Das ist die Wahrheit, alles andere ist etwas, was letztendlich nicht zutrifft und kein Vertrauen in der Bevölkerung schafft. Wir haben zu wenig Pfleger, wir sollten diese Aufgabe annehmen und sagen, wir haben hier Fehler gemacht, wir haben hier Versäumnisse und wir werden diese Versäumnisse natürlich in einem längeren Zeitraum abstellen.
Da ist noch ein ganz wichtiger Hinweis zu geben, wenn man eine Verbesserung anstrebt: Wir haben in Deutschland 300.000 ausgebildete Pflegerinnen und Pfleger, die nicht im Pflegeberuf arbeiten. Von diesen 300.000 Pflegerinnen und Pflegern haben 150.000 gesagt, sie wären bereit, noch einmal diesen Beruf zu ergreifen, wenn die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen besser wären. Das heißt also, die Gesundheitspolitik der letzten Jahre hat sich erhebliche Versäumnisse zuschulden kommen lassen, das gilt nicht nur für diese Landesregierung, das gilt allgemein in der Bundesrepublik.
Wir sehen das doch auch bei der Bezahlung. Wenn wir hier eine ausgebildete Pflegekraft in der Größenordnung von 40.000 Euro im Jahr bezahlen, dann muss man sehen, dass es in Luxemburg fast das Doppelte ist! Ist es da ein Wunder, dass Pflegekräfte beispielsweise nach Luxemburg abwandern? Mittlerweile ist es so, dass Pflegekräfte sogar zu Leiharbeitsfirmen gehen, weil die Leiharbeitsfirmen höhere Löhne bezahlen. Dann müssen die Krankenhäuser letztendlich die höheren Löhne auf diesem Umweg bezahlen und noch den Gewinn der Leiharbeitsfirmen! Das ist doch alles nur noch irre, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wir brauchen eine ganz andere Herangehensweise an die Organisation der Pflegeberufe, als das in der Bundesrepublik, aber auch hier im Saarland in den letzten Jahren geschehen ist.
Neben der Bereitstellung von Pflegern möchte ich die Frage der Luftfilter als Beispiel ansprechen. Es
ist auch schon ganz lange diskutiert worden, dass man Filter in den Schulen braucht, um den Gesundheitsschutz der Schülerinnen und Schüler zu verbessern. Dann kamen die Ferien, es ist nichts passiert. Die Ferien waren Mitte August zu Ende und im Oktober hat der Innenminister dankenswerterweise er ist ja kein Gesundheitsminister, aber immerhin gesagt, er stelle so und so viel Geld zur Verfügung, damit zumindest begonnen werden kann, die Luftfilter zu beschaffen. Es war ja richtig, dass man gesagt hat, das tun zu wollen. Aber es kam reichlich spät, meine sehr geehrten Damen und Herren. Auf die Idee, dass man Luftfilter anschaffen könnte, hätte man ja schon etwas früher kommen können!
Das ist sicherlich keine Boshaftigkeit von mir, wenn ich das hier anführe. Ich könnte auch noch andere Dinge nennen. Ich sage das jetzt nicht, um mich daran zu weiden, Fehler der Landesregierung aufzuzeigen. Ich sage einfach, wir sind in einer schwierigen Situation, man muss die Fehler erkennen und benennen. Das ist nicht unbedingt ein Nachteil.
Wenn man sie benennt, ist man eher in der Lage, sie auch abzuschaffen. Dann kann man auch der Bevölkerung sagen, wir können das nicht von heute auf morgen regeln. Wer wollte das denn in irgendeiner Form behaupten? Letztendlich kann man aber auch nicht mit allgemeinen Formulierungen über alle diese Dinge hinwegtäuschen.
Nun komme ich zu dem Lockdown light, wie das jetzt bundesweit heißt, den auch die Landesregierung mitgetragen hat. Es gibt viele Bürgerinnen und Bürger - die haben Sie alle angesprochen, Herr Ministerpräsident -, die durch diese Entscheidungen Nachteile haben, und die mit diesem Begriff natürlich nicht ganz glücklich sind, insbesondere die Kulturszene nicht. Ich verstehe das sehr gut. Das ist einfach so dahingesagt, Lockdown light. Aber für diejenigen, die schon seit Monaten um ihre Existenz kämpfen und jetzt sagen, schon wieder habe ich keine Chance, meine Einnahmesituation zu verbessern, ist der Begriff schon fast eine Verhöhnung, so höre ich das aus der Kulturszene. Für die ist das kein Lockdown light, sondern ein schwerer Eingriff in ihre Existenz.
Deshalb sollte man bei der Wahl der Begriffe etwas sorgfältiger sein. Das zeigt dann aber auch, wenn man solche Wörter wählt, dass man die Dinge hier und dort vielleicht nicht ausreichend bedacht hat.
Nun kommen wir also zum Hauptproblem dieses Lockdowns light und deshalb muss ich die Dinge anders beurteilen als vor Monaten: Das ist das ausschließliche Starren auf die Infektionszahlen. Das ist
nach meiner Auffassung, aufgrund meiner Ausbildung ein Grundfehler dieser ganzen Diskussion und Betrachtungsweise. Die Infektionszahlen sind natürlich wichtig, aber wenn man nur auf diese Infektionszahlen starrt - ich würde einmal gerne wissen, welche Infektionszahlen bei anderen Viren gemessen würden, die jetzt im Umlauf sind, da wären die Zahlen noch weitaus höher -, übersieht man, dass nicht jede Infektion eine Krankheit ist. Es wäre schon einmal ganz gut, wenn das in der öffentlichen Diskussion auch einmal dargestellt werden würde.
Nicht jeder, der eine Infektion hat, ist auch krank. Und auch nicht jeder - so sagt zumindest ein großer Teil der Wissenschaftler -, der eine Infektion hat, ist auch ansteckend. Es sind viele ansteckend, aber nicht jeder. Das muss man zumindest wissen. Sonst starrt man auf diese Infektionszahlen und auf sonst kaum noch etwas. Deshalb sage ich, dass es richtig ist, wenn Virologen und Mediziner sagen, man solle nicht nur die Infektionszahlen heranziehen, sondern auch die Zahl der belegten Krankenhausbetten, der belegten Intensivbetten, der Beatmungsgeräte und vor allen Dingen der Todesfälle.
Ja, Sie reden, ich werde Ihnen gleich noch einiges dazu sagen, dann sind Sie vielleicht etwas leiser. Die Zahl der Todesfälle ist ganz entscheidend, denn sie ist die Gelegenheit, auf einen Grundfehler der ganzen Politik aufmerksam zu machen. Dieser Grundfehler besteht darin, dass man auf der einen Seite berechtigterweise die Bevölkerung warnt und sagt, ihr müsst vorsichtig sein und Acht geben, dass ihr euch und andere nicht ansteckt. Das ist alles richtig, aber man sollte auch nicht Angstmache betreiben, aus welchen Gründen auch immer, das halte ich für grundfalsch!
Diese Angstmache führt mittlerweile dazu, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass Menschen krank werden. Der Zusammenhang scheint offensichtlich unbekannt zu sein, dass man, wenn man ständig die Leute unter Angst setzt, das Immunsystem schwächt. Das ist insofern eine völlig falsche Vorgehensweise.
Nun will ich Ihnen etwas zu der Angstmacherei sagen: Wissen Sie denn, dass wir beispielsweise bei Beatmungserkrankungen, bei ambulanter Lungenentzündung 40.000 Tote im Jahr haben? Warum wird eigentlich darüber gar nicht geredet? Ausschließlich über die 10.000 Toten im Zusammenhang mit Corona wird ununterbrochen jeden Tag diskutiert. Jeder Todesfall wird gemeldet, aber über die 40.000 wird überhaupt nicht geredet. Das ist auch eine Infektionskrankheit, bakteriell und auf der
Grundlage von Viren übertragen. Warum wird darüber nicht geredet? Wenn Sie das nachlesen wollen: Darauf weist das Deutsche Netzwerk für Evidenzbasierte Medizin hin, das darum bittet, dass man evidenzbasiert arbeitet.
An einer Stelle haben Sie es selbst angesprochen, dass es darum geht - ich begrüße das -, die Hygienemaßnahmen bei den Kindern in den Schulen so weit zu überprüfen. Das ist die richtige Herangehensweise. Aber diese Mediziner sagen, dass das in viel größerem Umfang geschehen muss. Wir haben von Anfang an gesagt, macht doch eine repräsentative Untersuchung. Diese würde ein viel besseres Bild abgeben als die zufälligen Testungen, die je nach Situation immer wieder da oder dort aufgerufen werden.
Repräsentativität wird von vielen Wissenschaftlern seit Monaten gefordert, aber es geschieht kaum etwas, sage ich mal in aller Vorsicht. Deshalb sind wir immer noch nicht in der Lage, auf Grundlage gesicherter Daten die Dinge zu beurteilen. Das gilt für jeden, das gilt besonders für die Entscheidungen. Wir haben beispielsweise, wenn es 40.000 in ganz Deutschland sind, rund 480 im Saarland, wie jeder rechnen kann. Deshalb weist die Statistik 2018 851 Todesfälle aufgrund von Atemwegserkrankungen aus. Das nenne ich nur einmal, damit man das etwas relativiert.
Warum nenne ich diese Zahlen? Ich bin einmal so kühn zu sagen, am Jahresende wird die Zahl der Toten in Zusammenhang mit Corona nicht über diese Zahl hinausgehen. An diesem Wort können Sie mich dann packen. Ich nenne diese Zahlen, um die Menschen darauf hinzuweisen, dass die Lage ernst ist, aber dass sie das auch nicht überbewerten sollen und dass sie nicht den ganzen Tag Angst haben müssen, sie würden angesteckt werden und demnächst sterben. Man darf doch solche Szenarien nicht ständig in der Öffentlichkeit ausbreiten!
Ich lasse mal das Land hier außen vor. Wenn die Bundeskanzlerin ewig vor Unheil und so weiter warnt und wenn dann wieder auf Bergamo verwiesen wird, ist das nach meiner Auffassung nicht richtig. Ich bitte also darum, zu sehen, dass ständige Angstmache zur Schwächung des Immunsystems führt und die Leute krank macht.
Als Zweites haben Sie hier gesagt, dass Sie die Betten wieder freihalten wollen und die Prämien gezahlt werden. Ich halte das für mehr als bedenklich. Das ist eine Folge des ausschließlichen Starrens auf die Infektionszahlen. In der Erkenntnistheorie ist es schlicht und einfach so, dass man diesen Fehlschluss kennzeichnet mit der Heuristik der Verfügbarkeit, zu Deutsch: Wenn man Prognosen abgibt,
Urteile fällt und sich der Wirklichkeit nähern will, dann greift man zunächst das auf, was man ständig jeden Tag hört und sieht und liest. Wenn man dies sieht, dann starrt man nur noch auf die Corona-Infektionszahlen und sieht die anderen Dinge alle nicht mehr.
Der Chef etwa der Helios-Kliniken, der für 90 Krankenhäuser verantwortlich ist, weist zum Beispiel darauf hin, dass viele das durchaus begrüßen, weil das Freihalten von Betten mit der Prämie rentabler sei, als den Betrieb weiterlaufen zu lassen. Darüber muss man mal nachdenken. Eigentlich wundert es einen, wenn der Chef einer großen privaten Krankenhausfirma sagt, das ist eigentlich rentabler, und es trotzdem kritisiert. Aber immerhin, wenn er das so sieht und es kritisiert, ist das ja anerkennenswert.
Dann bleibt aber noch die Frage: Ist das sinnvoll? Es gibt eine ganze Reihe von Hinweisen, dass das Aufschieben von Operationen auch zu Nachteilen für eine ganze Reihe von Kranken führt. Das meine ich mit dem Tunnelblick. Wenn man nur auf die Corona-Infektionen schaut, ist es richtig, die Operationen aufzuschieben. Wenn man aber alle anderen einbezieht, beispielsweise Krebspatienten, und da gibt es eine ganze Reihe von Fällen, über die berichtet worden ist, dann ist das falsch. Es gibt Krebspatienten, die die Untersuchung und die Operation aufgeschoben haben. Da der Krebs aber nicht stillhält, kam es zu Komplikationen und auch zu gravierenden Komplikationen. Ich halte diese Vorgehensweise für äußerst problematisch, das wollte ich hier sagen.
Es gibt Mediziner, die sagen, lasst uns Schritt für Schritt vorgehen, lasst uns da oder dort Verbesserungen durchführen - ich verweise auf die Ausarbeitung der Mediziner um den Virologen Streeck, um ein Stichwort zu geben, aus Zeitgründen kann ich das nicht alles hier vortragen -, lasst uns die schützenswerten Gruppen besonders in Augenschein nehmen - nicht wegsperren, wie es immer wieder heißt -, lasst uns denen helfen und konzentrieren wir uns darauf. Da wurden auch immer wieder Vorschläge gemacht, das ist natürlich besonders anstrengend bei Alten- und Pflegeheimen und so weiter.
Warum konzentrieren? - Weil wir nur begrenzte Mittel haben! Ich erlebe dann, dass jeder, der irgendetwas fordert, sagt, dann fordere ich das mal. Man hat so richtig den Eindruck, es sei ein Wettbewerb, wer die meisten Forderungen hat. Nein, wir haben auch in der Pandemie, obwohl wir wirklich die Schleusen weit geöffnet haben, immer noch begrenzte Mittel, und deshalb meine ich, die Konzentration auf das Wichtigste sei richtiger als das breite Streuen von Ausgaben, wo man am Ende zumindest in der Wissenschaft nicht klar sieht, was denn da eigentlich geschehen soll.
Nun kommt das zweite Hauptproblem, das Starren auf diese Infektionszahlen, das ich für wirklich grundfalsch halte, dies ist meine Überzeugung. Ich stehe hier nicht, um irgendjemanden zu kritisieren. Es geht auch gar nicht alleine gegen die Landesregierung, das ist ein Problem der deutschen Politik oder der Politik anderswo. Das zweite Hauptproblem ist, dass zumindest am Anfang der Entscheidung die Frage gar nicht diskutiert wurde, was nach den vier Wochen ist.
Ich weiß ja nicht, inwieweit Sie glauben, dass die Infektionszahlen zurückgehen. Wir sind im Winter, ich habe deshalb das Gespräch auf die Verbreitung anderer Erkältungsviren gebracht. Wenn Sie die Zahlen messen würden, dann würde dem einen oder anderen Wasser in die Augen treten. Warum glauben Sie, in vier Wochen würden sich die Dinge zum Guten entwickeln? Dass es Reduktionen geben wird, ist zu erwarten, das ist die Logik. Darüber brauchen wir nicht zu reden. Aber die Frage ist, und das ist das methodische Problem: Was ist dann? Was ist, wenn sich die Dinge in vier Wochen wieder „normal“ entwickeln, die Infektionszahlen wieder ansteigen? Was machen wir dann? Machen wir dann den zweiten Lockdown light oder wie immer man das nennen will? Zumindest kann man sich doch dabei nicht wohlfühlen.
Ich möchte an der Stelle etwas zu unserem Antrag zu Gastronomie, Theater et cetera sagen. In dieser ganzen Debatte ist ein Begriff entscheidend, nämlich der Begriff des Vertrauens. Die Bevölkerung muss Vertrauen in die Handlungsweise der Regierung haben. Deshalb habe ich das vorhin noch einmal gesagt: Wenn die Minister einander öffentlich vors Schienbein treten, dann wird die Bevölkerung kein großes Vertrauen in diese Regierung haben.
Wir haben auch eine ganze Reihe von Fehlern gemacht, ich nenne einmal die Masken. Erst haben selbst die Wissenschaftler gesagt, nein, das bringt nichts, nachher hieß es dann anders. Dann haben wir das Beherbergungsverbot ausgesprochen. Das Gericht hat es aufgehoben. Ich kann von hier aus der Justiz wirklich nur ein Kompliment machen, dass sie immer wieder die Verhältnismäßigkeit überprüft und daher die Regierenden zwingt, etwas vorsichtiger zu sein und abzuwägen und keine solchen Entscheidungen zu treffen.
Bei der Gastronomie ist also nicht nachgewiesen worden, dass dort ein größerer Infektionsherd ist. Deswegen habe ich gesagt, wenn das nicht nachgewiesen ist, dann ist es schwer begründbar, diese Entscheidung aufrechtzuerhalten. Wir werden es demnächst sehen, wie die Gerichte das beurteilen. Es wurde öffentlich ernsthaft gesagt, 75 Prozent können wir nicht nachverfolgen, deswegen können wir vermuten, dass das dort vielleicht so ist. Es ist
aber genauso logisch zu behaupten, wenn man 75 Prozent nicht nachvollziehen kann, dann ist da nichts. Das ist äußerst widersprüchlich.
Die Begründung der Bundesregierung und der Länderregierungen für diese Gastronomieeinschränkungen auf der Grundlage des RKI-Hinweises, 75 Prozent seien nicht nachverfolgbar, ist logisch nicht haltbar, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will das in aller Klarheit sagen, es sei denn, ich werde eines Besseren belehrt.