichen Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Schlafstörungen.
Das wirkt sich auch auf die Fachkräftesituation aus. Knapp 60 Prozent der Lehrkräfte gehen auf eigenen Antrag in den Vorruhestand, statt bis zur gesetzlichen Altersgrenze zu arbeiten. Psychische und psychosomatische Krankheiten sind laut Befragungen mit bis zu 50 Prozent der Fälle der Hauptgrund für Frühpensionierungen bei Lehrkräften. Laut einer Studie der Universität Halle-Wittenberg verlässt fast ein Drittel der untersuchten Lehrkräfte innerhalb von fünf Jahren die Schule wieder, oft aus gesundheitlichen Überlegungen.
Wenn wir also Lehrkräfte gewinnen wollen, müssen wir ihnen auch zeigen, dass wir ihre Gesundheit ernst nehmen. Das ist Aufgabe des Landes, das ist die Aufgabe auch des Ministeriums. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, aber auch gesunde und motivierende Arbeitsbedingungen sind schon längst ein entscheidender Faktor bei der Berufswahl geworden.
Was können wir also tun? – Wir können Schulen weiter bei Verwaltungsaufgaben und Dokumentationspflichten entlasten. Wir können mehr Angebote für Stressbewältigungstrainings, zu Klassenführung oder Kommunikation machen. Das umfasst die Durchführung der arbeitsmedizinischen Vorsor
ge ebenso wie die regelmäßige Aktualisierung von Gefährdungsbeurteilungen, unter anderem zu psychischen Belastungen am Arbeitsplatz und zu Gefahren für Stillende und Schwangere.
Die in den letzten drei Jahren pandemiebedingt ausgesetzten regelhaften Kontrollen der Arbeitsschutzbehörde, die seit Juli wieder laufen, müssen fortgeführt werden. Die sind nämlich ganz extrem wichtig. Wir können aber auch ganz anders dabei unterstützen, den Arbeitsplatz selbst zu verändern. Lehrerzimmer und Arbeitsplätze können so ausgestaltet werden, dass sie mehr als Rückzugsort dienen. Ich habe es selbst im Herzogtum Lauenburg an der Bertha-von-Suttner-Schule durch das PerspektivSchul-Programm gesehen. Lehrer_innenzimmer können so entwickelt werden, dass dort Ruheräume entstehen und dass man in der Freistunde oder in den Pausen diese Räume nutzen kann. Das ist eine tolle Entwicklung.
Dann lesen Sie sich einmal den Alternativantrag von uns durch. – Aber auch die Experimentierklausel kann hier wirken. Mehr Gestaltungsspielräume können Lehrkräften auch mehr Selbstwirksamkeit geben, mehr das Gefühl, den eigenen Alltag und den Rahmen für den Unterricht selbst mitgestalten zu können. Die Forschung zur Lehrergesundheit hat gezeigt, dass der höchste Belastungsfaktor, also der Umgang mit Schülerinnen und Schülern, zugleich auch die stärkste Ressource für Lehrkräfte ist. Wenn der Umgang gut funktioniert, dann ergibt sich daraus auch der größte positive Rückhalt für die Lehrergesundheit.
Mit unserem Alternativantrag bitten wir die Landesregierung, Arbeitsgesundheit künftig noch stärker in den Fokus zu rücken und mit guten Angeboten um neue Lehrkräfte zu werben, denn ich bleibe dabei: Das Lehramt ist ein schöner Beruf, und das muss es auch bleiben. Deswegen ist das so wichtig. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit muss man gar nicht mehr viel sagen, aber es fällt leider immer wieder auf, dass der Staat nicht unbedingt der vorbildlichste Arbeitsgeber ist, auch was diesen Bereich anbetrifft.
Ich finde es schön, dass ich SPD und SSW zu Staatskritik verleiten konnte, aber es ist so: Das Land hat für seine Beschäftigten eine große Verantwortung, und die Gesellschaft hat ein großes Interesse daran, dass die Lehrkräfte gesund sind und auch bleiben, damit der Schulbetrieb möglichst ungestört laufen kann. Da gibt es schließlich schon genug Herausforderungen. Der Kollege Krüger hat einige richtige Punkte angesprochen.
Auch beim Gesundheitsmanagement für Lehrkräfte gibt es viel Luft nach oben. Das fängt in der Tat schon bei Räumlichkeiten an, nämlich, dass man Lehrerzimmer hat, in denen man tatsächlich auch einmal eine Pause machen kann. Ein Thema, das beim Thema Gesundheitsmanagement für Lehrkräfte immer angesprochen wird, ist vor allem das Thema Lärmschutz. Tatsächlich ist der Lärm gerade für die älteren Kolleginnen und Kollegen ein großes Problem und eine große Belastung.
Die Frage, die sich bei den Themen Arbeitsmedizin und Arbeitssicherheit für Lehrkräfte stellt, lautet: Wer ist denn nun eigentlich konkret zuständig? – Das lässt sich nur auf den ersten Blick ganz leicht beantworten. Dienstherr für die Lehrkräfte ist das Land Schleswig-Holstein. So steht es in § 35 des Schulgesetzes. Etwas komplizierter wird es allerdings, wenn man sich den § 48 anschaut. Dort steht, dass die Schulträger die Aufgabe haben, Verwaltungs- und Hilfspersonal zu stellen. Das kann auch Personal für Arbeitsmedizin beziehungsweise für die Arbeitssicherheit sein, solange das Bildungsministerium diese unter „andere“ definiert.
Eine genaue Darlegung konnte ich in den Gesetzestexten nicht finden. Ich bin auch kein Jurist, vielleicht liegt das daran. Ich bin ja auch eher der Provinztyp, aber es ist offenbar nicht explizit geregelt. Deswegen braucht es auch diesen Antrag, damit die Zuständigkeit entweder durch eine eindeutige Verordnung oder vermutlich am besten eine Gesetzesänderung unter § 48 explizit geregelt wird.
Meine Damen und Herren, ein Pingpongspiel mit der Sicherheit und der Gesundheit unserer Lehrkräfte sollten wir nicht spielen. Es sollte auch nicht gegen Bundesrecht verstoßen werden. Die verschiedenen Kleinen Anfragen von Ihnen, Herr Kollege Habersaat, haben leider nur für wenig Klarheit sor
gen können, zumindest bei uns, weil das Bildungsministerium nicht so recht weiß, ob die Verantwortung für die Beschäftigten tatsächlich so wahrgenommen wird, wie es für Arbeitgeber verpflichtend ist. Dabei ist es erst einmal nicht entscheidend, ob die Aufgabe übertragen wurde oder nicht. Ich finde, als Dienstherr muss das Bildungsministerium seiner Verantwortung gerecht werden.
Meine Damen und Herren, man muss doch mindestens überprüfen, ob die bei den Schulträgern angestellten Fachkräfte für diesen Bereich zum einen ausreichend sind und zum anderen die Aufgabe im Sinne der Gesetze auch tatsächlich angemessen erfüllen. Wenn man eine kürzlich veröffentlichte Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des Kollegen Dr. Bernd Buchholz anschaut, dann wird auch ein Thema sichtbar, um das wir uns, so glaube ich, noch mehr kümmern müssen, nämlich, dass es doch in einem Maße, das nicht akzeptabel ist, Gewalt gegen Lehrkräfte gibt und dass dort überwiegend natürlich weibliche Lehrkräfte betroffen sind. Das ist völlig inakzeptabel. Meine Damen und Herren, das braucht klare Antworten vonseiten des Dienstherren.