Protokoll der Sitzung vom 06.02.2024

(Beifall von der AfD.)

Ich danke Ihnen, Herr Fraktionsvorsitzender. Es liegt eine weitere Wortmeldung vor. - Ich erteile

für die SPD-Landtagsfraktion das Wort Frau Abgeordneter Flora Elisa Schröder.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Theobald, ich will nur kurz auf Ihre Rede eingehen. Ich finde es bemerkenswert, wie Sie hier auftreten, als hätten Sie mit der Landwirtschaftspolitik überhaupt nichts zu tun. Wer hat denn in den letzten Jahrzehnten das Landwirtschaftsressort innegehabt? Laut Cem Özdemir haben in 31 Jahren der ver gangenen 40 Jahre die CDU und CSU die Agrar minister im Bund gestellt. Wo ist denn da die von Ihnen angesprochene Planung?

(Beifall von der SPD und Zurufe: Ach so! - Zurufe von der CDU.)

Gehen wir einmal in die Zukunft. Das ist doch schön. Wir befinden uns in Zeiten der Triple-Krise. Unsere Landwirtschaft ist gleich dreifach davon betroffen: hohe Inflation, Klimakrise und Artensterben. Zwei von drei Krisen nehmen wir alle als Gesellschaft direkt wahr. Wir spüren ihre Auswirkungen unmittelbar. Die dritte Krise bemerken nur wenige von uns. Mit am stärksten wirkt sie sich auf den landwirtschaftlichen Berufsstand aus. Unsere Bäuerinnen und Bauern sind von den Folgen des Klimawandels und des Biodiversitätsverlusts besonders betroffen. Deshalb brauchen sie unsere Unterstützung.

Als zum Jahresende 2023 die kurzfristigen Haushaltskürzungen der Bundesregierung im Raum standen, war für unsere Ministerpräsidentin und für uns als SPD-Fraktion ganz klar, dass wir an der Seite unserer Bäuerinnen und Bauern stehen. Eine Entscheidung über die Köpfe der Bäuerinnen und Bauern hinweg, ohne vorher mit ihnen als Betroffene zu reden, war falsch, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD.)

Ich verstehe, dass sich viele Landwirtinnen und Landwirte mit dem Rücken gegen die Wand gedrängt fühlten, dass sie sich von der Bundespolitik nicht mehr verstanden fühlten. Deshalb habe ich auch Verständnis dafür, dass sie ihren Unmut kundtaten. Unsere Ministerpräsidentin und unsere Landesregierung haben in den vergangenen Wochen für die Landwirtschaft gekämpft, nicht zuletzt mit der Bundesratsinitiative vergangene Woche, in der sich das Saarland gemeinsam mit den SPD-geführten Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen für unsere Bäuerinnen und Bauern starkgemacht hat. Hierfür danke ich unserer Landesregierung.

Als SPD-Landtagsfraktion begrüßen wir die bereits vorgenommenen Änderungen der Bundesregierung. Aber genau jetzt ist es wichtiger denn je, miteinander zu reden und zu benen

nen, um was es wirklich geht. Die Forderungen unserer Bäuerinnen und Bauern sind nicht neu. Die Forderung gibt es schon seit Jahrzehnten und diese Forderungen und Bedürfnisse sind nachvollziehbar.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir reden hier von gesellschaftlicher Wertschätzung und Berücksichtigung, aber auch von Ausgewogenheit und Berechenbarkeit von Politik, genauer gesagt von Planungssicherheit für die Zukunft unserer Landwirte, damit der Bestand der Betriebe auch in den kommenden Jahrzehnten gesichert ist. Fakt ist, die Welt ist im Wandel, unsere Gesellschaft ist im Wandel. Die Politik in Berlin und in Brüssel muss transparent, kalkulierbar und planbar für die Landwirtschaft gestaltet sein. Das funktioniert nur, wenn Sie mitmachen.

Seit einigen Jahren gibt es einen gesellschaftlichen Richtungswechsel in der Agrarpolitik, welcher de facto den Fokus auf Tier- und Umweltschutz stärkt. Genau das brauchen wir in der heutigen Zeit. Das ist auch gut so, sehr geehrte Damen und Herren!

(Beifall von der SPD.)

Die Wissenschaft liefert immer weitere neue Erkenntnisse, was zum Beispiel der Artenschwund für uns alle bedeutet, nicht zuletzt für unsere saarländischen Bäuerinnen und Bauern. Einfach zusammengefasst: Je weniger Insekten über die Obstwiesen fliegen, desto weniger Früchte wachsen an Bäumen und Sträuchern und somit landen immer weniger Äpfel, Kirschen und Heidelbeeren in unseren Supermarktregalen. Genau das ist ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor für unsere Landwirtschaft.

Bei Gesprächen mit den saarländischen Bauern und Bäuerinnen wird einem schnell klar, dass sie von den vorhandenen Krisen besonders betroffen sind. Deswegen sind die Betriebe bereit, den Umbau der Landwirtschaft mitzutragen, wenn sie als gleichwertige Partner*innen beim Prozess mitwirken können. Ich selbst habe erst vor Kurzem einen saarländischen Milchbauern besucht und konnte mit eigenen Augen sehen, wie sehr ihm sein Hof und seine Tiere am Herzen liegen. Seine Kühe können den ganzen Sommer auf Weiden grasen. Sie können sich selbst aussuchen, wann sie durch einen hochmodernen Melkroboter gemolken werden wollen. Zudem kennt der Bauer seine Tiere mit Namen. Man sieht hier, er will die Haltung seiner Kühe verbessern. Er hat viel Geld in den Neu- und Umbau seiner Ställe investiert. Ein Großteil seiner Rinder steht bereits in einem neuen, modernen Stall. Für die anderen hat er Gummimatten besorgt, um mehr Tierwohl sicherzustellen. Allein dieses Umdenken, dieses Handeln, macht deutlich, dass die Bauern beim Fortschritt mitmachen wollen.

(Präsidentin Winzent)

Sie wollen modern, grün und tierfreundlich werden.

(Abg. Thielen (CDU) : Früher nicht? Oder was?)

Der Bund muss hier endlich richtig unterstützen.

(Beifall von der SPD.)

Sehr geehrte Damen und Herren, das Bewusstsein für mehr Tierwohl hat in der Gesellschaft deutlich zugenommen. Die Gesellschaft erwartet zunehmend, dass Tiere respektvoll behandelt werden.

Die steigende Nachfrage nach ethisch vertretbaren Produkten hat Auswirkungen auf die Landwirtschaft und die Lebensmittelindustrie. Landwirte sind gefordert, ihre Praktiken anzupassen und transparenter zu machen, um das Vertrauen der Konsument*innen zu gewinnen und zu behalten. Dieses Bewusstsein für mehr Tierwohl wird durch die Ergebnisse und Empfehlungen von Gremien wie dem Bürgerrat bestätigt. Er empfiehlt, die Lebensbedingungen und Herkunft von Tieren transparent zu machen, von Geburt, Aufzucht, Haltung, Transport bis hin zur Schlachtung. Bei importierter Ware soll mindestens das Herkunftsland erkennbar sein wie heute schon bei Obst und Gemüse.

Eine weitere Empfehlung lautet, eine Verbrauchsabgabe zur Förderung des Tierwohls einzuführen. Die teilnehmenden Bürger*innen empfehlen eine zweckgebundene Verbrauchsabgabe auf tierische Produkte, um den Umbau der artgerechten Nutztierhaltung zu finanzieren. Eine ähnliche Empfehlung nach einer Tierwohlabgabe hat bereits 2020 die Borchert-Kommission gegeben. Zusammen mit der Zukunftskommission Landwirtschaft hat sie ein Konzept für den Umbau der Nutztierhaltung erarbeitet, an dem alle Stakeholder von Wirtschaft und Wissenschaft über Länder bis hin zu Verbänden beteiligt waren. Für mich als tierschutzpolitische Sprecherin meiner Fraktion ist das steigende Bewusstsein für und die gestiegene Nachfrage nach besserem Tierwohl ein positiver Schritt hin zu einer ethischeren und nachhaltigeren Nutzung von Tieren in unserer Gesellschaft.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Forderungen der Gesellschaft sind klar und genau deshalb ist es jetzt Zeit, ernsthaft die Empfehlungen der Borchert-Kommission, aber auch des Bürgerrates aufzugreifen und umzusetzen. Denn klar ist: Mehr Tierwohl bedeutet auch mehr Klima- und Umweltschutz.

Wir müssen uns ernsthaft mit dem Konsum von Lebensmitteln auseinandersetzen. Wir vergessen leicht, dass Brot, Milch, Gemüse und Obst Produkte sind, die von der harten Arbeit von Bäuerinnen und Bauern kommen. Bioware und regionale Ware sind oft teurer als importierte Waren in den Auslagen der Supermärkte. Hier

müssen wir auf allen Ebenen handeln. Deshalb muss der Bund prüfen, inwiefern Preisdumping durch die großen Lebensmittelkonzerne zulasten der landwirtschaftlichen Betriebe unterbunden werden kann.

Um die wirtschaftlichen Betriebe in die Zukunft führen zu können, müssen wir aber auch über die Chancen und Herausforderungen sprechen, die unsere Landwirte mit der Agri-Photovoltaikstrategie haben. Agri-PV ermöglicht es, das Land auf vielfältige Weise zu nutzen. Zum einen kann die Fläche weiter bewirtschaftet werden und zum anderen kann grüne Energie produziert werden. Mit der Doppelnutzung wird der Wert der Fläche maximiert. Aber auch hier gilt es, die Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen. Deshalb fordern wir den Bund auf, die Agri-Photovoltaikstrategie noch einmal mit allen Beteiligten zu diskutieren.

(Beifall von der SPD.)

Unsere Landwirte, unsere Bäuerinnen und Bauern, sind wichtige Stakeholder, wenn wir über unser Saarland reden. Sie gestalten unsere Landschaft, sie sind zentral für den Umwelt- und Klimaschutz. Sehr geehrte Damen und Herren, eines ist klar: Gemeinsam können wir diesen Weg erfolgreich bestreiten. Packen wir es an, und zwar gemeinsam. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall von der SPD.)

Ich danke Ihnen, Frau Kollegin Schröder. Es liegt eine weitere Wortmeldung vor. - Ich erteile für die CDU-Landtagsfraktion das Wort Herrn Abgeordneten Roland Theis.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Schreiner, sehr geehrter Herr Fontaine! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte um die Zukunft unserer Landwirtschaft hat in den vergangenen Monaten - und das tut sie immer noch - zu Recht die Gemüter bewegt. Die Proteste der Landwirte halten in Deutschland an, im Übrigen zu Recht. Wir sprechen heute auch ein bisschen über Frankreich. Die Proteste hier halten im Gegensatz zu denen Frankreich an, denn Fakt ist, im Gegensatz zur französischen Regierung gab es hier keine wesentlichen Zugeständnisse an die Landwirte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie tun heute Morgen so, als sei jetzt alles okay, nachdem es einen Antrag im Bundesrat gegeben hat. Aber nichts ist okay für die Landwirtschaft in Deutschland, nichts ist besser geworden. Langfristig ist der Weg, den Sie beschrei

(Abg. Schröder (SPD) )

ten, einer, der der Landwirtschaft schadet. Deshalb sind wir dagegen.

(Beifall von der CDU.)

Wir haben großes Verständnis und echte Solidarität für die Bauern in diesem Land. Deshalb waren am 8. Januar einige Kollegen nicht nur auf der beeindruckenden Demonstration vor dem Schloss, sondern sie waren mit den Landwirten unterwegs auf den Traktoren. Ich muss Ihnen sagen, für mich war noch beeindruckender als die Demonstration vor dem Schloss an sich, dass die Bauern, wie ich glaube, gespürt habe, dass sie auf einer Welle der Solidarität aus ihren Höfen nach Saarbrücken gefahren sind. Es ist ihnen eine Welle der Solidarität in Stadt und Land entgegengeschlagen. Selbst diejenigen, die deshalb im Stau haben stehen müssen, haben ihre Zustimmung und Unterstützung zum Ausdruck gebracht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das war beeindruckend. Deshalb herzlichen Dank für diese großartige Welle der Solidarität, die Sie in diesem Land ausgelöst haben, lieber Herr Schreiner, sehr geehrter Herr Lafontaine!

(Heiterkeit. - Beifall von der CDU.)

Herr Fontaine, ich bitte, meinen Versprecher zu entschuldigen. - Das hat auch gezeigt, dass dies wirklich ein Protest aus der Mitte und von der Mehrheit unserer Gesellschaft war. Deshalb sind zwei Versuche auch gescheitert, und zwar der Versuch von Extremisten, die Proteste zu kapern, wie auch der Versuch, die Proteste zu delegitimieren, indem man ihnen irgendwas angedichtet hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren vom Bauernverband, herzlichen Glückwunsch zu diesem großartigen Tag. Das war ein guter Tag für die Demokratie in diesem Land.

(Beifall von der CDU.)

Für mich waren die dreieinhalb Stunden, die ich neben einem jungen Landwirt auf dem Traktor auf dem Weg von Elversberg nach Saarbrücken sitzen durfte, offen gesagt noch beeindruckender. Wir hatten Zeit zu sprechen. Ich saß neben einem jungen Landwirt, der mit Anfang 20 einen Hof übernommen hat, der bereit war, finanzielle und personelle Verantwortung für ein mittelständisches Unternehmen auf sich zu nehmen, und der weiß, weil er zur dritten oder vierten Generation gehört, was auf ihn zukommt: eine Sieben-Tage-Woche, unternehmerisches Risiko, nicht die Möglichkeit, jedes Wochenende feiern zu gehen, sich um seine Tiere kümmern zu müssen, und zwar nicht nur, wenn es in den Terminkalender passt, sondern wenn die Tiere es brauchen. Er ist ein junger Landwirt, der weiß, was auf ihn zukommt - keine Vier-Tage-Woche, nicht Nine-to-five, keine Work-Life-Balance -, und der trotzdem für diesen Beruf brennt, der Lebensmittel für uns produzieren will, der seine Umwelt schützen will, der für qualitativ hoch

wertige Lebensmittel aus unserer Heimat arbeiten und der Tierwohl realisieren will.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, er hat dafür nicht irgendeine Agrarwende aus Berlin gebraucht. Er hat das gelernt, er kann das, er will das, er braucht dafür nur Verbraucher, die das auch bezahlen wollen. Lassen wir die Bauern doch machen! Sie wissen, was sie tun. Sie haben das gelernt - im Gegensatz zu vielen, die in Berlin darüber reden.

(Beifall von der CDU.)

Ich will Ihnen sagen, vor welcher Frage dieser junge Mann steht: Er steht vor der Frage, ob er heute, mit 22 Jahren, davon ausgehen kann, dass er diesen Beruf die nächsten 40 Jahre ausüben kann, ob er seiner Berufung folgen kann oder ob er sich, wie er das auch könnte, irgendwo in der Lebensmittelindustrie um einen guten Job bewirbt. Das ist die Frage, vor der junge Menschen in der Landwirtschaft stehen. All diese schwierigen Rahmenbedingungen, die ich Ihnen gerade beschrieben habe, schrecken ihn nicht und haben ihn nicht geschreckt. Am Tag der Bauernproteste saß er um 4.30 Uhr auf seinem Traktor und um 22.00 Uhr hat er mir das letzte Bild aus dem Stall geschickt, weil er natürlich nach den Protesten noch die Arbeit machen musste. Das ist nicht wie bei der GDL: Wenn der Zug ausgefallen ist, dann fährt er eben nicht mehr. Bei den Bauern muss die Arbeit noch geschafft werden. Das ist vielleicht der Grund, warum es lange dauert, bis Landwirte protestieren, aber das zeigt auch die Not, die sie dazu getrieben hat. Deshalb brauchen sie mehr als warme Worte. Sie brauchen die tatsächliche Solidarität dieser Landesregierung. Dazu fordern wir Sie auf, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU.)

Die Arbeit schreckt junge Landwirte nicht ab. Was sie aber abschreckt, ist, wenn sie sich auf die Politik nicht mehr verlassen können, wenn Landwirte von Vorschriften gegängelt werden, die in der Praxis gar nicht funktionieren können, wenn Politik und Gesellschaft Erwartungen, Standards formulieren und einfordern, aber bei der Finanzierung dafür nicht geradestehen wollen und wenn sie den Eindruck haben, dass das, was sie gelernt haben und können, nichts mehr wert ist. Das lässt junge Menschen daran zweifeln, ob sie diesen Beruf ergreifen müssen.

Unsere Aufgabe als Politik ist, ihnen nicht zu erzählen, wie man es macht, sondern ihnen die Rahmenbedingungen zu geben, das zu tun, was sie gelernt haben und was sie können. Das ist das Richtige, und das sollte eine Landesregierung tun. Das sollte endlich auch die Ampel in Berlin tun. - Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Abg. Theis (CDU) )

(Beifall von der CDU.)