Protokoll der Sitzung vom 28.02.2025

2021 empfahl ein von der Jamaikakoalition in Auftrag gegebenes Gutachten, das System von Schulbegleitung und Schulassistenz zu reformieren, Schulen systemisch zu stärken und nicht Eltern den Kampf um die individuelle Unterstützung ihrer Kinder zu überlassen. Die Gutachter hatten unter anderem festgestellt, dass gut informierte Eltern aus der Mittelschicht sehr viel mehr dazu in der Lage und bereit waren, für ihr Kind die zusätzliche Unterstützung zu erkämpfen, während die Beantragung solcher Leistungen für sozial schwächere Familien häufiger eine Hürde zu bilden scheint.

2021 war nur der Zeitpunkt, zu dem das Gutachten den Landtag erreichte. Das Bildungsministerium kennt die Ergebnisse aus diesem Gutachten seit 2019 – 2019, seit sechs Jahren! Und jetzt erzählen Sie uns: Erste Gespräche haben im November 2023 stattgefunden. – Ich bin entsetzt.

(Beifall SPD und SSW – Zuruf SPD: Wir auch!)

Leider konnte ich ja heute ausnahmsweise keine Zwischenfragen zu diesem Bericht stellen,

(Ministerin Dr. Kerstin von der Decken)

(Heiterkeit Dr. Heiner Garg [FDP])

aber an der Stelle lohnt es sich doch, mal zu hinterfragen: Was ist denn da vier Jahre lang passiert, meine Damen und Herren? Verstehen Sie mich auch an der Stelle nicht falsch: Das werfe ich Ihnen vor.

(Beifall SPD, SSW, Dr. Heiner Garg [FDP] und Anne Riecke [FDP])

Das werfe ich auch dem Ministerpräsidenten vor. – Herr Günther, hier läuft in Schleswig-Holstein etwas aus dem Ruder, und Ihre Ministerinnen kriegen es offensichtlich nicht geregelt.

(Beifall SPD, SSW, Dr. Heiner Garg [FDP] und Anne Riecke [FDP])

Wenn etwas aus dem Ruder läuft und wenn die Ministerinnen es offensichtlich nicht geregelt bekommen und wenn die kommunalen Landesverbände das wieder und wieder und wieder thematisieren, Herr Ministerpräsident, da müssen Sie doch mal auf den Tisch hauen und sagen: Jetzt muss zeitnah eine Lösung her!

(Beifall SPD und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Als konstruktive Opposition haben Ihnen SPD und SSW aufgeschrieben, welche Aspekte ein Konzept zur Lösung des Problems enthalten muss. Wir haben Ihnen auch aufgeschrieben, wen Sie bei der Entwicklung dieses Konzepts beteiligen sollten, und wir haben Ihnen skizziert, welche Leitsätze sich nach den Erfahrungen in den Kreisen, die sich schon auf den Weg gemacht haben, bewährt haben.

Sie können davon ausgehen, dass dieser Antrag mit vielen Beteiligten, die Sie in diesen Runden treffen würden, besprochen ist. Insofern empfehle ich den Kollegen von CDU und Grünen, gleich nicht allzu sehr auf die Inhalte einzudreschen. Das sind schon die, über die man jetzt reden und zu denen man eine Lösung herbeiführen muss. Frau Ministerin, die Lösung muss so groß sein wie das Problem, aber vor allem muss eine Lösung her.

(Beifall SPD und SSW)

Es darf aus meiner Sicht nicht mehr sein, dass ein polizeiliches Führungszeugnis ausreicht, um so eine Aufgabe zu übernehmen. Wir haben von Einzelfällen gehört, in denen nicht einmal nach einem polizeilichen Führungszeugnis gefragt wurde. Es darf nicht mehr sein, dass Menschen in prekären Arbeitsbedingungen an der Zukunft unserer Kinder arbeiten.

Es darf nicht mehr sein, dass die Landesregierung gar nicht so genau weiß, wer an den Schulen tätig ist und was die da eigentlich machen. Ich habe das Gefühl, das ist immer wieder das Problem in Ihren Gesprächen mit den kommunalen Landesverbänden, dass Sie gar nicht so genau wissen, was da eigentlich los ist.

Es darf erst recht nicht mehr sein, dass Sie sich einmal im Jahr mit den Kreisen treffen, das Thema besprechen, sich darauf verständigen, dass Sie einmal Zahlen zusammentragen wollen, und das Problem dann irgendwann lösen. Hier gilt eine Regel, die Herr Balasus treffend formuliert hat: hopp , hopp, hopp statt mimimi. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, FDP und SSW – Unruhe)

Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Anette Röttger das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich unserem Bildungsministerium für den vorgelegten Bericht zur Schulbegleitung herzlich danken, stellvertretend Ihnen, liebe Frau Ministerin Kerstin von der Decken. An dieser Stelle danke ich natürlich auch all denjenigen, die sich in Elternhäusern, in Nachbarschaften, im Ehrenamt, in Kita und in der Schule um das Wohlergehen und die Bildung unserer Kinder kümmern. Sie alle leisten einen wichtigen Beitrag für die Weiterentwicklung in unserer Gesellschaft. Kinder sind unsere Zukunft. Darum müssen wir uns in gemeinsamer Verantwortung kümmern.

Während das alte Wort „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen“ nach wie vor gilt, zeigt die Realität, dass viele Eltern durch veränderte Familienstrukturen und Arbeitswelten immer weniger Zeit mit ihren Kindern verbringen und sich zum Teil aus der Erziehung ihrer Kinder zurückgezogen haben.

Kinder im Dorf sind nur noch selten zu sehen. Viele Kinder verbringen einen Großteil ihrer Kindheit und Schulzeit inzwischen in Kita und Schule. Kinder, die mit Auffälligkeiten oder Beeinträchtigungen kommen, brauchen mehr Zeit, passgenaue Unterstützungsangebote und verlässliche Bezugspersonen.

Krisenbehaftete Zeiten haben zu einem Anstieg an sozial-emotionalen und anderen Auffälligkeiten

(Martin Habersaat)

und zu deutlich heterogeneren Klassenzusammensetzungen beigetragen.

Der Weg ins digitale Zeitalter, das Handy in der frühen Kindheit haben das Lernen und die Kindheit verändert und stellen alle an Schule Beteiligten vor personalintensive komplexe Aufgaben und Herausforderungen, deren Auswirkungen wir derzeit noch nicht vollständig abschätzen können. Die Entwicklung hin zum Ganztag an Schule kommt hinzu, steigende Schülerzahlen durch Zuzug ebenso.

Unser Ziel ist es, bereits vorhandene Hilfssysteme klug zu bündeln, um sie näher und bedarfsgerechter an die Kinder zu bringen, damit alle Schülerinnen und Schüler erfolgreich lernen können.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für eine gelebte Inklusion an Schule haben sich multiprofessionelle Teams bewährt. Mit der Einführung der schulischen Assistenz an Grundschulen zum Schuljahr 2015/2016 und einer Vereinbarung zwischen den kommunalen Landesverbänden und dem Land Schleswig-Holstein war die Erwartung verbunden, die Zahl der Schulbegleitungen reduzieren zu können.

(Martin Habersaat [SPD]: Hat nicht ge- klappt!)

Das ist jedoch nicht eingetreten. Leider ist das Gegenteil der Fall. Die Daten zeigen einen steten Fallzahlen- und Aufgabenaufwuchs. Die Zahl der Kinder, die von einem Schulbegleiter betreut werden, hat sich deutlich erhöht. Sie stieg von 2.700 im Jahr 2014 auf landesweit etwa 7.000 Schulbegleiter im Jahr 2022. Die Kreise und kreisfreien Städte wenden dafür mehr als 120 Millionen Euro auf; die Zahlen wurden bereits genannt. Hinzu kommen rund 650 schulische Assistenzkräfte als Angestellte des Landes oder der Schulträger. 2024 hat das Land für schulische Assistenz 17,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Wir befinden uns mitten in einem personalintensiven und teuren System und gleichzeitig in einem sehr großen und rasanten Veränderungsprozess an Schule insgesamt.

Gute Beispiele zeigen, dass eine sinnvolle Bündelung der Aufgaben durch Poollösungen im Sinne einer rechtskreisübergreifenden Verantwortungsgemeinschaft dazu beitragen können, die Hilfssysteme näher und bedarfsgerechter an die Kinder zu bringen. Das wollen wir im Sinne einer integrierten regionalen Bildungs- und Sozialplanung weiterentwickeln und dafür externe Begleitung nutzen.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Als Lübecker Abgeordnete kann ich sagen, dass Lübeck bereits seit 2013/2014 als eine der ersten kreisfreien Städte Poolmodelle entwickelt hat und diese erfolgreich und bewährt auf die jeweiligen Schulen anwendet. Aus den Sozialdaten der Schule, der Schülerzahl und der Inklusionsquote werden Schulbudgets ermittelt, die dann für ein Stundenkontingent der inklusiven Schulbegleitung im jeweiligen Schuljahr zur Verfügung stehen.

(Wortmeldung Beate Raudies [SPD])

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Anmerkung der Frau Abgeordneten Raudies?

Ja.

Vielen Dank Frau Kollegin. – Das Lübecker Modell war uns – ich war in der Zeit von 2012 bis 2017 Mitglied im Bildungsausschuss – damals durchaus Vorbild, als wir Maßnahmen auf den Weg gebracht haben. Ich teile das uneingeschränkt. Ich komme aus dem Kreis Pinneberg, auch bei uns gibt es da schon tolle Überlegungen. Ich möchte gerne wissen: Wann fangen Sie an? Haben Sie sich eine Ziellinie gesetzt, wann Sie mit diesem Prozess fertig sein wollen? Das ist doch die Frage, um die es uns heute geht.

Liebe Kollegin, es geht nicht um Schnelligkeit.

(Lachen Birte Pauls [SPD])

Es geht um passgenaue Lösungen. In einer Stadt, in der für alle Beteiligten ortsnah etwas zu erreichen ist, sind die Voraussetzungen anders als in einem Flächenkreis. Wir müssen auf die gewachsenen Strukturen Rücksicht nehmen, sie weiterentwickeln und in den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten unter Umständen zu unterschiedlichen Lösungen kommen, die dann in einem landesweiten Konzept zusammengeführt werden.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für uns als CDU-Fraktion ist wichtig, dass jetzt mit allen Ebenen und mit aller Sorgfalt tragfähige, effiziente und passende Zukunftsmodelle entwickelt werden. Unter Umständen bedarf es dafür grundle

(Anette Röttger)

gender Änderungen und einer Neuaufstellung. Das Ministerium hat bereits darauf hingewiesen.

Lassen Sie uns den Prozess für die geeigneten Unterstützungssysteme an den Schulen fortsetzen und aus bewährten Erfahrungen gute Lösungen zum Wohle der Kinder entwickeln.

Daher bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Malte Krüger das Wort.