Protokoll der Sitzung vom 13.11.2008

Herr Pellmann, in Ihren Ausführungen – nachdem ich nun festgestellt habe, dass André Hahn nicht ans Mikrofon tritt – haben Sie gesagt, dass Sie genau die aus Ihrer Sicht ungleich gewichtige Verteilung der Kosten der Unterkunft beenden wollen. Herr Pellmann, wissen Sie eigentlich, wie das zustande gekommen ist? Kennen Sie die Debatten im Bundesrat über die Frage der tatsächlichen Kosten für Unterkunft in den Regionen und wissen Sie, dass es ein mehrheitlicher Beschluss ohne großes Gezerre war, dass Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und andere Länder diesen Sonderstatus eingeräumt bekamen und dass es dafür objektive Gründe gab und es nicht nur daran liegt, dass diese Länder sich in letzter Instanz befinden? Insofern finde ich, wenn man sich mit diesem Thema wirklich inhaltlich tiefgreifend beschäftigen will, dann muss man auch darüber reden, dass es einen systematischen Ansatz hinter dieser Formel gibt und dass es eine Formel gibt, die zweckgebundene Finanzierungsbeteiligung des Bundes sicherstellt. Genau bei dieser Debatte gab es mit Blick auf die gesetzlichen Änderungen, die ja auch 2008 Grundlage geworden sind, eine Anpassungsformel, die festgeschrieben hat, dass, wenn die Veränderung der Bedarfsgemeinschaften vom Vorjahr zum darauffolgenden Jahr 0,5 Prozentpunkte beträgt, es dann einen neuen Anpassungsbetrag gibt.

Unstrittig war in dieser Debatte immer die Sonderstellung einzelner Bundesländer aufgrund der Tatsache, dass sie einfach höhere Belastungen haben. Deshalb ist es dazu gekommen, dass am 7. November 2008 im Bundesrat eben die Bundesländer diesem Verfahren zugestimmt haben.

Damals habe ich am 8., 9., 10. und 12. November keine Anzeigen gelesen und habe auch keinen großen Aufschrei vernommen. Ich frage die Linksfraktion, warum sie es damals nicht getan hat und wieso damals der Aufschrei nicht durch die Republik gegangen ist.

Ein Punkt, den man in diesem Zusammenhang immer wieder ansprechen muss, ist: Wenn dem so ist, dass die Bundesregierung mit einem aktuellen Gesetzentwurf eine Regelung zu treffen versucht, die dann auch den Bundes

rat einvernehmlich passiert, kann man jetzt nicht sagen, dass alles, was dort vereinbart wurde, falsch sei und dass all die Fachleute, die sich mit diesem Thema befasst haben, keine Ahnung haben. Ich habe auf meinem Tisch ein Gutachten der Bundestagsfraktion der Linken liegen, in dem nicht so vernichtend hergezogen wird, wie Sie es heute hier im Sächsischen Landtag zu tun versuchen. Das heißt, Ihre eigene Bundestagsfraktion kommt mit Ihrem Gutachten zu anderen Ergebnissen als Sie hier im Sächsischen Landtag.

Aber es ist Ihr gutes Recht, dass Sie das anders darstellen wollen.

(Widerspruch des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion)

Ich kann es Ihnen gern zeigen, Herr Pellmann, wenn Sie es nicht glauben.

Es geht doch darum, dass wir akzeptieren müssen, dass dieses Ergebnis eine Entwicklung aus der Anwendung von gewählten Indikatoren war und ist und dass es richtig ist, dass diese vereinbarte Anwendung einen bestimmten Zeitraum umfasst und immer wieder spitz abgerechnet wird. Wir müssen auch berücksichtigen, dass wir auf der einen Seite nicht über unausgeglichene Bundeshaushalte schimpfen und auf der anderen Seite nicht ständig Rechnungen zulasten des Bundes aufmachen können. Da passt irgendetwas nicht zusammen. Wir wissen, dass die finanzielle Situation vieler Kommunen in Sachsen angespannt ist. In Anbetracht der Steuerschätzung ist aber hinsichtlich der kommunalen Einnahmensituation erst einmal abzuwarten und es sind die tatsächlichen Istzahlen am Ende des Jahres zu vergleichen. Das Reglement auf Bundesebene sagt, dass man genau diese Kennziffern immer wieder erhebt.

Wenn es sinnvoll sein soll, die Bundesquote zu verändern, dann soll man das sagen. Man muss konkrete Vorschläge machen, welches andere Finanzierungsmodell man anstelle des Modells haben will, worauf sich der Bundesrat mit dem Bundestag verständigt hat. Wichtig ist, dass es sich hierbei nicht um eine Privilegierung von bestimmten Bundesländern handelt, sondern um einen einvernehmlichen Vorschlag.

Insofern ist erstens der Änderungsantrag, den Sie heute zu einem ein Jahr alten Dringlichen Antrag gestellt haben, nicht richtig und zweitens sagen Sie nichts zu dem Punkt 1, der Frage, wie eine andere Bemessungsgrundlage als die, die einvernehmlich zwischen den kommunalen Spitzenverbänden, den Ländern und dem Bundestag vereinbart wurde, aussehen soll. Insofern bitte ich darum, Ihren Antrag abzulehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall des Abg. Martin Dulig, SPD, und vereinzelt bei der CDU)

Herr Dr. Müller, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem die Linksfraktion zunächst ihren ein Jahr alten damals angeblich Dringlichen Antrag zur Behandlung im Plenum vorgelegt hatte, gibt es jetzt mit dem heute vorgelegten Änderungsantrag wenigstens eine etwas zeitgemäßere Fassung. Wir halten diese allerdings für problematisch, da sie der Staatsregierung unter anderem im Bundesrat keinen Spielraum lassen würde.

So sind zum Beispiel die unterschiedlichen prozentualen Länderverteilungen der KdU-Zuschüsse, jetzt Punkt 3 im Änderungsantrag der Linken, mit 16 zu null zu null Stimmen im Bundesrat angenommen worden, wie es Kollege Brangs bereits erklärte. So erklärte es im Übrigen auch Ihre Bundestagsabgeordnete Kipping, meine Damen und Herren von den Linken, nachzulesen im Bundestagsprotokoll. Somit hat zumindest auch das Land Berlin zugestimmt, wo die Linke mit in der Regierung sitzt. Wieso also jetzt Ihre Kritik hier im Hause?

Ich möchte jetzt gleich zu Ihrem Änderungsantrag um punktweise Abstimmung bitten. Den Änderungsantrag meiner Fraktion möchte ich für erledigt erklären.

Zugleich möchte ich die Gelegenheit nutzen und auf den Umstand aufmerksam machen, dass mit dem aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung die Bedenken des Bundesrates vom letzten Jahr immer noch nicht berücksichtigt wurden und die angenommene Korrelation zwischen Entwicklung der Bedarfsgemeinschaften und Entwicklung der Unterkunftskosten fortgeschrieben wird. Insofern hat die CDU/SPD-Koalition im Bund ihre Hausaufgaben immer noch nicht erledigt, ist doch die als Anpassung bezeichnete Bundesbeteiligung an den KdU weiterhin auf die Entwicklung der Bedarfsgemeinschaften ausgerichtet.

Meine Damen und Herren! Mit dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, besser als Hartz-IV-Gesetz bekannt, wurde eine Neuregelung für die Erstattung der Kosten der Unterkunft eingeführt. Der Bund zog sich aus den stetig angestiegenen KdU zurück. Im weiteren Verlauf wurde auch noch die zweifelhafte Methode eingeführt, den Bundeszuschuss nicht etwa an den tatsächlichen Kosten, sondern an der Entwicklung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften festzumachen. In einer Stellungnahme des Bundesrates vom 09.11.2007 heißt es zu dieser Methodik: „Der Bundesrat weist in diesem Zusammenhang auf die festgestellte Diskrepanz hin zwischen der nach der Formel maßgeblichen Entwicklung der tatsächlichen Ausgaben für die Kosten der Unterkunft und Heizung im maßgeblichen Zeitraum … Die monatlichen Ausgaben der Leistung für Unterkunft und Heizung … haben sich trotz gesunkener Zahl der Bedarfsgemeinschaften im SGB II nicht rückläufig entwickelt, sondern vielmehr zugenommen.“ So weit der Auszug aus der Stellungnahme, die der Sächsischen Staatsregierung sehr wohl bekannt sein dürfte.

Aufgrund dieser vorliegenden Diskrepanz, meine Damen und Herren, ist es nicht nachvollziehbar, dass im letzten Jahr Kollege Lehmann von der CDU-Fraktion eine

Dringlichkeit zwar ablehnte, aber im Gegenzug die von der Koalition getragene Staatsregierung augenscheinlich auch untätig blieb. Dies untermauert die Tatsache, dass ein Jahr später anscheinend jegliche Diskussion um die weitere Absenkung des Bundeszuschusses zu den Kosten der Unterkunft dadurch vermieden werden soll, dass der neuerliche Gesetzentwurf der Bundesregierung erst im letzten Moment beim Bundesrat mit dem Vermerk „besonders eilbedürftig“ und dem Verweis auf den Artikel 76 Abs. 2 Satz 4 Grundgesetz eingereicht wurde. Der Fristablauf wird noch mit dem 27.11.2008 angegeben, was suggeriert, dass wir heute noch Einfluss nehmen könnten. Der Beschluss dürfte allerdings bereits am 7.11. gefasst worden sein, da zur nächsten Bundesratssitzung am 28.11.2008 die Angelegenheit bereits verfristet wäre.

Neben dem Aspekt, dass unlängst erst verfassungsrechtliche Zweifel an der Höhe des Regelsatzes durch das Hessische Landessozialgericht geäußert wurden, entbehrt solch ein Vorgehen unter Verweis auf das Grundgesetz damit nicht einer gewissen, wenn auch für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger sowie die Landkreise und Kommunen tragischen Komik. Diese Vorgehensweise ist symptomatisch und erst recht will die Koalition damit augenscheinlich einer lang anhaltenden Diskussion und somit dem demokratischen Pluralismus aus dem Wege gehen.

Meine Damen und Herren! Nachdem die Bundesregierung an den Kosten der Unterkunft für den Freistaat Sachsen im Jahr 2007 noch mit 31,2 % beteiligt war, waren es im abgelaufenen Jahr nur noch 28,6 %. Trotz des Bewusstseins, wie die Stellungnahme des Bundesrates zeigt, dass nicht zwangsläufig ein Zusammenhang zwischen Bedarfsgemeinschaften und tatsächlich anfallenden Kosten vorhanden ist, soll der Bundeszuschuss nun um weitere 3,2 % auf 25,4 % gesenkt werden. Dass sich die Bundesregierung hier anscheinend auf Kosten der Landkreise und damit letztendlich auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger zu sanieren versucht, offenbart die tatsächlich angestrebte Einsparung für den Bundeshaushalt in einer Höhe von sage und schreibe 700 Millionen Euro.

Einer solchen Maßnahme kann und darf nach Ansicht der NPD-Fraktion der Freistaat Sachsen nicht widerstandslos zustimmen. Vor dem Hintergrund der massiven Einnahmenverluste für die sächsischen Kommunen und Landkreise sowie der Diskrepanz in der Gesetzesbegründung, die sich weiterhin auf die vorgebliche Veränderung der Bedarfsgemeinschaften beruft, wäre ein solcher Schritt verantwortungslos. Ich denke, einige Punkte des neu eingereichten Antrages der Linksfraktion wären annahmefähig. Wir wollen dementsprechend punktweise abstimmen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion; Frau Abg. Schütz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch dieses Jahr will der Bund mal wieder den Kommunen nehmend in die Tasche greifen. Während die Bundesbeteiligung an den Kosten der Kommunen für die Unterkunft 2007 noch 31,2 % und dieses Jahr 28,6 % beträgt, soll sie nach dem aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung für 2009 nur noch 25,4 % betragen.

Herr Brangs, Sie sprachen davon, dass man die Anpassungsformel so akzeptieren müsse. Die Frage ist: Ist sie gerecht? Ist sie richtig? Ist sie das, was wir in Sachsen wollen?

(Stefan Brangs, SPD: Was ist die Alternative?)

Ich kann für unsere Fraktion nur sagen, sie ist es nicht. Der Bund wird damit seinen Haushalt um 700 Millionen Euro entlasten. Was das für die Kommunen in Sachsen, aber auch bundesweit bedeutet, wird im Gesetzentwurf verschwiegen. Die Folgen sind jedoch eindeutig. Die Entlastung des Bundes bedeutet gleichzeitig eine Belastung für die kommunale Ebene in Höhe von 700 Millionen Euro. Auf Sachsen heruntergerechnet – mein Vorredner, Herr Rößler, hat es bereits gesagt – bedeutet das rund 30 Millionen Euro Mindereinnahmen für das Jahr 2009. Das ist ein Jahr, welches für die Kommunen in Sachsen aufgrund der aktuellen Finanz- und Wirtschaftssituation noch hart genug werden wird.

Dem können und dürfen wir im Interesse unserer Kommunen nicht zustimmen. Beim Thema Bundeszuschuss sind es im Übrigen immer wieder sozialdemokratische Bundesminister, die sich an den deutschen Kommunen schadlos halten wollen.

(Beifall bei der FDP)

Die Herren Clement, Müntefering, Steinbrück und zuletzt Herr Scholz – jeder hat bisher an der Bundesförderung für die Kosten der Unterkunft herumgedoktert. Herr Tiefensee als sogenannter Ostbeauftragter der Bundesregierung tut wie so oft auch wieder nichts dagegen. An sich wollte ich Sie fragen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion in Sachsen, wann Sie dem Spuk ein Ende machen wollen; aber Herr Brangs, Sie haben selbst die Antwort gegeben: Sie wollen es nicht.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion)

Das Geld, das die Bundesregierung unseren Kommunen durch die Absenkung auf 25,4 % wegnehmen will, fehlt ihnen dann an anderer Stelle. Es fehlt ihnen für Investitionen im Straßen- und Brückenbau. Es fehlt ihnen für die Schulhausinvestitionen. Und es fehlt ihnen weiterhin auch für den Ausbau der Kinderbetreuung. Dieselbe Bundesregierung, die großspurig den Ausbau der Kinderbetreuung auf ihre Fahnen schreibt, verhindert die Umsetzung ihrer schönen Programme, indem sie den Kommunen die Finanzmittel an anderer Stelle schon wieder im Vorhinein wegnimmt.

(Beifall bei der FDP)

Oder schauen Sie sich das vom Bundeskabinett am letzten Mittwoch verabschiedete milliardenschwere Konjunkturprogramm an. Unter der Überschrift „Bessere Infrastruktur in strukturschwachen Kommunen“ bewirbt das Finanzministerium das Paket unter anderem wie folgt – ich zitiere –: „Die Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen muss weiter gesichert sein. Strukturschwache Kommunen bekommen über Programme der KfW 3 Milliarden Euro mehr. Auch die Zinskonditionen werden in einem befristeten Zeitraum besonders günstig gestaltet. Die Bundesregierung appelliert an die Länder, dafür Sorge zu tragen, dass auch finanzschwache Kommunen auf das Programm zugreifen können.“

Diese Strukturschwachheit der Kommunen produziert die Bundesregierung doch selbst, indem sie ihnen das Geld über die Bundeszuschüsse für die Kosten der Unterkunft kürzt.

(Beifall des Abg. Sven Morlok, FDP)

Das Prinzip insbesondere des Bundesfinanzministers Steinbrück „in die linke Tasche rein und aus der rechten Tasche gleich wieder raus“ funktioniert nicht. Es hat zudem Reibungsverluste oder kurz gesagt Verwaltungskosten.

Das, was die Bundesregierung hier plant, ist nicht nur widersprüchlich. Das ist Konzeptlosigkeit hoch zehn.

Wir werden daher dem Antrag der Linken in der Form ihres Änderungsantrages von heute zustimmen. Die Zielrichtung, die Bundeszuschüsse an den tatsächlichen Kosten der Kommunen auszurichten und nicht an abstrakten Rechengrößen, findet unsere Zustimmung.

Ich kann am Schluss nur wiederholen, was unsere Fraktion bei allen Debatten zum Thema gesagt hat: Die Arbeitsmarktreform von Rot-Grün ist nicht reparabel. Was wir im Interesse unserer sächsischen Bürger und Kommunen brauchen, ist eine Generalrevision von Hartz IV.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anlass für den heutigen Antrag der Linken ist die Tagesordnung des Bundestages, auf der eine Änderung des SGB II zur Debatte steht.

Allerdings muss ich Ihnen, Herr Pellmann, sagen, dass die Art und Weise, wie Sie heute Morgen Ihren ursprünglichen Antrag vom vergangenen Jahr überschrieben haben, nicht unbedingt dafür spricht, dass Sie gemeinsam mit uns eine Debatte zu diesem Thema führen wollen; denn es ist eine umfangreiche Änderung des eigentlich eingereichten Antrages.

(Beifall des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Die Zeit von der Festsetzung der Tagesordnung bis heute war lang genug, dass Sie den Änderungsantrag früher