Protokoll der Sitzung vom 11.10.2006

Richtig ist aber auch, der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist nicht deshalb von vornherein verfassungswidrig, weil er Ihnen aus politischen Gründen nicht ins Kalkül passt, meine Damen und Herren. Das ist doch der Grund. Mit dem berechtigten Sicherheitsbedürfnis der Menschen zu spielen halte ich für schändlich. In der Tat hat unter diesen Gütern eine Güterabwägung auch beim Bundesverfassungsgericht stattgefunden. Ich denke, genau diese Güterabwägung wird auch auf Bundesebene bei der Bundesgesetzgebung stattfinden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Kollege Bandmann, können Sie mir die Bundesnorm, die Norm in einem Bundesgesetz oder im Grundgesetz nennen, die es zulässt, die Gesetzgebung des Bundes auf die Länder im Bereich der Polizei zu erstrecken?

Zunächst gibt es im Grundgesetz eine ganze Reihe Gesetzesnormen, eine ganze Reihe Artikel, die die Zulässigkeit der Einschränkung der Länderpositionen beschreiben. Ich denke, das ist auch Ihnen bekannt. Sie wissen auch, dass es an bestimmten

Stellen Einschränkungen dieser Dinge gibt. Wir werden genau diese Fragen in Abstimmung bei der Gesetzgebung, auch mit der Staatsregierung, sorgfältig prüfen. Die Normen sind mir hinreichend bekannt, sodass ich hier jetzt nicht näher auf diesen Sachverhalt eingehen werde.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Ich gestatte keine weitere Zwischenfrage.

Unabhängig davon hat Herr Lichdi die Frage der Bekämpfung angesprochen. Auch diese Frage der Bekämpfung einer Gefahr ist im Grundgesetz sprachlich niedergelegt. Es ist also nicht so, Herr Lichdi, dass dieser Begriff „Bekämpfung der Gefahr“ irgendwo aus dem luftleeren Raum kommt, sondern die Bekämpfung der Gefahr ist eindeutig im Grundgesetz niedergelegt. Ich denke, die Bekämpfung von Gefahren ist ein wichtiges Mittel zum Schutz der Bevölkerung.

Unabhängig davon möchte ich betonen, dass wir auch kein verfassungswidriges Antiterrordateigesetz im Freistaat Sachsen haben wollen. Richtig ist aber auch, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht deshalb von vornherein unzulässig ist. Mit dem Gesetzentwurf sollen den zuständigen Behörden übrigens keine neuen Aufgaben übertragen werden. Dem Verfassungsschutz sollen keine neuen Befugnisse gegeben werden, sondern es soll ausschließlich die Bereitstellung und die Nutzung – Herr Bartl, jetzt kommt es – der im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeit gewonnenen Daten zur wirksamen Terrorbekämpfung geregelt werden. CDU und SPD werden koalitionsintern die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen genau prüfen. Wir prüfen diese Frage und setzen nicht einfach Behauptungen in die Welt.

(Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Nein, keine weiteren Zwischenfragen.

Lassen Sie mich noch eines hinzufügen. Das geplante gemeinsame Dateiengesetz der Bundesregierung ist ein Bundesgesetz, das nach Artikel 31 des Grundgesetzes dem sächsischen Landesrecht Nachrang gibt. Damit überlagert das Bundesrecht auch das sächsische Landesrecht. Der Freistaat Sachsen hätte selbst dann bundesgesetzliche Verpflichtungen zu erfüllen, wenn die Sächsische Verfassung dem entgegensteht. Wir stehen mit unserer Politik für eine wehrhafte Demokratie, und wir werden alles tun, um Leben und Gesundheit unserer Bürger zu schützen. Deshalb werden wir auch das Antiterrordateiengesetz mittragen, wenn es sich, wovon wir ausgehen, im verfassungsrechtlichen Rahmen hält. Wir müssen das rechtlich mögliche Instrumentarium schaffen und nutzen, um der Bedrohung, auch dem internationalen

Terror, wirksam zu begegnen. Dies sind wir den Bürgerinnen und Bürgern im Freistaat Sachsen und in Deutschland insgesamt schuldig.

Herr Lichdi, ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass es nicht im ureigensten Interesse der diesem Antrag entgegenstehenden Fraktionen ist, dass der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik Deutschland und damit auch im Freistaat Sachsen oberste Priorität einzuräumen ist. Denn wenn ein Unglück in dieser Qualität passiert, sind Sie die Ersten, die schreien, der Staat hätte versagt. Deshalb sollten Sie noch einmal nachdenken, bevor Sie hier mit diesen starken Worten versuchen, diese Datei zu verhindern. Mit einem derartigen Populismus werden Sie in der Bevölkerung jedenfalls kein Verständnis und keinen Blumentopf gewinnen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Die SPD-Fraktion. Herr Abg. Brangs, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, dass wir uns bei dem Thema hier im Hause einig sind, dass es, wenn wir über die Antiterrordatei reden, über die Aufgaben von Polizei und Verfassungsschutz, im Kern darum geht, dass der Schutz der Freiheit, des Eigentums, des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit die Kernaufgabe des Staates sein soll. Wenn dem so ist, dann ist es natürlich richtig, dass wir bei dem Thema innere Sicherheit auch mit Augenmaß vorgehen und dass wir uns genau überlegen, welche zukünftigen Schritte wir planen. Ich will ganz klar sagen, dass das nicht mit Hektik oder Schnellschüssen einhergehen darf. Ein entscheidender Punkt – er hat bei der bisherigen Diskussion eine Rolle gespielt – sind die notwendigen Maßnahmen, die ergriffen werden. Sie dürfen aus meiner Sicht – das ist auch Auffassung der SPD-Fraktion – nicht die Freiheitsrechte und vor allem auch nicht den Datenschutz einschränken.

(Beifall des Abg. Klaus, Bartl, Linksfraktion.PDS)

Wenn sie es tun, dann nur so weit, wie es wirklich notwendig ist. Denn – das ist das Entscheidende – der Rechtsstaat wird nicht geschützt, indem man ihn abschafft, sondern der Rechtsstaat schützt sich nur selbst – wenn Sie sich das oberste Verfassungsgebot anschauen –, indem man nämlich die oberste Verantwortung übernimmt und diesen Anforderungen in Form von Innenpolitik Rechnung trägt.

Da sind wir genau bei dem Thema Antiterrordatei. Die Planung auf Bundesebene und auch die Überlegungen und die konkreten Umsetzungsschritte, die diskutiert worden sind, haben aus meiner Sicht eine klare sozialdemokratische Handschrift. Ich will das auf einige Punkte reduzieren.

Es ist eine klare Absage in der jetzigen Verständigung an eine flächendeckende Videoüberwachung enthalten. Es ist

klar, dass die Überwachung nur an einzelnen Kriminalitätsschwerpunkten stattfinden soll.

Vor allem ist auch klar – Kollege Bartl, ich freue mich, wenn ich zur Belustigung beitragen kann, Lachen ist immer gesund, das ist richtig –, dass zur Begrenzung die Datensammlung auf ein absolutes Minimum reduziert wird. Auch das ist ein wesentlicher Punkt. Die Erweiterung der Grunddaten wird nur nach unmittelbarer Behördenkommunikation und mit Prüfung der jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen tatsächlich dann auch gesammelt. Nur – das ist auch wichtig – Daten in einer Datei, die bisher schon erhoben werden durften, werden erhoben.

Insofern ist das, was ich hier gehört habe, auch von Kollegen Lichdi und von Kollegen Bartl an mancher Stelle, aus meiner Sicht schwer nachvollziehbar. Das eine oder andere, gestehe ich Ihnen zu, ist nachdenkenswert. Auch die Frage der Volkszugehörigkeit – das haben Sie ja thematisiert – ist nach meiner Auffassung bereits jetzt ein Erkennungsmerkmal, ein Erfassungsmerkmal. Die Frage ist nur, wie man es beschreibt. Auch die SPD-Handschrift in diesem Verfahren hat deutlich gemacht, dass wir als Sozialdemokraten gesagt haben, dass wir eine Erfassung in einer Volltextdatei aus unserer Sicht für verfassungswidrig ansehen und dass es zu einem solchen Überlegen und einer solchen Planung nicht kommen wird.

Wenn man sich das ansieht und berücksichtigt, was ich gerade gesagt habe, so denke ich, dass man damit durchaus einen sachgerechten Ausgleich geschaffen hat zwischen den Erfordernissen, die wir für die innere Sicherheit des Rechtsstaates und der Verfassung brauchen. Dabei ist ganz klar, dass die SPD natürlich nicht das Trennungsgebot des Grundgesetzes verkennt, darüber hinaus ist es auch so, dass weiter gehende Anforderungen einer konsequenten Trennung von Polizei und Verfassungsschutz in der Sächsischen Verfassung gestellt werden. Das ist unstrittig, das hat auch niemand ernsthaft infrage gestellt.

Aber der Bund handelt nach meiner Auffassung im Rahmen der Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Zusammenarbeit von Polizei- und Verfassungsschutzbehörden und der Strafverfolgung. Der Grundsatz des Vorranges von Bundes- vor Landesrecht gilt immer nur dann, wenn die Kompetenz des Bundes nicht überschritten wird. Der Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens, das heißt Bundesrecht/Rahmenrecht etc. bricht Landesrecht, muss auch beim Verfassungsschutz beachtet werden.

Möchten Sie die Zwischenfrage zulassen?

Jetzt muss ich mir überlegen, ob ich mich auf eine juristische Fallstrickdiskussion einlasse oder nicht – wir wollen es ja politisch lösen und nicht juristisch. Aber bitte, Kollege.

Herr Bartl, bitte.

Sie waren so oft Prozessvertreter, Kollege Brangs, früher.

Im Arbeitsrecht.

Ja, ich gebe es zu, aber das bildet ja auch.

Ich habe zwei Fragen – meine erste:

Es gibt ja zu jedem Kommentar ein Inhaltsverzeichnis – zum Beispiel zum Kommentar zum Grundgesetz. Haben Sie schon einmal hineingesehen, ob es beim Kommentar zum Grundgesetz den Begriff Polizei gibt? Und gibt es Ihnen zu denken, dass die Polizei vielleicht überhaupt kein Regelungsgegenstand für die Reichweite des Grundgesetzes ist?

Zweitens – –

Herr Bartl, ich kann nur eine Frage zulassen, dann muss ich erst wieder neu fragen.

Gut, dann frage ich später.

Ob mir das zu denken gibt? – Ja, das gibt mir zu denken.

(Allgemeine Heiterkeit)

Darf ich eine zweite Frage stellen?

Wollen Sie eine zweite Frage zulassen?

Nein, einmal habe ich mich getraut, ein zweites Mal nicht.

(Heiterkeit)

Abschließend: Es geht also aus meiner Sicht darum, dass es zwei Fragen gibt, die offenbleiben, und zwar, ob der Freistaat bei der Mitwirkung und bei der Nutzung der Antiterrordatei in einem kleinen Restbereich eigener Hoheitskompetenz gehindert wird. Das ist aus meiner Sicht die Frage: Gibt es dort eine Behinderung – und wenn ja, wie sieht sie aus?

Wenn wir uns diesem Thema stellen wollen, dann müssen wir zunächst einmal diese Frage prüfen, und wir müssen die Einwände des Datenschutzbeauftragten ernst nehmen, und dies muss in die Debatte einfließen. Aber ich glaube, dass es im Moment noch zu früh ist, abschließend Aussagen dazu machen zu können.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion.PDS)

Deshalb ist es sinnvoller, klar zu sagen, was wir wollen. Klar ist, dass wir uns als SPD zum jetzigen Zeitpunkt zu dem Kompromiss der Antiterrordatei bekennen – alles andere wäre fahrlässig –, und im Moment sehen wir