Protokoll der Sitzung vom 09.07.2014

Aber kommen wir zu dem vorliegenden Bericht. Wir haben zwei Jahre lange intensiv gearbeitet. Es ist eines sehr deutlich geworden: Die Staatsregierung hat seit Anbeginn des Auffliegens des NSU immer wieder das Bild gemalt, die sächsischen Behörden hätten im Grunde alles richtig gemacht. Die Schuld sei in Thüringen zu suchen, weil die dortigen Behörden nicht ausreichend informiert hätten. Auch Herr Biesok hat gerade wieder versucht, diese Behauptung ein Stück weit hochzuziehen.

Ich kann dazu nur sagen: Nach zwei Jahren Ausschussarbeit ist eindeutig: Dieses Bild ist nicht aufrechtzuerhalten. Ich will einige Beispiele nennen.

Erstens. Sächsische Behörden hätten aufgrund eigener Zuständigkeit nach dem Trio fahnden müssen. Das gilt für den Verfassungsschutz wie für die Polizei. Nach dem Sächsischen Verfassungsschutzgesetz lag die Zuständigkeit für die Suche nach dem Trio beim Sächsischen Verfassungsschutz. Alle Behörden hatten starke Hinweise darauf, dass das Trio in Sachsen untergetaucht ist. Die Übernahme wurde aber nach allem, was wir wissen, durch das LfV Sachsen abgelehnt. Dass eigenständige Ermittlungspflichten sächsischer Behörden bestanden, wurde uns auch von den Sachverständigen Prof. Wolff und Prof. Gusy ziemlich zu Beginn des Untersuchungsausschusses ausdrücklich bestätigt.

Zweitens. Herr Biesok, Sie sagen, Thüringen habe nicht ausreichend informiert. Noch einmal: Das sächsische LfV hatte ausreichende Informationen darüber, was geschehen könnte. Spätestens am 17. September 1998 wusste das LfV, dass das Trio auf der Suche nach einer Waffe ist, um damit weitere Überfälle zu begehen.

Ich habe intensiv nachgefragt. Diese Information ist vom Verfassungsschutz Sachsen definitiv nicht an die sächsische Polizei weitergegeben worden.

(Patrick Schreiber, CDU: Warum denn?)

Das ist nun einmal ein zentrales Versagen des sächsischen LfV, weil ich mir auch sicher bin, dass die sächsische Polizei mit dieser Information ganz andere und vor allem eigenständige Maßnahmen zum Auffinden des Trios ergriffen hätte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der nächste Punkt: Auch eine weitere Einschätzung des LfV wurde der sächsischen Polizei nicht mitgeteilt. Im Jahr 2000 begründete das LfV eine G-10-Maßnahme gegen das Trio und gegen Unterstützer mit folgenden Worten: „Das Vorgehen der Gruppe ähnelt der Strategie terroristischer Gruppen, die durch Arbeitsteilung einen gemeinsamen Zweck verfolgen. Zweck der Vereinigung ist es, schwere Straftaten zu begehen. Außerdem ist bei dem Trio eine deutliche Steigerung der Intensität bis hin zu schwersten Straftaten feststellbar.“

In den Vernehmungen durch den Untersuchungsausschuss sagten die Zeugen Boos und Vahrenhold demgegenüber aus, das LfV habe zum damaligen Zeitpunkt keine bzw. keinerlei Anhaltspunkte für die Existenz rechtsextremistischer oder rechtsterroristischer Gruppierungen in Sachsen gehabt. Wegen dieser Aussage habe ich Strafanzeige wegen des Verdachts der falschen uneidlichen Aussage erstattet.

Es gibt noch eine zweite Version: Möglicherweise liegt eine bewusste Täuschung der G-10-Kommission vor, die über die Maßnahme zu entscheiden hatte. Im Raum steht der Verdacht, dass dieser G-10-Antrag künstlich aufgeblasen wurde, um die Genehmigung zu erhalten.

Der vierte Punkt: Dass es im Zusammenhang mit der Aufklärung der Verbrechen des NSU bundesweit zu Aktenvernichtungen gekommen ist, ist an sich schon ein unglaubliches Phänomen, und auch in Sachsen waren wir damit konfrontiert. Die Sächsische Staatsregierung betont in ihrer Stellungnahme zum Ergebnis des Untersuchungsausschusses, dass der Datenschutzbeauftragte, der ehemalige Präsident des LfV, Herr Boos, und die HarmsKommission keinerlei Anhaltspunkte dafür gefunden hätten, dass Akten mit NSU-Bezug vernichtet wurden.

Ich möchte das an dieser Stelle noch einmal klarstellen: Bis auf diejenigen, die die Akten vernichtet haben, weiß keiner, was in den vernichteten Akten stand, und sich auf die Täter als Zeugen zu berufen, das macht nicht einmal ein Jurastudent im 1. Semester. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wir können es bis heute nicht aus

schließen, dass nach dem 4. November 2011 Akten mit NSU-Bezug durch das LfV vernichtet wurden.

In der Zusammenschau ist deutlich geworden, dass sächsische Behörden ein erhebliches Maß an Verantwortung dafür tragen, dass der sogenannte NSU nicht früher enttarnt und an seinem Verbrechen gehindert wurde. Das ist auch die Verantwortung, der wir uns gemeinsam stellen müssen.

Das ist auch der Punkt, wo ich noch einmal auf einen anderen Punkt eingehen möchte: Als der Bundestagsuntersuchungsausschuss im vergangenen September den Abschlussbericht zur nationalsozialistischen Terrorgruppe vorgelegt und beraten hat, wurde insbesondere in den einleitenden Worten von Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert das tief empfundene Mitgefühl mit den zehn Mordopfern und ihren Angehörigen deutlich. Dem möchte ich auch heute noch einmal Ausdruck verleihen. Ich danke an dieser Stelle auch der Frau Präsidentin, dass sie zu Beginn der Sitzung nochmals darauf eingegangen ist.

Im Bundestag ist aber auch eines deutlich geworden, nämlich der unbedingte Wille, über alle Parteigrenzen hinweg aufzuklären, warum es deutschen Behörden nicht gelungen ist, die über Jahre geplanten und ausgeführten Verbrechen des NSU rechtzeitig aufzuklären und zu verhindern. Ich sage das auch noch einmal deutlich: Ich bedaure es außerordentlich, dass es in Sachsen nicht möglich war, diesen großen demokratischen Konsens im Sinne der Aufklärung herzustellen, und dass es nicht möglich war, einen von den fünf demokratischen Fraktionen getragenen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Das hat sich in der Konsequenz auch in der Arbeit des Ausschusses bemerkbar gemacht. Wir sind deutlich langsamer vorangekommen als die Untersuchungsausschüsse im Bundestag, in Thüringen und in Bayern mit der Konsequenz, dass aus Sicht der demokratischen Opposition ein neuer Untersuchungsausschuss notwendig wird.

Herr Ministerpräsident, Herr Innenminister, Herr Justizminister, wie wichtig wäre es für die Mordopfer der neonazistischen Terrorgruppe gewesen, wenn Sachsen, wo sich das Trio mithilfe eines polizei- und verfassungsschutzbekannten Netzwerkes über 14 Jahre lang unbehelligt hat aufhalten können, Vorreiter in der Aufklärung gewesen wäre.

Herr Tillich, Sie haben es nach dem Auffliegen des nationalsozialistischen Untergrundes leider versäumt, in diesem Hohen Haus das Wort an die Opfer und ihre Angehörigen zu richten, von einer Initiative zur Aufarbeitung etwaiger Fehler und Versäumnisse sächsischer Behörden ganz zu schweigen. Im Gegenteil, Ihnen ging es in erster Linie um das Image Sachsens. Ich zitiere: „Das ist nicht Ausdruck dessen, was Sachsen eigentlich bedeutet. Es schmälert die Leistung der Menschen. Das ist unfair. Wir Sachsen werden für etwas verantwortlich gemacht, wo wir das Gegenteil unter Beweis gestellt haben, zum Beispiel mit vielen Initiativen.“

Diese Worte stammen aus dem Dezember 2011 in einem Interview zum Terrortrio. Es ist schön, dass Sie in Ihrer

heutigen Regierungserklärung auf das Thema NPD und Rechtsextremismus eingegangen sind. Aber auch da ging es immer nur um das Image Sachsens. Es geht bei diesem Thema aber nicht vordergründig um das Image Sachsens, es geht hier um Menschenleben.

Herr Ulbig, Sie sind für Ihren Ministerpräsidenten zumindest zum Teil eingesprungen. Sie haben im Landtag, aber auch in Zwickau gesprochen und haben versucht, Fragen zu beantworten. Aber auch Sie sind letztlich passiv geblieben. Wirklich eigenständige Aufklärungsbemühungen seitens der Staatsregierung, wie es sie zum Beispiel in Thüringen gegeben hat, waren hier nicht zu verzeichnen. Der im Juni 2012 vom Innenminister vorgelegte vorläufige Abschlussbericht zum Fallkomplex Nationalsozialistischer Untergrund wurde nie zu einem Abschlussbericht. Er wurde auch nach dem Auffinden von Unterlagen im LfV nie ergänzt. Es wurde schlicht nicht weiter aufgearbeitet.

Auch wenn es jetzt hart klingen mag: Genau diese Haltung, Verantwortung für neonazistisches Wirken und Denken in Sachsen von sich zu schieben, neonazistische Umtriebe allenfalls als Imageproblem zu sehen, Rechtsextreme reflexhaft immer in einem Atemzug mit Linksextremen zu nennen und Fehler bei Behörden außerhalb Sachsens zu suchen, auch um möglicherweise von eigenen Fehlern abzulenken, genau diese Haltung Sachsens ist es, die es dem NSU-Trio leicht gemacht hat, hier unterzutauchen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Dass diese oder auch die nächste Staatsregierung eigene Aufklärungsinstrumente zu den Fehlern und Versäumnissen sächsischer Behörden bei der Suche nach dem Trio oder bei der Bekämpfung neonazistischer Bestrebungen einsetzt, wage ich nicht zu hoffen; denn die Staatsregierung schreibt in ihrer Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme des NSU-Untersuchungsausschusses, dass mit den eingeleiteten Maßnahmen der Sächsischen Staatsregierung, der verantwortlichen Stellen anderer Länder und des Bundes – ich zitiere – „die Voraussetzungen dafür geschaffen wurden, dass sich ein Phänomen wie der nationalsozialistische Untergrund nach menschlichem Ermessen künftig nicht wiederholen wird.“

Na, da ist ja alles gut. Nein, ist es nicht! Es kann einfach so nicht weitergehen. Wir brauchen in diesem Lande ein Umdenken. Rassismus muss endlich als das Problem ernst genommen werden, das es ist. Ihm ist in allen gesellschaftlichen Bereichen entgegenzutreten. Dazu gehört die Aufklärung aller Straftaten, die mit rassistischen Motiven begangen wurden. Staatsanwaltschaft und Polizei müssen sich entsprechend spezialisieren.

Und auch das gehört zur Wahrheit: Das LfV hat in dieser Hinsicht komplett versagt und ist daher abzuschaffen. Zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit diesem Thema gehört dann aber auch, Rassismus in der Mitte der Gesellschaft zu erkennen und vor allem auch zu bekämpfen. Das

muss unsere oberste Zielstellung sein, und zu diesem Zweck müssen zivilgesellschaftliche Initiativen und bürgerschaftliches Engagement ohne Extremismusklausel gefördert und unterstützt werden.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Für die NPDFraktion Herr Abg. Schimmer. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Wir stehen selbst enttäuscht und sehen betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen.“ Dieses Zitat aus dem Epilog von Bertolt Brechts Theaterstück „Der gute Mensch von Sezuan“ passt perfekt zur bisherigen Aufarbeitung des sogenannten NSU-Komplexes. Dieses Zitat passt deshalb so perfekt, weil nicht nur die Liste der Widersprüche, offenen Fragen und Ungereimtheiten in der offiziellen Darstellung dieser Verbrechensserie geradezu unvorstellbar lang ist, sondern auch die starke Verdunklungsbereitschaft staatlicher Organe zeigt, dass der gesamte NSU-Komplex eine Staatsaffäre darstellt, in der Aufklärung unerwünscht ist. Das hat sich auch hier im Freistaat Sachsen gezeigt.

(Beifall bei der NPD)

Die Linie, auf die sich die sächsischen Behörden festgelegt haben, lässt sich mit zwei Sätzen zusammenfassen. Der erste lautet: Nicht in Sachsen, sondern nur in Thüringen wurden Fehler gemacht. Der zweite lautet: Die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz darf nie grundsätzlich infrage gestellt werden.

Eine auch nur ansatzweise Aufklärung des NSUKomplexes ist so natürlich nicht möglich. Aber sie ist schließlich auch gar nicht erwünscht, obwohl es gerade in Sachsen sehr viel aufzuklären gäbe, denn schließlich haben sich Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in der fast 14-jährigen Zeit ihres Untertauchens fast ausschließlich auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen aufgehalten.

Auch das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz war ständig dran am allerengsten NSU-Umfeld. Schon am 29. Juli 2000 observierte das LfV Sachsen unter dem Fallnamen „Steiger“ ein Treffen in Johanngeorgenstadt zur Vorbereitung eines Konditionsmarsches, an dem auch André Eminger teilnahm. Seit dem Sommer 2000 also war der letzte Kontaktmann von Beate Zschäpe, also André Eminger, im Visier des Landesamtes und blieb dort auch für die folgenden Jahre. Mal gab es wie im März 2003 Überlegungen, ihn als V-Mann zu gewinnen, mal gab es wie im Dezember 2006 weitere Observationen unter dem fantasievollen Namen „Grubenlampe“.

Noch viel unglaublicher ist der Fall des V-Mannes „Primus“ alias Ralf Marschner, der von allen seinen Freunden nur „Manole“ gerufen wurde und im Auftrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz spitzelte. Der Fall

dieses Zwickauer Skinhead- und V-Mannes ist dazu geeignet, den gesamten NSU-Komplex in seinen Grundfesten zu erschüttern. Marschner wurde von 1992 bis 2002 als V-Mann im Bereich des Rechtsextremismus eingesetzt und wohnte nach dem Umzug des Trios von Chemnitz nach Zwickau im Juli 2000 in unmittelbarer Nähe der Zwickauer Polenzstraße, wo auch Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe wohnten. Obwohl V-Mann „Primus“ als absolute Topquelle galt, über die gesamte rechte Szene in Westsachsen ausführlich berichtete und Hunderte von Konzertbesuchern von Skinhead-Konzerten identifizierte, soll er angeblich im Rahmen seiner VMann-Tätigkeit nie über das Trio berichtet haben, obwohl eine Zeugenaussage vorliegt, dass Beate Zschäpe in einem seiner Läden in Zwickau Stammgast war.

Dieser V-Mann „Primus“ war Ralf Marschner, besaß in Zwickau aber nicht nur zwei Szeneläden, sondern auch eine Baufirma. Genau von jener Firma mit dem Namen „Bauservice Marschner“ wurde vom 13. Juni 2001, 18 Uhr bis zum 14. Juni 2001, 18 Uhr ein Lieferwagen angemietet, also genau für das kurze Zeitfenster, in dem sich in Nürnberg der zweite Mord der sogenannten ČeskaMordserie ereignete.

Aber damit nicht genug. Obwohl sowohl Marschners Läden als auch sein Baugeschäft schlecht laufen und die Anmietung größerer Fahrzeuge deshalb eine absolute Ausnahme bleibt, wird über die Baufirma des V-Mannes „Primus“ auch für den 29. August 2001 ein Fahrzeug angemietet, weil sich in München der vierte Mord der sogenannten Ceska-Serie an dem Gemüsehändler Habil Kilic ereignet.

Ja, meine Damen und Herren, so ist das eben im NSUKomplex. Was in einem normalen kriminalistischen Verfahren als brennend heiße Spur gelten würde, wird hier bagatellisiert, denn im NSU-Verfahren sind die Regeln eines normalen Verfahrens auf den Kopf gestellt. Alles, jedweder noch so gravierende, noch so zum Himmel schreiende Widerspruch wird hier entweder zur Panne oder zum Zufall erklärt, und niemand soll es doch wagen, Fragen zu offensichtlichen Widersprüchen zu stellen, denn dann ist man doch ein Verschwörungstheoretiker oder ein Spinner.

Die völlig aus dem Rahmen fallenden Fahrzeuganmietungen über Marschners Baufirma sind hier in der zynischen Lesart, die auch vom Innenminister geteilt wird, also ein Zufall. Die Vernichtung von Marschners V-Mann-Akten schon vor dem Ende der Löschfrist ist natürlich nichts anderes als eine Panne. Mit dieser völlig selbstreferenziellen und redundanten Art und Weise der Argumentation wird der eigentliche Untersuchungsgegenstand hermetisch vor jedweder Aufklärung abgeschirmt, und man kann dennoch – wenn auch mehr schlecht als recht – eine Art pseudorechtsstaatliche Fassade mit Mühe und Not aufrechterhalten.

Gleichzeitig wird gebetsmühlenartig und argumentationslos ständig das Mantra wiederholt, dass der sogenannte Verfassungsschutz doch tolle Arbeit leistet und den

Rechtsextremismus bekämpft, wie es beispielsweise der Kollege Biesok hier anlässlich unserer Aktuellen Debatte zum Thema, die im Juni stattfand, erklärt hat. Dieses von Herrn Biesok angesprochene Bekämpfen darf man sich dann wahrscheinlich so wie in Thüringen vorstellen, als der V-Mann Tino Brandt als Anführer des „Thüringer Heimatschutzes“ mit 200 000 D-Mark Staatsknete aus dem Säckel des sogenannten Verfassungsschutzes erst im großen Maßstab politisch handlungsfähig gemacht wurde und nebenbei noch Straftaten am Fließband begehen konnte, wobei die zugehörigen Ermittlungsverfahren immer niedergeschlagen wurden.

Oder man darf sich dieses Bekämpfen wie hier im Freistaat Sachsen vorstellen, als der V-Mann „Primus“ dick im Vertrieb illegaler „Landser“-CDs mitmischte. Dieser Vertrieb war sogar, wie man heute rückblickend feststellen kann, in weiten Teilen in der Hand von V-Leuten diverser Geheimdienste.

(Zuruf von der NPD: Seltsam!)

Aber nicht nur die Umstände des Untertauchens des Trios in Zwickau sind bemerkenswert, sondern auch das zweieinhalbjährige Untertauchen in Chemnitz vom Januar 1998 bis zum Juli 2000 ist durch diverse Merkwürdigkeiten gekennzeichnet. Das gesamte "Blood & Honour"Netzwerk in Chemnitz der Jahrtausendwende, das das Trio beim Untertauchen unterstütze, war – das wissen wir heute besser als noch vor zwei Jahren – durchweg von VLeuten durchsetzt, wurde akribisch von diversen Geheimdiensten überwacht und war Gegenstand zahlreicher G10-Maßnahmen. Allein im Jahr 2000 führte das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz mehr als ein halbes Dutzend Observationsoperationen in Chemnitz unter der Bezeichnung „Terzett“ durch. Parallel dazu observierte das Thüringer Landesamt die Strukturen der Skinhead-Vereinigung "Blood & Honour" in der Stadt.

Die bemerkenswerteste dieser Observationen wird sich am 6. Mai 2000 in Chemnitz zutragen. Dort fotografierte 19:10 Uhr eine Observationsstreife Uwe Böhnhardt vor der Bernhardstraße 11 und machte dann – wie immer – nichts. Uwe Böhnhardt kann in dieser Nacht wohl noch mutmaßlich in der Bernhardstraße 11 übernachten, aber eine Festnahmeeinheit wird nicht benachrichtigt und damit wieder einmal eine einmalige Möglichkeit vertan.

Das Ganze geht dann komischerweise genauso schlecht und dilettantisch weiter. Die Fotos bleiben erst einmal wochenlang liegen, bevor das BKA mit Blick auf alte Fotos von Böhnhardt zu der Feststellung kommt – ich zitiere -: „Die bei einem allgemeinen Vergleich festgestellten optischen Übereinstimmungen deuten darauf hin, dass es sich bei der auf den betreffenden Aufnahmen abgebildeten Person um ein und dieselbe Person handelt.“ – Der Zielfahnder Sven Wunderlich wird über Böhnhardts Sichtung vor dem Haus von Mandy Struck geschlagene neun Tage später informiert.

Meine Damen und Herren, wollen wir uns wirklich darüber wundern, dass die Wut der Kripobeamten auf den

Thüringer Geheimdienst immer weiter wächst und der Zielfahnder Wunderlich dann in einem Vermerk die mehr als naheliegende und nachvollziehbare Überlegung äußert, dass Beate Zschäpe eine V-Frau des Verfassungsschutzes sei? Das zieht sich doch wie ein roter Faden durch die gesamten Bemühungen, das untergetauchte Trio festzunehmen. Hinter dem ganzen aufgesetzten Aktivismus, der wie ein großes Alibi wirkt, kommt gähnendes Desinteresse – mehr noch: der regelrechte Wille – zur bewussten Sabotage der eigenen Bemühungen zum Vorschein, wenn Festnahmen möglich sind, und das ist doch die Schweinerei gewesen.