So hört sich doch keine Entwarnung an. 1,4 Kinder pro Frau, damit sind wir weit von der Nettoreproduktion entfernt. Auch wenn dieser Wert von 1,4 vielleicht im gesamtdeutschen Vergleich eine Spitzenzahl ist, ist diese
Zahl trotzdem geradezu erbärmlich. Ein Grund zum Jubeln ist das, meine Damen und Herren, wirklich nicht.
Drittens: Wenn die vom Statistischen Landesamt vorgelegte Studie ausgerechnet das Zeitfenster bis 2020 beleuchtet, dann haben wir es hier mit einem ziemlich einfachen statistischen Trick zu tun, auf den Sie sicher jeder Bevölkerungswissenschaftler aufmerksam machen wird; denn bis etwa zu diesem Jahr 2020 haben wir es bei den gebärenden Frauen immer noch mit den zahlenmäßig relativ starken DDR-Jahrgängen zu tun. Es sind nämlich die Jahrgänge, die bis zum Jahr 1989 geboren wurden. Sie sind dann bis zu 40 Jahren alt und können noch Kinder gebären. Der eigentliche Einbruch kommt erst danach.
Das Grundanliegen des Antrages ist aber – wie immer bei Anträgen der Koalition – nichts anderes als ein Informationsbegehren und ein Begehren nach Zielstellungen. Diesem Grundanliegen kann eigentlich niemand in diesem Haus wirklich widersprechen. Auch meine Fraktion wird das selbstverständlich nicht tun. Wir werden dem Antrag zustimmen. Aber die Erkenntnis, dass es zu einer pronatalen Politik im Freistaat kommen wird, kann ich aus dem Ganzen nicht heraushören.
Von der CDU-Fraktion wäre zumindest in der Richtung geburtenfördernder Politik mehr zu erwarten gewesen. Immerhin kommen in den Foren auch Diskussionspunkte in die Richtung, dass wir die geburtenfördernde Politik brauchen. Dass die CDU hier ganz sprachlos ist und sich auf die SPD als Koalitionsredner verlässt, ist schon etwas schwach.
Ich bin ja noch optimistischer als Sie. Herr Dr. Rößler, ich wurde heute von einer Kollegin von Ihnen aufgefordert, Optimismus zu verbreiten. Das tue ich auch mit dieser Behauptung: Die Sachsen sterben nicht aus.
Wenn man der korrigierten regionalisierten Bevölkerungsprognose glauben darf, dann hellt sich der demografische Himmel über Sachsen so langsam ein bisschen auf. Ein paar zarte Sonnenstrahlen blinzeln durch die Wolkendecke.
In der Prognose lesen wir – das ist von den Vorrednern zum Teil schon angesprochen worden –, dass sich der Rückgang der Bevölkerungszahl verlangsamt hat. Es
besteht sogar eine realistische Chance, dass wir im Jahr 2020 doch noch über vier Millionen Einwohner in Sachsen haben.
Mittlerweile können sich 20 Kommunen darüber freuen, einen Bevölkerungszuwachs zu haben. Die Geburtenrate in Sachsen wird leicht über dem Bundesdurchschnitt liegen. Zugleich steigt der Anteil älterer Menschen in der Gesellschaft, übrigens aus einem sehr positiven Grund: weil die Menschen in Sachsen und vor allem natürlich wir Männer, Herr Porsch, inzwischen eine etwas höhere Lebenserwartung haben. Unter Umständen werden sogar in einigen Jahren die Zuzüge nach Sachsen die Fortzüge übertreffen.
Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein; denn wenn wir es genau betrachten, sehen wir natürlich vor allem Probleme darin, dass sich die Zahl der Erwerbstätigen in Sachsen weiter reduzieren wird. Der Fachkräftemangel, über den wir im Landtag schon oft genug gesprochen haben, wird zunehmen. Und der Trend zu einer schrumpfenden und alternden Bevölkerung besteht fort mit erheblichen Anforderungen an die Politik in diesem Land.
Die entscheidende Frage ist, ob unsere Staatsregierung diesen Anforderungen gewachsen sein wird und ob sie die Weichen bislang richtig gestellt hat. Daran habe ich, ehrlich gesagt, größte Zweifel, meine Damen und Herren.
Der demografische Hoffnungsschimmer in Sachsen hat seine Ursache eben nicht in Maßnahmen der Staatsregierung, im Gegenteil: Viele in der Prognose genannte Probleme werden durch politisch motivierte Fehlentwicklungen in Sachsen befördert.
Gehen wir aber der Reihe nach vor. Der Schlüssel zu einer besseren Entwicklung – darin sind wir uns, denke ich, einig – liegt nicht nur in der Politik, sondern vor allem in einer erfolgreichen Wirtschaft begründet, und zwar in attraktiven, ordentlich bezahlten, möglichst sicheren und vor allem in ausreichender Anzahl vorhandenen Jobs in Sachsen. Nur wer in Sachsen eine berufliche Perspektive hat, wird hier bleiben oder sich für die Gründung einer Familie in Sachsen entscheiden.
Trotzdem hat der Staat eine ganze Reihe von Möglichkeiten, um einer demografischen Negativentwicklung flankierend entgegenzuwirken. Das Schlüsselwort dazu heißt Familienfreundlichkeit. Sachsen zum familienfreundlichsten Bundesland zu machen ist dabei sicher ein wirkungsvolles Maßnahmenpaket gegen Abwanderung und ein geeignetes Mittel, um Familien von außerhalb für unseren Freistaat zu interessieren. Das, was der Freistaat dazu unternimmt, scheint uns allerdings nicht ausreichend zu sein. Vor allem denke ich dabei an Dinge wie den gewaltigen Sanierungsstau in den sächsischen Kindertagesstätten und die eher überschaubaren Mittel, die die Staatsre
Weitere Beispiele, die nicht zur Familienfreundlichkeit unseres Landes passen, sind mit Sicherheit der Kinderärztemangel, die Kita-Zugangsbeschränkungen, der fehlende Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz, das nach wie vor fehlende kostenlose Vorschuljahr, die fehlende Lehrmittelfreiheit und die massiven Schulschließungen. All das sind Baustellen, die wir in Sachsen noch haben. So sieht Kinder- und Familienfreundlichkeit für uns nicht aus, meine Damen und Herren.
Es ist übrigens ganz interessant, dass manche Kommunen – so deutlich muss man das sagen – im Vergleich mit der Familien- und Sozialpolitik des Freistaates bedeutend weiter und besser sind. Manche Kommunen haben die Zeichen der Zeit eher erkannt als beispielsweise unser Sozialministerium. Manche Kommunen haben ihre politischen Prioritäten längst auf Kinder- und Familienfreundlichkeit, gute Bildung und beste Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf umgestellt.
Ich kann unsere Staatsministerin verstehen, weshalb sie sich so sehr für Dresden interessiert, und ich kann verstehen, dass sie sich verbessern will.
Dresden hat als eine der geburtenstärksten Metropolen in Deutschland die Weichen richtig gestellt, meine Damen und Herren. Mehr als 50 Millionen Euro investiert die Stadt allein in den Jahren 2007 und 2008 in den Ausbau ihrer Kita-Struktur. Das ist etwa genauso viel, wie der Freistaat in Form von Fördermitteln insgesamt aufwendet. Aus dem Mehrerlös des in diesem Haus schon oft zitierten Verkaufs der städtischen Wohnungsgesellschaft – immerhin 330 Millionen Euro – will die Stadt zusätzlich etwa 95 % davon in Kitas und Schulen investieren.
Ich kann unserem Sozialministerium nur empfehlen, sich in Sachen Sozialpolitik an meiner Heimatstadt ein Beispiel zu nehmen.
Die zentralste Herausforderung sehen wir als FDP allerdings keinesfalls im großstädtischen Bereich, sondern wir sehen sie in der Erhaltung der Urbanität des ländlichen
Raumes. Wir dürfen uns nicht dazu verleiten lassen, meine Damen und Herren, den ländlichen Raum aufgrund der immer noch sichtbaren Abwanderungstendenzen abzuschreiben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Zustrom, den im Moment die Großstädte – vor allem Dresden und Leipzig – erfahren, keine Einbahnstraße bleiben wird. Die Zeiten werden sich ändern. Die jüngste Prognose besagt, dass 20 Kommunen bis 2020 wachsen werden. Allein diese Tatsache zeigt eine zaghafte Umkehrbewegung; denn 2003 ging man davon aus, dass in Sachsen allein die beiden Großstädte Dresden und Leipzig wachsen werden.
Der kleinstädtisch-ländlich geprägte Raum hat eine Chance – allerdings nur dann, wenn der Freistaat endlich mit seiner Kahlschlagpolitik in der Fläche aufhört. Diese Regionen können von der Entwicklung der großstädtischen Leuchttürme nur dann profitieren, wenn sie ihren Lebenswert und ihre Urbanität erhalten. Dazu gehören eine vernünftige Infrastruktur und eine gute Anbindung an die Ballungsräume. Um es klar zu sagen: Immer noch in Sachsen bestehende Infrastrukturlücken bzw. fehlender Bundesstraßenausbau oder fehlende Ortsumfahrungen – ich denke dabei an Bautzen, Löbau, Riesa oder Bad Düben – müssen endlich geschlossen werden.
(Beifall bei der FDP – Caren Lay, Linksfraktion: Es sind doch weniger Leute, die auf den Straßen fahren!)
Klar ist auch, dass Familien nur dann eine Zukunft vor den Toren der Großstädte sehen, wenn es Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, Polizeiposten und eine medizinische Grundversorgung vor Ort gibt und wenn die eine oder andere Kultureinrichtung wenigstens halbwegs in der Nähe existiert. Zum Beispiel sind seit Amtsantritt unseres Kultusministers Steffen Flath sachsenweit mehr als 200 Schulen geschlossen worden. Über den dramatischen Ärztemangel im ländlichen Raum und über die drohende medizinische Unterversorgung haben wir erst heute früh in der Aktuellen Debatte der FDP gesprochen. Meine Damen und Herren, das ist wahrlich kein Ruhmesblatt!
(Dr. Johannes Müller, NPD: Vielleicht liegt das an der Wirtschaftsliberalisierung, Kollege Zastrow!)
Die Politik darf den ländlichen Raum nicht im Stich lassen. Einen Rückzug aus der Fläche, wie wir ihn im Moment in Sachsen verfolgen können, darf es nicht geben!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Auch mir ging es so, Frau Kollegin Lay: Was ist Sinn und Zweck des Antrages? Ich