Protokoll der Sitzung vom 07.12.2022

Ich danke Ihnen, Frau Kollegin Heib, und erteile nun für die SPD-Landtagsfraktion Herrn Abgeordneten Frank Schmidt das Wort.

(Abg. Schmidt (SPD) fährt das Rednerpult nach oben. - Sprechen und Heiterkeit.)

Ich kann ja mal ausprobieren, das Rednerpult noch höher zu fahren. Wer nach mir kommt, muss dann das Pult unter Umständen extrem tief runterfahren.

(Weiter Sprechen und Heiterkeit.)

Ich beginne: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Saarländerinnen und Saarländer! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Rede mit einem Aufruf der Verdi-Betriebsgruppe der Uniklinik Homburg beginnen und mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, Folgendes zitieren: „Die Pflege liegt am Boden. Wir können nicht mehr, Personalnot wird mit weiterem Personalabbau beantwortet. Der Arbeitsstress ist unerträglich. Schutzgesetze scheinen für uns nicht zu gelten! Seit Monaten und Jahren machen wir auf unsere Situation aufmerksam.“ - Ein Hilferuf aus dem Jahr 2014, der den Gemütszustand der Beschäftigten beim UKS vollumfänglich beschreibt. Da die Personal- und Belastungssituation nicht nur dort, sondern auch in den anderen saarländischen Krankenhäusern sehr schlecht war, hat die Gewerkschaft Verdi ein Jahr später sämtliche Beschäftigten in der saarländischen Krankenhaus- und Pflegelandschaft unter dem Motto „Aufstehen für die Pflege“ aufgerufen, ihren Unmut über die dauerhafte Arbeitsbelastung in der Pflege öffentlich kundzutun.

Auch hier möchte ich, Ihre Erlaubnis vorausgesetzt, Frau Präsidentin, einen Auszug aus dem Aufruf zitieren: „Dabei geht es um unsere Gesundheit und um die Gesundheit unserer Patienten. Wir wollen nicht, dass unsere Arbeit für die Gesundheit der Menschen uns selbst krank macht. Wir wollen aber auch nicht, dass unsere Patienten krank werden, weil wir zu wenige sind.“ Was zunächst als Pflegeaufstand im Saarland und in Rheinland-Pfalz begonnen hatte, entwickelte sich sehr schnell zu einer deutschlandweiten Bewegung. In zahlreichen deutschen Städten sind die Beschäftigen der Krankenpflege im Zeitraum von 2016 bis 2019 scharenweise auf die Straße gegangen und haben für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Personal gestreikt.

Ich persönlich habe in meiner Zeit bei Verdi in der Rechtsabteilung unzählige Mitglieder beraten, die mir ihr Leid geklagt haben, da sie durch die Dauerbelastung all die Jahre an ihre körperlichen Grenzen gekommen sind. Sie befanden sich quasi in einem Teufelskreislauf: Jahrelang hat man fast tagtäglich Überstunden gemacht, 10 bis 12 Schichten am Stück gearbeitet, kaum ein freies Wochenende gehabt oder überwiegend ohne die gesetzlich vorgeschriebene Pause durchgearbeitet, nur um die verbliebenen Kolleginnen und Kollegen, aber auch die Patientinnen und Patienten nicht im Stich zu las

(Abg. Heib (CDU) )

sen. Diese enormen Belastungen haben beim überwiegenden Teil der Beschäftigten zu teilweise extremen körperlichen Einschränkungen geführt, bis hin zu psychischen Problemen. Die logische Konsequenz: krankheitsbedingte Ausfallzeiten über Monate, wenn nicht sogar Jahre. Viele wollten aufgrund dieser Belastungen auch nicht mehr in ihren Beruf zurück.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nur dank des konsequenten und vehementen Einsatzes der in der Pflege beschäftigten Menschen für ihre Rechte sowie zahlreicher Bürgerinnen und Bürger auf den Straßen deutschlandweit erfolgte Ende 2018 eine Reaktion des Bundes, der diese katastrophale Situation in der Pflege, wie ich sie nennen möchte, nunmehr auch erkannt hatte. Am 01.01.2019 trat eine Pflegepersonaluntergrenzenverordnung in Kraft, die je nach medizinischem Bereich in den Krankenhäusern eine Mindestbesetzung vorsieht. Noch bevor sich diese gesetzliche Mindestpersonalisierung richtig entfalten konnte, kam das Corona-Virus und fast alles wurde wieder über den Haufen geworfen, denn nach § 7 dieser Vorschrift müs sen Krankenhäuser die Pflegepersonaluntergrenzen bei starken Erhöhungen der Patientenzahlen nicht einhalten. Daher wurden ab März 2020 die Regelungen befristet ausgesetzt. Das nachvollziehbare Ziel war, den Krankenhäusern eine sehr kurzfristige Anpassung der Arbeitsabläufe zu ermöglichen und sie kurzzeitig von den Vorgaben zum Pflegepersonaleinsatz zu entlasten.

Nachdem die befristete Aussetzung der Verordnung wieder aufgehoben wurde, blieben die Personalengpässe und die belastenden Arbeitsbedingungen allerdings weiterhin bestehen. Daher plant die Bundesregierung nun ein Krankenhauspflegeentlastungsgesetz, welches neue Pflegepersonalregelungen enthalten soll, um auf den Stationen hierdurch sodann eine Idealbesetzung zu erreichen. Wir sind gespannt!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir einmal ehrlich: Uns ist doch eigentlich schon seit Jahren bewusst, dass die Pflegebranche unter einem Fachkräftemangel leidet und der Berufszweig an Attraktivität verloren hat. Dies ist nicht nur ein saarländisches, sondern ein bundeseinheitliches Problem. Corona hat diese Situation nicht verbessert, sondern nochmals verschärft. Die Pflege liegt quasi am Boden, genau wie es die Verdi-Betriebsgruppe bereits 2014, also vor acht Jahren, geäußert hat. Hiervon dürfen wir uns aber nicht entmutigen lassen und den Kopf in den Sand stecken. Gerade jetzt gilt es mehr denn je, den Pflegebereich wiederzubeleben, damit er wieder auf eigenen Füßen stehen kann.

(Beifall von der SPD.)

Dies ist allerdings - darin sind wir uns alle einig - kein Prozess, der von heute auf morgen gelöst werden kann. Hier bedarf es einiger Geduld

und vor allem guter Ansätze. Solche Ansätze gab es in den letzten Jahren auch im Saarland, zum Beispiel mit dem Krankenhausplan 2018 bis 2025, der einige gute Parameter beinhaltet, oder dem Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens „Krankenhausfonds“ aus dem Jahr 2020.

Allerdings reichen Willensbekundungen auf dem Papier nicht, um den Personalmangel zu beheben. Vielmehr müssen alle Beteiligten - und ich meine wirklich alle Beteiligten - an einen Tisch, eine Bestandsaufnahme durchführen und in enger Zusammenarbeit Lösungen erarbeiten. Dieser erste Aufschlag hat vorgestern stattgefunden. Unser Minister Magnus Jung hat mit der von ihm und dem Ministerium ins Leben gerufenen „konzertierten Aktion Pflege“ einen Grundstein gelegt, auf dem nun aufgebaut werden kann. Vielen Dank hierfür, lieber Magnus!

(Beifall von der SPD.)

Hierfür sind im Haushalt 2023 neben den bereits angesetzten 40.000 Euro weitere 105.000 Euro veranschlagt, also insgesamt 145.000 Euro. Ne ben dieser Position beinhaltet der Haushalt für das kommende Jahr viele weitere Punkte, die zu einer Verbesserung führen und somit den Pflegebereich Schritt für Schritt wieder lebendig werden lassen. Für den Pflegebereich möchte ich explizit die Erhöhung bei den Zuwendungen zur Ausbildung von Pflegeassistentinnen und Pflegeassistenten für die Alten- und Krankenpflege um 663.000 Euro nennen, sodass dort nun knapp 4 Millionen Euro zur Verfügung ste hen. Diese Erhöhung ist aus meiner Sicht sehr wichtig, denn mit der Pflegeassistenzausbildung nach den Vorgaben des Pflegeberufegesetzes passt sich die Ausbildung den aktuellen Anforderungen der Pflege an.

Für die saarländischen Pflegeschulen soll es ab dem nächsten Jahr eine digitale Nachhilfecloud geben, um so den Auszubildenden eine zusätzliche Lernoption anzubieten und hierdurch Ausbildungsabbrüche in der Pflegefachkraft- oder -assistenzausbildung zu reduzieren. Hierfür sind 90.000 Euro eingeplant. Da perspektivisch die Krankenhausplanung neu aufgestellt werden muss, unter anderem durch die Entscheidung der Kreuznacher Diakonie, das evangelische Krankenhaus in Saarbrücken zu schließen, und da eventuell mit weiteren Schließungen zu rechnen ist, sind im kommenden Jahr insgesamt 300.000 Euro für die Erstellung eines sektor übergreifenden Versorgungsplans eingestellt.

Nicht nur der Pflegebereich in der Krankenhauslandschaft muss verbessert und aufgewertet werden, auch der Bereich der stationären sowie der ambulanten Altenpflege bedarf einer Generalüberholung, denn auch dort unterliegen die Beschäftigten Arbeitsbedingungen, die nicht mehr gehen. Da es in vielen Seniorenheimen

(Abg. Schmidt (SPD) )

und ambulanten Pflegediensten keine Betriebsräte gibt oder die Gründung solcher mit allen Mitteln durch den Arbeitgeber verhindert wird, gibt es kein internes Kontrollgremium, das solchen belastenden Arbeitsbedingungen einen Riegel vorschiebt.

Daher wurde bereits im Jahr 2010 eine Verordnung erlassen, welche zwingende Arbeitsbedingungen regelt. Trotz dieser Verpflichtung zur Zahlung eines Mindestentgelts in der Altenpflege erhalten Beschäftigte dort immer noch rund 700 Euro im Monat weniger als ihre Kol leginnen und Kollegen in der Krankenpflege. Mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz wurden deshalb Pflegeheime und ambulante Pflegedienste nun verpflichtet, ihre Mitarbeitenden in den Bereichen Pflege und Betreuung ab 01.09.2022 nach Tarif zu bezahlen.

Zunehmende Arbeitsbelastungen in vielen Tätigkeitsbereichen sowie der demografische Wandel führen dazu, dass mehr und mehr Menschen, vor allem Ältere, pflegebedürftig werden und auf die Hilfe von Familienangehörigen angewiesen sind oder eine Betreuung benötigen.

Viele fragen sich nun, wo sie Hilfe suchen können. Meine Antwort lautet: An einem der acht Pflegestützpunkte im Saarland. Der Pflegestützpunkt hat nämlich drei Hauptaufgaben: Auskunft und Beratung in sämtlichen Belangen, Koordinierung aller regionalen Versorgungs- und Unterstützungsangebote sowie die Vernetzung abgestimmter pflegerischer Versorgungs- und Betreuungsangebote.

Da die Zeit leider etwas drängt, muss ich ein bisschen kürzen. Von daher wird wahrscheinlich unser Minister Magnus Jung nachher noch darauf eingehen, welche anderen Maßnahmen im Einzelplan finanziell unterstützt werden.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Rede einen kurzen Überblick über die Situation in der Kranken- und Altenpflege geben und Ihnen verdeutlichen, dass sich dort etwas ändern muss. Wenn wir alle an einem Strang ziehen und keinen politischen Wettkampf daraus machen, bin ich mir sicher, dass wir Lösungen finden werden, zum Wohl der Beschäftigten als auch zum Wohl der Patientinnen und Patienten. Wir dürfen es nicht zulassen, dass Beschäftigte und Patientinnen und Patienten zum Spielball werden, denn letztendlich geht es um die Gesundheit von uns allen.

Hiermit möchte ich abschließen, mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken und Ihnen ein herzliches Glückauf wünschen!

(Beifall von der SPD.)

Ich danke Ihnen, Herr Kollege Schmidt, und erteile nun für die CDU-Landtagsfraktion Herrn Abgeordneten Alwin Theobald das Wort.

(Abg. Theobald (CDU) fährt das Rednerpult herunter.)

Ein ständiges Auf und Ab in diesem Parlament.

(Große Heiterkeit.)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal das Positive. Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar, Herr Minister, dass Sie ein ChildhoodHaus am Standort des Universitätsklinikums errichten wollen. Dort ist es an der richtigen Stelle. Nur dort kann es seine Funktion richtig entfalten, damit Kinder und Jugendliche, die zu Opfern wurden, die gegenüber Behörden und unserem Rechtssystem traumatisiert sind, nicht mehrfach schlimmste Erlebnisse wiedergeben müssen. Das Childhood-Haus ist ein Herzensanliegen von mir. Ich begleite und unterstütze Sie, Herr Minister, sehr gerne auf dem Weg zum Entstehen dieser Einrichtung.

(Beifall von der CDU.)

Das Gleiche gilt auch für die Ombudsstelle. Auch die begrüßen wir ausdrücklich. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass wir als CDU eine sehr gute Arbeitsgrundlage geliefert haben. Die Kinderschutzverbände im Saarland und auch ich persönlich hätten uns sehr gewünscht, dass auch das Saarland schon jetzt ein wirklich gutes, zeitgemäßes, möglichst wirksames Kinderschutzgesetz hätte oder wenigstens durch eine finanzielle Vorsorge ohne kw-Vermerke im Haushalt deutlicher erkennbar wäre, dass der Kinderschutz in allen seinen Aspekten ganz oben auf der Agenda steht.

Der zweite Punkt, zu dem ich kommen will: die Prävention im Saarland. Im Juli verkündeten Sie, die Prävention im Saarland werde von Grund auf umstrukturiert und neu aufgestellt. Einen offiziellen Zeitplan gäbe es zwar nicht, allerdings werde die Umstrukturierung bis Ende dieses Jahres erfolgen. Das klang nach einem Plan.

Ende September musste das Sozialministerium auf eine entsprechende Anfrage im Ausschuss gestehen, man sei noch nicht sprechfähig, denn man trage die Verantwortung für die Prävention im Saarland erst ab dem 01.11. Im Dezember hieß es nun seitens des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit im zuständigen Sozialausschuss zusammengefasst: Ja, wir sind zwar jetzt zuständig, aber wir müssen zunächst noch Arbeitskreise ins Leben rufen, die dann darüber diskutieren, wie es weitergehen soll.

(Abg. Schmidt (SPD) )

Umstrukturierung bis Ende des Jahres? - Fehlanzeige. Zum bereits mehrmals angekündigten Landespräventionsrat hieß es auf meine Nachfrage: Der wird berufen, wenn die Arbeitskreise fertig sind. Auf die Frage, wann die Arbeitskreise fertig beraten hätten, hieß es, Ende des ersten Halbjahres 2023.

Sie haben funktionierende Strukturen zerschlagen, ohne einen Plan zu haben, wie es weitergehen soll. Deutlicher kann eine Regierung nicht mehr klarmachen, wie wenig Stellenwert das Thema Prävention in ihrer politischen Arbeit tatsächlich hat.

(Beifall von der CDU.)

Das dritte fehlende Signal dieses Einzelplans betrifft die Krankenhauslandschaft. Wir haben es in der letzten Periode gemeinsam geschafft, einen Zukunftsfonds für unsere Krankenhäuser zu schaffen, für Investitionen in die Krankenhäuser. Wir haben die Zuschüsse von 30 auf rund 50 Prozent der Kosten für Umbau, Neubau und Sanierung erhöht. Wenn durch die äußerst hohe Inflation die Kosten für bereits beantragte genehmigte Maßnahmen nun deutlich steigen, aber jegliches Signal im Haushalt fehlt, dass Festbetragszusagen entsprechend angepasst werden und das Land weiterhin 50 Prozent der Kosten trägt, kann dies im schlimmsten Fall dazu führen, dass wichtige Investitionen nun doch unterbleiben und womöglich Krankenhausstandorte gefährdet sind. Dazu passt dann auch das laute Schweigen der Landesregierung, was die Zukunft des EVK und besonders auch die Frage angeht, wie eine innerstädtische Nahversorgung für sozial Benachteiligte und weniger mobile Menschen in Saarbrücken künftig aussehen könnte.

Wie man gestern dem „aktuellen Bericht“ entnehmen konnte, begrüßen Sie, Herr Minister Jung, die Pläne von Bundesgesundheitsminister Lauterbach, der gerne von Berlin aus bestimmen ließe, welche Krankenhäuser das Saarland noch braucht. Was die Fallpauschalen angeht, sind wir einer Meinung: Hier braucht es die Änderungen und da ist der Bund offensichtlich auf einem guten Weg. Aber was die Krankenhausplanung aus Berlin angeht, teilen wir diese Ansicht nicht. Eine Krankenhausplanung, gemacht von wem auch immer, aus einer Zentrale in Berlin, kann nicht funktionieren, dazu sind die regionalen Bedarfe und Bedürfnisse im Saarland viel zu unterschiedlich.

(Beifall von der CDU.)

Ich fasse zusammen: Die Landesregierung wird am Ende des Tages durch ihre absolute Mehrheit einen Haushaltsplan beschließen, in dem an den entscheidenden Stellen noch Lücken klaffen. Unser Saarland hat dann zwar einen Haushaltsplan, aber die Landesregierung noch immer keinen Plan, wie bestmöglicher Kinderschutz im

Saarland künftig aussehen soll, keinen Plan, wie Prävention im Saarland künftig aussehen soll,

(Abg. Conigliaro (SPD) : Doch! - Sprechen)

und auch keinen Plan, wie unsere Krankenhäuser in Zukunft aufgestellt sein sollen und wie die Gesundheitsversorgung im Saarland nachhaltig gesichert werden kann.

(Abg. Conigliaro (SPD) : Wir verstecken nicht alles.)

Diesem Einzelplan kann ich nicht zustimmen, vielen Dank!