Protocol of the Session on April 20, 2016

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Um es nochmals in aller Deutlichkeit zu sagen: Weder ein Polizeilicher Ordnungsdienst als Hilfspolizisten eingesetzt noch die bestens ausgefeilten technischen Überwachungsmaßnahmen können gut ausgebildete und qualifizierte Polizistinnen und Polizisten in unserem Land ersetzen.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Wir brauchen mehr Polizeipersonal in der Fläche. Beim vorhandenen ist die Belastungsgrenze längst erreicht. Eine Verstärkung des Polizeiapparates ist dringend erforderlich.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Einen Stopp dieses Personalabbaus fordert aktuell auch die junge Gruppe der GdP. Sie hat mit einer Infoaktion mit dem Titel „4 nach 5 vor 12 - Zeit für Sicherheit“ in St. Ingbert begonnen. Diese Aktion soll auch in weiteren saarländischen Städten stattfinden. Die Gewerkschaft der Polizei geht also selbst zunehmend auf Distanz zum Stellenabbau bei der Polizei und weist einerseits auf die Belastungssituation hin, andererseits aber auch auf die Nichteinhaltung von Vereinbarungen durch die Landesregierung.

In einer GdP-Mitgliederbefragung als Zwischenbilanz zur Polizeireform 2020 kritisiert die GdP zur Umsetzung der Polizeireform, dass bislang mehr Stellen abgebaut wurden, als ursprünglich vereinbart war, weil auch Stellen im Bereich der Tarifbeschäftigten abgebaut worden seien. Diese Tarifbeschäftigten sollten aber eigentlich den Stellenabbau im Bereich der Vollzugsbeamten abfedern, indem sie beispielsweise administrative Büroarbeiten der Beamtinnen und Beamten übernehmen. Somit hätten die Beamtinnen und Beamte mehr Zeit für den Streifendienst, die Kriminalitätsbekämpfung und vieles mehr. Ich verwende bewusst den Konjunktiv „hätten“, denn, so die GdP, diese Verlagerung von Büroarbeit, die die Beamten viel Zeit kostet, scheint nicht wie geplant zu funktionieren. Damit können die Beamtinnen und Beamten auch keine zufriedenstellende Präsenz in der Fläche zeigen. Die Gewährleistung einer hinreichenden Bürgernähe rückt im Hin

blick auf einen weiter geplanten Stellenabbau der saarländischen Polizei in weite Ferne.

Die Präsenz der saarländischen Polizei in der Fläche ist auch aus einem anderen Grund in Gefahr. Die sogenannten B-Inspektionen, vor allem im ländlichen Bereich, sind nur mit wenig Personal und auch nicht mehr rund um die Uhr besetzt. Die Folge: Die Beamtinnen und Beamten der A-Inspektionen müssen für die B-Inspektionen Unterstützungsleistungen erbringen und sind so natürlich in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt. Insgesamt wird bei der aktuellen Aufbauorganisation eine personelle Unterbesetzung in der Fläche beklagt, die den Anforderungen der Bürgernähe nicht mehr gerecht wird. Hinzu kommt, dass die in der Reform zugesagten jährlichen 100 Neueinstellungen bislang auch nicht realisiert sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die zuletzt genannten Punkte sind nicht meine Feststellung, sondern die der Gewerkschaft der Polizei in ihrer Mitgliederbefragung im Jahr 2015, die eine Beteiligung von 66 Prozent hatte und damit repräsentativ ist. Das heißt also, auch die Gewerkschaft der Polizei sieht die Umsetzung der Polizeireform mittlerweile kritisch und fordert mehr Personal. Mehr Personal fordert auch die andere Gewerkschaft. Die Deutsche Polizeigewerkschaft hat dazu eine Online-Petition an uns Landtagsabgeordnete mit der gleichen Forderung gerichtet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, geben Sie sich einen Ruck. Schlagen Sie im Interesse einer besseren Sicherheitslage und einer größeren Bürgernähe unserer Polizei einfach einen neuen Kurs ein. Beenden Sie den Stellenabbau bei der Polizei und stellen Sie wieder mehr Polizisten neu ein. Unserer Auffassung nach müssten es jährlich 110 sein, da die jetzige Quote, zurzeit sind es 90, noch nicht einmal der damaligen Vereinbarung mit der GdP von 100 entspricht. Ändern Sie Ihren Kurs.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Auch wenn Sie jetzt sagen, die Ausbildung der jungen Kommissaranwärter dauert einige Jahre, bis sie zur Verfügung stehen - das ist ja auch die Argumentation für den Polizeilichen Ordnungsdienst -, so muss ich entgegnen, das reicht uns nicht. Das muss schneller gehen. Wir sagen, auch wenn die Ausbildung einige Jahre dauert, so müssen wir doch zur Kenntnis nehmen, dass sich auch in einigen Jahren die Sicherheitslage in diesem Land nicht verbessert haben wird, dass auch in einigen Jahren die Kriminalitätsbekämpfung und die Kriminalitätsprävention genauso notwendig sein werden wie heute. Insofern ist heute ein Kurswechsel in der Einstellungspolitik der Polizei dringend erforderlich, um für die Anforderungen und Herausforderungen von morgen im Be

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) )

reich der inneren Sicherheit und Kriminalitätsprävention gut gerüstet zu sein. Dafür müssen wir den Kurs heute ändern.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag. Es liegt seit gestern ein Antrag der Großen Koalition vor. Dazu möchte ich nur Folgendes sagen. Der Antrag ist aus meiner Sicht an Dürftigkeit nicht zu überbieten.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Ich persönlich würde mich schämen, der hoch belasteten Polizei mit einem solchen Antrag voll mit Worthülsen und Hohlsätzen gegenüberzutreten. Da steht überhaupt nichts drin. Kein einziger Satz in Richtung der Erwartung einer perspektivischen Verbesserung der Situation für die Polizei ist in diesem Antrag zu finden. Das Mindeste, was zu erwarten gewesen wäre, ist, dass Sie einen Prüfauftrag zur Verbesserung der Belastungssituation bei der Polizei hineingeschrieben hätten, aber noch nicht einmal das ist der Fall. Ich würde mich für einen solchen Antrag gegenüber der saarländischen Polizei sehr schämen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Zur Begründung des Antrages der Koalitionsfraktionen erteile ich Herrn Abgeordneten Günter Becker das Wort.

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie sehen wegen dieses Antrags einen sehr verschämten Vertreter der Regierungskoalition am Mikrofon. Ich hoffe, ich kann einiges aufklären.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Da sind wir aber mal gespannt!)

Die Gewerkschaften und die Landesregierung haben vereinbart, dass bis zum Jahre 2020 im Rahmen der Schuldenbremse insgesamt 10 Prozent, 2.400 Stellen im Landesdienst abgebaut werden. Von diesen 2.400 Stellen entfallen rund 300 auf den Bereich der Polizei. Die Zahl der Neueinstellungen bei der Polizei soll - orientiert am Abbau der Stellen zwischen 80 und 100 Anwärtern betragen. Damit wollen wir die schwierige Altersstruktur der Polizei viele Polizeibeamte sind über 50 Jahre alt - verändern und die Polizei insgesamt verjüngen.

Auch wenn einige es nicht mehr hören wollen: Aufgrund der verfehlten Einstellungspolitik in den Neunzigerjahren fehlt uns eine ganze Generation innerhalb der Polizei. Deshalb haben wir viele junge und ältere Polizeibeamte, die mittlere Generation aber

fehlt. Das führt auch dazu, dass in den nächsten Jahren viele Polizeibeamte in den Ruhestand gehen werden.

Durch die vereinbarten Neueinstellungen zwischen 80 und 100 Anwärterinnen und Anwärtern soll schnellstmöglich eine Verjüngung erfolgen. Die ausscheidenden Beamtinnen und Beamten werden durch jüngere und unter Umständen auch vielseitiger verwendbare Beamtinnen und Beamte ersetzt werden. Ziel war es, entsprechend der Schuldenbremse den Polizeikörper um die besagten 300 Personen zu verkleinern.

Nun ist die Welt seit Abschluss dieser Vereinbarung nicht stehen geblieben. Die Sicherheitslage hat sich extrem verändert. Terroranschläge, die Flüchtlingssituation, die immer verstärkter auftretende Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte und andere Sicherheitskräfte erfordern ein ständiges Überdenken der Gesamtsituation. Über 250.000 Überstunden bei der Polizei,

(Abg. Huonker (DIE LINKE) : 260.000!)

auch wenn sie größtenteils vergütet wurden und erklärbar sind, und ein hoher Krankenstand zeugen davon, dass unsere Polizei an Grenzen stößt. Aus diesem Grund haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten zahlreiche Maßnahmen ergriffen beziehungsweise auf den Weg gebracht, die die Arbeit der Polizei unterstützen, erleichtern und effektiver machen sollen. Für diese Maßnahmen haben wir aber weder die LINKEN noch die GRÜNEN mit ihrem heutigen Antrag gebraucht.

(Abg. Huonker (DIE LINKE) : Wir haben doch gar keinen Antrag gestellt!)

Es ist schon ein Treppenwitz, wenn sich gerade GRÜNE und LINKE als Hüter der Interessen der Polizei aufspielen. Ich bin 17 Jahre im Landtag. In den vergangenen 17 Jahren, die ich dem Parlament angehöre, sind diese beiden immer damit aufgefallen, dass sie versucht haben, wann immer eine vermeintliche Verfehlung seitens der Polizei in den Medien auftauchte, diese zu skandalisieren und dem Landtag darüber berichten zu lassen. Ich habe in den gesamten 17 Jahren nicht ein einziges Mal erlebt, dass LINKE oder GRÜNE einen Bericht von der Landesregierung angefordert hätten, in dem es um Gewalt oder Angriffe gegen unsere Polizeibeamten gegangen wäre. Das habe ich niemals erlebt. Grundsätzlich war das immer die Aufgabe der CDU und in den letzten Jahren der Koalition. Ich bin mir sicher, dass sich unsere Polizeibeamtinnen und -beamten nicht blenden lassen und wissen, was sie an der Koalition von CDU und SPD in diesem Lande haben.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) )

Was machen wir? - Innenminister Bouillon hat es als die größte Nachpersonalisierung im Bereich der saarländischen Sicherheitsbehörden seit 20 Jahren bezeichnet. Das ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen, aber immerhin: Es steckt einiges an Wahrem drin. Das Innenministerium hat in Zusammenarbeit mit der Führung der saarländischen Polizei ein Konzept erarbeitet, das insbesondere eine personelle Aufstockung im Bereich der saarländischen Polizei sowie des Landesamtes für Verfassungsschutz vorsieht.

Was ist das im Einzelnen? - Da möchte ich, Herr Kollege, die viel gescholtene Schaffung des sogenannten Polizeilichen Ordnungsdienstes mit 30 Personen erwähnen. Vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Sicherheitslage und der Belastung der Vollzugspolizei bedarf es einer schnellen Entlastung der Vollzugspolizei bei Aufgaben, zu deren Bewältigung nicht unbedingt eine voll ausgebildete Kommissarin oder ein voll ausgebildeter Kommissar notwendig ist. Diese Personen des Polizeilichen Ordnungsdienstes sind Hilfspolizeibeamte, sie können die Vollzugspolizei beim Objektschutz, bei Wachaufgaben, bei der Verkehrsüberwachung sowie bei der Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer unterstützen.

Mit dem Polizeilichen Ordnungsdienst soll die Vollzugspolizei für originäre polizeiliche Aufgaben freigestellt sowie die Polizeipräsenz in der Fläche gestärkt werden. Man muss dabei wissen: Bis ein Polizeikommissaranwärter ausgebildet ist und im Dienst eingesetzt werden kann, vergehen vier Jahre. Das ist richtig. Innerhalb von drei Monaten - so lange dauert diese Ausbildung - kann durch den Polizeilichen Ordnungsdienst eine spürbare Entlastung der Vollzugspolizei erfolgen, also kurzfristig.

Darüber hinaus werden wir im Bereich des Landespolizeipräsidiums insgesamt 15 Tarifbeschäftigte, darunter eine Islamwissenschaftlerin oder einen Islamwissenschaftler, befristet auf zwei Jahre neu einstellen. Dies entlastet die Vollzugspolizei ebenfalls teilweise von polizeilichen Einsatzaufgaben. Damit wird zusätzlich ein Abziehen aus der Fläche verhindert.

Wir binden weiterhin 20 pensionierte Polizeibeamte auf 450-Euro-Basis beim Objektschutz und bei Wachaufgaben mit in die Polizeiarbeit ein. Wir verlagern vier Polizeibeamtinnen oder -beamte aus dem Bereich des Landespolizeipräsidiums in das Landesamt für Verfassungsschutz. Diese werden im Bereich operative Informationsbeschaffung eingesetzt. Hinzu kommt noch ein weiterer Beschäftigter im Bereich „Grundsatz und Auswertung“. Damit wird das Landesamt für Verfassungsschutz personell aufgestockt, um weiter aktiv in der Terrorbekämpfung tätig bleiben zu können. Bei den Polizeikommissaranwärterinnen und -anwärtern werden in den Jahren

2016/2017 jeweils zehn zusätzliche Stellen geschaffen. Demnach werden in 2016 und 2017 jeweils 90 anstatt der vorgesehenen 80 Anwärter eingestellt.

Dieses gesamte Sicherheitspaket kostet uns zusätzlich 5 Millionen Euro, ein großer Betrag für ein Haushaltsnotlageland. Jeder Euro, meine Damen und Herren, der in die Sicherheit unseres Landes gesteckt wird, ist ein gut angelegter Euro.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich bin sicher, dass dieses Konzept deutlich zur Stärkung der Einsatzfähigkeit und zur Entlastung unserer Beamtinnen und Beamten und zur Sicherheit unserer Bevölkerung beiträgt. Die Sicherheit der Menschen in unserem Land und die Sicherheit unserer Polizeibeamtinnen und -beamten selbst haben bei uns oberste Priorität.

Aus diesem Grund haben wir nicht zuletzt zur Eigensicherung durch die Änderung des Polizeigesetzes die Einführung von Körperkameras ermöglicht. Gemessen an den Einwohnerzahlen steht das Saarland nämlich nach den Stadtstaaten Bremen, Berlin und Hamburg mit an der traurigen Spitze, was den Widerstand gegen Polizeibeamte angeht. Im Jahr 2014 waren über 1.100 Polizistinnen und Polizisten betroffen. Wir erhoffen uns von der Einführung der Kameras eine deeskalierende und auch abschreckende Wirkung. In anderen Bundesländern, in denen die Kameras bereits eingeführt sind, haben sich Angriffe auf Polizeibeamtinnen und -beamte um 40 Prozent reduziert. Wir hoffen natürlich, dass dies im Saarland auch der Fall sein wird.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Meine Damen und Herren, Sie sehen, wir machen sehr viel, was die Sicherheit unseres Landes stärkt. Wir stehen zu unserer Polizei. Wir geben ihr die notwendige Sicherheit, dass der Staat und die verantwortliche Politik hinter der Polizei und ihrem Handeln stehen. Auch das war nicht immer so in diesem Lande und das gilt auch nicht für alle in diesem Parlament, behaupte ich. Die Verantwortlichen in diesem Lande stehen zur Polizei, hier wiederhole ich mich gerne noch einmal.

Ich vermag heute nicht mit Sicherheit zu sagen, dass das, was bisher geschehen ist und was wir vorhaben, ausreicht, um unsere Probleme und die Probleme der Polizei zu lösen. Die Situation wird sich aber mit Sicherheit verbessern. Ich vermag auch nicht zu sagen, ob es für alle Zeiten bei der Einstellungszahl 90 bleiben wird. Niemand kann im Moment die Entwicklung abschätzen und sagen, wie in Anbetracht der Krisenherde in der Welt und der noch zu erwartenden Flüchtlingsströme die Zukunft aussieht, auch nicht, welche Probleme auf uns zukommen werden.

(Abg. Becker (CDU) )

Wir würden doch alle sofort der Einstellung von 120 Polizeibeamtinnen und -beamten jährlich zustimmen, wenn die Haushaltslage es erlauben würde, das ist doch keine Frage! Aber wir haben eine Gesamtverantwortung für dieses Land und können es uns leider Gottes nicht so leicht machen, wie es die Opposition im Moment tut. Dennoch kann ich für meine Partei und, denke ich, für die Regierungskoalition insgesamt versprechen, dass wir hier alles genau im Auge behalten werden. Wenn es notwendig wird, werden wir auch an der einen oder anderen Stelle nachsteuern. Wir müssen und werden da flexibel bleiben.

(Abg. Huonker (DIE LINKE) : Hört, hört!)

Hör, hört! - Ich möchte zum Schluss nur alle, die zurzeit populistisch nach mehr Polizei schreien, auffordern, dann, wenn es darum geht, die Polizei auch mit dem notwendigen sachlichen und rechtlichen Rüstzeug auszustatten, ebenfalls zuzustimmen. Vorratsdatenspeicherung, Videoüberwachung, verbesserte Eingriffsrechte der Polizei sind kein Teufelszeug, sondern sie dienen letztendlich der Polizei und den Ermittlungsbehörden und erhöhen die Sicherheit in unserem Land. Was nutzen uns 1.000 Polizeibeamte mehr, wenn wir sie nur mit Wattebäuschchen ausstatten?