aktiv und eigenverantwortlich am gesellschaftlichen Leben und der Willensbildung zu beteiligen. Frau Staatsministerin Ludwig sagte noch 1997, unbelastet von den Zwängen der Koalitionsräson: „Wer den Jugendlichen ihre Kompetenz abspricht, der zeigt damit, wie ernst er Jugendliche als Partner wirklich nimmt. Die Folgen einer solchen Jugendpolitik sind fatal, weil sie mündige Bürger, was Jugendliche in diesem Alter sind, von der Teilhabe an demokratischen Prozessen abhält. Wer dies tut, darf sich nicht wundern, dass Jugendliche sich dem demokratischen System verweigern, dessen Spielregeln sie nicht akzeptiert und nicht einbezieht.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Meine Damen und Herren, wir nehmen das Bedürfnis, das viele Jugendliche geäußert haben, auf. Wir wollen ein Zeichen gegen den Ausschluss von Jugendlichen von der politischen Mitgestaltung setzen. Politikverdrossenheit und Wahlabstinenz werden oftmals als Zeichen einer Entfremdung von Politik verstanden, die vielleicht auf einer angenommenen mangelnden Gestaltungsfähigkeit von Politik oder auf der Wirkungslosigkeit der eigenen Wahlentscheidung beruhen sollen. Deswegen wollen wir Jugendliche auf kommunaler Ebene früh mit einem aktiven, nicht passiven Wahlrecht in Wahlentscheidungen einbeziehen. Wir wollen sie an gesellschaftliches und politisches Engagement, an Beteiligung und Mitentscheidung heranführen. Es ist für uns ganz wesentlich, einen Menschen auf dem Weg zu begleiten, Verantwortung als Bürger in diesem Gemeinwesen zu übernehmen. Beteiligung und Mitentscheidung sind wichtiger als die bloße Rolle als Zuschauer und Objekt von Entscheidungen. Wir trauen Jugendlichen zu, dass sie dies können und wollen. Deswegen sollen sie es auch dürfen.
Danke schön, Frau Präsidentin. Unsere Fraktion möchte darum bitten, den Antrag auch an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend zu überweisen, da die Jugend ein Gegenstand dieses Ausschusses ist und die Ministerin mit der Studie „Jugend 2005“ zitiert worden ist. Deswegen sehen wir das durchaus als gängiges Verfahren. – Danke.
Gut. – Das Präsidium schlägt vor, das Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaates Sachsen und weiterer Gesetze an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss – federführend –, an den Innenausschuss und an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Wer enthält sich der Stimme? – Diese Überweisung ist beschlossen.
Jetzt lasse ich noch über den Antrag der Linksfraktion.PDS zwecks Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend abstimmen. Wer möchte dieser Überweisung die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ich sehe Stimmenthaltungen und einige Stimmen dagegen, aber dieser Antrag ist mehrheitlich angenommen worden.
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet: Linksfraktion.PDS, CDU, SPD, NPD, FDP, Fraktion der GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Ich erteile nun der Linksfraktion.PDS das Wort. Herr Dr. Friedrich, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Zum wiederholten Male besteht heute die Notwendigkeit, im Plenum die Verwaltungs- und Funktionalreform aufzurufen. Bekanntlich hatten wir dazu schon einige heiße Debatten, so etwa im Dezember 2005 auf Antrag der FDP-Fraktion eine Aktuelle Stunde, im Januar 2006 zu unserem Antrag für ein bürgernahes und transparentes Leitbild für diese Reform, oder erst im April
sind BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gescheitert, indem sie einen Dringlichen Antrag zur Unterrichtung des Landtages über die Verwaltungsreform gestellt hatten und mit der Dringlichkeit nicht durchgekommen sind.
Die Notwendigkeit, heute wiederum über die Reform zu sprechen, ergibt sich aus dem offensichtlichen Reformstillstand bei der Staatsregierung. Dabei meine ich ausdrücklich nicht nur das Innenministerium. Nach wie vor fehlt eine zündende Leitidee für diese Reform. Die Staatsregierung verliert sich stattdessen in Allgemeinplätzen und spricht blumig von „gestalterischen Handlungsspielräumen“, die es angesichts der Konsolidierungszwänge zu bewahren gelte.
Ich denke, es geht bei dieser Reform um weitaus mehr, zum Beispiel um ein bürgernahes Konzept für die künfti
ge Verwaltung im Freistaat. Nach wie vor vernachlässigt die Staatsregierung den äußerst engen Zusammenhang zwischen Funktional- und Kreisgebietsreform. Wäre dies anders, würden einige Landkreise, wie etwa Stollberg und Annaberg, oder Kreisfreie Städte wie Hoyerswerda und Görlitz nicht inzwischen zur Selbsthilfe greifen und loszuschwimmen beginnen, wohl wissend, dass ein aktuelles Leitbild für eine erneute Kreisgebietsreform fehlt, denn nach wie vor ist das im Jahr 1994 beschlossene gültig.
Die Staatsregierung übt sich viel mehr in der Reaktion denn in der Aktion, wie die ausgesprochen fleißige, im Endeffekt aber reichlich hilflose Kreisbereisung des Herrn Innenministers zeigt.
Das Herangehen der Staatsregierung an diese große Aufgabe ist durch Mutlosigkeit und Konzeptionslosigkeit gekennzeichnet, obwohl gerade diese Reform eine der ganz wichtigen in dieser Wahlperiode werden sollte. Tatsächlich ist seit der Vorlage des Expertenberichts am 18. Oktober des vergangenen Jahres unter Verkündung recht schwammiger Eckwerte zur Verwaltungs-, Funktional- und Kreisgebietsreform am 20. Dezember 2005 durch den regierungsamtlichen Lenkungsausschuss der Koalition auf Regierungsseite nichts Entscheidendes mehr passiert.
Doch, etwas ist passiert. So haben Sie, Herr Staatsminister Buttolo, zwar Ihre Ministerkollegen zur Aufgabenkritik aufgefordert; herausgekommen ist dabei eine fast lupenreine Nulllösung, nämlich 1 % Aufgabenverzicht, 1 % Privatisierungsvorschläge, 1 % Kommunalisierungspotenzial, bezogen auf die aktuelle Aufgabenmenge in den Fachministerien. 97 % des gegenwärtigen Aufgabenbestandes sollten nach Meinung der Fachministerien in der gegenwärtigen Verantwortung bleiben. Nur ein Witzbold kann dies als eine ernsthafte Aufgabenkritik oder gar als einen gelungenen Reformansatz bezeichnen.
Dieser Nulllösung haben Sie sich, Herr Staatsminister Buttolo, richtigerweise entgegengestellt. Sie haben ein Denkmodell kreiert, das allerdings einen entscheidenden Nachteil hat, nämlich den, dass es niemand kennt und niemand kennen darf, vor allem nicht das Parlament und die Mitglieder des Innenausschusses. Ich spreche hier für die Mitglieder der demokratischen Oppositionsfraktionen.
Mit diesem Denkmodell, das keiner kennen darf, tingeln Sie jetzt durch die Landkreise. Sie wollen die Reform in letzter Minute doch noch retten, was natürlich ehrenhaft ist. Sie wollen wenigstens die Landräte und die Bürgermeister mit ins Boot nehmen, nachdem Sie sich etwas vorschnell der grundsätzlichen Unterstützung durch den Herrn Ministerpräsidenten für Ihr Denkmodell versichert und dabei auch einen kräftigen Tritt vors Schienbein einiger Ihrer zu sehr zaudernden Fachkollegen, zum Beispiel Herrn Tillich, in Kauf genommen haben, die
Geschenkt – das müssen Sie als Innenminister aushalten. Da haben Sie nun einmal einen harten Job. Deshalb hält sich unser Mitleid durchaus in Grenzen.
Nicht durchgehen lassen kann ich Ihnen aber, Herr Staatsminister Buttolo, die Tatsache, dass Sie es auch fünf Wochen nach der Kreierung Ihres so genannten Denkmodells immer noch nicht für notwendig erachten, die Mitglieder dieses Hohen Hauses oder wenigstens die Mitglieder des Innenausschusses über Ihre Überlegungen zu informieren.
Es ist einfach ein Unding, ja, eine Entmündigung oder sogar Missachtung des Parlaments als Stätte der politischen Willensbildung, dass Sie und mit Ihnen die gesamte Staatsregierung offenbar davon ausgehen, dass es ausreichend sein könnte, wenn die Lenkungsgruppe der Koalition die richtigen Entschlüsse trifft – in dieser Lenkungsgruppe sitzt bekanntlich kein einziger Vertreter der demokratischen Oppositionsfraktionen –, und damit basta! Das Parlament wird zu gegebener Zeit – wahrscheinlich kurz vor Weihnachten – dann schon noch zustimmen.
Derweil müssen sich die Landtagsabgeordneten alle relevanten Informationen mühsam bei ihren Landräten regelrecht erbetteln oder sie sind auf schlichte Zeitungsberichte oder gezielte Indiskretionen angewiesen. Die Linksfraktion.PDS ist jedenfalls nicht länger bereit, diesen in jeder Hinsicht unbefriedigenden und unwürdigen Zustand hinzunehmen.
Weil wir den Erfolg dieser Reform wollen, erneuern wir heute unseren bereits im Januar unterbreiteten Vorschlag an die anderen demokratischen Fraktionen, über ein geeignetes Arbeitsgremium zur rechtzeitigen Einbeziehung des Landtages und zur parlamentarischen Begleitung dieser höchst komplexen und komplizierten Reform nachzudenken.
Dabei geht es uns in allererster Linie um ein konsensfähiges Leitbild. Unserer Meinung nach sollte ein zeitweiliger Ausschuss nach § 15 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung des Landtages ein solches Arbeitsgremium darstellen. Ich darf diese Passage zitieren: „Für bestimmte Aufgaben können zeitweilige Ausschüsse bestellt werden.“
Deren Einsetzung, Aufgabe, Stärke und Arbeitsweise richten sich nach den einschlägigen Bestimmungen, die auch für die normalen Landtagsausschüsse gelten; siehe die §§ 17 bis 20 der Geschäftsordnung. Ein zeitweiliger Ausschuss hat also eine völlig andere Qualität als etwa ein Unterausschuss nach § 16 der Geschäftsordnung, wie wir ihn zur Perspektive der Landesbank gebildet haben.
Der von uns vorgeschlagene zeitweilige Ausschuss Verwaltungsreform wäre im Grunde nichts anderes als ein auf Zeit gebildeter zusätzlicher Fachausschuss. Es liegt natürlich in der Logik dieses Vorgangs, dass ein solches zusätzliches Gremium nur dann Sinn macht, wenn ein anderer Fachausschuss – und das wird logischerweise der Innenausschuss sein – massiv entlastet wird. Dies wäre
ohne Weiteres möglich, wenn es im Präsidium des Landtages eine Verständigung darüber gibt, dass alle die Verwaltungs-, die Funktional- und die Kreisgebietsreform betreffenden Entscheidungen ab sofort federführend in diesem zeitweiligen Ausschuss bei entsprechender Entlastung des Innenausschusses beraten werden.
Die Befürchtung der CDU, in solch einem Verwaltungsreformausschuss würde dann letzten Endes alles mit den gleichen Leuten doppelt behandelt werden müssen, lässt sich also leicht zerstreuen. Die Verwaltungsreform umfasst buchstäblich alle Ressorts. Deshalb wäre es sogar anstrebenswert, dass sich in einem solchen zeitweiligen Ausschuss eben nicht nur die ausgewiesenen Innenpolitiker wiederfinden, sondern auch andere Fachpolitiker.
Die parlamentarische Praxis in anderen Bundesländern, in denen es in letzter Zeit Verwaltungsreformen gegeben hat – wie in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Berlin, auch Mecklenburg-Vorpommern –, beweist, dass das von uns Vorgeschlagene bei effektiver Entlastung des Innenausschusses tatsächlich funktioniert.
Die Presseberichte der letzten Tage zeigen, dass bei den Koalitionsfraktionen wohl doch etwas Bewegung in die Überlegungen für eine angemessene parlamentarische Begleitung der Reform gekommen ist. Die SPD drückt jedenfalls jetzt über ihren stellvertretenden Ministerpräsidenten Jurk aufs Gaspedal. Das ist auch richtig so. Kollege Brangs, Sie fordern seit Monaten mehr Transparenz und einen ähnlichen Ausschuss wie wir. Und auch das ist gut so.
Auch der CDU dürfte bei einer nüchternen Betrachtung klar werden, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann, allein schon deshalb, weil die Landräte aus gutem Grund ungeduldig werden, sie mit ihren Kreistagen aus dem Ruder laufen – um das mal etwas lax zu sagen – und dem Landtag allmählich die Zeit davonläuft. Die wesentlichen Reformschritte müssen eben, wenn sie überhaupt noch Sinn machen sollen, deutlich vor den nächsten Landrätewahlen im Jahr 2008 stehen; zumindest die Eckpunkte.
Eine als notwendig erachtete Kreisgebietsreform erst nach den Landrätewahlen durchzuführen und für freiwillige Fusionen allein ein finanzielles Anreizsystem auszuloben, dessen Einzelheiten im Übrigen auch niemand kennt, das dürfte bei Weitem zu wenig sein. Dann wird die Reform grandios scheitern.
Wenn die SPD unseren Antrag heute dennoch ablehnen will, weil er angeblich viel zu früh komme und erst dann Zweck habe, wenn der Regierungsentwurf irgendwann im Spätherbst vorliegt, ist das schlicht bedauerlich und etwas komisch. Ich darf deshalb hier und heute dem Kollegen Brangs noch einmal die herzliche Ermunterung mit auf den Weg geben, sich endlich einmal mannhaft mitsamt seiner Fraktion aus der freundlichen Umklammerung des übergroßen Koalitionspartners und ganz speziell des Kollegen Bandmann zu befreien
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Also, Herr Dr. Friedrich, eines kann ich Ihnen durchaus versichern, ohne dass ich jetzt noch einmal eine interne Abstimmung vorgenommen habe: Die Mannhaftigkeit von Herrn Brangs hängt ausschließlich von ihm selbst ab. Damit habe ich nichts zu tun. Ich denke, er hat bisher an der Stelle gezeigt, dass er in seiner Entscheidung völlig frei ist, und die würde ich ihm auch nicht einschränken.