Protokoll der Sitzung vom 11.09.2008

Tagesordnungspunkt 6

Kinderrechte auch für Flüchtlingskinder – Vorbehalte zur Gültigkeit der UN-Kinderrechtskonvention zurücknehmen

Drucksache 4/12713, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Es beginnt die Fraktion der GRÜNEN. Danach folgen CDU, Linksfraktion, SPD, NPD, FDP, die Sächsische Ausländerbeauftragte und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht. Ich erteile nun der Faktion der GRÜNEN, Frau Abg. Herrmann, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Fraktion hat in den letzten Monaten verschiedene Initiativen in den Landtag eingebracht, die das gleiche Ziel haben, nämlich die Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen. Unter anderem – Sie werden sich vielleicht erinnern – haben wir zwei Gesetzentwürfe eingereicht. Wir haben immer wieder betont: Kinder brauchen eigene Rechte, unabhängig von der Situation ihrer Herkunftsfamilien.

Mit dem heutigen Antrag wollen wir auf die Situation von Flüchtlingskindern aufmerksam machen. Das sind Kinder, die teils ohne ihre Familien als unbegleitete Flüchtlinge, teils mit ihrer Familie nach Sachsen kommen oder hier

geboren sind. Gemeinsam ist ihnen jedoch ein unsicherer Aufenthaltsstatus.

Migration stellt, liebe Kolleginnen und Kollegen, eine einschneidende Lebenserfahrung dar. Es gibt niemanden, der sich dem leichtfertig aussetzt. Migration bietet Chancen, ist aber häufig mit einem hohen Preis verbunden. Kinder müssen die abrupte Veränderung ihres Lebens verkraften. Sie werden von den Menschen abgeschnitten, die dieselbe Sprache sprechen wie sie selbst. Viele Situationen sind für Kinder neu und sie sind für sie schwer zu ertragen. Dennoch versuchen sie, im neuen Land Fuß zu fassen.

Wir erschweren aber Flüchtlingskindern das Leben hier. Allein vom aufenthaltsrechtlichen Status ihrer Eltern hängt es derzeit ab, welche Chancen sie für ihr Leben in Sachsen haben. Wir als GRÜNE meinen, dass diese Zustände geändert werden müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe einige Beispiele für Sie:

Erstens. Wenn Flüchtlingskinder nach Sachsen einreisen und ein Asylantrag gestellt wird, müssen sich diese Kinder und Jugendlichen häufig Tests zur Altersfeststellung unterziehen. Dies geschieht, obwohl es keine gesicherten Methoden zur Altersfeststellung gibt. Die vielfach durchgeführten Röntgenuntersuchungen erfüllen ohne Einverständnis des Kindes oder des Vormundes den Tatbestand der Körperverletzung und sind darüber hinaus wie alle anderen diesbezüglichen Untersuchungen sehr unzuverlässig. Bis zu drei Jahre Differenz können zwischen dem tatsächlichen Alter und dem so ermittelten Alter liegen. Der Nutzen dieser Untersuchungen ist also gering, aber diese Untersuchungen belasten vor allem traumatisierte Kinder zusätzlich. Deshalb wollen wir, dass solche Untersuchungen in Zukunft allen Flüchtlingskindern erspart bleiben.

Zweitens. Wir haben immer noch Familien mit Kindern, die in teils sehr abgelegenen Asylbewerberheimen untergebracht werden – wie vor Kurzem auch in Posseck. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Versetzen Sie sich einmal in die Situation dieser Kinder und Jugendlichen aus dem Asylbewerberheim in Posseck: Die Kinder und ihre Tante kamen aus Nigeria. Nigeria hat eine brutale Militärdiktatur hinter sich. Noch heute wird bei Reisen nach Nigeria vor immer wieder aufflammenden ethnischen, religiösen oder sozialen Konflikten in allen Regionen gewarnt. Stellen Sie sich einmal vor, was die Kinder und Jugendliche erwartet, die nach Jahren dorthin zurückkehren müssen. Als Vormund wurde nun das Jugendamt für diese drei Kinder aus Nigeria bestellt. Die Mitarbeiter des Jugendamtes kommen in einen Loyalitätskonflikt zwischen dem Kindeswohl und dem Anspruch des Asylbewerberleistungsgesetzes bzw. den Ausländerbehörden.

Drittens. Wir haben in Sachsen Kinder, die ihr Heimatland nicht kennen und trotzdem – unabhängig davon, wie gut sie integriert sind – abgeschoben werden sollen. So konnte Herr Staatsminister Buttolo, der heute nicht anwesend ist, nur durch zahlreiche Unterstützer vor Ort in Reichenbach davon abgehalten werden, eine asiatische Familie abzuschieben.

Viertens. In diesem Jahr befanden sich allein 13 Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren in Abschiebehaft in Sachsen. Deutschland und Österreich sind die einzigen Länder in Europa, die Abschiebehaft gegen Minderjährige verhängen. Wir müssen davon ausgehen, dass unter den Jugendlichen, die sich in Abschiebehaft befinden, einige ohne ihre Familien dort sind. Die Staatsregierung wollte oder konnte uns dazu keine Angaben machen. Sicher ist jedoch, dass sich aufgrund der Geschlechtertrennung in den Haftanstalten viele Kinder nur mit einem Familienteil in Abschiebehaft befinden – das heißt, Familien werden auseinandergerissen. Sicher ist auch, dass sie während ihres Aufenthaltes in der Abschiebehaft nicht am Schulunterricht teilnehmen, obwohl sie manchmal bis zu sechs Monaten dort sitzen.

Unsere Forderung – Menschenrechte für Flüchtlingskinder in Sachsen zu verwirklichen – erreicht Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, 60 Jahre nach der Erklärung der Menschenrechte. In dieser Erklärung steht im Artikel 25: Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der sich und seiner Familie Gesundheit und Wohl einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen gewährleistet sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung. In Abs. 2 dieses Artikels steht: Mütter und Kinder haben Anspruch auf besondere Fürsorge und Unterstützung. Alle Kinder – eheliche oder außereheliche – genießen den gleichen sozialen Schutz.

Wir fordern also heute nicht weniger, als diesen Artikel 25 60 Jahre nach seiner Erklärung umzusetzen. Was heißt das konkret? Wir sind der Meinung, der Vorbehalt gegen die UN-Kinderrechtskonvention muss zurückgenommen werden. Die Bundesregierung weigert sich bisher – vor allen Dingen auch unter Berufung auf die Länder –, den Vorbehalt zurückzunehmen. Der Vorbehalt sieht vor, dass die Verpflichtungen aus der UN-Kinderrechtskonvention gegenüber dem deutschen Ausländerrecht zurücktreten.

Das Prinzip – Ausländerrecht vor Kinderrechtskonvention – hat für Kinder und Jugendliche ohne deutschen Pass ganz praktische Folgen. Anders als Kinder mit deutscher oder EU-Staatsbürgerschaft gelten sie nach dem Ausländerrecht schon mit 16 Jahren als handlungsfähig. In der Regel muss ihnen also kein verfahrensbegleitender Vormund an die Seite gestellt werden. Dem komplizierten Asylverfahren sind schon die meisten Erwachsenen nicht gewachsen, geschweige denn Minderjährige ohne Unterstützung.

Was muss sich also ändern? Die restriktiven Vorschriften über medizinische Leistungen an Asylbewerber dürfen nicht auf Kinder und Jugendliche angewendet werden. Das Kindeswohl zu berücksichtigen heißt, kinderspezifische Menschenrechtsverletzungen im Asylverfahren anzuerkennen. Es heißt auch, dass Flüchtlingskinder erst mit 18 Jahren aufenthaltsrechtlich als Erwachsene behandelt werden. In der bisherigen Rechtslage liegt ein klarer Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention. Es darf nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass jugendliche Flüchtlinge ab dem 16. Lebensjahr im Asylverfahren wie Erwachsene behandelt werden.

Um noch einmal auf die Gesundheitsuntersuchung bzw. auf die Untersuchung bezüglich der Feststellung des Alters einzugehen: Im Zweifel ist immer den diesbezüglichen Angaben der Kinder Glauben zu schenken. Es darf nicht sein, dass Flüchtlingskinder ohne altersgemäße Betreuung und Versorgung in einer Asylbewerberunterkunft leben oder gar in Abschiebehaft genommen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kinder und Jugendliche als Menschen mit eigenen Rechten in der gesellschaftlichen Wirklichkeit anzuerkennen, auch als Migranten, ist unsere Pflicht. Davon sind wir noch weit entfernt. Einen ersten Schritt wollen wir mit diesem Antrag gehen.

Sachsen kann sich gemeinsam mit Berlin, Bremen und Rheinland-Pfalz für die Rücknahme der Vorbehaltserklärung der Bundesrepublik Deutschland zur UN-Kinderrechtskonvention im Bundesrat einsetzen. Ich fordere Sie deshalb auf, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Ich erteile nun der CDU-Fraktion das Wort; bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit der Ratifizierung des Abkommens über die Rechte des Kindes durch die Bundesregierung 1992 vergeht kaum ein Jahr, in dem nicht die Rücknahme der Erklärung zu diesem Übereinkommen durch die Bundesregierung gefordert wird. Begründet wird diese Forderung vor allem damit, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre Vorgaben – so wie sie sich aus der UN-Kinderrechtskonvention ergeben – nur unzureichend erfülle.

Auch der vorliegende Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geht in diese Richtung. Der Antrag wird dahin gehend begründet, dass Kinder und Jugendliche mit einem Flüchtlingsstatus in ihren Grundrechten beschnitten werden. Meine Damen und Herren, diese Forderung ist unbegründet und kann unter Umständen sogar Irritationen hervorrufen.

Ferner ist dieser Antrag auch inhaltlich nicht korrekt. Lassen Sie mich dies kurz erläutern: In Punkt 1 a wird gefordert, die Vorbehaltserklärung zur Gültigkeit der UNKinderrechtskonvention zurückzunehmen. Die Wiener Vertragsrechtskonvention definiert den Vorbehalt als „eine wie auch immer formulierte oder bezeichnete, von einem Staat bei der Unterzeichnung, Ratifikation etc. eines Vertrages oder bei dem Beitritt zu einem Vertrag abgegebene einseitige Erklärung, durch die der Staat bezweckt, die Rechtswirkungen einzelner Vertragsbestimmungen in der Anwendung auf diesen Staat auszuschließen oder zu ändern.“ Die Bundesregierung hat bereits bei der Ratifizierung des Übereinkommens deutlich gemacht, dass sie mit ihrer Erklärung zur UN-Kinderrechtskonvention keinen Vorbehalt meint, sondern Erläuterungen, welche Fehl- oder Überinterpretationen vermeiden sollen. Es geht folglich um Erläuterungen. Ziel ist es, die rechtliche Situation klarzustellen. Die Erklärung als solche mindert nicht die Rechte der Kinder, sondern hat allein deklaratorischen Charakter.

Zweitens: Die Rücknahme der Erklärung wäre auch mit Irritationen verbunden. Aus der UN-Kinderrechtkonvention ergibt sich kein Recht auf Einreise bzw. Aufenthalt. Der Ausländer – auch der minderjährige Ausländer –, der in die Bundesrepublik einreisen möchte, muss grundsätzlich die materiellen und formellen Voraussetzungen für seine Einreise bzw. seinen Aufenthalt erfüllen. Werden diese nicht erfüllt, können aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchgeführt werden. Es handelt sich dabei um Maßnahmen, die nicht gegen das Übereinkommen versto

ßen. Die geltende Rechtslage steht damit in Übereinstimmung mit den sich aus der Konvention ergebenden Verpflichtungen.

Würde die Erklärung durch die Bundesregierung nun zurückgenommen werden, könnten Erwartungen hinsichtlich einer Änderung der rechtlichen Situation geweckt werden, welche weder das nationale noch das internationale Recht erfüllen können. Weiterhin wäre nicht auszuschließen, dass der Eindruck hervorgerufen wird, dass Kinder aus aller Welt einen rechtlichen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Dies ist jedoch nach dem Wortlaut der Konvention nicht der Fall: dass Minderjährigkeit weder nach nationalem noch nach internationalem Recht ein Einreiserecht begründet oder zur Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft verhelfen kann. Die Rücknahme der erläuternden Erklärung würde die Zielrichtung der Konvention in diesem Sinne nicht verändern.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss kommen. Der Schutz des Kindes – sei es im Freistaat Sachsen oder weltweit – ist ein Anliegen, welches wir aus tiefstem Herzen nur unterstützen können. Das Übereinkommen zum Schutz des Kindes ist ein Meilenstein, der nicht unterschätzt werden darf und einen wichtigen Beitrag leistet, um dieses Ziel zu erreichen. Falsch ist indes der Weg, welcher durch den vorliegenden Antrag gewählt wird, denn dieser Weg würde für falsche Vorstellungen und Rechtsunsicherheit sorgen. Deshalb werden wir den vorliegenden Antrag ablehnen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Die Linksfraktion, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesrepublik Deutschland sieht sich selbst – und so stellt sie sich auch nach außen dar – als ein völker- und menschenrechtsfreundlicher Staat mit hoher Grundrechtskultur. Trotzdem beschneidet diese Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Sachsen Menschen – in unserem Fall heute hier Flüchtlingskinder – in ihren Grundrechten.

Die Bundesregierung hat mit der Interpretationserklärung zur Kinderrechtskonvention in ihrem Punkt IV in der Praxis eine Sperr- und Blockadewirkung auf rechtlicher Ebene hervorgerufen und zu verantworten. Mit dem Verweis auf die Vorbehaltserklärung wird eben nicht nur bei gerichtlichen Entscheidungen, sondern auch in politischen Debatten darauf verwiesen, dass die Konvention über die Rechte des Kindes keine innerstaatliche Wirkung entfaltet. Herr Krauß, dann ist eben diese Forderung der Rücknahme dieses Punktes nicht, wie Sie behaupten, unbegründet.

Deutschland behält sich vor, Kinder deutscher und nicht deutscher Staatsbürgerschaft unterschiedlich zu behandeln. Gerade Flüchtlingen und im Besonderen minderjäh

rigen, unbegleiteten Flüchtlingen, aber auch Kindern und Jugendlichen, die mit ihren Angehörigen hier leben, wird nicht der erforderliche, volle Schutz zuteil, der ihnen zusteht.

Deshalb setzt sich auch die Linksfraktion im Sächsischen Landtag für die Rücknahme der Vorbehaltserklärung zur Kinderrechtskonvention im Punkt IV ein.

Nun konkret zu aufenthaltsrechtlichen Vorschriften. Minderjährige Ausländerinnen und Ausländer genießen nicht oder nur eingeschränkt die besonderen Rechte und den besonderen Schutz, der Minderjährigen in Deutschland im Allgemeinen zugestanden wird. Ihr Kindeswohl wird im Behördenhandel nicht berücksichtigt.

Konsequenzen daraus sind, dass schon 16-jährige Asylbewerber/-innen und Geduldete zum Beispiel, erstens, Verfahrenshandlungen wie Asyl- oder Visumsanträge oder das Einlegen von Rechtsmitteln eigenverantwortlich vornehmen müssen. Das heißt aber auch, dass sie Fehler und Unterlassungen selbst zu verantworten haben. Das Aufenthalts- und Asylverfahrensrecht ist ein hoch spezialisiertes Rechtsgebiet. Dabei muss beachtet werden, dass diesen jungen Menschen oftmals Sprachkenntnisse fehlen oder diese mangelhaft sind, weil sie keinen Anspruch auf Integrationsleistungen wie Sprachkurse haben.

Zweitens. Die Minderjährigen werden in Asylbewerberheimen untergebracht, mit allen Beschränkungen, die das nach sich zieht. Sie leben in diesen Heimen oftmals zu mehreren in einem Zimmer. Sie haben keinerlei Rückzugsmöglichkeiten und keine Beschäftigungsangebote.

Drittens. Sie unterliegen wie alle Asylsuchenden und geduldeten Flüchtlinge der sogenannten Residenzpflicht. Das heißt, sie dürfen sich nur in dem Landkreis aufhalten, in den sie eingeteilt werden. Sie dürfen ihn nicht verlassen, um zum Beispiel Eltern oder Angehörige zu besuchen oder gar zu ihnen zu ziehen, wenn diese sich in anderen deutschen Regionen aufhalten oder dort leben. Diese Handhabung ist unzumutbar.

Zur Landesebene, zur dezentralen Unterbringung. Die Frage der Unterbringung von Kindern und Jugendlichen und deren Familien obliegt den unteren Ausländerbehörden. Deshalb gibt es in Sachsen sehr große Unterschiede in der Handhabung dieser Praxis. Meine Kollegin Frau Dr. Ernst hat gemeinsam mit Mitgliedern des Sächsischen Flüchtlingsrates im Frühjahr eine Tour zur Situation der Asylsuchenden in Sachsen durchgeführt. Dabei habe ich sie begleitet und war auf einigen Stationen im Erzgebirge mit dabei. Was wir dort zu sehen bekamen, waren teils unmenschliche Zustände.

Die zentrale Unterbringung in Heimen war vielleicht in Zeiten hoher Zuwanderung ökonomisch sinnvoll, humanistisch war sie nie. Sie ist unverhältnismäßig, sie ist untauglich und sie ist menschenunwürdig. Das Festhalten an der Heimunterbringung ist teuer und verwaltungsaufwendig. Durch die dezentrale Unterbringung können weitere Kosten eingespart werden, so zum Beispiel bei der medizinischen Versorgung, da sich gezeigt hat, dass

das physische und auch das psychische Wohlbefinden bei dezentral Untergebrachten viel besser ist als bei im Heim Lebenden.

Die Forderung nach dezentraler Unterbringung stellt sich für uns als Linksfraktion nicht nur für Kinder und Jugendliche, sondern für alle Asylsuchenden und Geduldeten. Hierzu werden wir noch weitere parlamentarische Initiativen vorlegen.

An dieser Stelle kann ich nur persönlich an Sie appellieren, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen: Gehen Sie in Ihren Kreisen selbst einmal in ein Asylbewerberheim und überzeugen Sie sich von den dortigen Zuständen! Nutzen Sie Ihr Mandat, um auf Missstände aufmerksam zu machen und diese abzuschaffen!

Was unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge angeht, steht für uns fest: Sie sind bis zur Vollendung ihres 18. Lebensjahres in geeigneten Einrichtungen der Jugendhilfe unterzubringen.

Zum Thema Härtefallersuchen. In der Mehrzahl der behandelten Härtefälle wurde in Sachsen mit Zustimmung des Innenministers die humanitäre Aufenthaltserlaubnis erteilt. Allerdings gibt es auch Fälle, in denen Kinder für die Verfehlung ihrer Eltern haften, auch wenn die Kinder hier geboren oder überwiegend sozialisiert wurden.

Ein Beispiel einer Familie aus Reichenbach: Diese Familie kommt aus China und Malaysia. Sie lebt seit über 14 Jahren in Deutschland und hat zwei Kinder, die minderjährig, also unter 16 Jahren, sind. Ihrem Antrag der Härtefallkommission hatte der Innenminister seine Zustimmung verweigert. Zum Glück für die Familie gab es couragierte Bürgerinnen und Bürger aus Reichenbach, die dagegen protestierten. Auch der Reichenbacher Bürgermeister hat sich persönlich eingesetzt, er hat interveniert, und so gab es nach mehreren Monaten doch die Zustimmung des Innenministers.