Protokoll der Sitzung vom 21.03.2012

(Beifall bei der SPD und Teilen der CDU.)

Aber ich sage zum dritten und letzten Mal für heute, damit es ganz klar ist, auch für die Presse: Hier geht es nicht um eine Abstimmung Mindestlohn ja oder nein. Hier geht es um etwas mehr. Wir werden uns natürlich sehr engagiert und entschieden dafür einsetzen. Deswegen habe ich die liebe Isolde Ries zur Zeugin genommen, aber alle anderen auch.

Ich möchte etwas zu diesem Tarifmindestlohn sagen, der im Moment im Gespräch ist seitens der CDA, CDU. Zunächst einmal stelle ich fest, dass das eine nicht ungehörige Bewegung innerhalb der CDU ist. Wir hatten vor einiger Zeit hier noch Debatten, die wesentlich weiter voneinander entfernt liefen als das, was sich jetzt andeutet. Dennoch glaube ich, dass es schwierig werden wird, damit in den prekären Bereich - genau dort, wo wir hinein wollen - hineinzukommen. Aber das wird ein Punkt sein, den man zum Beispiel auch mit den Arbeitgeberverbänden diskutieren muss. Deswegen freue ich mich auf Diskussionen mit denen.

Es ist nicht so, dass ich mit denen nicht reden würde, weil ich von meiner Herkunft her Gewerkschafter bin. Gerade im Gegenteil. Arbeitgeberverbände und Gewerkschaftsverbände haben sehr enge Beziehungen, durchaus kontrovers, aber auch Stabilität gewährend. Deshalb will ich mit denen darüber reden, will von ihnen wissen, wenn sie das Modell, das die

(Abg. Roth (SPD) )

SPD favorisiert, nicht wollen, wie sie prekäre Beschäftigung und den Missbrauch an dieser Stelle eindämmen wollen. Da muss ich mich mit einem Herrn Giersch unterhalten - auch gerne -, mit einem Herrn Brenner und einem Herrn Malter, mit wem auch immer. Natürlich passiert das permanent. Das entgeht Ihnen vielleicht,

(Zuruf der Abgeordneten Willger (B 90/GRÜNE) )

aber das ist bei uns gelebte Wirklichkeit in Dauer. Wir dürfen jetzt, wenn in dieser Situation ein so umfassender Rundumschlag gemacht wird, weil - sage ich einmal - jetzt Bewegung in die CDU gekommen ist, wo ich zum ersten Mal den Eindruck habe, da tut sich wirklich etwas, nicht nur Forderungsweltmeister bleiben, sondern wir müssen auch wirklich etwas umsetzen. Das ist doch das Spannende, das verstehen die in der Wirtschaft auch! Ich habe dafür einen Sensor, weil ich mit denen regelmäßig zu tun habe. Deshalb werden wir das jetzt nicht als „Wahlkampfgeplänkel“ unter Wert verhandeln, sondern wir werden das ordentlich - und ich hoffe, mit Ihrer konstruktiven Beteiligung - auch nach der Wahl abarbeiten. Am 28. wird der Ausschuss noch dieses Parlamentes zusammentreten, das wird den ganzen Tag dauern. Das wird viel Arbeit sein, aber wir erledigen diese Arbeit gerne und werden dies auch mit allem Respekt vor allen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern tun. Also mein Fazit: Der Mindestlohn-Partei in der SPD Deutschlands, nämlich der SPD Saar, hier mit solchen Spielchen zu Leibe rücken zu wollen, da bin ich fast beleidigt. Das ist eigentlich unter unserem Niveau, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD.)

Abschließend will ich hoffen, dass wir in dieser Debatte am Ende vielleicht sogar etwas Sozialgeschichte schreiben können. Das geht allerdings nur, wenn wir alle mitnehmen, weil das nicht mit knappen Mehrheitsentscheidungen zu machen ist. Von daher bin ich überzeugt, dass das, was sich mittlerweile auch in der Wirtschaft verfestigt hat, dass diese Dinge, was gute Arbeit betrifft, nicht nur Folterinstrumente für die Wirtschaft sind, sondern gerade für gute Unternehmerinnen und Unternehmer eigentlich sehr hilfreiche Instrumente sein können. Da geht es um den Standort, wir wollen hier nicht als angebotsorientierter billiger Jakob den Wettbewerb bestreiten und immer mehr junge Menschen verlieren, sondern wir wollen auf Qualität setzen, besser statt billig. Dass wir diesen Weg gehen, dass das im Saarland mehrheitsfähig wird, dafür streiten wir. Eine persönliche Anmerkung wird Sie dann auch nicht sehr überraschen: Ich bin mir sicher, dass wir dafür einen Ministerpräsidenten Heiko Maas brauchen. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD.)

Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Rolf Linsler von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über Anträge betreffend die Arbeitsbedingungen saarländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die LINKE hat zu diesem Thema schon oft Anträge gestellt.

Am 17. Mai letzten Jahres haben wir gefordert, Leiharbeit zu begrenzen und zu regulieren und staatliche Fördermittel nur an solche Unternehmen zu geben, die unter ihren Beschäftigten einen bestimmten Anteil von Leiharbeit nicht überschreiten. Am 09. Juni letzten Jahres haben wir eine Bundesratsinitiative für den gesetzlichen Mindestlohn gefordert. Am 21. September letzten Jahres haben wir gefordert, dass der Landtag den gesetzlichen Mindestlohn befürwortet. Beim Tariftreuegesetz haben wir als LINKE eigene Vorschläge gemacht. Wir wollten und wollen echte Tarifverträge und kein löchriges Gesetz voller Ausnahmen. Die Jamaika-Koalition hat diese Anträge allesamt abgeschmettert.

(Abg. Pauluhn (SPD) : Die GRÜNEN auch?)

Kollege Pauluhn, ich bin doch fair, ich komme noch dazu. Jamaika hat alle Anträge abgeschmettert, auch die GRÜNEN.

(Zuruf von der SPD: Aha!)

Kollegin Willger nannte im Juli eine Bundesratsinitiative für einen gesetzlichen Mindestlohn „mehr oder weniger wirkungslos“, so ihre Worte. Aber Frau kann ja dazulernen. Frau Willger, wir haben heute ja gesehen, dass man dazulernen kann.

(Zuruf der Abgeordneten Willger (B 90/GRÜNE).)

Meine Damen und Herren, was BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD heute vorgelegt haben, ist nicht neu. Es orientiert sich an dem, was die LINKE seit Jahren fordert.

(Beifall bei der LINKEN.)

In den vergangenen zweieinhalb Jahren haben die GRÜNEN beim Thema gute Arbeit all das abgelehnt, was sie heute fordern. Ich habe Ihnen eben die Termine genannt.

(Abg. Willger (B 90/GRÜNE) : Das stimmt nicht.)

Ich unterstelle Ihnen, Frau Willger, und auch der grünen Partei nicht, plötzlich grundsätzlich die Gesinnung geändert zu haben. Aber eine Erklärung könnte sein: Die GRÜNEN haben sich aus den Fesseln von Jamaika befreit. Sie sind jetzt frei.

(Zurufe von der SPD und Heiterkeit.)

(Abg. Roth (SPD) )

Sie haben sich befreien lassen, einverstanden. Offenbar hat man im Bündnis mit CDU und FDP bei den Themen Mindestlohn, Leiharbeit und Tariftreue nachgegeben. Wenn das, was ihr heute vorlegt, stimmt, habt ihr ja irgendwo nachgegeben. Zumindest habt ihr eure Position nicht durchgesetzt, vielleicht um im Gegenzug das strikte Rauchverbot durchdrücken zu können. Sie haben das ja durchgedrückt. Man kann durchaus Tauschgeschäfte machen, warum nicht? Die Vermutung liegt zumindest nahe. So ist die Politik. Ich hätte das nicht gemacht, aber mein Gott, das liegt doch nahe. Man sieht jetzt komme ich zu den Kolleginnen und Kollegen von der SPD -, in einer Großen Koalition mit der CDU kann sie keine gute Arbeit, faire Löhne und auf keinen Fall einen gesetzlichen Mindestlohn durchsetzen. Das muss den SPD-Leuten klar sein.

(Beifall bei der LINKEN.)

Wir werden sicherlich schon zu Beginn, spätestens aber in der Mitte der nächsten Legislaturperiode noch mal über den Mindestlohn reden. Der Kollege Meiser hat heute schon - versteckt und geschickt zum Ausdruck gebracht, dass ein gesetzlicher Mindestlohn mit ihm, mit der CDU nicht zu machen ist. Die Kolleginnen und Kollegen der SPD brauchen doch nur das zu tun, was auf ihren Wahlplakaten und in ihrem heutigen Antrag steht - einverstanden. Sie treten ein für einen gesetzlichen Mindestlohn Eugen Roth hat es vorhin noch mal klar und deutlich gesagt -, für eine Einschränkung der Leiharbeit, für ein echtes Tariftreuegesetz. Nur, der Punkt ist: Ihr müsst euch nicht nur dafür einsetzen, ihr müsst das auch entsprechend durchsetzen. Wir fordern Sie auf: Setzen Sie das bei Ihrem künftigen Koalitionspartner durch - jetzt oder nie!

(Abg. Ries (SPD) : Abwarten! Machen wir.)

Kollegin Ries, wenn ich wieder gewählt werden sollte - die Möglichkeit liegt nahe -, bin ich gerne bereit, an dieser Stelle ein Lob auszusprechen, wenn Sie das durchsetzen, keine Frage. Aber nach Aussagen aus der CDU zum gesetzlichen Mindestlohn, die auf dem Tisch liegen, glaube ich nicht, dass ihr das in einer Großen Koalition durchsetzen könnt. Wenn das möglich wäre, wäre es prima. Aber ich sage Ihnen noch mal: Mit der CDU ist das nicht zu machen, mit uns ist es zu machen.

(Abg. Ries (SPD) : Mit der CDU ist das auch zu machen, das kriegen wir hin.)

Kolleginnen und Kollegen, die Zeit ist reif - da stimme ich mit Frau Ries sicherlich überein -, wir müssen dringend gegen Minijobs, gegen Leiharbeit und gegen Werkverträge vorgehen. Unser Saarland darf nicht mehr nur bei Niedriglöhnen und unsicheren Jobs Spitze sein, wie das in der Vergangenheit der Fall war, nachzulesen in Arbeitskammer-Berichten und sonstigen Zeitschriften.

Die Lage ist sehr ernst. Jeder dritte Saarländer ist prekär beschäftigt. Mehr als ein Fünftel aller Vollzeitbeschäftigten arbeitet unterhalb der Niedriglohnschwelle, das ist mehr als der westdeutsche Durchschnitt. 15.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen ihr Einkommen durch Arbeitslosengeld II aufstocken. Ich verweise auf einen Artikel in unserer Heimatzeitung von heute, wo das noch mal klar und deutlich, vielleicht auch bewusst zum heutigen Tage gebracht worden ist. Im Regionalverband Saarbrücken verdienen 3.000 Menschen, die voll arbeiten, zu wenig, um davon leben zu können. Dazu werden noch die Prozentzahlen genannt. Das ist ein Armutszeugnis für das Saarland. Wir müssen uns alle dafür einsetzen, dass das in Zukunft unterbleibt.

Gerade Frauen und junge Menschen sind davon betroffen. Mehr als die Hälfte der Vollbeschäftigten unter 25 Jahren arbeitet hier zu Niedriglöhnen. Vier von zehn zusätzlichen Arbeitsplätzen sind 2010 in der Leiharbeitsbranche entstanden. Da geht es nicht nur darum, die Spitzen abzudecken, Kollege Meiser, sondern das hat leider Gottes so um sich gegriffen, dass wir als LINKE klar und deutlich sagen: Im Grunde genommen müsste Leiharbeit abgeschafft werden, weil es moderne Arbeitnehmersklaverei ist.

(Beifall bei der LINKEN.)

Der Anteil der Leiharbeit am Beschäftigungswachstum liegt im Saarland deutlich über dem Bundesdurchschnitt. 80 Prozent der Leiharbeitsverhältnisse liegen unterhalb der Niedriglohnschwelle. In ganz Deutschland arbeiten 4,1 Millionen Menschen für weniger als 7 Euro pro Stunde, 1,4 Millionen bekommen weniger als 5 Euro. Dafür gibt es keine Ausreden. Jeder von uns kann das selbst feststellen. Wenn ich meinen Friseur nehme, so verdient der gerade mal 6 oder 7 Euro, Trinkgeld nicht mitgerechnet. Die Arbeitgeber rechnen ja manchmal das Trinkgeld mit, was unfair ist. Jeder weiß also, wovon ich rede. Sie können gerne selbst mit den Leuten reden, Kollege Becker, die werden Ihnen bestätigen, was ich gesagt habe. Damit muss endlich Schluss sein. Ein gesetzlicher Mindestlohn muss her!

(Beifall bei der LINKEN.)

Es muss uns berühren, wenn der Niedriglohnsektor massiv ansteigt und Menschen, die Vollzeit arbeiten, trotzdem staatliche Hilfe brauchen. Kollege Becker, das stammt nicht von mir, das stammt von der Ministerpräsidentin, die diesen Satz in einer Plenarsitzung gesagt hat. Im Prinzip hat sie ja recht. Frau Ministerpräsidentin, wenn Sie aber diese Erkenntnis nach zwölf Jahren in der Landesregierung jetzt endlich überfallen hat, dann müssen Ihren Worten auch Taten folgen. Das ist nach meiner Auffassung leider nicht der Fall.

Jetzt im Wahlkampf fordert die CDU auf einmal fairen Lohn für gute Arbeit. Wer ist schuld an der jetzi

(Abg. Linsler (DIE LINKE) )

gen Situation, was das Saarland angeht? Wer hat jahrelang so getan, als seien Niedriglöhne, Leiharbeit und Zeitverträge ein Standortvorteil für das Saarland? Das waren Sie, Frau Ministerpräsidentin, Ihr Vorgänger und die CDU im Saarland! Das muss man so sehen, weil es einfach so ist.

(Beifall bei der LINKEN.)

Wir wollen einen gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde, der für alle Beschäftigten gilt. Die heutigen Anträge nennen 8,50 Euro - wir wollen wie gesagt 10 -, aber es ist der richtige Weg, wir kommen irgendwann - und wahrscheinlich sehr schnell - auf einen höheren Betrag, weil unsere Nachbarländer, die ich nicht mehr aufzuzählen brauche, das schon eine Weile haben.

Bei einem wirksamen Tariftreuegesetz brauchen wir als Maßstab nicht irgendeinen Tarifvertrag. Im Zweifelsfall wird meistens der niedrigere Abschluss genommen. Wir brauchen vielmehr einen repräsentativen Tarifvertrag, also den Tarifvertrag, der bei der Mehrheit der Beschäftigten zählt und nicht irgendeinen ausgesuchten, was es in der Republik schon ein paarmal gegeben hat. Dieser war viel niedriger und die Leute blieben bei 6 oder 7 Euro hängen.

Wir müssen eine echte Kontrollmöglichkeit haben. Das ist wichtig. Wenn ich die nicht habe, dann lasse ich Tür und Tor offen, wie es zum Beispiel beim strikten Rauchverbot ist. In ein paar Kneipen ist gequalmt worden. Ich habe nichts dagegen, aber von Kontrolle oder Überwachung kann da gar keine Rede sein, weil es die Leute ja nicht annehmen.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - auch für Leiharbeiter. Keine Fördermittel mehr für Unternehmen, die zu Leiharbeit und Werkverträgen greifen. Stichwort: Die Firma Höll. Das ist ein solcher Fall gewesen. 4,5 Millionen für das Grundstück, aber keine Forderung von der Landesregierung, was die Arbeitnehmer angeht, die dort ihren Arbeitsplatz verloren haben.

Wir wollen einen öffentlichen Beschäftigungssektor, um Langzeitarbeitslosen neue Perspektiven zu geben. Unsichere Jobs und Billiglöhne sind kein Wettbewerbsvorteil. Ein Mindestlohn bringt mehr Geld in die leeren Staatskassen. Ein Mindestlohn von 10 Euro bringt dem Staat Bundesrepublik Deutschland jährlich über 13 Milliarden Euro mehr in die Kassen - durch zusätzliche Steuereinnahmen, durch weniger Sozialabgaben und durch steigenden Konsum der Leute, die das Geld bekommen.

Wir haben die Chance, etwas zu ändern. Es wäre aber fair, wenn es vor der Wahl klar und deutlich von denen gesagt wird, die in Zukunft vorhaben, die Regierung zu stellen, wenn denn die Wahl am Sonntag - das muss man abwarten - so ausgehen sollte. Die Saarländerinnen und Saarländer haben das Recht

darauf, vor der Wahl zu erfahren, was passiert. Wir LINKE haben vor den Wahlen immer für einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn, für eine Regulierung der Leiharbeit und für echte Tariftreue gekämpft. Das wird auch nach den Wahlen so bleiben. Da bin ich mir sicher. Ich hoffe, Sie machen das wahr, was Sie heute gesagt haben. Das betrifft insbesondere die SPD. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN.)