Protokoll der Sitzung vom 08.11.2007

tutionsgewerbe wohl kaum als Sicherheitsgarantie empfinden.

Die bayerische Polizei sieht die Angelegenheit deutlich gelassener als die GdP. Ich zitiere von der Homepage: „Die bayerische Polizei ist auf einen Wegfall der Grenzkontrollen gut vorbereitet. Die jahrelange intensive und erfolgreiche Zusammenarbeit mit unseren tschechischen Partnern bildet eine gute Grundlage für ein künftiges erfolgreiches Miteinander in einem Schengen-Bündnis mit offenen Grenzen.“ Auch die bayerische Grenze ist immerhin gut 350 Kilometer lang. Trotzdem werden dort keine Ängste geschürt, sondern sachlich und neutral die notwendigen Schritte aufgezeigt.

Unsere GRÜNE-Fraktion ist der Meinung, dass es höchst schädlich für Sachsen und für das nationale wie internationale Ansehen Sachsens ist, wenn in der Öffentlichkeit ständig das Bild des gefährlichen Nachbarn im Osten an die Wand gemalt wird. Im Vordergrund muss die Vision eines friedlichen und geeinten Europas stehen. Eine Staatsregierung, die ihr Land nicht mit Kreativität und mit mutmachenden Visionen in die Zukunft führt, sondern durch kleinkariertes, faktenwiderlegtes Sicherheitsdenken dumpfe Ablehnung gegenüber Neuerungen schafft, passt nicht in eine positive Welt.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Kommen wir zu den Fakten: Die Zeit seit dem EU-Beitritt der östlichen Nachbarn hat gezeigt, dass sich Befürchtungen eines Anstiegs der Kriminalität in der Grenzregion zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik als unbegründet erwiesen haben. Obwohl seit dem EU-Beitritt Tschechiens an den Grenzübergängen bei EUBürgern ohne Verdachtsmomente nur noch Mindestkontrollen erlaubt sind, ist die Kriminalität im Grenzgebiet nicht gestiegen. Das Gleiche gilt für das Landesinnere.

(Jürgen Gansel, NPD: Diebstähle werden doch kaum noch angezeigt, weil die ein Massendelikt geworden sind!)

Dennoch bestehen natürlich keine Zweifel, dass die Öffnung der Grenzen zu Tschechien und Polen besonders gut geplant werden muss, und dies gerade angesichts des angekündigten Personalabbaus der Bundespolizei und der Umstrukturierung der sächsischen Polizei. Beides muss entsprechend effektiv umgesetzt werden. Wir brauchen dafür klare Konzepte, die es ermöglichen, über einen gewissen Zeitraum hinweg die Entwicklungen zu verfolgen. Erst wenn nach zwei bis drei Jahren eine gründliche Evaluation erfolgt ist, sollten wirklich endgültige Entscheidungen getroffen werden. Bis dahin sind alle Maßnahmen zu treffen, die objektiv in dieser Lage notwendig und sinnvoll sind.

Aus diesem Grunde ist die Einführung einer gemeinsamen Koordinationszentrale der deutschen und tschechischen Sicherheitsbehörden im Zuge einer ohnehin zu vertiefenden Zusammenarbeit ein sehr sinnvolles Vorhaben. Wir unterstützen deshalb den Antrag der FDPFraktion.

(Beifall bei der FDP)

Wir wenden uns aber entschieden gegen bürgerrechtswidrige Maßnahmen in Ihrem Sicherheitspaket, Herr Staatsminister Buttolo. Dazu zählt etwa die geplante pauschale Erfassung der Kennzeichen einfahrender Pkws. Abgesehen davon, dass die polizeirechtliche und datenschutzrechtliche Zulässigkeit mehr als fraglich sind, stellt das Vorgehen einen eklatanten Verstoß gegen die Bürgerrechte dar.

(Volker Bandmann, CDU: Das hat doch niemand vor!)

Eine flächendeckende Ein- und Ausfuhrkontrolle unter dem Deckmantel der Verbrecherjagd – das ist der Weg in einen Überwachungsstaat.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion: Jawohl!)

Wir GRÜNE fordern ein klares Bekenntnis zur innereuropäischen Freizügigkeit und eine effektive Wahl der notwendigen Mittel zur Absicherung der tatsächlichen Sicherheitslücken. Wir halten es für politisch völlig unverantwortlich, Ängste in der Bevölkerung zu schüren und damit die Freude über das große europäische Ziel eines länderübergreifenden Zusammenwachsens im Keime zu ersticken.

(Jürgen Gansel, NPD: Bla, bla! – Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Mir liegt noch die Anmeldung eines Beitrages der Linksfraktion vor. Bitte, Frau Dr. Ernst.

(Jürgen Gansel, NPD: Haben Sie Ihr Tränentaschentuch vergessen?)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der letzte Beitrag hat mir Mut gemacht, in der Beziehung wieder ein bisschen mehr Engagement zu zeigen, weil ich glaube, man muss zu dieser Problematik ein paar Dinge mehr sagen.

Erstens. DIE LINKE in Sachsen hat sich von Anfang an deutlich für die Öffnung der Grenzen zu den EUBeitrittsländern zum Ende 2007 ausgesprochen, weil es dazu keine vernünftige Alternative gibt. Das sage ich an die Adresse der hier sitzenden NPD-Fraktion.

(Zuruf des Abg. Holger Apfel, NPD)

Es gibt keine vernünftige Alternative. Sie werden es auch nicht verhindern können – nicht heute und nicht später.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das andere, was ich in diesem Zusammenhang sagen möchte: Wir haben Schengen immer als etwas Problematisches betrachtet. Dazu sind von Herrn Gerstenberg schon einige Dinge genannt worden. Wir sagen zwar Ja zur Grenzöffnung, aber unsere grundsätzliche Kritik an Schengen bleibt, nämlich dass wir eine Grenzöffnung auf der einen Seite haben und auf der anderen Seite eine

Festung Europa errichten. Gegen Letzteres haben wir etwas.

(Zuruf der Abg. Gitta Schüßler, NPD)

Ganz klar: Wir halten es für falsch, dass die SchengenPolitik bezüglich der sogenannten illegalen Migration dafür sorgen soll. Wir halten auch die exzessive Speicherung von Daten mit dem Schengen-Informationssystem – vor allem SIS II wird es perfekt machen – für falsch.

(Marko Schiemann, CDU: Keine Ahnung!)

Ich will das ganz klar hinzufügen: Beides gehört zusammen.

Zweitens. Wir haben eine Grenze von 566 Kilometern zu unseren östlichen Nachbarstaaten. Es ist vollkommen klar, dass sicherheitspolitische Fragen natürlich eine Rolle spielen, wenn man Grenzen öffnet. Auch das ist uns völlig klar. Genau deshalb halten wir eine Kürzung nach dem Rasenmäherprinzip im Bereich der Bundespolizei für denkbar falsch, das will ich ganz klar sagen.

(Volker Bandmann, CDU: Wer macht denn das?)

Uns ist zwar klar, dass eine Umstrukturierung möglicherweise die eine oder andere Stelle der Bundespolizei nicht aufrechterhalten kann, aber dieses Rasenmäherprinzip lehnen wir ab. Das halten wir für falsch.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Deswegen können wir auch ohne Not Ihrem Antrag, dem Antrag der Koalition, folgen. Aber ich sage zugleich: Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Was für die Bundespolizei gelten soll, möge doch bitte schön auch für die Landespolizei gelten. Dafür wäre ich sehr dankbar.

(Beifall der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion, und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Denn eines steht fest: Der Abbau im Bereich der Bundespolizei verstärkt sich auch in dem Maße, wie gleichzeitig der Abbau der Stellen in der Landespolizei betrieben wird. Das weiß doch jeder. Was wir als Linke wollen, ist ein durchgängiges Konzept, das beschreibt, wie die Polizei nach der Grenzöffnung aufgestellt werden soll, wie Aufgaben neu beschrieben werden und Neustrukturierungen erfolgen müssen. Ein durchgängiges Konzept steht aus.

Drittens. Wir nehmen die Ängste der Bevölkerung im grenznahen Raum sehr wohl ernst. Ich war mehrfach mit meinem Kollegen Kosel in dieser Frage unterwegs. Wir wissen auch, wovon wir reden, aber was wir für unzulänglich halten, ist öffentliche Panikmache seitens des Herrn Schäuble, seitens der Staatsregierung und – auch das muss ich an dieser Stelle sagen – seitens der GdP. Mich hat sehr enttäuscht, dass wider besseres Wissen auch hier mitgemacht wird. Wir öffnen nicht die Grenze hin zu Schwerverbrechern,

(Jürgen Gansel, NPD: Zu kleinen Autodieben!)

sondern zu Nachbarn, mit denen wir auf allen Gebieten und natürlich auch in diesen Fragen friedlich zusammenarbeiten möchten. Sogar der Innenminister hat in mehreren seiner Diskussionsbeiträge gesagt, dass es keinen Grund gibt, hier Panik zu machen, und dass die Kriminalität, von der wir hier bewusst sprechen, sich nicht in dem Maße entfaltet hat, dass man in Panik ausbrechen könnte – so will ich es einmal ausdrücken.

Es ist völlig albern anzunehmen, dass sich bisher gewissermaßen die Terroristen und Kriminellen an der Grenze ausgewiesen hätten. Dieser Zusammenhang – die Grenzkontrollen fallen weg und plötzlich kommt der riesige Strom von Terroristen und Kriminellen herüber, die bislang durch die Grenzkontrollen abgehalten wurden

(Volker Bandmann, CDU: Ausgewiesen haben sie ja die Leute! – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

ist wirklich albern, wir wissen das alle.

Mit und ohne Grenzkontrollen treiben sie ihr Unwesen. Man muss natürlich etwas dagegen tun. Wenn man jetzt aber eine Demo durchführt, und zwar unter dem Motto „Offene Grenzen ja! – Keine Freifahrt für Terroristen und Kriminalität!“, und dies die GdP unterstützt – darüber bin ich sehr enttäuscht, auch deshalb, weil mit solchen Parolen und mit solchen Diskussionen oft solchen Leuten gewissermaßen Wasser auf die Mühle gebracht wird, die mit allen Mitteln ein freies und freizügiges Europa verhindern wollen –, dann sind wir wieder an dieser Stelle angelangt.

(Jürgen Gansel, NPD: Weil wir ein sicheres wollen! – Zurufe von der NPD und des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir dürfen auch nicht so tun, als ob überhaupt nichts passieren würde, dass also nur eine Grenzöffnung mit dem Wegfall der entsprechenden Vorkehrungen zustande käme. Eine ganze Menge an Ausgleichsmaßnahmen wird doch geschaffen. Ich will sie nur benennen.

(Dr. Johannes Müller, NPD: Diese Chaoten waren es, dass ich 80 Kilometer fahren musste!)

Anstelle der Grenzkontrollen werden bekanntlich wirksame Ausgleichsmaßnahmen eingerichtet. Dazu gehört der von uns kritisierte Fahndungsschleier oder dass die Speicherung von Kfz-Kennzeichen durchgeführt wird.

(Volker Bandmann, CDU: Freie Fahrt für Kriminelle!)

Dazu gehören weitere rechtliche Möglichkeiten zur polizeilichen Fahndung; die wird es geben. Dazu gehört die Verdichtung von Schwerpunktkontrollen, was logisch und auch vernünftig ist. Dazu gehört der Ausbau der Sicherheitskooperation auf allen Ebenen mit den Sicherheitsbehörden von Polen, Tschechien und im Übrigen auch der Slowakei. Es wird eine europäische Grenzschutzagentur FRONTEX aufgebaut, die die operative

Zusammenarbeit mit Soforteinsatzteams zur Überwachung, Beratung und zum Datenaustausch an der EUAußengrenze koordinieren soll. Dazu gibt es zwar noch keine rechtliche Grundlage – wie wir alle wissen –, aber natürlich laufen diese Dinge an. Es gibt zahlreiche Ausgleichsmaßnahmen, die man nicht einfach so wegspeichern und so tun kann, als passierte das alles nicht. Das geschieht sehr wohl und hat natürlich auch Auswirkungen auf die Bundespolizei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will hinzufügen, dass mit Tschechien, Polen und der Slowakei ein integriertes Grenzsicherheitsmodell entwickelt wurde,

(Dr. Johannes Müller, NPD: Steht noch offen!)