Protokoll der Sitzung vom 19.01.2005

Eine zweite Kritik geht an den Innenminister. Der Minister hat durch seine Aussagen in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, als ob es ausreiche, mit einem Rotlichtkönig unter einem Dach zu wohnen, um vom SEK überfallen zu werden.

(Staatsminister Dr. Thomas de Maizière: In einem Mehrfamilienhaus! – Klaus Bartl, PDS: So war es!)

Ich zitiere die „Morgenpost“ vom 21. Dezember 2004: „Wenn ein Polizist und dessen Lebensgefährtin, die im Innenministerium arbeitet, mit einem Rotlichtkönig zusammen unter einem Dach leben, müssen sie damit rechnen, dass so etwas passiert.

Sage mir, mit wem du umgehst – und ich sage dir, wer du bist. Ich habe nicht die Absicht, mich in irgendeiner Form zu entschuldigen.“

Genau so, Herr Minister, ist es nicht. Sie haben auch eine Schutzpflicht gegenüber unbescholtenen Bürgern. Es steht Ihnen nicht zu, diese in die Nähe von Kriminellen zu rücken. Ich sage Ihnen, Herr Staatsminister, wohl wägend: Dies grenzt an üble Nachrede!

Herr Minister, Sie haben im Innenausschuss ausdrücklich bestätigt, dass gegen die Betroffenen keine staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen laufen. Daran haben Sie sich auch in Ihrer öffentlichen Darstellung zu halten.

(Karl Nolle, SPD: So ist es!)

Ob in diesem Fall aus Gründen des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Sauberkeit der Verwaltung eine Versetzung des Polizeibeamten und der Mitarbeiterin im Innenministerium angezeigt ist, haben Sie zu entscheiden. Dies hat aber mit den hier behandelten Fragen eines strafprozessualen Ermittlungseingriffes nicht das Geringste zu tun. Indem Sie beide Fragen in der Öffentlichkeit miteinander vermengt haben, haben Sie auch aus meiner Sicht Ihre beamtenrechtliche Fürsorgepflicht verletzt.

Ich hoffe, Herr Staatsminister, dass wir nicht in nächster Zeit die Verletzung von Menschen bei einem SEK-Einsatz zu beklagen haben. Und ich hoffe sehr, dass Sie sich bei nächster Gelegenheit in Ihrem Bemühen, sich vor die Polizei zu stellen, nicht wieder zu derart untragbaren Äußerungen hinreißen lassen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN, der PDS und der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion spricht Herr Dr. Hähle, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal kurz daran erinnern, dass es in der Tat ein Antrag der Koalitionsfraktionen CDU und SPD war. Wir wollten klarstellen, dass es hier nichts zu vertuschen gibt. Freilich gibt es unterschiedliche Auffassungen zur Vorgehensweise der Polizei, zum Erfolg dieser ganzen Aktionen. Man kann während einer Parlamentsdebatte diese Auffassungen ungehindert darstellen und diskutieren. Das ist Ausdruck einer gelebten Demokratie. Da muss sich auch die regierungstragende Koalition nicht unbedingt ohne Wenn und Aber vor den Innenminister stellen. Auch von uns könnten kritische Töne kommen.

(Lachen bei der FDP – Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Schwer! – Zuruf von der FDP: Hört, hört!)

Bei dieser Gelegenheit ist es vielleicht eher nicht angezeigt.

Es zeigt sich eben, dass mit diesen Debatten auch solche auf den Plan gerufen werden, denen man ihre Krokodilstränen nicht so einfach abnehmen kann.

(Beifall bei der CDU)

Ich hebe da ab auf Herrn Apfel. Hüter des Rechtsstaates hat er sich genannt. Wolf im Schafspelz würde ich eher sagen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN und vereinzelt bei der PDS)

Ich wiederhole, was Frank Kupfer heute schon einmal zitiert hat. Das ist ein Zitat des Vorsitzenden der NPD, Udo Vogt, aus seinem Interview in der „Jungen Freiheit“: „Es ist unser Ziel“, sagt der NPD-Vorsitzende, „die BRD ebenso abzuwickeln, wie das Volk vor 15 Jahren die DDR abgewickelt hat.“ Ich darf dazu den Grundgesetzartikel 21 Abs. 2 zitieren: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“

(Karl Nolle, SPD: So ist es! – Beifall bei der CDU und der SPD – Uwe Leichsenring, NPD: Das wird das Gericht …!)

Nun noch eine kleine Bemerkung zu Herrn Bartl, der sich hier ebenfalls wieder einmal als ein vehementer Hüter des Rechtsstaates aufgespielt hat – meines Erachtens mit geringer Glaubwürdigkeit. Nach eigenen Aussagen – ich zitiere sinngemäß – hat er heute dem Parlament ein besonderes Stück vorgeführt. Es war irgendwo in dem ganzen Wortschwall versteckt: Wer wo wohnt und wie die Wohnung aussieht, hätte zu seinen Glanzzeiten in der DDR jeder ABV gewusst.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Klaus Bartl, PDS)

Selbst der von Annaberg, haben Sie gesagt, hätte gewusst, wie es in Dresden-Loschwitz aussieht. Er hätte ja nur beim zuständigen Untersuchungsorgan Stasi einmal anrufen brauchen, da wäre es klar gewesen. Das ist eben heute etwas anders, Herr Bartl.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das macht die Strafverfolgung nicht einfacher. Gleichwohl halten wir daran fest, dass es nicht möglich sein darf, alles und jedes auszuforschen,

(Klaus Bartl, PDS: Aber die DNA wollen Sie bei jeder Sachbeschädigung erfassen!)

nur damit man den Erfolg bei jeder Aktion von vornherein sichert.

Meine Damen und Herren! Diese Rechtsstaatshüter vom linken und rechten Rand liegen hier eindeutig daneben, selbst wenn sie manchen Paragrafen des geltenden Rechts zitieren und in ihrem Sinne auslegen wollen.

(Holger Apfel, NPD: Sie wollen doch nichts gegen Ihren neuen Bündnispartner sagen?)

Diesen Unterschied müssen wir machen und auf diesen Unterschied will und werde ich immer wieder hinweisen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Wird von den Fraktionen weiterhin das Wort gewünscht? – Herr Abg. Bartl, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatsminister, Sie haben mir den Diskurs ja leider nicht gegönnt, den Sie mir versprochen hatten, als Sie sagten, dass Sie auf verschiedene Fragen noch antworten wollten. Ich gehe davon aus, dass Sie das, was Sie unterschreiben, auch lesen. Dann wissen Sie sehr wohl, dass wir in unserem Antrag – der, das gebe ich zu, heute im Detail nicht behandelt wird – ganz bewusst gefragt haben, inwieweit bei diesem Einsatz § 36 Abs. 2 der Strafprozessordnung im Blickwinkel war, wonach die Staatsanwaltschaft für die Vollstreckung eines richterlichen Durchsuchungsbefehls zuständig ist. Dazu gab es von Ihnen keine Aussage.

Im Klartext bedeutet dieser Paragraf, dass regelmäßig bei der Durchsuchung einer Wohnung dieser Art, besonders bei den martialischen Gefahren, die Sie geschildert haben, mit 0,01 Gramm Kokain zum Beispiel,

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Lappalien?)

die Staatsanwaltschaft das Einsatzkonzept im Groben, jedenfalls wenn es um eine Durchsuchung zur Nacht geht, bestätigen muss.

Sie wissen, dass die Strafprozessordnung sagt, dass in der Regel bei einer Durchsuchung der Wohnungsinhaber und ein Staatsanwalt beigezogen werden müssen. Wenn das nicht geht, müssen zwei Gemeindebürger anwesend sein. Ich habe aber nicht gehört, dass zwei unbeteiligte Gemeindebürger hinzugezogen worden sind. Ich habe von Ihnen auch nicht gehört, dass von Anfang an der Staatsanwalt dabei war. Aber ich habe in der Zeitung gelesen, dass die Staatsanwältin, die eigentlich zur Durchsuchung anwesend sein sollte, zu der von ihr anberaumten Besprechung zum Zwecke des Einsatzes allein sitzen gelassen worden ist und die Polizeiführung nicht kam. Das ist mein Problem, Herr Staatsminister.

Woher nehmen Sie als ehemaliger Justizminister die Kaltschnäuzigkeit, über die Frage einfach hinwegzureden? Sie wissen doch sehr wohl, dass bei dem Einsatz die Staatsanwaltschaft zum Zwecke einer Besprechung der Vorgehensweise zur Nachtzeit vorgeladen hatte. Sie hatten im Innenausschuss und haben auch heute im Parlament keinen Halbsatz zu der Frage übrig, inwieweit es unter Verletzung von § 36 StPO zu einem Einsatz kommt, bei dem 17 Schüsse – reden Sie das nicht klein! –, davon 12 aus einer langen Waffe, in einer Wohnung abgegeben werden. Das ist doch tatsächlich originär, zumal das Sondereinsatzkommando vorher noch nie geschossen hat. 17 Schüsse in einer Wohnung!

(Staatsminister Dr. Thomas de Maizière: Nicht gegen Personen!)

Herr Staatsminister, ich gönne es Ihnen nicht, nachts um halb drei aus dem Bett geholt zu werden und dann mitzuerleben, wie 15 Schüsse aus der langen Waffe in Ihrer Wohnung abgegeben werden, ohne zu wissen, was passiert, wenn man geweckt und zu Boden gerissen und geknebelt wird. Das gönne ich Ihnen nicht.

Das ist mein erstes Problem. Sie sind nicht lauter in der Information des Parlaments.

In der Frage, ob es nicht ein von vornherein rechtswidriger Einsatz war, bin ich mit Ihnen, Herr Lichdi, überhaupt nicht d'accord. Wenn es tatsächlich gesetzeskonform gewesen wäre, dann hätten zwei unbeteiligte Personen oder der Staatsanwalt dabei sein müssen. Wieso waren sie es nicht? Deshalb war der Einsatz von vornherein und ohne Überlegung rechtswidrig. Dabei bleibe ich. Ich will einmal sehen, welches Verfassungsgericht mir dabei nicht Recht gibt.

Herr Staatsminister, bis vor kurzem waren Sie Staatsminister der Justiz. Aber Sie haben in Ihrer ganzen Rede die Worte Grundrecht und Grundfreiheit nicht über die Lippen gebracht.

(Staatsminister Dr. Thomas de Maizière: Ach!)

Ja doch, das stimmt! Holen wir das Wortprotokoll heraus! Das ist das Problem. Sie haben überhaupt keine Problemsicht dafür, dass es hier um die Abwägung geht zwischen Eingriffsrechten des Staates und den Grundrechten der Bürger und dass hier auf die ganz kalte Tour neben Hartz IV etc., wo es dem Sozialstaat an den Kragen geht, auch der Rechtsstaat geschliffen wird. Jawohl, das Verhältnis zwischen Eingriffsrechten des Staates und Grundrechten der Bürger!

Herr Hähle, dabei helfen Sie sich überhaupt nicht, wenn Sie über meine 15-, 20- oder 30-jährige alte Vergangenheit reden und mir den Bärensteiner ABV in einem völlig falschen Zusammenhang unterschieben. Da können Sie doch bis zu den Knien im Blut waten, das juckt mich bei dem Ding doch überhaupt nicht! Sie reden doch über das Problem hinweg! Wir reden im Jahr 2005, wir reden darüber, ob im Jahr 2005 im Rechtsstaat, ob es im Freistaat Sachsen möglich ist, dass sich auf diese Art und Weise, ohne den Staatsanwalt herbeizuziehen, ohne unbescholtene Bürger zu haben, zur Nachtzeit, vier Tage nach Erlass des Durchsuchungsbefehls und zehn Jahre nach dem Verdacht, dass er angeblich Anstifter war für einen Anschlag mit Waffen und allem Drum und Dran, eine solche Durchsuchung läuft. Setzen Sie die Brille mit dem Kran auf?

(Beifall bei der PDS)

Das ist doch das Problem. Wir wollen doch hier über die Wahrheit reden.