Protokoll der Sitzung vom 10.07.2008

Die Kosten für diesen Massen-Gentest belaufen sich laut Schätzungen, die ich den Medien entnommen habe, auf ungefähr 300 000 Euro. Am 17. Juni wurde der Täter Gott sei Dank festgenommen. Das Täterprofil stimmte. Überführt hat ihn letztlich das von ihm benutzte Kraftfahrzeug.

Deswegen bitte ich Sie sehr herzlich darum, dass wir diesmal doch bei der Wahrheit bleiben! Denn der Täter wurde nicht durch den Massen-Gentest ermittelt, sondern durch klassische Polizeiarbeit. Es war solide polizeiliche Ermittlungsarbeit in Kombination mit wertvollen Hinweisen aus der Bevölkerung, verbunden mit einer ordentlichen Portion Glück. Nachdem man festgestellt hatte, dass die Wunderwaffe Massen-Gentest seine Wirkung verfehlt, besann man sich schlichtweg wieder auf sein eigentliches Handwerk und die Methoden der Rasterfahndung. Dass man den Täter dann mit einer einzeln und ganz gezielt abgenommenen DNA-Probe überführte, ist absolut gut

und richtig. Wer aber jetzt den Massen-Gentest insgesamt als eine Erfolgsgeschichte verkauft, der sagt nicht die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Ich gestehe ein, dass ein Massen-Gentest eine abschreckende Wirkung auf den Täter oder andere potenzielle Täter haben kann. Ich möchte aber diese Theorie beim besten Willen nicht zu Ende denken. Denn wahrscheinlich geht gerade einigen hier in diesem Haus durch den Kopf, welch abschreckende Wirkung es übrigens für jedwede Straftat haben müsste, wenn man doch das ganze Volk in einer Gen-Datenbank erfassen würde.

(Zuruf von der FDP: Das ist schon gefordert worden!)

Wenn dann noch jeder Mensch – das wäre ja ganz praktisch – direkt einen Chip unter die Haut gepflanzt bekäme, dann wäre er noch dazu überall identifizierbar, er wäre vielleicht sogar überall zu orten. – Ich sehe schon Herrn Bandmanns Augen glänzen; ich bin trotzdem froh, dass wir noch nicht so weit sind.

(Volker Bandmann, CDU: Ich bin voller Trauer über Ihre Rede!)

Meine Damen und Herren! Solide Polizeiarbeit ist Trumpf, und das ist auch das Fazit aus diesem MassenGentest. Wir sollten alles dafür tun, dass unsere Polizei genug Personal hat, gut ausgestattet ist und über optimale Arbeitsbedingungen verfügt, damit sie ihre erfolgreiche Arbeit fortsetzen kann. Die Defizite in diesem Bereich – dazu gab es gestern schon interessante Debatten – sind bekannt. Es wird aus unserer Sicht Zeit, dass sich CDU und SPD endlich wieder auf unsere gute alte – hoffentlich bald auch wieder jüngere – Polizei besinnt, anstatt auf irgendwelche Wundermittelchen oder Sicherheitsplacebos zu setzen.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Übrigens würde ich der Staatsregierung dringend empfehlen, sich nicht allzu knauserig zu zeigen, wenn es um die Belohnung von sachdienlichen Hinweisen geht, die zur Ergreifung eines Täters geführt haben. Ich glaube, dass das die Sicherheitspartnerschaft zwischen Polizei und Bürger nicht fördert; und es fördert ganz gewiss nicht das Hinsehen.

Wenn wir aber tatsächlich in Sachsen Ordnung und Sicherheit gewährleisten wollen, dann brauchen wir die Bürger, die nicht weg-, sondern hinsehen. Darum geht es.

(Beifall bei der FDP)

Wir als FDP sind traditionell sehr skeptisch, wenn ein Staatsapparat jede Nische seiner Staatsbürger überwachen und möglichst viel persönliches Datenmaterial sammeln will. Was passiert, wenn ein Staat quasi sein ganzes Volk unter Generalverdacht stellt, wissen alle, die in der DDR geboren worden sind. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ein

bisschen – ich betone aber ausdrücklich ein bisschen – ist es auch beim massenhaften Sammeln von Genmaterial so wie damals. Im Fall des Dresdner Massengentests ist es nämlich zu einer Umkehr der Unschuldsvermutung gekommen, weil fast 130 000 Männer durch die Abgabe von DNA-Material de facto ihre Unschuld beweisen sollten. Das entspricht nicht unserem Rechtsverständnis, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Die allermeisten Bürger unseres Landes sind völlig unbescholten und ehrenhaft. Sie haben ein Recht darauf, dass ihre Privatsphäre durch den Staat geschützt wird. Sie müssen darauf vertrauen können, dass ihre Wohnung, ihr Telefon und ihr PC unversehrt sind und niemand mithört, niemand mitliest und niemand mitsieht. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass mit Informationen und Daten über sie kein Schindluder getrieben wird. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an den jüngsten Datenunfall in deutschen Rathäusern und ich erinnere auch – vielleicht noch ein bisschen gravierender – an die unsäglichen Verunglimpfungen jenes Jürgen Roth. Es ist, meine Damen und Herren, sehr leicht, über zufällig durchsickernde Mutmaßungen, Spekulationen und Verdächtigungen Familien, Chancen und Karrieren zu zerstören. Das gilt für Lidl, die Telekom und den Staat übrigens gleichermaßen.

Mir scheint, dass einige in diesem Haus – ich sage es mal auf Sächsisch – gern etwas lunschen würden. Aber Gott sei Dank leben wir nicht mehr in den Dreißigerjahren und eben auch nicht mehr in den Siebzigerjahren. Seit 1989 entscheidet der Bürger auch hierzulande selbst, ob er seine Vorhänge aufzieht oder ob er sie zumacht. Der Staat hat nur in ganz wenigen begründeten Ausnahmefällen die Möglichkeit, hinter den Vorhang zu schauen. Auch das, meine Damen und Herren, ist ein Wert der Wende. Das ist ein Wert, für den wir kämpfen sollten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die CDUFraktion, bitte; Herr Abg. Bandmann.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Zastrow, zum Innenpolitiker taugen Sie nicht. Eigentlich müssten Sie sich schämen für die Rede, die Sie hier gehalten haben, und für den Vergleich zur DDR. Sie hatten das Glück, dass Sie 20 Jahre alt waren, als die Mauer fiel, und das ganze Elend dieser Diktatur nur bedingt erlebt haben. Als Erstes müssen wir sagen, dass die Angst der Eltern, die Kinder in Dresden haben, endlich beseitigt ist, da dieser Täter hinter Schloss und Riegel gekommen ist.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Deswegen sollte die heutige Debatte Grund zur Freude sein. Die Polizei hat nach intensiver Arbeit einen Kinder

schänder dingfest gemacht, der seit 2005 im Raum Dresden zwei Mädchen überfallen und sexuell missbraucht hat. Der Täter ist gefasst und erwartet seine Strafe.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Für diesen Fahndungserfolg gebührt unserer sächsischen Landespolizei, insbesondere der „Soko Heller“, unser aller Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Präsidentin, ich gestatte keine Zwischenfrage.

(Holger Zastrow, FDP: Aha!)

Doch wie so oft wird im Landtag nicht über den Erfolg der Polizei diskutiert, sondern über Probleme. Mal wieder gibt es Entrüstung vonseiten der Opposition. Diesmal ist die FDP dran, die sich mit dem Fahndungsmittel des Reihengentests nicht einverstanden erklären will. Das ist eine Fahndungsmethode, wie sie im Dresdner Fall angewandt wurde und die aufgrund der großen Zahl der zu testenden Personen bundesweit Aufmerksamkeit erregt hat.

Die gesetzliche Grundlage für Reihengentests findet sich in § 81h der Strafprozessordnung.

(Widerspruch des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Dieser wurde 2005 in das Gesetzeswerk aufgenommen. In den Jahren zuvor waren Reihengentests bereits ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage durchgeführt worden. Das Fahndungsmittel des Reihengentests hat sich durchaus bewährt. Ich erinnere beispielsweise an den Fall Ronny Rieken Mitte der Neunzigerjahre. Rieken hatte damals ein elfjähriges und ein zwölfjähriges Mädchen sexuell missbraucht und getötet. An beiden Opfern hinterließ er DNA-Spuren. Dieser Gentest, zu dem die männliche Bevölkerung rund um den Ort der letzten Straftat geladen wurde, überführte Rieken der Tat. Er wurde zu lebenslanger Freiheitsstrafe bei besonderer Schwere der Schuld verurteilt. Der Gentest hat damals schon seine Notwendigkeit und seine Erfolgsaussichten unter Beweis gestellt. Natürlich ist er kein Allheilmittel, aber er ist ein wichtiges Instrument polizeilicher Arbeit, um Verbrechen aufklären und das Verbrechen letztlich nachweisen zu können. Auch im Dresdner Fall musste er als Fahndungsmittel in Betracht gezogen werden.

Was war die Ausgangslage? Es galt, nach mutmaßlich ein und demselben Täter zu fahnden, der binnen kurzer Zeit zwei Kinder sexuell missbraucht hatte. Die geografische Nähe beider Tatorte ließ den Rückschluss zu, dass es sich um denselben Täter handeln müsste. Von dem wiederum war nicht viel bekannt: männlich, 1,65 bis 1,85 Meter groß, dazu vermutlich weißer Pkw, amtliches Kennzeichen beginnend mit DD für Dresden. Es stand also

durchaus zu vermuten, dass der Täter aus dem Umkreis beider Tatorte gekommen sein könnte. Deshalb war ein Reihengentest durchaus ein geeigneter Weg, um den Täter zu ermitteln. Er war insofern auch erforderlich, solange der Polizei aus den übrigen Fahndungsmaßnahmen keine weitergehenden Hinweise auf den Täter zur Verfügung standen.

Aufgrund der zu Beginn vergleichsweise allgemeinen Beschreibungen zum Täter kamen mehr als 100 000 männliche Personen in und um Dresden für einen Gentest infrage. Es ist verständlich, dass der Umfang des Tests für bundesweite Aufmerksamkeit und für kritische Nachfragen der Betroffenen und der Politik sorgte. Gerade die Verunsicherung der Dresdner Bevölkerung war riesengroß und hat auch für Aufmerksamkeit gesorgt.

Meine Damen und Herren, der Vollständigkeit halber muss gesagt werden, dass die Polizei immer deutlich gemacht hat, dass sie neben dem Gentest auch andere konventionelle Fahndungsmaßnahmen weiter vorantreiben wird. Ebenso wurden nicht alle infrage kommenden Männer zum Test gebeten, sondern es wurde zunächst nach Tatortnähe getestet. Die von Kritikern ins Apokalyptische gesteigerte Zahl der möglichen Betroffenen des Tests wurde in der Realität nie erreicht. Insgesamt wurden die Speichelproben von 14 220 Personen überprüft, darunter auch die des Täters.

(Widerspruch des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Die positiven Auswirkungen eines Reihengentests in Verbindung mit konventionellen polizeilichen Fahndungsmaßnahmen haben in Dresden zum Erfolg geführt. Der Täter fand sich letztlich unter den Personen, die einmal in der Nähe des Tatorts gewohnt haben. Diese wurden im Laufe der polizeilichen Arbeit in die Überprüfung einbezogen. Der Vergleich mit den Daten des Pkws und letztendlich das positive Ergebnis des DNA-Tests haben den Täter überführt.

Meine Damen und Herren! So weit zum Sachverhalt.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Nein, so war der Sachverhalt eben gerade nicht! Er ist falsch!)

Kommen wir zum Antrag der FDP-Fraktion. Sie wollen das Recht der Bürger auf Datenschutz garantieren. Zumindest steht dies in der Überschrift Ihres Antrages. Im eigentlichen Antragstext findet sich dann nicht mehr viel davon, zumindest keine Maßnahmen, wie das aus Ihrer Sicht ermöglicht werden sollte. Das ist aber auch nicht notwendig, denn schon § 81h StPO regelt in Abs. 3 die unverzügliche Löschung der Daten und das Dokumentieren dieser Löschung. Der Gesetzgeber hat also hierfür bereits hinreichend Vorsorge getroffen.

Auch die Praxis des Gentests in Dresden bestätigt dies. Der ordnungsgemäße Umgang mit den angefallenen Daten wurde von Beginn an durch den Sächsischen Datenschutzbeauftragten begleitet. Dieser gab schon in der Vorbereitung wichtige Hinweise für die Durchführung. Der Datenschutzbeauftragte hat bestätigt, dass

bisher vollumfänglich sowohl die Proben an sich als auch die Ergebnisse vernichtet wurden. Kein Bürger muss also Sorge um die Sicherheit seiner höchstpersönlichen Daten haben, wie das Herr Zastrow hier wieder glauben machen wollte und sogar dem Innenminister Lynchjustiz im Zusammenhang mit einer anderen Rede vorhält. Herr Zastrow, wir weisen mit aller Entschiedenheit zurück, dass Sie uns hier solchen Blödsinn anhängen wollen.

Bereits im Jahr 2006 war dieses Thema im Innenausschuss und wurde auch ausführlich diskutiert. Die Ergebnisse dürften auch der FDP bekannt sein.

Meine Damen und Herren! Gern führen die Kritiker des Gentests auch die Behandlung von sogenannten Testverweigerern ins Feld: die Behandlung derjenigen, die nicht zu einem freiwilligen Test bereit sind. Auch dazu gibt es eine klare Rechtslage. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 27.02.1996 klargestellt, dass die Verweigerung einer freiwilligen Teilnahme am Test nicht als verdachtsbegründendes Indiz zulasten der Betroffenen herangezogen werden darf. Eine Umkehr der Unschuldsvermutung durch die Verweigerung des Tests gibt es nicht. Genau dieses Verfahren wurde auch dem Innenausschuss schon im Jahr 2006 bestätigt.

Zum Antragstext selbst:

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das ist die Unwahrheit!)

Unter I. werden Berichte angefordert. Diese wurden dem Innenausschuss in seiner Sitzung vor genau einer Woche in aller Ausführlichkeit gegeben.