Ich sage es noch einmal: Lassen Sie uns über die Selbstverwaltung oder über richterliche Ethik sprechen.
Ich bin dabei. Aber Sie müssen, bitte schön, nicht so einen Anlass nehmen und Sie müssen nicht den Anlass nehmen, Behauptungen gegen Personen in den Raum zu stellen. Sondern dann lassen Sie uns über die Sache diskutieren und nicht über die Person.
Ich frage noch einmal, ob die Tatsache, dass sämtliche Änderungsanträge zum Sächsischen Richtergesetz, die die Opposition eingebracht hat, die nur in Richtung Erweiterung der Mitbeteiligungsrechte der Richterverbände gestellt worden sind, durch die regierungstragenden Fraktionen abgelehnt worden sind, ob das richtig ist und ob Sie demzufolge überhaupt die Möglichkeit sehen, dass wir über Selbstverwaltung reden, wenn das unten darunter überhaupt keine Chance hat.
Herr Bartl, niemand verbietet Ihnen, Visionen zu entwickeln. Dass der Landtag in diesem Fall gesagt hat, mit dieser Erweiterung der Mitbestimmungsrechte, die wir im Richtergesetz jetzt entsprechend dem Koalitionsvertrag verankert haben, soll es zunächst sein Bewenden haben, ist eine Entscheidung des Landtages, die ich als zweite Gewalt – wir reden viel über Gewaltenteilung – heute nicht zu kommentieren habe. Wie ich diese Dinge praktiziere, ist eine ganz andere Frage.
So, meine Damen und Herren, zurück zu dem Anlass der Debatte. Wir debattieren auf Antrag der Linksfraktion über eine Personalie, über den sogenannten Fall Hauser. Was ist da passiert? Es ist schon vieles gesagt worden.
Ein Autofahrer wird in der Nacht vom 8. zum 9. September 2004 wegen des Verdachts einer Alkoholfahrt gestoppt. Eine Blutentnahme soll durchgeführt werden. Die Polizei belehrt den Beschuldigten über sein Recht, einen Beistand hinzuzuziehen. Das macht er. Diese Person, der berühmte spätere Referatsleiter, wird herbeigerufen. Sie beginnt mit den Polizisten zu diskutieren. Das haben sie nicht so gern. Sie beenden die Diskussion und befördern den Rechtsbeistand „aus dem Raum“. Zwölf Minuten nach seinem Eintreffen kann der herbeigerufene Arzt die Blutentnahme durchführen. Gegen den
Referatsleiter leitet ein Staatsanwalt im November 2004 ein Ermittlungsverfahren wegen versuchter Strafvereitelung ein. Referatsleiter und sachbearbeitender Staatsanwalt können offenbar nicht so richtig miteinander. Ein Gespräch, eine Anhörung eskaliert verbal. Der Staatsanwalt habe den Beschuldigten und dessen Anwalt bei der Vernehmung nicht zu Wort kommen lassen, sei voreingenommen gewesen, auf die rechtliche Argumentation der beiden nicht eingegangen. Man habe sich schließlich sogar angeschrien.
So wird es der frisch im Amt befindlichen Frau Staatssekretärin Anfang 2005 geschildert und eine Dienstaufsichtsbeschwerde gab es zudem.
Meine Damen und Herren! Die Tatsache, dass Dinge von Dritten an eine Staatssekretärin, an einen Minister herangetragen werden, heißt nicht, dass man sie ignorieren darf. Auch Sie als Abgeordnete sind manchmal mit Abläufen innerhalb der Justiz vordergründig nicht zufrieden; ich auch nicht immer. Sie wenden sich dann an mich, fragen nach. Das ist Ihr gutes Recht. Es wäre falsch, wenn wir diese Form der Kritik an der Justiz stets von vornherein als unbegründet ansehen oder uns gar nicht darum kümmern würden. Wir nehmen entsprechende Hinweise ernst, unabhängig davon, ob wir sie für richtig halten oder nicht.
Frau Hauser hat demgemäß dem damaligen Leiter der Staatsanwaltschaft Bautzen telefonisch die ihr gegenüber geäußerte Kritik an einem seiner Mitarbeiter mitgeteilt und ihn gebeten, für ein ordnungsgemäßes Verfahren ohne Ansehen der Person zu sorgen und zur Deeskalation beizutragen.
Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Das ist der Sachverhalt, von dem ich derzeit ausgehe. Frau Hauser hat weder darum gebeten, dass das Verfahren eingestellt werden solle, noch hat sie eine entsprechende Weisung erteilt. Warum sollte sie auch? Der Stand des Verfahrens oder auch die Person des beschuldigten Referatsleiters waren ihr überhaupt kein Begriff, waren ihr nicht bekannt.
Vorzuwerfen ist ihr, wenn Sie so wollen, dass sie den Dienstweg über den „General“ nicht eingehalten hat. Dazu und zur Frage der Wiederholungsgefahr haben sich Frau Staatssekretärin Hauser und ich geäußert. Mit einer Verharmlosung, Herr Lichdi, hat das überhaupt nichts zu tun. Verharmlosungen sehen, finde ich, anders aus.
Warum aber der gesamte Vorgang vier Jahre später auf einmal ein Skandal sein soll, weiß ich nicht. Richtig ist, dass das Verfahren später, nach vielen Monaten, nach Abschluss der Ermittlungen, die im Januar 2005 überhaupt noch nicht einen Rückschluss auf ein wie immer geartetes Ergebnis zuließen, eingestellt worden ist.
Welcher „Fall Hauser“ – allein diese entwürdigende Wortwahl lässt schon tief blicken – hier vorliegen soll, weiß ich nicht. Was die rechtsprechende Gewalt, also die sächsischen Gerichte, mit dem Ganzen zu tun haben soll, weiß wohl nur die antragstellende Fraktion selbst.
Wir hören nun heute in der Debatte einiges Interessante. Zunächst, Herr Abg. Bartl, Respekt vor Ihrer persönlichen Erklärung zur Gewaltenteilung und zum Wechsel Ihrer Auffassung. Das nehme ich zur Kenntnis. Aber ich darf Sie auf die geltende Rechtslage hinweisen. Wenn Sie gesagt haben, es sei Hybris, dass der Justizminister einen Führungsanspruch erhebe, sage ich: Natürlich, ich bin die Spitze der Justizverwaltung, und in Justizverwaltungssachen ist es meine Aufgabe, meine Pflicht, die Justiz zu führen. Das hat mit den inhaltlichen Entscheidungen, die Gerichte zu treffen haben, nichts, aber auch gar nichts zu tun. Die Unabhängigkeit der Gerichte lässt die Justizverwaltung völlig unberührt.
Wenn Sie, Herr Abg. Bartl, hier einen angeblichen weiteren Einzelfall zum Anlass nehmen, Ihre Vorwürfe zu wiederholen, weil Sie nämlich in einer periodisch erscheinenden Zeitschrift eines Interessenverbandes nachgelesen haben, dass angeblich ein Richter von Frau Hauser zur Rücknahme seiner Bewerbung gedrängt oder unter Druck gesetzt werden soll, so weiß ich, dass das dort steht. Aber deswegen glaube ich es immer noch nicht, sondern, Herr Bartl, ich habe mich mit dem Kollegen unmittelbar zusammengesetzt, ich habe mir selbst eine Meinung gebildet, ich habe mir meine Fakten selbst besorgt.
Ich habe mich mit dem Kollegen eine Stunde unter vier Augen unterhalten. Er hat mir nichts von dem bestätigt, was in diesem Artikel steht. Deswegen darf ich anempfehlen, sine ira et studio vielleicht nicht alles zu glauben, was irgendwo gedruckt worden ist. Das stünde Ihnen vielleicht auch ganz gut an.
Ein Wort will ich zu dem Vertreter der NPD sagen, der hier den namentlich genannten Oberstaatsanwalt Schär aus Dresden diffamiert hat, ihm willkürliche Ermittlungen vorgeworfen hat, ihm inquisitorische Methoden unterstellt hat.
Ich bin auch nicht mit allem einverstanden, was jeder einzelne Oberstaatsanwalt, Staatsanwalt oder Richter macht. Aber ich kann eines sagen: Was die Hartnäckigkeit der Verfolgung des Rechtsextremismus angeht, hat Oberstaatsanwalt und Kollege Schär meine volle Solidarität.
Ich gehe auch davon aus, dass das, was er beantragt hat, nach Recht und Gesetz erfolgt ist, und das ist auch gut so.
Wenn Sie, Herr Lichdi, in der Debatte gesagt haben, von einer unabhängigen Justiz im Freistaat Sachsen seien wir weit entfernt, dann frage ich Sie: Wo leben Sie eigentlich? Schauen Sie einmal hin, wie unabhängig unsere Justiz im Ranking bundesdeutsch insgesamt, aber auch in Sachsen dasteht. Es gibt für mich aber auch nicht den geringsten
Also, meine Damen und Herren, der Vorwurf, Frau Hauser habe sich in ein Verfahren eingemischt, ist haltlos. Er bleibt haltlos. Er wird durch Wiederholung nicht richtiger.
Mit den richterlichen Berufsvertretungen und -verbänden sind und bleiben wir nicht nur zu diesem Thema im regelmäßigen Gespräch. In fast jedem Quartal finden turnusmäßig Gespräche mit dem Landesrichterrat und dem Landesstaatsanwaltsrat statt. Erst in der letzten Woche habe ich ein Spitzengespräch mit dem Sächsischen Richterverband und der Neuen Richtervereinigung geführt. Wir haben darin Vertraulichkeit über die Inhalte des Gesprächs ebenso vereinbart wie ihre Fortsetzung. Meine Hand bleibt ausgestreckt. Das heißt sicherlich nicht, dass wir immer einer Meinung sind. Die Zusammenarbeit pflegen wir seit meinem Amtsantritt mit gutem Erfolg. Das bleibt auch in Zukunft so. Auch die Frage der Selbstverwaltung steht auf der Agenda dieser Gespräche.
Aber noch einmal, Herr Lichdi: Dass wir nun sozusagen von heute auf jetzt im Hopplahopp-Verfahren das eine System durch ein völlig neues ersetzen, das geht nicht. Wir müssen uns darüber unterhalten, ob, auf welchem Weg und in welchen Schritten solche Dinge tatsächlich mittel- und langfristig realisiert werden können.
Das gilt auch für die von Herrn Kollegen Bräunig angesprochenen anderen Modelle der Richterauswahl. Auch darüber kann man natürlich reden.
Ich will deswegen, auch weil es von Herrn Schiemann gewünscht worden ist, noch einen Satz zu der angeblich so schlimmen Personalauswahl in der sächsischen Justiz sagen. Die Grundsätze, die Staatssekretärin Hauser und ich hier übereinstimmend anlegen, lassen kein Blatt Papier zwischen uns beide passen. Wer glaubt, er könne hier den Sack schlagen und den Esel meinen, der täuscht sich. Wir treffen Personalentscheidungen nach Recht und Gesetz und nach dem Grundsatz der Bestenauslese.
Dass diese Personalentscheidungen insgesamt sehr wohl auf Akzeptanz stoßen, beweisen zwei Dinge: nämlich die Zahl der Gegenvorschläge, die die richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Beteiligungsgremien in Stellenbesetzungsverfahren unterbreiten, und die Zahl der sogenannten Konkurrentenklagen, also Verfahren, die abgelehnte Bewerber vor Gericht anstrengen. Beide Zahlen haben aktuell und nicht zuletzt aufgrund der Tätigkeit von Frau Staatssekretärin Hauser einen für Sachsen absoluten Tiefststand erreicht. Das allein spricht für sich und widerlegt auch die Mär davon, dass das SMJus immer seine eigenen Vorstellungen durchsetzen wolle.
Meine Damen und Herren, es gibt eine Reihe von Punkten, die der sächsischen Justiz auf den Nägeln brennen, aber es gibt leider keinen Skandal, weder hier noch im Sumpf noch sonstwo in der sächsischen Justiz. Ich kann damit nicht dienen.
Bemühen Sie sich um andere Fälle. Dies jedenfalls taugt nicht zur Skandalisierung. Wenn sich die Kommunikation justizintern oder mit den Räten oder Verbänden noch verbessern lässt, werden wir, werden Frau Staatssekretärin und ich, das Unsrige dafür tun. Wir wollen die Diskussion aber auch in Zukunft, bitte schön, allein auf sachlicher Ebene führen. Ich bin zuversichtlich, dass dem Justizministerium das weiter gelingen wird. Ich würde mir wünschen, wir könnten uns fürderhin auf die Probleme konzentrieren, die in der Justiz wirklich anstehen. Davon gibt es nämlich mehr als genug.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In meiner Berufsbranche nennt man das, was Sie jetzt geboten haben, Herr Staatsminister, „beratungsresistent“. Sie sind einfach schlicht und ergreifend nicht bereit, überhaupt nur das Kernproblem, um das es hier geht, anzunehmen und darüber zu reden.
Im Raum steht nicht nur ein Vorwurf. Was ich gebracht habe, war ja nur ein holzschnittartiges Beispiel, ich kann Ihnen vier, fünf weitere bringen, die durch die Bank in Zeitschriften der Richterverbände veröffentlicht sind. Gehen Sie doch gegen die Autoren dieser Artikel vor! Das sind Oberstaatsanwälte – Herr Oberstaatsanwalt Avenarius, ansonsten in jeder Hinsicht in diesem Haus und Ihrer Fraktion als glaubhaft geltend –, Herr Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Söhnen als Sprecher des Neuen Richtervereins, alles honorige, hochdotierte Juristen, die in diesen Periodika diese Tatsachenbehauptungen bringen, auch die Tatsachenbehauptung, die Sie in Bezug nehmen, dass der unliebsame Bewerber mit seinem eigenen Urteil gewissermaßen gescholten worden ist und zur Rücknahme des Antrags gebracht werden sollte. Als er das nicht gleich getan hat, ist ihm eben dieser Aktensturz angedroht worden. So steht es in den Periodika.
Es handelt sich um eine quasi öffentliche Zeitschrift. Sie ist zugänglich. Die bekommen wir, die lesen wir. Die liest ein weiterer Teil von Bürgern in diesem Lande. Diese Bürger müssen eine öffentliche Antwort darauf bekommen.
Nebenbei bemerkt, ich lasse mich auch nicht in einem fort nur auf die Ausschüsse verweisen. Demokratie ist vor allem auch eine Frage der Öffentlichkeit.
Die Bevölkerung muss das Recht haben, Sachen, die nicht in Ordnung sind, und so gravierende Vorwürfe aus der Richterschaft selbst, dass in ihre Unabhängigkeit eingegriffen werde, öffentlich debattiert zu bekommen.
Es sind nicht nur Briefe aus der Richterschaft. Ich verweise zum Beispiel – ich glaube, Kollege Dr. Martens oder Kollege Lichdi hat es gesagt – auf Herrn Giesen, früher Sächsischer Datenschutzbeauftragter, heute ein hoch angesehener Rechtsanwalt, der in der Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ vom 19. Dezember 2008 definitiv sagt, was Herr Mackenroth hier mache, sei ein Verkaufen der Einmischung der Staatssekretärin als harmlosen Normalfall.
Das ist das, wozu letzten Endes der rechtstreue Bürger und der Kenner Giesen definitiv sagt, dass sich das alles als rechtswidrige Verletzung der Gewaltenteilung darstelle, denn die Justiz müsse „frei von fremden Einflüssen bleiben, und seien sie noch so gut gemeint.“ Das ist genau der Punkt, den Giesen bringt.