Protokoll der Sitzung vom 08.11.2007

(Dr. Johannes Müller, NPD: Steht noch offen!)

das gewissermaßen alle Bereiche an den Außen- und Binnengrenzen von Schengen absichert und auch die Flughäfen einbezieht. Ich kann nur sagen, liebe Leute, es laufen sehr viele Dinge. Wer jetzt glaubt, allein mit dem Wegfall der Grenzkontrollen würden wir völlig nackt dastehen, redet einfach wider besseres Wissen.

(Volker Bandmann, CDU: Das wollen wir ja nicht!)

Wenn wir also von Veränderungen durch die Grenzöffnungen sprechen, muss natürlich auch gefragt werden, was mit den Beamten wird. Das ist ein großes Problem. Wir haben uns mit den Beamten zu dieser Frage verständigt – ich weiß, dass es da große Fragen und Ängste gibt; es hängen ja immerhin Familien dran, die auch wissen wollen, wie ihre Perspektiven sind. Da lohnt es sich, nach Tschechien zu schauen: Die 1 856 Beamten haben klare Perspektiven, sie werden in Tätigkeiten im Innern des Landes einbezogen, zum Beispiel zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, für die Straßenverkehrssicherung und andere Dinge. Sie wissen um ihre Perspektiven; und wenn das ausbleibt, ist das schlimm.

Es ist also zu Recht so, dass die Bundesbeamten Krach schlagen. Wir unterstützen sie auch dabei, denn es bedarf eines wirklich sinnvollen Konstruktes zur Neuorganisation aller Polizeikräfte nach der Grenzöffnung – sowohl der Landeskräfte als auch der Bundespolizei. Neue Aufgaben und Zielstellungen sind zu beschreiben. Davon habe ich von Ihnen bisher nichts gehört. Das bedauere ich sehr.

Was den FDP-Antrag angeht, sehr geehrter Herr Dr. Martens: Das gibt es einfach schon und Sie haben sich wirklich nicht klar ausgedrückt. Petrovice/Bahratal hat das vor, da ist genau eine solche Kommunikationsstelle geschaffen worden. Sie existiert seit dem 15. Mai 2003, und solange Sie nicht sagen, was Sie damit erreichen wollen, können wir dem auch nicht zustimmen.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Herr Dr. Müller, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Rede von Frau Ernst hat mich dazu bewogen, hierzu doch noch drei Worte fallen lassen zu müssen.

(Zuruf von der Linksfraktion)

Es sind ein paar mehr als drei Worte; ich weiß.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Lassen Sie es doch sein!)

Frau Kollegin Ernst, es sind Ihre geistigen Brüder, die beispielsweise dafür Verantwortung getragen haben, dass ich als Sebnitzer 80 Kilometer fahren musste, um nach Niedereinsiedel, also Dolni Poustevna, wie es in Tschechien heißt, zu kommen, weil die Grenze dicht war. Das sind Ihre geistigen Brüder gewesen und ich bin heilfroh, dass wir jetzt eine Grenzübergangsstelle haben.

Ich bin aber auch heilfroh, dass wir diese Grenzübergangsstelle haben – nicht, weil ich die Tschechen oder an der Neiße halt die Polen als kriminell oder gar pauschal als kriminell einstufen würde –; aber wenn Sie sich in Geografie oder besser in Topografie auskennen würden, dann wüssten Sie, wie es zum Beispiel an der Ostgrenze zu Polen aussieht, dass diese Grenze eben keine Festung Europa ist

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das wollen wir auch nicht!)

und dass, wenn man diese Grenze überschritten hätte, man einen Freiraum vom Pazifik bis zum Atlantik hätte.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion: Bis zum Mars!)

Genau das ist das, Frau Kollegin Ernst, was meine Fraktion nicht möchte und was, denke ich, die Bürger in Sachsen und in Deutschland auch nicht möchten. Genau darum geht es – um nicht mehr und nicht weniger.

(Beifall bei der NPD und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos)

Wer möchte sich noch an der Diskussion beteiligen? – Die Staatsregierung? – Herr Dr. Buttolo, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sächsische Staatsregierung bereitet sich gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden des Bundes und des Landes seit Längerem intensiv auf den anstehenden Wegfall der Personenkontrollen zu Polen und Tschechien vor.

Voranstellen möchte ich, dass wir und ich persönlich den Wegfall der Grenzkontrollen als einen deutlichen Zugewinn an Freiheit – nicht nur für die tschechischen und polnischen Bürger, sondern auch für unsere sächsischen Bürger – empfinden.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Dies sollten wir in den Mittelpunkt unserer Überlegungen rücken. Wir dürfen uns diesen Zugewinn an Freiheit nicht dadurch kaputtreden, dass wir die Dinge, die einige wenige beim Ausnutzen dieser Freiheit vorhaben, zum Maß aller Dinge machen.

Anstelle der stationären Grenzkontrollen wollen wir wirksame Ausgleichsmaßnahmen setzen, wie sie bereits seit Jahren die Bundesländer mit Schengen-Binnengrenzen erfolgreich praktizieren.

Eine der Maßnahmen des insgesamt 15 Punkte umfassenden Kataloges der Staatsregierung ist, in den nächsten Jahren die gegenwärtige Polizeipräsenz im grenznahen Raum beizubehalten. Diese Forderung darf jedoch nicht nur für die Landespolizei, sondern muss auch für die des Bundes stehen.

Da Sie, Herr Dr. Gerstenberg, das Kennzeichenlesegerät als eines dieser 15 Punkte angesprochen haben und aus meiner Sicht eine falsche Interpretation vornehmen, sehe ich mich gezwungen, noch einmal darzustellen, was ich tatsächlich vorhabe. Wenn eine rechtliche Grundlage für den Einsatz von Kennzeichenlesegeräten vorhanden ist – die Koalitionsparteien sind sich einig, dass eine zu schaffen ist –, sollen Kennzeichen gelesen und mit einer aktuellen Fahndungsdatei verglichen werden; und nur dann, wenn es einen Treffer gibt, wenn das gelesene Kennzeichen tatsächlich ein Kennzeichen ist, nach dem gefahndet wird, soll die Polizei aktiv werden.

(Beifall bei der CDU)

Ist das Kennzeichen gelesen und wird nicht nach ihm gefahndet, wird es keineswegs gespeichert, wie Sie sagen, sondern es wird gar nicht weiter in einen Datenbestand aufgenommen.

(Dr. Jürgen Martens, FDP: Wer das glaubt, wird selig!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja.

Herr Nolle, bitte.

Herr Minister, ich finde ja den Vorschlag ganz gut, dass dort mit Scannern die Nummernschilder eingelesen werden; nur hat das System einen großen Fehler: Es erkennt keine Dubletten. Wir wissen ja aus den Erfahrungen der Terrorismusfahndung in Deutschland, dass die RAF sehr erfolgreich mit den Mitteln der Dublettenfertigung gearbeitet hat. Das heißt, sie haben sich genau den roten Golf klauen lassen, der schon irgendwo anders – in Frankfurt oder wo auch immer – herumfuhr, und haben mit einem gestohlenen, nachgemachten Kennzeichen den Wagen gefahren.

Bitte die Frage stellen, Herr Nolle.

Dagegen werden Sie niemals – mit noch so guten Scannern – etwas machen können. Genau das ist das Problem.

(Zurufe der Abg. Dr. Fritz Hähle und Volker Bandmann, CDU)

Herr Nolle, Sie haben vollkommen recht. Wenn mit Dubletten gefahren wird, wird es nicht erkannt. Aber: Wir sprechen über Ausgleichsmaßnahmen. Gegenwärtig, wissen Sie doch sehr genau, kontrolliert ein Polizist visuell das eingefahrene Fahrzeug hinsichtlich des Kennzeichens, gleicht dieses Kennzeichen mit einer Fahndungsdatei ab und wird aktiv. Und nur diesen Zustand automatisieren wir durch ein Kennzeichenlesegerät.

(Beifall des Abg. Peter Schowtka, CDU – Karl Nolle, SPD: Jetzt habe ich es verstanden!)

Ich möchte noch auf den Hinweis des Vertreters der NPD eingehen: In der Tat war ich im Oktober des vergangenen Jahres skeptisch, als von SIS I plus gesprochen wurde. Aber man muss auch wissen, dass sich Portugal im Herbst vergangenen Jahres bereit erklärt hat, SIS one for all zu erarbeiten. Dieses SIS one for all funktioniert bereits seit 15. September auch in Tschechien und Polen, sodass eigentlich der Zustand – wie in den anderen Ländern der EU auch – nach Wegfall der Personenkontrolle in diesen Ländern besteht.

Zurück zur Bundespolizei. Die Sächsische Staatsregierung hat sich seit Herbst vergangenen Jahres wiederholt gegenüber dem Bund dafür stark gemacht, keine Personalreduzierung der Bundespolizei in Sachsen vorzunehmen und die Transparenz der beabsichtigten Maßnahmen im Rahmen der Neuorganisation der Bundespolizei zu erhöhen. Sowohl der Ministerpräsident Prof. Dr. Milbradt als auch ich haben in persönlichen Gesprächen Herrn Bundesinnenminister Dr. Schäuble die Auffassung des Freistaates eindringlich dargelegt: Ein Abzug der Bundespolizei in der von den Medien dargestellten Größenordnung ist den sächsischen Bürgern nicht zu vermitteln.

Bis heute liegen uns keine offiziellen Aussagen des BMI zur künftigen Personalverteilung vor. Bekannt ist jedoch, dass das bis Jahresende an den Grenzübergangsstellen tätige Personal für die Personenkontrolle auf die drei Aufgabensäulen der Bundespolizei – Bahn, Flughäfen, Grüne Grenze – verteilt werden soll, wobei die Grüne Grenze zu Tschechien und Polen personalintensiver ausgestattet werden soll als die Schengen-Grenze zu Westeuropa.

Zur künftigen Struktur der Bundespolizei in Sachsen hat das BMI Entscheidungen getroffen. Über die Kernpunkte möchte ich Sie kurz informieren: Die bisherigen Bundespolizeiämter Pirna und Chemnitz werden zu einer Bundespolizeidirektion – insgesamt gibt es davon im Bundesgebiet neun – zusammengefasst. Die neue Direktion mit Sitz in Pirna ist künftig für alle Bundespolizeiinspektionen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zuständig. Zudem wird es in Sachsen künftig sieben Inspektionen –

in Ludwigsdorf, Ebersbach, Dresden, Altenberg, Klingenthal, Chemnitz und Leipzig – geben. Damit hat Sachsen nach Bayern und Nordrhein-Westfalen die meisten Inspektionen. Diesen sieben Polizeiinspektionen werden 16 Reviere nachgeordnet. Zudem bleibt der Standort der Bundesbereitschaftspolizei in Bad Düben erhalten.

Abschließend noch einige Worte zur Errichtung gemeinsamer Zentren der Zusammenarbeit mit der polnischen und tschechischen Polizei – analog dem gemeinschaftlichen Zentrum der deutschen und französischen Polizei in Kehl: Das gemeinsame Zentrum mit Polen wird in Swiecko, einer Ortschaft 5 Kilometer von Frankfurt/Oder entfernt, errichtet. Daran werden neben dem Bund die Länder Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen, die Bundespolizei, der Zoll, das BKA sowie die polnische Polizei und der dortige Grenzschutz beteiligt sein. Zu Tschechien wird es ebenfalls ein gemeinsames Zentrum geben, allerdings mit zwei Arbeitsstellen. Diese sollen nach dem gegenwärtigen Stand der Verhandlungen für die bayerisch-tschechische Grenze in Schwandorf und für die sächsisch-tschechische Grenze in Petrovice eingerichtet werden.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal ganz deutlich sagen, dass es völlig egal ist, auf welcher Seite der Grenze sich das Zentrum befindet, denn die Personen, die dort zusammenarbeiten, sind die gleichen, egal ob sich das Zentrum 5 Kilometer von der Grenze entfernt in Tschechien oder Deutschland befindet. Das macht bei ihrer Zusammenarbeit überhaupt nichts aus, denn diese Arbeitsstellen werden sieben Tage rund um die Uhr besetzt sein. Beide Zentren sollen am 17. Dezember 2007 ihren Dienstbetrieb aufnehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, seit Anfang November besuche ich gemeinsam mit Vertretern der sächsischen Polizei und der Bundespolizei sowie der tschechischen und der polnischen Polizei Grenzgemeinden, um mit kommunalen Verantwortungsträgern und Bürgern das Sicherheitspaket der Staatsregierung für den Wegfall der stationären Grenzen zu diskutieren. Die Resonanz auf diese Veranstaltungen ist durchweg positiv. Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass das, was wir zum Teil als Ängste empfinden, genauso auf polnischer und tschechischer Seite vorhanden ist. Als ich in Rothenburg meine Veranstaltung hatte, kam eine Journalistin leider etwas zu spät, wir waren schon an der Grenze, sie blieb am Rathaus. Sie wurde dort von einer polnischen Bürgerin angesprochen. Diese polnische Bürgerin hat ähnliche Ängste, wie sie ein Teil unserer Bevölkerung formuliert. Das lässt uns doch eigentlich den Mut dazu haben, dass wir mit beiden Partnern, sowohl der tschechischen als auch der polnischen Seite, dies gemeinsam packen werden. Die anderen Grenzländer haben es auch gepackt. Wir werden nichts unterlassen, um diesen Optimismus, den wir eigentlich verbreiten sollten, tatsächlich zu verbreiten; denn der Zugewinn an Freiheit ist ein so hohes Gut, dass es sich lohnt, dafür einzutreten.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung und vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)