Protokoll der Sitzung vom 15.11.2006

fung der Zollverwaltung laufen oder, besser gesagt, nicht laufen, insbesondere wie auch die Abstimmung zwischen den Große-Koalition-Regierungen in Berlin und in den Ländern, in diesem Fall in Dresden, funktionieren oder, besser gesagt, nicht funktionieren.

Es wäre sonst nicht erklärbar, dass am 6. November 2006 ein Antrag der Koalitionsfraktionen mit dem schlichten Wunsch eingereicht wird, bei der Bundesregierung darauf zu drängen, dass in Sachsen eine Zollmittelinstanz erhalten bleibt, und man ferner am 15. November 2006 einen Änderungsantrag erhält, in dem mitgeteilt wird, der Bund habe bereits an dem Tag, an dem der vorgenannte Antrag eingereicht wurde, beschlossen, die Dresdener Zoll- und Verbrauchsteuerabteilung der Oberfinanzdirektion Chemnitz aufzulösen und nach Potsdam zu verlagern.

Meine Damen und Herren! In der Tat sind die Gründe nur schwer nachvollziehbar, warum es ausgerechnet Dresden trifft. Im Sinne einer ausgewogenen Verteilung der Dienststellenstruktur in der Zollverwaltung ist das auch nach meiner Auffassung nicht. Aber zu den Gründen, wie so etwas zustande kommt, hat Kollege Patt vorhin dankenswerterweise Aufklärung gegeben. Kollege Patt erklärte uns, dass die fünf Bundesfinanzdirektionen zunächst aus dem Wunsch nach Straffung entstanden sind und diese seien dann verteilt worden nach dem Motto: zwei in CDU-Länder, zwei in SPD-Länder und eine in ein CSU-Land.

Meine Damen und Herren, wenn es noch einer Erläuterung bedarf, wie strategische Strukturentscheidungen bei Großen Koalitionen gefällt werden, dann macht die Erklärung des Kollegen Patt in der Tat Sinn. Ich glaube sie ihm und bin sogar fest davon überzeugt, dass er recht hat. Das ist das Schlimme daran.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Die Forderung nach einem Beschluss des Finanzministeriums, man möge auch in Sachsen eine Mittelinstanz erhalten, ist einfach. Sie ist vor allen Dingen einfach gestellt, wenn sie einen nicht selbst, sondern den Bund betrifft.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Sehr gut!)

Es mag sein, dass wir uns eine breitere Standortverteilung wünschen, aber es ist die Frage, ob der Bund diese auch finanzieren kann. Mit fremder Leute Geld umzugehen oder damit großzügig zu sein ist eine leichte Angelegenheit. Das sollten wir immer bedenken, wenn wir an den Bund Forderungen nach Ausgleich stellen. So etwas ist schnell gefordert, allerdings haben wir selbst genügend Baustellen in Sachsen, bei denen es darum geht, Mittelinstanzen zu straffen, und bei denen wir in Sachsen eigentlich noch einiges nachholen könnten.

Wir haben es bisher nicht geschafft, die Regierungspräsidien im Zuge der Verwaltungsstrukturreform infrage zu stellen. Selbst die Umetikettierung in zwei Landesdirektionen wird nun doch nichts, denn es bleibt bei drei Regierungspräsidien.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition! Bevor wir uns hinterher lauthals in Berlin beschweren und einen Ausgleich verlangen, wenn von dort Mittelinstanzen abgebaut werden – wie wäre es, wenn wir selbst erst einmal den Mut hätten und bei uns eine Straffung der Mittelinstanzen durchsetzten, anstelle bei anderen darüber zu nörgeln, wenn sie es schaffen?

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion der GRÜNEN. Herr Abg. Lichdi, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen von der Koalition, es freut mich zwar, dass das Thema Verwaltungsreform jetzt auch bei Ihnen zu parlamentarischen Initiativen führt. Wieso haben Sie bei der Struktur- und Kreisgebietsreform im Freistaat Sachsen auf blindes Vertrauen in die Staatsregierung gesetzt?

Aber Sie bearbeiten hier die falsche Baustelle. Viel nötiger ist Ihr Handeln bei der Landesverwaltung. Im gleichen Atemzug, in dem wir die Staatsregierung bitten, sich in die bundeseigene Verwaltungsorganisation einzumischen, erlaubt sich die Staatsregierung bei der Neuorganisation ihrer eigenen Verwaltung im Alleingang und im Eiltempo viel massivere Einschnitte. Zum Beispiel sollen die sächsischen Finanzämter in den Jahren 2006 bis 2008 595 Stellen abbauen. Im Rahmen der anstehenden Kreisreform sollen zwölf Kreissitze wegfallen, ohne dass die Staatsregierung Vorstellungen für einen Ausgleich entwickelt hätte.

Der Einsatz der Staatsregierung für einen Behördenstandort der Bundesverwaltung in Sachsen erweckt zunächst den Eindruck, dies liege im Interesse des Freistaates. Aber es zeigt vielmehr das fehlende Verständnis, dass Strukturreformen auf einer Aufgabenkritik beruhen und etwaige uneffektive oder Doppelstrukturen nicht nur deshalb aufrechterhalten werden sollten, da diese mit Bundesfinanzmitteln finanziert werden.

Die Bundesregierung plant eine Strukturreform der Zollverwaltung. Die Strukturen waren bisher stark an der grenzbezogenen Aufgabenstellung orientiert. Diese Aufgabenschwerpunkte haben sich auch und gerade für Sachsen durch den Beitritt von Polen und Tschechien zur EU verändert. Entsprechend der Pressemitteilung des BMI vom 06.11.2006 werden bundesweit fünf Bundesfinanzdirektionen mit zugeordneten Bezirken geschaffen. Gleichzeitig werden Standorte der Zoll- und Verbrauchsteuerabteilung – insbesondere die in Dresden – aufgelöst. Betroffen sind davon leider 180 Stellen. Was mit diesen Stellen wird, ob und wie sie den Aufgaben, etwa den operativen Aufgaben, zu den Ortsbehörden folgen, hat die Bundesregierung einer noch folgenden Feinabstimmung vorbehalten.

Dies kommt mir leider sehr bekannt vor, hält die Staatsregierung doch etwa 4 000 Landesbedienstete monatelang hin, ohne zu erklären, was infolge der Kommunalisierung von Aufgaben auf sie zukommt. Ich würde mir wünschen, dass die Staatsregierung dies im Rahmen ihrer Möglichkeiten kritisiert und auf eine ausgewogene Klärung hinwirkt.

Mit dem Antrag in der Fassung des Änderungsantrages fordert die Koalition Selbstverständlichkeiten. Von ihrer ursprünglichen Intention – Reform der Zollverwaltung, solange es nur meinen Nachbarn trifft – hat sie Abstand genommen. Trotzdem bleibt der Argwohn, dass allein deshalb, weil es Finanzzuweisungen des Bundes gibt, auch uneffektive Strukturen finanziert werden sollen. Dies liegt nicht im Interesse des Freistaates. Es wird von uns nicht verkannt, dass der Erhalt qualifizierter Arbeitsplätze wichtig ist. Nach Ansicht von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN liegt es ebenso im Interesse des Freistaates, dass öffentliche Stellen, die unnötig sind, nicht auf Kosten des Steuerzahlers finanziert werden. Der Erhalt unnötiger oder doppelter Strukturen ist nämlich Steuerverschwendung. Fakt ist und bleibt, dass die Grenzen zu Tschechien und Polen zukünftig nicht mehr die Bedeutung haben.

Auch die zur Begründung herangezogene Präsenz des Zolls sehen wir nicht gefährdet. Die operativen Aufgaben werden auf die örtlichen Behörden verlagert und damit gestärkt. Aufsichtliche Tätigkeiten und Leitungsaufgaben werden gebündelt. Auch die Bedeutung der internationalen Flughäfen Leipzig und Dresden wurde explizit im Bericht des SMF aufgeführt. Eine Stärkung der örtlichen Behörden erscheint hier tatsächlich effizienter als der Erhalt einer Leitungsstelle in Dresden. Wir sehen daher keinen Handlungsbedarf. Eine leistungsfähige Zollverwaltung liegt im ureigenen Interesse des Staates. Schließlich geht es um Einnahmenbeschaffung als originäre hoheitliche Aufgabe. Wir sehen nicht, dass der Bund seine Pflichten gegenüber seinen Bediensteten nicht erfüllen wird.

Wir sehen dort also derzeit kein Aufgabenfeld der Staatsregierung und werden Ihren Antrag daher ablehnen. Vielmehr fordern wir die Staatsregierung auf, sich ernsthaft der Folgen der geplanten Struktur- und Kreisgebietsreform der Landesverwaltung anzunehmen. Wir würden es begrüßen, wenn die Koalition hierzu aktiv werden würde, anstatt diesen Nebenkriegsschauplatz zu eröffnen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der Abg. Elke Herrmann und Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Wird weiter von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Dies scheint nicht der Fall zu sein. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Dr. Metz, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die

Inhalte sind im Wesentlichen durchdekliniert. Ich möchte trotzdem noch einiges sagen, damit manche Fakten nicht unwidersprochen im Raum stehen bleiben.

Zunächst freue ich mich, wahrscheinlich relativ große Zustimmung zu dem Antrag zu finden. Im Frühjahr hat das Bundesfinanzministerium im Grobkonzept Eckpunkte zur Steuerreform vorgelegt. Unmittelbar danach habe ich mich an den Bundesfinanzminister gewandt und den Erhalt einer Zollmittelinstanz im Freistaat Sachsen gefordert. Viele Gespräche auf politischer Ebene, auch im Kreise der Finanzminister, sind dem gefolgt. Zuletzt hat sich der Ministerpräsident mit Schreiben vom 17.10. dieses Jahres auch entsprechend sehr energisch engagiert.

Wir haben nun folgende Situation: Anfang letzter Woche hat der Bundesfinanzminister seine Entscheidung zu den künftigen Zollstrukturen bekannt gegeben. Ich habe in den Medien deutlich gemacht, dass ich mit dieser Entscheidung nicht leben will. Ich werde mich bemühen, dass wir für den Freistaat Sachsen hoch qualifizierte, gut ausgebildete Arbeitskräfte im Rahmen der Feinstrukturierung des sogenannten Grobkonzeptes des Bundesfinanzministeriums erhalten werden.

Wie Sie wissen, soll die Zoll- und Verbrauchsteuerabteilung der Oberfinanzdirektion Chemnitz, die ihren Sitz hier in Dresden hat, geschlossen werden. Ich sage es noch einmal: Ich finde dies sehr schmerzlich; denn Sachsen verliert damit wesentliche Potenziale. Die Dienst- und Fachaufsicht über das Hauptzollamt Dresden und die örtlichen Zolldienststellen liegt künftig nicht mehr in Sachsen. Darüber müssen wir uns alle im Klaren sein. Sie liegt nicht mehr in Sachsen, sondern in Potsdam. Hiervon völlig unberührt, meine Damen und Herren, bleibt die Besitz- und Verkehrsteuerabteilung der OFD Chemnitz als Teil der sächsischen Steuerverwaltung.

Warum ist es nun wichtig für uns, hier in Sachsen umfassende Zollstrukturen zu haben? Zum einen geht es um die damit verbundenen Arbeitsplätze, das ist klar. Zum anderen geht es natürlich auch um die besondere Situation des Freistaates Sachsen,

(Beifall bei der CDU)

der mit 450 Kilometern die längste Grenze zur Tschechischen Republik und mit 123 Kilometern die zweitlängste Grenze zu Polen hat. Herr Lichdi wies darauf hin, dass dies künftig nicht mehr die Bedeutung hat, aber im Moment ist es so, Herr Lichdi. Angesichts langer Außengrenzen nach Mittel- und Osteuropa hat Sachsen natürlich eine besondere Bedeutung für den Außenhandel und damit für den Zoll.

(Volker Bandmann, CDU: Sehr richtig!)

Ich will Ihnen einmal ganz deutlich sagen, was eigentlich unsere Hauptzollämter tun. Vielleicht ist dies nicht so bekannt. Ich trage es einmal kurz vor. Wenn es Sie langweilt, kann ich es nicht ändern. Was machen sie? Die Hauptzollämter mit den einzelnen Zollämtern haben in Sachsen die Aufgaben: Vereinnahmung der Zölle, Ver

brauchsteuer, Einfuhr, Umsatzsteuer – das ist die große Überschrift. Dann folgt: Kontrolle des grenzüberschreitenden Warenverkehrs – auch logisch. Nun kommt aber ein nächster Punkt hinzu, der hier noch gar keine Rolle gespielt hat: die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und der Schwarzarbeit zum Beispiel; außerdem die öffentlich-rechtliche Vollstreckung, die Kontrolle grenzüberschreitenden Pkw- und Lkw-Verkehrs durch mobile Kontrolltruppen; die Bekämpfung grenzüberschreitender Rauschgiftkriminalität,

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

die Bekämpfung des Zigarettenschmuggels, die Bekämpfung des Waffenschmuggels und die Bekämpfung der Markenpiraterie; Artenschutz, Durchführung von Straf- und Bußgeldverfahren. – Das ist der große Katalog, ohne auf Einzelheiten einzugehen, welche Aufgaben unsere Hauptzollämter mit ihren Zollämtern zu bewältigen haben. Daran sehen Sie schon die breite Palette und die Notwendigkeit, im Freistaat Sachsen sozusagen eine Überinstanz dafür zu haben, die dies alles entsprechend regelt und ordnet.

Meine Damen und Herren! Die Standorte der neu zu schaffenden Mittelinstanz sind hier oft genug genannt worden, darauf möchte ich verzichten. Im nächsten Kontext, nachdem wir nun ein Grundkonzept vorliegen haben, geht es darum, zwei Wege, in zwei Richtungen zu gehen. Eine Richtung ist, möglichst viele dieser 180 hoch qualifizierten Bediensteten in unseren Hauptzollämtern und besonderen Struktureinheiten im Zoll unterzubringen. – Das ist die eine Sache, die man mit dem Bundesfinanzministerium noch regeln kann. Die nächste Sache ist natürlich, insgesamt den Bund darauf aufmerksam zu machen – wie es Herr Patt bereits deutlich gesagt hat –, dass der Freistaat Sachsen das Land in der Bundesrepublik Deutschland ist, welches pro tausend Einwohner die wenigsten Bundesbeschäftigten hat,

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

und darauf kommt es uns an. Deshalb sollten wir uns gemeinsam dafür stark machen, dass diese Situation, die es schon mehrfach in diesem Parlament im Zusammenhang mit der Schließung von Bundeswehrstandorten und anderer Einrichtungen des Bundes, auch in der Großen Debatte in den Neunzigerjahren über Gerichtsstandorte des Bundes und wo diese hinkommen, gab, verbessert wird. Immer wieder haben wir hier Forderungen aufgemacht, die nur partiell waren.

Ich will das ganz deutlich sagen: Mir kommt es darauf an, dass wir künftig mehr Sieger sind, mehr Einrichtungen des Bundes nach Sachsen bekommen und nicht unterproportional an letzter Stelle der Flächenländer liegen.

Insofern bitte ich Sie, unser Bemühen, für den Freistaat Sachsen mehr Arbeitskräfte auch des Bundes hierher zu bekommen, zu unterstützen.

Wie gesagt, es geht in die zwei Richtungen: möglichst viele von den 180 hierzubehalten, in unsere Hauptzolläm

ter hineinzubekommen, diese aufzustocken und denen neue Aufgaben zuzuordnen. Es ist auch von einigen Rednern schon genannt worden, welche neuen Aufgaben das sein könnten. Ich finde es gut, dass man hier konstruktive Vorschläge macht.

Aber ich bitte, auch die andere Schiene mitzugehen und zu sagen: Wir wollen neue Bundeseinrichtungen in den Freistaat Sachsen bekommen.

In diese zwei Richtungen werden wir uns 2007 alle gemeinsam, jedenfalls die Sächsische Staatsregierung, bewegen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich rufe nun zum Schlusswort auf. Herr Abg. Patt.

Danke. – Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Wenn sich die Linksfraktion.PDS gegen Effizienzkriterien wehrt, dann ist das nichts Neues. Es ist wahrlich auch ein schwieriges Schwert, mit dem Sie da kämpfen. Das geht nämlich ruck, zuck gegen Sie selbst. Wir nehmen hier Verwaltungsebenen weg, aber nicht die Fachabteilung. Das wird auch nicht unübersichtlich, sondern endlich übersichtlicher. Das ist der Zuschnitt dieser Reform. Das ist vernünftig. Wenn Sie sich gegen Effizienz wehren, dann ist das sehr bedauerlich.

Wenn die FDP die Zeitkette aufmacht: 06.11., 15.11.: Herr Dr. Martens, wir haben das Thema rechtzeitig erkannt. Es ist in den Fachabteilungen bearbeitet worden. Wir haben dann frühzeitig einen Antrag gestellt. Wenn zwischenzeitlich aus den Bundes-Fachabteilungen eine Entscheidung gekommen ist, dann können wir dem nur noch mit einem Änderungsantrag begegnen. Aber ich betrachte das als Quatsch, was Sie gesagt haben: 2 + 2 + 1 wäre die Kernentscheidung für die Aufteilung der Standorte gewesen.