Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der bevorstehende Wegfall der Grenzkontrollen nach Polen und der Tschechischen Republik ist heute nicht zum ersten Mal Thema hier im Sächsischen Landtag. Es mag durchaus legitime Motive geben, dieser Grenzöffnung mit Skepsis zu begegnen.
Wir haben auch innerhalb der Koalition das Für und Wider lebhaft diskutiert. Aber Ihre Motive, Herr Apfel, haben nichts zu tun mit der Sorge um die Kriminalitätsentwicklung im grenznahen Raum,
die im Übrigen gar nicht so schlimm ist, wie Sie uns das hier glauben machen wollen. Es geht Ihnen – davon bin ich überzeugt – einzig und allein darum, die europäische Idee als Ganzes infrage zu stellen.
Schlimmer noch: Polen und die Tschechische Republik sind für Sie keine Partner, sondern Länder, gegen die Sie gebietliche Ansprüche erheben. Wir Demokraten wollen ein freies Europa mit Polen, mit der Tschechischen Republik und mit den anderen osteuropäischen Nachbarn als unsere Partner.
Deshalb ist es wichtig, diese beiden Länder, aber auch alle anderen Länder in eine gemeinsame europäische Zukunft einzubinden. Dazu gehört die Erweiterung des SchengenGebietes.
Die Freundschaft und die Aussöhnung mit unseren europäischen Nachbarn, meine Dame und meine Herren von der NPD, von der Sie natürlich nichts wissen wollen, werden wir, die demokratischen Fraktionen im Sächsischen Landtag, auch weiterhin gegen Verleumdungen von Rechts verteidigen.
(Beifall bei der SPD – Dr. Johannes Müller, NPD: Das war dürftig, Herr Bräunig, sehr dürftig! – Jürgen Gansel, NPD: Das war wieder eine Prunkrede!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das war wieder einmal ein Prachtantrag: Neues vom großdeutschen Grenzschutz. Das ist eines Ihrer Lieblingsthemen, dieses Mal in Kombination präsentiert: Ausländer und Kriminalität – das ist bei Ihnen sowieso identisch –; Ausländer sind sowieso kriminell. Wenn es nach der NPD ginge, dann würden wir uns bald mit dem Antrag befassen müssen, im Strafgesetzbuch den Tatbestand des Ausländerseins einzuführen. Das ist wahrscheinlich eine Frage der Perspektive, meine Damen und Herren,
Sie wollten im März 2006 eine Bundesratsinitiative gegen den Beitritt Rumäniens und Bulgariens, im Januar 2007 sollte die Erweiterung der EU generell gestoppt werden und jetzt wenden Sie sich dem Beitritt Polens und der Tschechischen Republik zum Schengener Raum zu.
Am 14. Juni 1985 unterzeichneten die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Belgien, Luxemburg und die Niederlande das Abkommen von Schengen über den schrittweisen Abbau von Personenkontrollen an den Binnengrenzen zwischen den Vertragsstaaten.
Am 19. Juni 1990 wurde zur Umsetzung des Schengener Abkommens das Durchführungsübereinkommen unterzeichnet. Regelungsgegenstand sind Ausgleichsmaßnahmen, die infolge der Abschaffung von Binnengrenzkontrollen die Sicherheit gewährleisten sollen. Es handelt sich um die Vereinheitlichung von Vorschriften für die Einreise und den kurzfristigen Aufenthalt von Ausländern im
Schengener Raum. Es werden Asylfragen geregelt, Maßnahmen gegen grenzüberschreitenden Drogenhandel aufgezeigt und die polizeiliche Zusammenarbeit sowie die Zusammenarbeit im Justizwesen geregelt. Alle Staaten, die dem Schengener Raum mit dem Wegfall von Personenkontrollen beitreten wollen, müssen diese Voraussetzungen erfüllen und gewisse Sicherheitsstandards aufweisen.
Der Wegfall von Grenzkontrollen bringt nicht weniger Sicherheit, sondern er führt in diesen Staaten zu mehr Sicherheit, denn er setzt Informationssysteme voraus, die die Sicherheitsbehörden gegenseitig in die Lage versetzen, tatsächlich Erkenntnisse zu bekommen, was sonst nicht der Fall wäre.
Seit dem 26. März 1995 ist das sogenannte SIS – Schengeninformationssystem – verfügbar, mit dem Daten ausgetauscht werden können. Seit Inbetriebnahme dieser gemeinsamen Fahndungsdatenbank ist die Personenüberprüfung seit dem Jahre 1995 direkt an der Grenze überflüssig. Im Jahre 1997 trat Österreich bei, die skandinavischen Länder im Dezember 2000. Nirgendwo in diesen Ländern wurde durch den Wegfall der Grenzkontrollen ein Anstieg der Kriminalität beobachtet. Es ist einfach unwahr, wenn Sie das Gegenteil behaupten.
Seit über zehn Jahren gibt es keine Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Frankreich mehr. Sachsen hier nun als Versuchskaninchen zu bezeichnen ist ebenso unredlich. Seit über zehn Jahren wird das an allen Grenzpunkten praktiziert.
Meine Damen und Herren! Der Beitritt weiterer zehn Staaten zur Europäischen Union im Mai 2004 hat die Anzahl der Kandidaten und Teilnehmer am Schengener Abkommen erhöht. Die Personenkontrollen an der Grenze werden aber bis zur Aufnahme in den Schengener Raum fortgeführt. Eine Aufhebung der Personenkontrollen wird erst erfolgen, wenn dazu ein Beschluss gefasst wird. Dieser hat zur Voraussetzung, dass auch das SIS IIInformationssystem tatsächlich funktioniert. Voraussichtlich wird dies im Jahr 2008 der Fall sein.
In Ihrem Antrag sprechen Sie davon, dass der Wegfall der Grenzkontrollen zu Polen und zu Tschechien einen Kriminalitätsfilter ausschalten würde. Das ist unzutreffend. Für Leute, die etwas über die Grenze bringen wollen, ist die Grenzkontrolle ein berechenbarer Punkt, auf den sie sich einstellen können. Polizeitaktisch sinnvoller sind Hinterlandkontrollen, die unvorbereitet stattfinden und nicht an einem Schlagbaum, auf den man sich schon 1 000 km vor der Einreise einstellen kann.
Die polizeiliche Kriminalstatistik 2006 weist einen Rückgang der Kriminalität an sächsischen Außengrenzen auf. Auch das nehmen Sie überhaupt nicht zur Kenntnis. Sie bleiben bei Ihrer alten, billigen Angstmache. Meine Damen und Herren von der NPD: Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen!
Ihre Angstmache greift auch im Hinblick auf die Kontrollen der Bundespolizei nicht. Gestern hat der Staatssekretär im Bundesinnenministerium Hanning mitgeteilt, dass die Bundespolizei auch nach dem Beitritt Polens zum Schengener Abkommen im Grenzbereich stichpunktartig kontrollieren wird. Diese Schwerpunktkontrollen werden sich gegen die organisierte Kriminalität und gegen Schleuser – auch diese gibt es an den Grenzen – richten. Die von Ihnen an die Wand gemalten Kriminalitätsanstiege gibt es nicht, es wird sie auch nach dem Beitritt Polens und der Tschechischen Republik nicht geben. Wenn Sie sich hier als Partei von Recht und Ordnung gerieren, wird Ihnen das niemand abnehmen.
beispielsweise durch den „Sturm 34“, und wenn das das Recht und die Ordnung sind, die Sie vorantreiben möchten, dann Gute Nacht!
Für die Fraktion der GRÜNEN wurde mir kein Redner benannt. – In Ordnung. Dann bitte Herr Gansel für die NPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Martens, im Vergleich zu Ihrem auf der Tagesordnung stehenden Antrag über die „Bambini-Feuerwehren“ – darin gebe ich Ihnen Recht – nimmt sich unser Antrag zur Kriminalitätsabwehr natürlich völlig vernachlässigbar aus. Hier setzt die FDP die „richtigen“ Prioritäten. Nicht die Sicherheitsinteressen der sächsischen Bevölkerung zählen, sondern ein kleines Bonbon für die Medien, obwohl es Jugendfeuerwehren in diesem Land sowieso schon gibt. Aber die FDP ist ja die Partei, die die „richtigen“ Duftmarken setzt.
Herr Nolle, holen Sie Luft oder begeben Sie sich unter das Sauerstoffzelt und lassen Sie mich erst einmal vortragen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie leichtfertig, ja, geradezu unvorsichtig die Sächsische Staatsregierung die Frage der wegfallenden Grenzkontrollen zu Polen und zu Tschechien behandelt, lässt sich anhand der Rede nachweisen, die Innenminister Buttolo anlässlich der ersten Dresdner Sicherheitskonferenz am 19. Oktober 2006 hielt. Darin findet sich neben den üblichen verbalen Versatzstücken, wie der Beteue
rung, dass Europa eine unglaubliche Erfolgsgeschichte sei, auch die Aussage, dass sich die Einführung des Informationssystems SIS II bis zum Herbst 2007 verzögern wird. Dieser Zeithorizont ist inzwischen nicht mehr aktuell, da selbst EU-Kommissar Franco Frattini einräumen musste, dass SIS II in Polen und in Tschechien nicht vor Ende des Jahres 2008 funktionieren wird.
Inzwischen sprechen Experten sogar davon, dass die Einführung dieses Sicherheitssystems frühestens im Jahre 2009 erfolgen wird. Im Klartext bedeutet das nichts anderes, als dass ausgerechnet die kritische EU-Ostgrenze geöffnet wird, ohne dass eine funktionierende Grenzsicherung und die Identifikation von bereits woanders abgewiesenen Personen an den Außengrenzen zu NichtEU-Staaten wie Weißrussland und der Ukraine gewährleistet wäre.
Stattdessen präsentieren die EU-Innenminister eine Mogelpackung, die darauf hinausläuft, dass das bestehende Schengener Informationssystem ausgebaut und leicht angepasst wird und dann ab Oktober 2007 unter dem unsäglichen Namen „SIS – one 4 all“ jenen Neumitgliedern, die es wünschen, zur Verfügung stehen wird. Gerade zur Sicherung der besonders kritischen EU-Ostgrenze ist dieses leicht modifizierte SIS I-System nach Ansicht aller Sicherheitsexperten unzureichend, da es beispielsweise die neuen digitalen biometrischen Merkmale nicht prüfen kann.
Das weiß auch Herr Buttolo sehr genau. Dass er trotzdem wider besseres Wissen an der für den Freistaat Sachsen gefährlichen Grenzöffnung festhält und damit politischer Opportunität den Vorrang vor den berechtigten Sicherheitsinteressen der Bürgerinnen und Bürger einräumt, stellt ihm wahrlich kein gutes politisches Zeugnis aus.