Protokoll der Sitzung vom 15.05.2019

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden dieses alberne Spiel der AfD nicht mitspielen. Erst sind Sie gegen unseren Entwurf, dann schreiben Sie ihn ab. Das ist einfach nur peinlich und deswegen werden wir uns an der Abstimmung über unseren abgekupferten Antrag auch nicht beteiligen.

(Beifall von der LINKEN.)

Natürlich stehen wir inhaltlich weiter dahinter, dass wir junge Menschen beteiligen wollen.

(Sprechen des Abgeordneten Pauluhn (SPD).)

Fridays-for-Future bestätigt ja, dass junge Menschen sich auch engagieren können. Sie dürfen durchaus auch mit politischer Verantwortung belastet werden. Auch die SPD ist für das Wahlrecht ab 16. Das wissen wir spätestens, seit kurz vor der Wahl ein Papier geleakt wurde, aber in der Realität

lehnt ihr ja leider die Gesetzentwürfe ab, die wir zum Wahlrecht ab 16 gemacht haben. Ihr begründet das mit der Nibelungentreue zur CDU, dabei hat auch in der CDU inzwischen - zumindest im Kreis St. Wendel - ein Umdenken stattgefunden. Es ist ja auch widersinnig. Man kann mit 16 eine Ausbildung starten und muss Steuern zahlen. Das hat man schon vorher bei der Mehrwertsteuer getan. Also muss man doch auch mit entscheiden können, was mit dem Geld letztendlich passiert.

Auch die Bundeswehr wirbt fleißig Minderjährige an. Im letzten Jahr wurden 1.679 Soldatinnen und Soldaten eingestellt, die zum Einstellungsdatum noch nicht volljährig waren. Es ist also dringend notwendig, dass wir dieses Missverhältnis beenden. Tatsächlich haben 10 von 16 Bundesländern bereits ein kommunales Wahlrecht, in 4 von 16 Bundesländern gibt es das Wahlrecht für Minderjährige bereits auf Landesebene. Warum sollte das im Saarland nicht auch möglich sein? Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung für unseren Antrag.

(Beifall von der LINKEN.)

So weit die Gesetzesbegründungen. Wir haben jetzt eine Wortmeldung vom Vorsitzenden der AfD-Landtagsfraktion Josef Dörr zu einer Kurzintervention.

Bevor ich Ihnen das Wort erteile, Herr Dörr, möchte ich darauf hinweisen, dass die Bezeichnung einer Fraktion als „Diebesbande“, was Sie, lieber Kollege Lander, in Richtung AfD gesagt haben, nicht parlamentarisch ist. Ich bitte also darum, insgesamt auf die Wortwahl zu achten. Wir können in der Sache heftig streiten, sollten aber, was unsere Wortwahl angeht, etwas zurückhaltender sein. - Nun Herr Josef Dörr zu einer Kurzintervention.

Herr Toscani, herzlichen Dank für die klaren Worte. Ich sehe es auch als sehr unpassend an, eine Fraktion mit einem Schimpfwort zu belegen. Wir von der AfD-Fraktion tun das nie.

(Lautes Lachen und heftige Gegenrufe von den übrigen Fraktionen.)

Wir beleidigen nicht einzelne Personen, vor allen Dingen hat von mir noch niemand gehört, dass ich jemanden als Diebesbande bezeichnet habe.

(Abg. Berg (SPD) : Das ist keine Kurzintervention! Er muss doch zur Sache sprechen. Das ist eine persönliche Anmerkung! - Weitere Zurufe von den Regierungsfraktionen.)

Was die Sache betrifft: Wenn immer wieder gesagt oder mir untergeschoben wird, ich wäre ungerecht gegenüber Behinderten, dann weise ich darauf hin, dass ich mein Leben lang mit Behinderten gearbeitet

(Abg. Lander (DIE LINKE) )

habe, im Gegensatz zu anderen, die diese Leistung noch vorzeigen müssen.

(Heftige Zurufe. - Abg. Scharf (CDU) : Sie sind ein geistiger Brandstifter! Ein Brandstifter!)

Herr Kollege Dörr, in einer Kurzintervention geht es darum, zur Sache zu sprechen. Ich hatte zur Äußerung des Kollegen Lander einen Hinweis gegeben. Es geht jetzt um das Wahlalter mit 16.

Ich bin fertig.

Ich frage den Kollegen Lander, ob er sich noch einmal äußern möchte. Nach einer Kurzintervention besteht ja die Möglichkeit zu einer Wortmeldung. Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache. Als Erster hat der Abgeordnete Alexander Zeyer das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Dörr, wenn Sie behaupten, Ihre Fraktion würde niemanden beleidigen, dann sage ich, zweimal hat Herr Müller, als Herr Lander gesprochen hat, hinter mir „Dummschwätzer“ gerufen. Das ist auch eine Beleidigung. Das haben Sie wahrscheinlich nicht gehört und vergessen!

(Beifall von den Regierungsfraktionen und der LINKEN. - Sprechen. - Zuruf des Abgeordneten Müller (AfD).)

Genau. Sie sind jetzt nicht dran. Seien Sie einfach ruhig und hören Sie zu, dann hören wir Ihnen auch zu. - Es gab einen plötzlichen Sinneswandel in Ihrer Fraktion. Vor einigen Wochen hieß es noch, Sie wollen das Wahlalter auf keinen Fall auf 16 absenken. Sie sagten, das demokratische Grundwissen mit 16 Jahren sei noch nicht ausreichend, um eine verantwortungsvolle Entscheidung zu treffen.

Aber wir kennen das von Ihnen. Heute so, morgen so. Sie sind einfach ein Fähnchen im Wind. Erzählen Sie uns nichts! Sie haben sich aufgrund der Änderung des Wahlrechts Gedanken gemacht, dass nun auch behinderte Menschen mit gerichtlich angeordneter Betreuung und wegen Schuldunfähigkeit untergebrachter Straftäter wählen dürfen. Jetzt sind Sie zum Entschluss gekommen, dass auch 16-Jährige und 17-Jährige wählen sollen. Zum einen hat das eine mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Zum anderen geht es Ihnen doch hier nur um Ihren eigenen Profit und die damit verbundene Aufmerksamkeit für die bevorstehende Europa- und Kommunal

wahl. Lieber Herr Dörr, das lassen wir Ihnen heute nicht durchgehen!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Am 13.06.2018 war Herr Kollege Müller nämlich noch der Auffassung, die Jugend sei ganz einfach leichter manipulierbar und die politische Kompetenz sei noch nicht gereift. Entsprechende Erhebungen zeigen, dass junge Menschen stärker als andere wahlberechtigte Altersgruppen dazu neigen, politische extremere Positionen und Parteien zu wählen. Diese Erkenntnis ist jetzt wohl bei der AfD angekommen. Meine Herren, wenn es für irgendjemanden in diesem Land noch eines Beweises für die völlige Unglaubwürdigkeit bedurfte, dann liegt er jetzt auf dem Tisch. Ihre politischen Standpunkte sind eine wahllose Aneinanderreihung von Beliebigkeiten, die der Würde dieses Hohen Hauses nicht gerecht werden!

(Beifall von den Regierungsfraktionen und der LINKEN.)

Ja, wir haben in der Vergangenheit diesen Gesetzentwurf abgelehnt und werden es heute auch wieder tun, denn das Wahlrecht hat für uns einen enorm hohen Stellenwert. Es ist an die Volljährigkeit geknüpft. Mit 18 Jahren darf man alleine Auto fahren. Man kann sein Leben führen mit allen Rechten und Pflichten und sein Leben eigenständig gestalten. Mit 18 können Verträge abgeschlossen werden und vieles andere mehr.

Verstoßen 16-Jährige gegen das Gesetz, greift das Jugendstrafrecht. Das ist mit 18 nicht mehr der Fall. Hier fällt der Volljährige grundsätzlich unter das Erwachsenenstrafrecht. Wir alle wissen, dass das nicht der Realität entspricht, denn die Gerichte wenden bis 21 Jahre noch das Jugendstrafrecht an. Diesen Aspekt sollte man bei dieser Diskussion nicht außer Acht lassen.

Ja, immer wieder sind es die gleichen Gegenargumente, wir haben sie heute schon gehört. In anderen Bundesländern wurde es teilweise geändert. Aber mit welchem Erfolg? In Bundesländern, in denen das Wahlalter bei Landtagswahlen auf 16 Jahre abgesenkt wurde, hat sich nicht der häufig erhoffte Effekt einer stärkeren Wahlbeteiligung eingestellt. Bei der Landtagswahl in Bremen 2015 lag die Wahlbeteiligung der unter 21-Jährigen 4 Prozentpunkte niedriger als im Landesschnitt. Bei der Landtagswahl in Brandenburg 2014 waren es bei den unter 18-Jährigen sogar 7 Prozent weniger als im Landesschnitt.

Das bestätigt doch einen durchgehenden Trend. Minderjährige nehmen nach allen vorliegenden Studien nicht häufiger, sondern seltener an Wahlen teil, als es Erwachsene tun. Obwohl die betroffenen Jugendlichen bei allen vorliegenden Umfragen eine

(Abg. Dörr (AfD) )

Absenkung des Wahlalters mehrheitlich ablehnen, wird seit Jahren mit großer Vehemenz die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre und damit die Abkopplung des Wahlrechts von der Volljährigkeit gefordert.

Vielleicht wäre es an dieser Stelle einmal nicht schlecht, auf die Jugendlichen selbst zu hören und zwar nicht nur auf die Jugendlichen, die sich sowieso schon in Jugendorganisationen und Parteien politisch engagieren, sondern auch auf die anderen Jugendlichen in unserem Land. Das merkt man immer wieder in Gesprächen und Diskussionen auch hier im Landtag, wenn Schulklassen da sind. Die sind nämlich mehrheitlich nicht dafür, dass sie mit 16 schon wählen dürfen. Ganz im Gegenteil. Sie wollen nämlich, dass es so bleibt.

(Abg. Flackus (DIE LINKE) : Da habe ich aber einen anderen Eindruck.)

An welchem objektiven Kriterium wird das Wahlalter mit genau 16 Jahren eigentlich festgemacht? Es ist vollkommen willkürlich gesetzt. Ich warte nur auf den nächsten Gesetzentwurf mit einer Herabsetzung auf das Wahlalter mit 13 oder 14 Jahren, wie es bereits in anderen Bundesländern von einigen Parteien gefordert wurde. Das wird es mit uns definitiv nicht geben!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Bevor wir das Wahlalter auf 16 Jahre herabsetzen, müssen wir endlich an einer ganz anderen Stelle anpacken. Wir alle müssen Politik interessanter und für junge Menschen verständlicher machen. Wir müssen sie dort abholen, wo sie sind. Wir müssen sie mitnehmen. Dazu müssen wir zum einen endlich die Lehrpläne ändern. Politik muss in jeder Klassenstufe - egal an welcher Schule - ausführlich stattfinden. Politik in Schulen muss wieder tagespolitischer werden, ohne dabei die politische Neutralität und die emotionalen Themenbereiche zu verlieren. Das ist sowohl eine menschliche als auch didaktische Herausforderung für Lehrkräfte, auf die sie gut vorbereitet werden müssen.

Wir brauchen auch keine Zwangsjugendräte in den Städten und Gemeinden, die oft nur kurze Zeit funktionieren. Wir brauchen vielmehr nachhaltigere Angebote und andere Beteiligungsmöglichkeiten für Jugendliche in unseren Kommunen.

Auch wir im saarländischen Landtag müssen uns an die eigene Nase greifen. Wir müssen uns dafür einsetzen. Wir müssen Gas geben. Wir müssen den Landtag weiter öffnen. Wir brauchen einen Jugendlandtag. Andere Bundesländer machen uns seit mehreren Jahren vor, wie das funktioniert. Wir müssen eine echte Beteiligungsmöglichkeit schaffen, um die Jugendlichen für Politik zu interessieren, auch hier im saarländischen Landtag.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Nicht zu vergessen ist, dass sich Jugendliche bereits engagieren können. Sie können sich für Veränderungen einsetzen und starkmachen - in den Schülervertretungen an den Schulen, in den politischen Jugendorganisationen oder auch in anderen Verbänden, wie dies schon oft passiert. Wenn wir diese Beteiligungsmöglichkeiten endlich umsetzen und stärker fördern und die Jugendlichen besser informiert sind, dann können wir über dieses Thema gerne noch einmal diskutieren, denn - auch das wurde heute angesprochen - in unserer Partei wird darüber diskutiert. Das ist auch gut so, denn so funktioniert nun einmal Demokratie in einer Volkspartei. Da gibt es verschiedene Ideen, Ansichten und Meinungen. Wir werden auch über dieses Thema in unserer Partei breit diskutieren und eine Entscheidung treffen. Diesen Diskussionsprozess stoßen wir an, denn wir haben verschiedene Meinungen. Es gehört zu einer Volkspartei dazu, dass wir ehrlich und offen darüber diskutieren und am Ende des Tages eine Entscheidung treffen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Aber warum diskutieren wir eigentlich hier und heute über dieses Thema? Junge Menschen, Schülerinnen und Schüler, gehen auf die Straße, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Die Politik antwortet hier und heute mit einer Diskussion über das Wahlalter mit 16. Ich frage mich wirklich: Geht’s noch? Wir sollten die jungen Menschen ernst nehmen mit ihren Themen und ihren Anliegen und ihnen nicht mit dieser Debatte irgendeine Beruhigungstablette geben.

(Zuruf: Schulpflicht.)

Wir nehmen das Thema des Klimaschutzes ernst. Deswegen sollen wir darüber diskutieren und nicht über das Wahlalter mit 16. Ich finde es befremdlich, dass wichtiges und richtiges Engagement junger Menschen für eigene politische Zwecke missbraucht wird. Insbesondere in der außerparlamentarischen Opposition gibt es mit den GRÜNEN eine Partei, die gerade so tut, als hätte sie die Fridays-for-FutureBewegung ins Leben gerufen. Den Einsatz für eine nachhaltige Energiepolitik mit den Verbotsphantasien zu Braunkohle und Verbrennungsmotoren zu kombinieren, ist nicht nur unredlich, sondern auch Beleg dafür, dass die GRÜNEN nach wie vor in der Ecke der Verbotsparteien stehen und nichts verstanden haben.

Die Vermischung der Fridays-for-Future-Demonstrationen mit einer Diskussion um das Wahlalter führt zu einer schiefen Debatte. Nehmen wir die Jugend endlich ernst und kümmern uns um die Herausforderungen in diesem Land und auch um diese Themen, die die Jugend interessieren! Aus diesem Grund brauchen wir mehr freiwillige Beteiligung in diesem

(Abg. Zeyer (CDU) )