Protokoll der Sitzung vom 31.08.2007

Trotzdem muss ich sagen: Ich bin schon etwas verunsichert von den Äußerungen des Bankvorstandes Herbert Süß, der nämlich im letzten Verwaltungsrat behauptet hat – das ist im Protokoll des Haushalts- und Finanzausschusses auch nachzulesen und es wurde vorhin schon angekündigt –, dass der Verwaltungsrat natürlich immer regelmäßig informiert worden ist. Er hat behauptet, dass auch der Verwaltungsrat – und zwar alle seine Mitglieder – rechtzeitig in Kenntnis gesetzt worden ist. Herr Metz hat in seiner gestrigen Pressemitteilung, in der er die Behauptung von Frau Köpping richtigstellen wollte, die sich auch als nicht richtig informiert dargestellt hat, erklärt: Nein, natürlich werden alle Mitglieder des Verwaltungsrates immer umfassend informiert.

Ich frage Sie, wie das alles – auch diese widersprüchlichen Aussagen – noch zusammenpasst. Aus unserer Sicht passt hier schon lange nichts mehr zusammen. Die Frage nach der Verantwortung ist wichtig. Sie ist auch nicht dadurch gelöst, dass der Finanzminister heute angekündigt hat, seinen Hut zu nehmen. Es ist auch die Frage jedes einzelnen Verwaltungsratsmitgliedes, letzten Endes zu untersuchen. Eines muss jedem klar sein – auch Herrn Dr. Rößler, der vorhin eine so flammende Rede gehalten hat –: Der Verwaltungsrat hat eine klare Aufgabe. Er hat die Aufgabe, die Sachsen LB, den Vorstand, zu kontrollieren und nicht Kekse zu essen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Wir sollten die sächsischen Chaostage einfach dadurch beenden – ich glaube, es gibt noch andere Fraktionen, die einen ähnlichen Vorschlag einbringen –, indem wir den Untersuchungsauftrag für den Sachsen-LB-Untersuchungsausschuss, den wir bereits haben, schleunigst erweitern, um die gegenwärtigen Vorgänge endlich umfassend und sofort aufzuklären. Ich denke, das wäre ein richtiger Weg.

(Beifall bei der FDP)

Die Schuldfrage betreffend, können wir es uns ganz einfach machen und wie die Schweizer schlichtweg sagen: Wer hat es erfunden? Wer hat die Sachsen LB erfunden? Wer hat sie aus der Taufe gehoben zu einem Zeitpunkt, als viele bereits gesagt haben, Sachsen ist zu klein, um sich solch eine Sachsen LB zu leisten?

Wer hat eigentlich die Führungsstruktur dieser Bank entschieden, und zwar nicht nur die heutige Führungsstruktur, sondern auch über Fuchs, über Weiss und über Braun? Ich frage Sie auch, wer offensichtlich nicht in der Lage war, die Sachsen LB vernünftig zu kontrollieren und bestimmte Risiken rechtzeitig zu sehen. Es bleibt nichts anderes übrig: Das sind die Damen und Herren dieser

Regierungsbank mit ihrem Chef an der Spitze! Dort ist die Schuldfrage zu sehen!

Das Schlimme ist, meine Damen und Herren, dass die Sachsen LB leider nicht die einzige Irritation ist, die der Freistaat Sachsen im Moment nach draußen sendet. Ich denke, dass sich immer mehr Menschen fragen, was eigentlich aus dem einstigen ostdeutschen Musterknaben geworden ist. Zunehmend hört man auch: Was ist eigentlich bei euch in Sachsen mal wieder los?

Wenn wir ehrlich sind und die heutige Debatte Revue passieren lassen: Es geht nicht nur um die Sachsen LB, denn die Sachsen LB ist kein Einzelfall. Es geht aus unserer Sicht um eine Kette von Fehlgriffen, Pannen und Skandalen, für die diese Regierung bisher immer abgelehnt hat, auch nur in irgendeiner Weise die Verantwortung zu übernehmen. Ich fange nicht so weit hinten an: Das sind die ständigen Koalitionskrisen, die dieses Land lähmen und nochmals lähmen. Das sind die Missstände um den sächsischen Verfassungsschutz. Das ist jetzt die Sachsen LB. Und es ist ab nächster Woche auch diese vermurkste Verwaltungsreform, die in diesem Land zumindest so keiner will und keiner braucht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion)

Das wird immer so weitergehen und diese Kette wird fortgeführt werden. Ich sage Ihnen ehrlich, es reicht in dieser Regierung längst nicht mehr aus, einen Spieler auszuwechseln. Wir brauchen einen kompletten Neuanfang. Wir brauchen eine Regierung, die zum Tempo unserer Wirtschaft und zur Leistungsbereitschaft unserer Bürger passt. Wir brauchen eine Regierung, die die positive Entwicklung, die unser Land zweifelsohne durchmacht, aufgreift, anstatt den bisher guten Ruf Sachsens in Deutschland durch ständige falsche politische Entscheidungen weiterhin zu schädigen.

Das, meine Damen und Herren, geht einzig und allein durch Neuwahlen. Machen Sie den Weg frei!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion der GRÜNEN. Frau Abg. Hermenau, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Schwaben haben ein Schnäppchen gemacht und die Sachsen beenden klanglos ihre beschwingten Betriebsausflüge auf die Weltmärkte. Die Folgen für den Steuerzahler und den Freistaat werden wir erst in den nächsten Wochen und Monaten richtig überblicken können. Im Falle von Ormond Quay müssen wir sogar noch Jahre warten, bis wir wissen, ob wir wirklich aus dem Schneider sind. Und der Finanzminister stellt sich hier hin, als hätte er in der Krise der Sachsen LB einen Sieg errungen und keine Niederlage einstecken müssen. Dabei ist statt des Super-GAUs eben nur der zweitschlimmste Fall eingetreten. Die Bank ist nämlich

Oder Ihr Koalitionspartner SPD: Sie werden heute noch für sich, so habe ich gehört, Herrn Karl Nolle sprechen lassen – einen Mann, den Sie, Herr Jurk, persönlich immer wieder gedemütigt haben, indem Sie ihm seine Ämter nahmen und weniger fähigen Leuten übergaben, weil Sie ihn unbequem fanden. Man hatte immer den Eindruck, Herr Karl Nolle gehöre gar nicht zur SPD. Heute nun ist er plötzlich die SPD! Welche Ironie! Auf einmal ist er Ihr Retter. Sie, Herr Jurk, verstecken sich hinter einem starken Mann. Sie tauchen aber genauso ab wie der Herr Ministerpräsident. Ich bin der Meinung, Karl Nolle muss wieder wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion werden.

nicht bankrott, aber sie wird eine Filiale, die ihre Eigenständigkeit verloren hat.

Nun haben Sie, Herr Metz, wie Sie betonten, persönliche Konsequenzen gezogen und Ihren Rücktritt eingereicht. Das ist der richtige Schritt, und zwar nicht nur für Sie persönlich, denn Sie wären Ihr Lebtag nicht mehr froh geworden und hätten unter Dauerbeschuss gestanden. Es ist eigentlich auch politisch der richtige Schritt, denn die Sache ist doch mit der Übergabe der Bank zum Jahreswechsel nicht vorbei.

Die Aufträumarbeiten am Investitionsstandort Sachsen werden lange andauern. Das Vertrauen in die Fähigkeiten des Finanzministers – ob zu Recht oder zu Unrecht – ist erschüttert, und das Vertrauen in die anderen Mitglieder dieses Kabinetts ist wahrscheinlich ebenso erschüttert. Umso bedauerlicher ist, dass der Finanzminister keinerlei politische Verantwortung für sich gesehen hat, sondern immer noch so redet wie vor fünf Tagen. Wir Sachsen sind darauf angewiesen, dass man außerhalb Sachsens Vertrauen in diesen Investitionsstandort hat!

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Eine ganze geschlagene Woche hat man kein Wort von Ihnen als Wirtschaftsminister, der Sie in diesem Lande sind, gehört. Sie müssen für diesen Investitionsstandort dastehen, und zwar mit lauter Stimme und starkem Rückgrat. Stattdessen sind Sie in irgendwelche Briefe und Akten abgetaucht, um festzustellen, ob Sie nicht informiert worden sind. Ja, wenn Sie nicht insistiert haben und mit Leuten zusammensitzen, mit denen Sie nicht in einer Partei sind, da muss man schon sehr heftig insistieren, um seine Nachrichten zu bekommen – dann haben Sie vielleicht auch dort zu schwach reagiert!

Jetzt reden wir von Ihnen, Herr Ministerpräsident. Sie sind – das habe ich in den letzten Tagen beobachten können – offenbar ein guter Manager des Augenblicks. Sie bewahren offensichtlich einen kühlen Kopf in einer schier aussichtslosen Situation und sind in diesen Momenten vielleicht sogar ein guter Politiker. Aber in der Anhäufung von Krisen, von denen Sachsen nunmehr seit Monaten gebeutelt wird, zementieren Sie persönlich die politische Dauerkrise in diesem Land. Sie werden dafür zum Symbol. Sie sind das Denkmal dieser Erstarrung.

Sie können sich doch nicht von einer Frau Köpping, einer Landrätin, mit der Bemerkung entschuldigen lassen, Sie wären im Verwaltungsrat belogen worden. – Sie saßen im Verwaltungsrat. Haben Sie die Akten nicht gelesen? Haben Sie keine Fragen gestellt? Haben Sie den Finanzminister nicht kontrolliert? – Nun muss Herr Nolle, den Sie so gern loswerden wollten – wie peinlich –, Sie hier retten.

Sie haben das Land von Ihrem Vorgänger in guter Verfassung übernommen. Jetzt verliert es von Woche zu Woche immer mehr an Glanz. Reist man über die Landesgrenzen hinaus, wird man gefragt: Was ist nur bei euch in Sachsen los? Damit sind Sie gemeint, Sie und Ihre Regierungsmannschaft!

Und Herr Hahn von den Linken, der ganz nebenbei versucht, unauffällig seinen Herrn Weckesser zu retten und aus der Front zu nehmen? Herr Hahn muss hier davon sprechen, dass die Akten für Sie und andere, wie eben Herrn Weckesser, unleserlich gewesen seien und man nichts hätte wissen können.

Die Mehrheit der sächsischen Bevölkerung hat der CDU und Ihnen ganz persönlich, Herr Milbradt, vertraut, dass Sie die finanzpolitischen und wirtschaftlichen Fragen in diesem Land solide behandeln werden. Dafür werden Sie hier in diesem Land gewählt.

(Heiterkeit des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

So etwas dürfen Sie sich doch in einer Koalition nicht bieten lassen, verdammt noch mal! Auf diese Linke zurückgreifen zu müssen halte ich für bedenklich; und dass Sie, Herr Hahn, Biedenkopf zitieren müssen, um Milbradt zu kritisieren, hat auch eine gewisse Ironie.

(Torsten Herbst, FDP: Wurden!)

Dieses Vertrauen haben Sie nachhaltig erschüttert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nie war das Vertrauen in Sie und in die CDU so gering wie heute. In einem Land, in dem das Vertrauen in die Demokratie an sich nicht sehr stark ausgeprägt ist, ist das eine gefährliche Mischung. Aus diesen Gründen befinden wir uns in einer anhaltenden, veritablen Staatskrise. Sie, Herr Ministerpräsident, symbolisieren diese politische Dauerkrise in Sachsen. Warum verstecken Sie sich in dieser Situation hinter dem offensichtlich schwachen Finanzminister? Ist Ihnen die Krise nicht lebhaft genug, um selbst aufzutreten? Können Sie nur unter Höchstzufuhr von Adrenalin auftreten?

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN)

Aber zurück zum Punkt. Wir sind in diesem Land in einer Dauerkrise, und wenn aus einer der schmerzlichsten Krisen Sachsens etwas Positives erwachsen könnte, dann vielleicht dieses: dass es an der Zeit ist für eine neue politische Kultur in diesem Land. Kommen Sie – nicht nur Sie von der Staatsregierung, sondern die gesamte Koalition – von Ihrem hohen Ross, auf dem Sie sich doch nur mit Mühe halten können, endlich herunter! Es ist Zeit für eine Katharsis, meine Damen und Herren. Ich weiß

nicht, wer in Ihren Reihen für Schweiß-Blut-und-TränenReden zuständig ist; aber in einigen Wochen, wenn Sie Ihren Parteitag haben, wird es darauf ankommen, dass ein solcher Mensch in Ihren Reihen weilt und den Mut hat zu tun, was im Interesse des Landes dringend getan werden muss; denn Sie stehen als stärkste Fraktion in der Regierungsverantwortung und sind der Lage nicht gewachsen. Sie bedürfen einer Läuterung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ganze Land wird auf Sie blicken; und erst die Bürgermeister und die Gemeinderäte! Sie haben für das ganze Land restriktive Vorschriften für die wirtschaftliche Betätigung der sächsischen Gemeinden erlassen. Danach wird immer höchst streng beobachtet, was die Gemeinden tun. Dies geschieht sicher zu Recht; aber es ist eben auch zu streng. So ist es zum Beispiel für die Gemeinden schwierig, überregional zu kooperieren. Die Stadt Dresden wollte ihre Tochtergesellschaft, zehn Dresdner Schulen, im Energiecontractingmodell sanieren. Das Kreditmodell und die Refinanzierung waren gesichert. Das RP hat es wegen unzulässiger Neuverschuldung abgelehnt. Wie wollen Sie denn in ein paar Tagen auf einem Parteitag aufschlagen und Ihren Bürgermeistern und Stadträten erklären, dass in den Kommunen nicht sein kann, was in der Landesbank gang und gäbe ist: nämlich ganz hoch mit Steuergeldern zu spekulieren?

Was wäre passiert, wenn die Baden-Württemberger nicht eingesprungen wären? Die Bank selbst wäre am Montag, spätestens am Dienstag bankrott gewesen. Der Finanzstandort Deutschland hätte dann gewaltigen Schaden nehmen können – mit nicht absehbaren volkswirtschaftlichen Konsequenzen für die gesamte Bundesrepublik. Ich sehe dies so. Wenn eine deutsche Bank pleitegeht, wäre das internationale Vertrauen des Kapitalmarktes in deutsche Banken dahin gewesen, und die sächsische Liquiditätskrise hätte sich wie ein Virus auf weitere deutsche Banken ausbreiten können – mit ernsthaften Konsequenzen für die Realwirtschaft, die Konjunktur und den Arbeitsmarkt.

Wir wissen aus den Krisen von Asien und Russland aus den Neunzigerjahren, wie aus Finanzkrisen Wirtschaftskrisen werden können. Den Schwaben gebührt also durchaus Dank, dass sie sich auf uns eingelassen haben. Aber letztendlich haben sie es wahrscheinlich auch aus Selbstschutz getan, um nicht selbst möglichen volkswirtschaftlichen Schäden ins Auge blicken zu müssen, und die Bank selbst hätte alles zu Geld machen müssen, was nicht niet- und nagelfest ist: von den Aktienpaketen über das undurchsichtige Netz an Beteiligungen und Tochtergesellschaften bis hin zum Ledersessel des Bankvorstandes. Ich weiß nicht, ob eine solche Ramschaktion zu Schleuderpreisen ausgereicht hätte, um die eingegangenen Finanzgarantien zu erfüllen, und bis heute ist es nicht klar. Am Ende hätte also der Steuerzahler dafür geradestehen müssen.

Haben Sie denn aus den Finanzkrisen in Asien und Russland in den Neunzigerjahren nichts gelernt? Ist Ihnen

nicht klar, dass man da auch ein Krisenszenario durchführen muss? Vielleicht war ja wirklich das Personal in der Landesbank nicht fähig; aber dann muss doch die Politik dafür sorgen, dass dort fähiges Personal sitzt – oder habe ich damit nicht Recht, meine Damen und Herren?

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Herr Ministerpräsident Prof. Milbradt, bitte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich zunächst bei Kollegen Metz für seine Rede und zolle ihm Respekt für seine Entscheidung, die Regierung zu verlassen. Horst Metz hat in einer schwierigen Situation schnell und richtig gehandelt. Dies ist mir auch von anderen bestätigt worden. Diejenigen, die den Kopf behalten haben, waren Horst Metz und seine Mitarbeiter.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der wahre Wert eines Menschen zeigt sich in extremen Situationen, und Horst Metz hat diese Prüfung bestanden. Das Resultat, das er erzielt hat, ist unter diesen Umständen respektabel. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Niemand – von der NPD einmal abgesehen – bezweifelt, dass es unter den gegebenen Umständen nur diese Lösung gibt. Ich möchte jedoch im Einzelnen darauf eingehen.

Ich will nichts beschönigen; darum geht es auch nicht, denn die Sachsen LB war in eine existenzielle Krise geraten. Die gefundene Lösung ist unter den bekannten Rahmenbedingungen die einzige, die die Vermögens- und Standortinteressen so weit wie möglich wahrt; aber es braucht noch einige Zeit, bis sie vollständig umgesetzt ist. Die Chancen, dass dies gelingt, sind groß. Wir sollten alles tun, auch in diesem Hohen Hause – dabei ist die Opposition mit angesprochen –, die Position des Freistaates und der Kommunen in diesem Prozess zu stärken und nicht zu schwächen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Heute ist nicht die Stunde, um zu klären, wie die Bank auf die schiefe Ebene kommen konnte.