Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 13. Landtagssitzung. Zur heutigen Sitzung darf ich Gäste auf unseren Zuschauerrängen herzlich willkommen heißen. Es sind Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Freiwilligen Ökologischen Jahres unter Leitung von Herrn Günther von Bünau. Seien Sie uns herzlich willkommen.
Wegen eines stationären Krankenhausaufenthaltes ist unser Kollege Vizepräsident Rolf Linsler für diese Sitzung entschuldigt. Wir wünschen ihm von dieser Stelle aus alles Gute.
Der Minister der Finanzen hat dem Landtag mit Schreiben vom 25. Februar 2013 gemäß § 37 der Landeshaushaltsordnung eine Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im zweiten Halbjahr 2012 übermittelt. Da der Landtag gemäß § 37 Abs. 4 der Haushaltsordnung von den über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben zu unterrichten ist, habe ich die Zusammenstellung den Mitgliedern des Hauses übersenden lassen.
Im Einvernehmen mit dem Erweiterten Präsidium habe ich den Landtag des Saarlandes zu seiner 13. Sitzung für heute, 09.00 Uhr, einberufen und für diese Sitzung die Ihnen vorliegende Tagesordnung festgesetzt.
Die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion hat gemäß § 57 der Geschäftsordnung beantragt, vor Eintritt in die Tagesordnung eine Aktuelle Aussprache zum Thema: „Abstimmung im Bundestag über die Aufnahme von bilateralen Gesprächen mit der französischen Regierung zur Stilllegung grenznaher Kernkraftwerke“ durchzuführen.
Diesen Antrag halte ich nach Prüfung durch die Verwaltung nicht für zulässig im Sinne der Geschäftsordnung und habe ihn deshalb nicht auf die Tagesordnung aufgenommen. Ich will dies kurz begründen. Es geht nicht darum, das Thema Cattenom zu verharmlosen oder zu verschweigen. Dafür ist das Thema viel zu ernst. Der saarländische Landtag hat in vielen Debatten seine Position zu Cattenom deutlich gemacht. In der letzten Legislaturperiode gab es vier Aussprachen und Abstimmungen über Beschlussanträge. Am 10. Oktober 2012, in dieser Legislaturperiode, gab es den letzten Beschlussantrag der Regierungsfraktionen und der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion. Am 16. Januar 2013 wurde in einer Aktuellen Stunde über die angekündigte Laufzeitverlängerung von Cattenom nochmals ausführlich debattiert. Ich darf hinzufügen, dass es in der Sache keine Differenzen zwischen den Landtagsfraktionen gab.
Aber nach 57 Abs. 1 Satz 1 der Geschäftsordnung ist eine Aktuelle Aussprache - und um dieses parlamentarische Instrument geht es heute - zulässig, wenn unter anderem ein aktueller Anlass vorliegt. Für den Punkt „aktueller Anlass“ gibt es Auslegungsregeln. Alles, was in der Sitzung des Erweiterten Präsidiums vor dem Plenum beantragt werden kann, lässt sich später nicht mehr als aktueller Anlass werten. Es kann von daher später nicht mehr als Aktuelle Stunde beantragt werden. Ich will das an folgenden Beispielen verdeutlichen. Das Erweiterte Präsidium tagt regelmäßig donnerstags vor dem Plenum, ab 09.00 Uhr, da wird die Tagesordnung festgelegt. Wenn nun am Freitag oder Samstag danach ein Grubenbeben stattfindet oder ein Störfall in einem Atomkraftwerk eintritt, dann haben wir einen aktuellen Anlass. Dazu kann dann eine Aktuelle Aussprache beantragt werden.
Hier liegt der Fall anders. Die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Bundestagsfraktion hat ihren Antrag im Bundestag am 24. Oktober 2012 eingebracht. Am 12.03.2013 wurde der Antrag im Umweltausschuss des Bundestages mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt. Am 15.03.2013 fand schließlich die Abstimmung im Bundestag statt. Außerdem fand im Bundestag keine inhaltliche Abstimmung über die Thematik grenznaher Kernkraftwerke statt. Es handelte sich lediglich um eine Verfahrensfrage. Der Antrag bezweckte nur eine Aufforderung an die Bundesregierung zur Aufnahme von Gesprächen mit Frankreich. Es steht dem saarländischen Landtag nicht zu, Verfahrensfragen anderer Parlamente zu debattieren. Umgekehrt würden wir uns das auch verbitten.
Nach § 57 Abs. 2 der Geschäftsordnung hat der Landtag über die Aufnahme der beantragten Aktuellen Stunde auf die Tagesordnung zu entscheiden, wenn der Landtagspräsident sie nicht auf die Tages
ordnung setzt. Das ist es, worüber wir abstimmen müssen. Deshalb treten wir jetzt in eine Geschäftsordnungsdebatte ein. Der Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich schon zu Wort gemeldet. Ich will allerdings in dem Zusammenhang noch auf einige Regularien hinweisen. Die Redebeiträge dürfen gemäß § 40 Abs. 2 GO nicht länger als 5 Minuten betragen und sie dürfen nur Bezug nehmen auf die Geschäftsordnungsfragen zur Aktuellen Stunde. Zur Sache darf nicht gesprochen werden. Gemäß § 40 Abs. 1 GO wird die Geschäftsordnungsdebatte auf höchstens einen Redner pro Fraktion beschränkt. - Das Wort hat Herr Fraktionsvorsitzender Hubert Ulrich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich hier zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet, weil wir heute über einen Vorgang diskutieren müssen, der, glaube ich, seit 20 Jahren zum ersten Mal vorkommt. Eine Aktuelle Stunde wird nicht zugelassen, und das bei einem Thema, das für unser Land schon eine gewisse Brisanz hat, nämlich die Atomzentrale in Cattenom.
Herr Präsident, normalerweise kritisiere ich Sie ja nicht, aber es war für mich als Zuhörer ein etwas seltsamer Vorgang, dass Sie mir an dieser Stelle die Geschäftsordnung erläutert haben und uns allen klar gemacht haben: In der Sache, zum Thema selbst, darf nicht geredet werden. Aber was Sie selbst gerade gemacht haben, das war teilweise in der Sache geredet, um das abgesprochene Vorgehen der Großen Koalition in dieser Frage zu legitimieren und zu rechtfertigen. Das heißt, hier ist direkt ein Ungleichgewicht in der Diskussion entstanden.
Hintergrund - damit begründet sich für uns die Aktualität dieser Aktuellen Stunde - ist nicht das Datum eines im Deutschen Bundestag gestellten Antrages, Hintergrund ist die Tatsache, dass letzten Freitag, am 15. März, also einen Tag nach unserer Präsidiumssitzung, in der wir die Tagesordnung für die heutige Plenardebatte festgelegt haben, es eine Debatte im Deutschen Bundestag gab. Erst dann ist eine Entscheidung im Deutschen Bundestag getroffen worden, die natürlich Folgen für unser Land hat. Die Folge besteht darin, dass die Bundesregierung nicht willens ist, dem Antrag der GRÜNEN in Berlin zu folgen und ernsthafte Gespräche mit der französischen Staatsregierung über eine vorzeitige Abschaltung der Atomkraftwerke Cattenom und Fessenheim zu führen. Damit ist die Aktualität gegeben.
Alles das, was jetzt gesagt wurde und gesagt wird, sind an den Haaren herbeigezogene Argumente, denn in der Sache - jetzt rede ich nicht in der Sache selbst - geht es ja um etwas anderes. In der Sache geht es darum, dass insbesondere die CDU-Fraktion ein Problem mit dem Abstimmungsverhalten ihrer
Abgeordneten im Deutschen Bundestag hat. Auf der einen Seite - das ist ja richtig - haben wir hier in diesem Haus einstimmige Resolutionen verabschiedet, die, soweit ich mich erinnere, genau in diese Richtung gehen, dass mit der französischen Staatsregierung Verhandlungen aufgenommen werden sollten, aber bei der entscheidenden Abstimmung im Deutschen Bundestag - damit bin ich zu diesem Thema schon fertig, ich muss es ja begründen können - haben die saarländischen CDU-Abgeordneten genau gegen das gestimmt, was die CDU im saarländischen Landtag als politische Vorgabe mit uns zusammen verabschiedet hat.
Ich finde es beschämend vonseiten der Sozialdemokratie, die inhaltlich an der Seite der GRÜNEN steht, dass sie diese Vorgehensweise mit ihrem Abstimmungsverhalten mit deckt. Das ist einfach undemokratisch. Hier findet heute - das sage ich ganz offen - bei einem inhaltlichen Thema zum ersten Mal eine Zensur statt.
Sie zeigen damit zum ersten Mal klar die Macht einer Großen Koalition. Sie bestimmen mittlerweile auch die Themen, über die wir hier diskutieren können. Das lehnen wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab. Aus diesem Grunde haben wir für heute diese Aktuelle Stunde beantragt. Ich sage es noch einmal: Sie ist in der Sache auch gerechtfertigt durch die Zeitnähe der Abstimmung im Deutschen Bundestag. - Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Werter Kollege Ulrich, wenn Sie hier von Zensur durch die Große Koalition sprechen, will ich Ihnen eines sagen. Der Herr Präsident hat eben sehr deutlich den Zeitablauf der Beratung im Deutschen Bundestag skizziert. Der entsprechende Antrag wurde am 24.10.2012 von den GRÜNEN in den Bundestag eingebracht, am 08.12. gab es die Beratung im Bundestag und die Überweisung in den Ausschuss. Und am 27.02.2013 erging eine Beschlussempfehlung des Ausschusses, die da lautete: Ablehnung.
Sehr geehrter Herr Kollege Ulrich, Sie wussten zu dem Zeitpunkt, als wir im Präsidium des saarländischen Landtages zusammengesessen haben, dass
dieser Antrag im Bundestag - meinetwegen mit Auswirkungen auf unser Land - abgelehnt wird. Es hat Ihnen freigestanden, einen entsprechenden Antrag für die heutige Plenarsitzung zu stellen, und jeder hätte hier gerne mit Ihnen über dieses Thema diskutiert.
(Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Die Präsidiumssitzung war am Donnerstag und die Abstimmung im Bundestag am Freitag! - Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)
Herr Kollege, wenn es im saarländischen Landtag nicht guter Brauch wäre, dass Aktuelle Stunden zu Beginn, also vor Eintritt in die Tagesordnung und nicht mittags oder am Ende der Tagesordnung, stattfinden, hätten Sie hier keinen Antrag auf eine Aktuelle Aussprache gestellt.
Ihnen geht es nicht darum, das Thema zu diskutieren, Ihnen geht es darum, vor Eintritt in die Tagesordnung zu debattieren, weil Sie der Meinung sind, dass Sie dann besser in die Öffentlichkeit kommen. Das, Herr Kollege, ist ein Missbrauch des Mittels der Aktuellen Stunde in diesem Hause.
Wir haben in diesem Parlament über das Thema Cattenom oft und eindringlich diskutiert - in Form von gemeinsam verabschiedeten Anträgen, in Form von Aktuellen Stunden, so auch gerade erst im Januar dieses Jahres. An der Tatsache, dass es hier im Hause eine ablehnende Haltung gegenüber Cattenom gibt, hat sich überhaupt nichts verändert.
Herr Kollege Ulrich, wenn Sie in dem Zusammenhang von Zensur durch die Große Koalition gegenüber der Opposition sprechen, dann sollte man einmal einen Blick auf die heutige Tagesordnung werfen. Fast alle Anträge in der zweiten Hälfte der Tagesordnung kommen von den Oppositionsfraktionen. Sie müssten doch auch ein Interesse daran haben, dass diese Tagesordnungspunkte zu einem Zeitpunkt beraten werden, wo man noch konzentriert zuhören kann und wo man in diesem Haus auch noch ein Publikum hat. Mit Ihrem Antrag, ein Thema vor Eintritt in die Tagesordnung zu beraten, das in diesem Hause zur Genüge behandelt ist, rücken Sie die normalen Tagesordnungspunkte nach hinten und zensieren damit letztlich die öffentliche Wahrnehmung der Debatte hier.
Wenn Sie denn der Auffassung sind, Herr Kollege, dass es in diesem Haus nicht möglich sein sollte, auch mal die Meinung zu vertreten, dass eine Aktuelle Stunde nicht mit den Kriterien der Geschäftsordnung übereinstimmt und man sie daher ablehnt, dann frage ich Sie, warum haben wir überhaupt eine
Geschäftsordnung, in der das festgelegt ist? Dann könnten wir gleich festlegen, dass die Aktuelle Stunde ein Minderheitenrecht ist, wonach jeder jedes Thema vor Eintritt in die Tagesordnung behandeln lassen kann. Dann fände mit Sicherheit jeder einzelne Abgeordnete in diesem Haus nach der Sitzung des Präsidiums irgendeinen Punkt aus irgendeiner Sitzung irgendeines Parlamentes in Deutschland, der Auswirkungen auf das Saarland hat. Dann würden wir künftig alle Themen nur noch in Form von Aktuellen Stunden diskutieren.
Mit Ihrem Antrag und mit Ihrer Argumentation höhlen Sie die Geschäftsordnung dieses Hauses, die sich bewährt hat, aus. Deshalb machen wir das nicht mit und deshalb lehnen wie die Aktuelle Stunde ab. Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor gut einer Woche sind 20.000 Menschen, darunter auch viele Saarländerinnen und Saarländer, auf die Straße gegangen und haben gegen die atomare Bedrohung Menschenketten quer durch Paris gebildet. Und Sie führen hier Geschäftsordnungsdebatten, ob eine Aktuelle Aussprache zu Cattenom gerechtfertigt ist. Ich bitte Sie, das darf doch nicht wahr sein!
Herr Kollege Hans, die Abstimmung im Bundestag war am vergangenen Freitag. Es geht hier nicht um die Position zu Cattenom an sich, es geht um das Abstimmungsverhalten Ihrer Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Es ist das Recht der Opposition, hierzu eine Aktuelle Stunde zu beantragen.
Sehr gerne, Sie auch! Zu Ihnen kommen wir gleich. Der Anlass ist also mehr als gerechtfertigt, der Anlass ist hochaktuell, und wir unterstützen die von den GRÜNEN beantragte Aussprache. Wie gesagt, am Freitag war die Abstimmung im Bundestag. Alle saarländischen CDU-Bundestagsabgeordneten haben dagegen gestimmt, Verhandlungen mit Frankreich aufzunehmen, um Cattenom endlich abzuschalten. Das haben wir ungläubig zur Kenntnis nehmen müssen, und das geht ganz klar gegen die Interessen der Saarländerinnen und Saarländer. Recht hatten Sie, Herr Kollege Jost, als Sie sich in dieser Weise geäußert haben. Wir sind gespannt,
Das Trauerspiel im Bundestag wurde dann im Nachgang noch getoppt durch Äußerungen saarländischer Bundestagsabgeordneter. Der Antrag zur Aufnahme von Verhandlungen mit Frankreich wegen Cattenom habe keinen politischen Mehrwert. Das ist für uns die Begründung für die Beantragung der Aktuellen Stunde. Kein politischer Mehrwert - ich bitte Sie! Wenn man sich dermaßen devot der Fraktionsdisziplin unterwirft und es ablehnt, sich als Saarländerin und Saarländer im Bundestag offen gegen den Schrottreaktor Cattenom auszusprechen,