Protocol of the Session on November 9, 2016

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Es ist eine Tradition dieses Hauses und unser gemeinsames Anliegen, tatsächliche Diskriminierungen zu beheben. Das ist so - und war schon in den vergangenen Legislaturperioden so - bei der Beseitigung tatsächlicher Diskriminierungen im Landesrecht, das ist und war so bei der Gleichstellung verpartnerter Lebensgemeinschaften im Landesdienst, also in der Funktion des Landes als Arbeitgeber, und es war so beim Diskriminierungsverbot und dessen Aufnahme in die Verfassung des Saarlandes. Die Beseitigung tatsächlicher Diskriminierung - es ist mir wichtig, das an dieser Stelle festzuhalten - ist ein Anliegen meiner Fraktion und ist zu Recht auch ein Anliegen des gesamten Parlaments. Das sollte am Beginn dieser Debatte stehen. Dafür steht auch die CDU-Fraktion, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU.)

Es ist aber in der Tat auch eine Frage - darauf ist zu Recht hingewiesen worden und ich will da auch gar nicht um den heißen Brei herumreden -, in der sich die Union für einen schwierigen Weg, nämlich für den Weg einer intensiven Debatte innerhalb der CDU entschieden hat. Wir haben es uns auf den vergangenen Bundesparteitagen, aber auch in Gremien der Landespartei nicht leicht gemacht und ja, das ist kein Geheimnis, in der Union besteht über diese gesellschaftspolitische Frage Meinungsvielfalt. Ich will nicht zitieren, aber an der Stelle kann ich feststellen: Das ist auch gut so! Vielfalt in den Meinungen gehört in gesellschaftspolitischen Fragen zu einer Volkspartei, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und bei der SPD.)

Ausgangspunkt dieser Debatte innerhalb der CDU sind zwei Grundüberzeugungen, und die will ich an der Stelle darlegen, weil es mir wichtig ist. Ansonsten führen wir ja diese Debatte zum erneuten Male ohne einen wirklich konkreten Anlass - ohne das Anliegen damit herabwürdigen zu wollen. Ich will darlegen, welche beiden Grundüberzeugungen innerhalb der Union, und zwar sowohl bei Befürwortern als auch bei Gegnern der sogenannten Ehe für alle, am Beginn stehen und uns einen.

Das Erste ist das Bekenntnis zu der wichtigen gesellschaftlichen Funktion des tradierten Instituts der

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) )

Ehe als dauerhafter Verbindung von Mann und Frau. Ja, ich gestehe zu, wir Konservativen tun uns schwer damit, Bewährtes zu verändern. Mein Eindruck ist im Übrigen gerade auch bei den Befürwortern der Ehe für alle in der Union, dass gerade diese das Institut der Ehe besonders schätzen und es gerade deshalb auch für diese Gruppe von Menschen erreichen wollen. Sie sehen, wir tun uns damit nicht leicht, aber diese erste Feststellung ist mir wichtig.

Die zweite Feststellung, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist - und auch das eint Befürworter wie Gegner -, dass jenseits der rechtlichen Würdigung der Verpartnerung von Menschen gleichen Geschlechts die gemeinsame Überzeugung steht, wenn zwei Menschen füreinander freiwillig Verantwortung übernehmen, wenn zwei Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht und unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung gemeinsam glücklich werden wollen, dass dann jenseits der rechtlichen Definition dieses persönliche Glück, diese persönliche Bereicherung auch ein Glück für unsere Gesellschaft ist. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist der zweite Ausgangspunkt, der in der Union Befürworter und Gegner eint. Deshalb steht auch dies für uns im Zentrum dieser Debatte.

(Beifall von der CDU.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb gilt für uns: Auch wenn die Antworten auf die konkrete Fragestellung unterschiedlich ausfallen mögen - die Werte, die dahinterstehenden Grundüberzeugungen sind gemeinsame. Und deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, führen wir in der Union diese Debatte, der Bedeutung für das persönliche Glück der Menschen und der Bedeutung im Hinblick auf das Institut der Ehe gerecht werdend, ohne Hast. Denn gesellschaftliche Veränderungen in einem Land wie dem unseren müssen so gestaltet werden, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt dabei nicht auf der Strecke bleibt. Ich glaube, gerade an diesem Tag können wir erkennen, was wir davon haben, wenn gesellschaftlicher Zusammenhalt besteht, weil gesellschaftliche Veränderungen die Menschen mitnehmen. Und weil diese Debatte noch nicht abgeschlossen ist, weil wir uns damit nicht leichttun, weil wir um die beste Lösung ringen, werden wir heute Ihrem Antrag nicht zustimmen. Wir werden das Thema aber weiter diskutieren und wir werden weiter um den besten Weg ringen. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und bei der SPD.)

Das Wort hat für die PIRATEN-Landtagsfraktion Frau Abgeordnete Jasmin Freigang.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ein Antrag mit gleichem Inhalt, ähnlich formuliert, hatten wir PIRATEN bereits im Juni vergangenen Jahres vorgelegt. Unsere Ansichten haben sich seitdem nicht geändert. Leider ist das Thema politisch noch immer aktuell, da sich in dieser Sache noch immer nichts bewegt hat. Insofern ist es schon richtig, dass wir heute hier noch einmal darüber sprechen. Denn steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein, und ich bin davon überzeugt, dass eines Tages auch homosexuelle Menschen den Bund der Ehe eingehen dürfen.

(Beifall von PIRATEN und GRÜNEN.)

Den Anlass, heute hier noch einmal darüber zu sprechen, bot, so ist dem Antrag zu entnehmen, eine Äußerung des SPD-Bundesjustizministers Heiko Maas, der sich in einem Schreiben der MagnusHirschfeld-Stiftung zum Thema geäußert hat. Das zeigt, dass auch wir hier im Saarland weiterhin Signale nach außen senden, dass auch im Saarland die Ehe für alle gewollt ist. Schade nur, dass sich das Saarland in der Bundesratsabstimmung enthalten hat.

Zwei Drittel der Bevölkerung wollen die Öffnung der Ehe für homosexuelle Menschen haben. Zwei Drittel der Bevölkerung, auch der saarländischen Bevölkerung, sind fortschrittlicher, als es die Parlamente oftmals in ihren Abstimmungen sind. Das restliche eine Drittel, es wurde eben bereits gesagt, ist noch nicht dafür. Ich möchte aber auch sagen: Der Anteil dieses einen Drittels der Bevölkerung, der Nachteile davon hätte, wenn die Ehe für alle geöffnet wäre, oder besser gesagt, wenn die Ehe auch für Homosexuelle geöffnet wäre, der passt in dieses Wasserglas.

(Die Rednerin hält ein Trinkglas in die Höhe.)

Denn es gibt keine Menschen, denen ein Nachteil entsteht, wenn Homosexuelle die Ehe eingehen dürfen.

(Beifall von PIRATEN und GRÜNEN.)

Viele Länder in Europa - die Niederlande, Spanien, Belgien, Schweden, Portugal, Dänemark, selbst das stark christlich geprägte Irland - haben den gesellschaftlichen Wandel im Gesetz fixiert. Dort ist die Ehe geöffnet. Ich werde mich freuen, wenn das eines Tages auch in Deutschland der Fall sein wird. Es wird kommen, es bleibt nur die Frage, wann das sein wird.

Wir PIRATEN meinen, dass das besser früher als später so sein sollte. Wir stimmen daher dem Antrag der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Fraktion zu. Er enthält ja, wie bereits erwähnt, das Gleiche, das wir bereits im vergangenen Jahr gefordert haben und eben auch weiterhin fordern. Ich schaue auf die aus mei

(Abg. Theis (CDU) )

nem Blickwinkel rechte Seite dieses Plenums: Ich hoffe, dass Sie sich einen Ruck geben. Stimmen Sie für die Öffnung der Ehe! Beenden Sie die Diskriminierung! - Danke sehr.

(Beifall von PIRATEN, GRÜNEN und bei der LIN- KEN.)

Das Wort hat für die SPD-Landtagsfraktion Frau Abgeordnete Petra Berg.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Klartext: Die SPD steht für die Öffnung der Ehe. Und an dieser Stelle möchte ich festhalten, dass dieses Thema natürlich sehr persönlich ist und auch sehr persönlich diskutiert wird. Für meine Person will ich sagen: Ich selbst habe vor 27 Jahren geheiratet. Ich war frei darin, mir meinen Partner auszusuchen. Und ich möchte, dass alle Menschen frei darin sind, sich ihren Partner oder ihre Partnerin auszusuchen und mit ihm beziehungsweise ihr die Ehe einzugehen.

(Beifall von der SPD, B 90/GRÜNE und PIRA- TEN.)

Ich stelle dazu des Weiteren fest: Für mich war der Ausschluss homosexueller Paare von der Ehe noch nie zeitgemäß. Er war es vor 27 Jahren nicht und er ist auch heute nicht zeitgemäß. Er war es noch nie, denn Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität war für uns noch nie zeitgemäß und sollte auch nie zeitgemäß sein.

(Beifall von der SPD, B 90/GRÜNE und PIRA- TEN.)

Dafür, dass homosexuelle Paare tatsächlich gleichgestellt werden, kämpft die SPD im Land und im Bund mit einer Reihe von Gesetzesinitiativen. Ob ein Mann einen Mann heiratet, eine Frau eine Frau, ein Mann eine Frau oder eine Frau einen Mann, das ist doch letztlich gleichgültig. Denn wenn, liebe Kolleginnen und Kollegen, Menschen füreinander einstehen, dann sollte der Staat das unterstützen, nicht aber verhindern. Wenn Menschen aus freiem Entschluss die Rechte und Pflichten einer ehelichen Gemeinschaft eingehen wollen, dann soll ihnen das ermöglicht werden, egal, welchem Geschlecht sie angehören.

Die Möglichkeit der Eheschließung, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss endlich auch gleichgeschlechtlichen Paaren offenstehen. Das ist unsere Grundüberzeugung, das ist die Grundüberzeugung der SPD. Ich und alle meine Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion stehen deshalb voller Über

zeugung hinter unserem Bundesjustizminister Heiko Maas und stützen ihn auch bei seinen Initiativen.

(Beifall von der SPD.)

Dies zur inhaltlichen Positionierung der SPD, die nicht neu ist und für niemanden in diesem Hause überraschend sein kann. Wir haben ja schon des Öfteren diese Frage diskutiert, immer mit gleichen Inhalten. An den Positionen hat sich nichts geändert: Die SPD steht zu ihren Positionen. Auch die Positionierung unseres Koalitionspartners, wie sie der Kollege Roland Theis eben dargestellt hat, ist nicht überraschend.

(Zuruf des Abgeordneten Lafontaine (DIE LIN- KE).)

Und ebenso wenig überraschend sind, Herr Lafontaine, die Spielregeln von Koalitionsvereinbarungen. Auch Sie kennen sie! Jeder in diesem Hause kennt sie.

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Das steht aber doch trotzdem im Koalitionsvertrag!)

Daher stellt sich doch an dieser Stelle berechtigterweise die Frage, welchen Sinn es wohl hat, dieses Thema nun schon zum wiederholten Male zum Gegenstand einer Debatte hier im Landtag zu machen. Ja, das ist ein sehr wichtiges Thema. Ja, es berührt die Gesellschaft immer wieder. Es haben sich aber, das hat auch Frau Spaniol dargestellt, die Positionierungen in diesem Hause nicht geändert. Die Landtagsparteien bleiben bei ihren Positionierungen. Das Bedürfnis, auf diese symbolträchtigen Themen zu setzen, scheint beim Antragsteller deutlich stärker ausgeprägt als das Bedürfnis, sich in die Niederungen der normalen, noch offenen politischen Prozesse zu begeben.

(Beifall bei den Koalitionsfraktionen. - Abg. Kes- sler (B 90/GRÜNE) : Das ist eine Unterstellung!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es hat sich doch tatsächlich nichts geändert! Sie wissen genau, welche Position die SPD vertritt, auch nach außen immer vertreten hat, und wir werden auch heute hier nichts anders sagen. Dieses Spiel hier, diese Scheindebatte, wird von den mündigen Bürgerinnen und Bürgern sehr schnell durchschaut werden.

Ich möchte noch eines hinzufügen: Es ist ja nicht so, dass sich die GRÜNEN, kaum sind sie in der Regierungsverantwortung, nicht mehr um dieses Thema kümmern werden. Und es kommt noch hinzu, dass sich die GRÜNEN sehr schnell auch wieder von diesem Thema verabschieden. Ich will das an einem ganz konkreten Zitat deutlich machen; ich darf mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, den grünen Ministerpräsidenten Kretschmann zitieren, der gesagt hat: „So ist und bleibt die klassische Ehe die bevorzugte Lebensform der meisten Menschen - und das ist

(Abg. Freigang (PIRATEN) )

auch gut so.“ Sie kennen sicherlich auch das alte Zitat unseres Berliner Landeschefs Klaus Wowereit, der gesagt hat: „Ich bin schwul - und das ist auch gut so.“ Hieran zeigt sich ganz klar: Die SPD steht unverrückbar hinter ihren Positionen und setzt sie auch um, sobald sich politische Konstellationen ändern. Die SPD ist die politische Konstante in dieser Debatte.

Wie verhält es sich mit den GRÜNEN, wenn sie in einem schwarz-grünen Bett liegen, das von einigen ja bereits aufgeschüttet wird? Dann wird es für die GRÜNEN die Öffnung der Ehe nicht mehr geben.

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) : Das ist doch Spekulation.)

Das muss doch auch hier ganz ehrlich gesagt werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle Parteien in diesem Hause täten angesichts des Vertrauensverlustes, dem Politikerinnen und Politiker aktuell gegenüberstehen, gut daran, weniger auf Show als auf Ehrlichkeit und die Erklärung demokratischer Prozesse zu setzen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Abg. Pauluhn (SPD) : Der Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN ist gar nicht da.)

Niemand mehr will diese Politshow. Es gehört dazu, dass die Opposition lautstark das Einstehen für Positionen einfordern kann. In einer Regierungskoalition aber muss man nun einmal Kompromisse eingehen, das ist das Wesen einer Koalition, wenn sie funktionieren soll. Auch das gehört zur Ehrlichkeit.

(Zuruf der Abgeordneten Huonker (DIE LINKE) und weiterer Abgeordneter.)