Miro Jennerjahn
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie üblich möchte ich meine Rede mit einem Dank an das Referat Petitionsdienst beginnen. Wir haben es gerade in den letzten Wochen noch einmal verfolgen können, dass zum Abschluss der Legislaturperiode die Zahl der abgearbeiteten Petitionen deutlich angestiegen ist. Viele Petitionen wurden noch sehr kurzfristig abgegeben, um zum Abschluss der Legislatur keine unerledigte Arbeit liegen zu lassen. Das hat erhebliche Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Petitionsdienstes gestellt. Das haben Sie hervorragend gelöst. Deshalb herzlichen Dank für die Zusammenarbeit in den vergangenen fünf Jahren.
Jetzt liegt der Bericht des Petitionsausschusses für das Jahr 2013 vor. Wie in jedem Jahr zeigt der Bericht die Vielschichtigkeit der Arbeit des Petitionsausschusses. Wenn wir einen Blick auf die Zahlen werfen, dann stellen wir fest, dass bei rund 25 % der im letzten Jahr behandelten Petitionen dem Anliegen der Petenten in irgendeiner Form Rechnung getragen werden konnte, sei es dadurch, dass bereits das Einreichen der Petition ein Behördenhandeln im Sinne der Petenten bewirkt hat, oder sei es dadurch, dass der Ausschuss bzw. im zweiten Schritt der Landtag beschlossen hat, die Petition an die Staatsregierung zur Veranlassung konkreter Maßnahmen zur Abhilfe der Petition abzugeben.
Nun liegt es in der Natur der Sache, dass wir nicht allen Petitionen abhelfen können. Das zeigt aber auch, welche Gratwanderung wir vollziehen müssen, weil der Petitionsausschuss für viele Menschen oft die letzte Hoffnung für die Lösung eines Problems ist. Häufig können wir Erwartungen gerecht werden. Noch häufiger ist es leider nicht möglich, über den Petitionsausschuss ein Problem
zu lösen. Insofern wird der Petitionsausschuss auch immer ein Hort enttäuschter Hoffnungen sein.
Ich möchte jetzt aber nicht an der Stelle verharren, welche Herausforderungen die Ausschussarbeit mit sich bringt, sondern lieber ein Beispiel aus dem letzten Jahr herausgreifen, das mich persönlich sehr beeindruckt hat. Das ist die Sammelpetition zur Verbesserung des Betreuungsschlüssels in Kitas, die mit mehr als 70 000 Unterschriften eine der größten Petitionen, wenn nicht sogar die größte Petition seit Bestehen des Sächsischen Landtags gewesen ist, die von sehr engagierten Erzieherinnen und Erziehern und Eltern aus Wurzen initiiert und begleitet wurde.
Ich freue mich und bedanke mich ausdrücklich bei den Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, dass es an dieser Stelle gelungen ist, einen Weg im Sinne der Petenten zu finden und dass der Ausschuss die Beschlussempfehlung abgegeben hat, die Petition zur Berücksichtigung an die Staatsregierung zu überweisen und diese Beschlussempfehlung vom Sächsischen Landtag mitgetragen wurde. Ich weise aber auch darauf hin – das ist heute Vormittag schon ein Stück weit in der Aktuellen Debatte zum Ausdruck gekommen –, dass die Ankündigung des Ministerpräsidenten, die Kita-Pauschale zu erhöhen und die Verantwortung für die konkrete Verwendung der Mittel wieder an die kommunale Ebene zurückzuverweisen, noch keine Umsetzung dieser Petition darstellt. Da sehe ich durchaus noch eine Verantwortung insbesondere der CDU als stärkster Fraktion im Haus, in der parlamentarischen Befassung mit dem Haushalt tatsächlich eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels in Kitas finanziell zu untersetzen. Wer die Lippen spitzt, muss auch pfeifen. Da befinden wir uns gemeinsam noch auf der Gratwanderung, die ich zuvor beschrieben habe.
Insgesamt hat nach meinem Eindruck das Bildungsthema in den letzten Jahren bei den Petitionen stetig mehr Raum eingenommen. Ich hoffe, dass wir den Petitionsausschuss als eine Art Frühwarnsystem für mögliche, bestehende oder kommende politische Probleme begreifen und dass der 6. Sächsische Landtag bildungspolitisch genauso engagiert diskutiert, wie es hier in der 5. Legislaturperiode geschehen ist.
Mehrfach ist der Begriff der Sammelpetition gefallen. Angesichts der gewachsenen Bedeutung der Sammelpetition möchte ich noch meiner persönlichen Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die Rechtsstellung der Petenten in der nächsten Legislaturperiode gestärkt werden kann, indem bei größeren Sammelpetitionen und bei Massenpetitionen ein Recht auf öffentliche Anhörung geschaffen wird.
Bei den Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen im Petitionsausschuss bedanke ich mich für die überwiegend konstruktive Zusammenarbeit. Ich habe in den vergangenen fünf Jahren im Petitionsausschuss viel gelernt. Diese Erfahrungen möchte ich keinesfalls missen und kann sie hoffentlich bewahren.
Damit möchte ich es bereits bewenden lassen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und hoffe, die meisten von Ihnen nach dem 31. August wiederzusehen.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Biesok, zwei kurze Vorbemerkungen zu Ihnen: Ich glaube, die Geschichte der 68er Bewegung arbeiten wir gesondert auf; ich schaffe es nicht in zehn Minuten, so viel Unwissenheit zu heilen.
Die zweite Vorbemerkung: Sie haben der Kollegin Köditz vorgeworfen, sie sei gegen die Extremismustheorie, damit linksextremistische Organisationen im Freistaat Sachsen weiterhin Staatsknete in Empfang nehmen könnten. Sie wissen genauso gut wie ich – das hat der Innenminister im Sächsischen Landtag auf meine mündliche Anfrage hin protokollfest bestätigt –, dass im Freistaat Sachsen zu keinem Zeitpunkt Fördermittel an linksextremistische Organisationen geflossen sind.
Was Sie hier behauptet haben, entspricht schlichtweg nicht der Wahrheit. Ich finde es unwürdig, dass Sie im Rahmen der Befassung mit diesem Abschlussbericht diese Unwahrheit noch einmal explizit in den Raum gestellt haben.
Kollegin Köditz hat gegen die Extremismustheorie geredet, weil sie wissenschaftlich nicht haltbar ist. Das ist wissenschaftlicher Konsens, jedenfalls soweit man sich außerhalb des Territoriums des Freistaates Sachsen begibt.
Aber kommen wir zu dem vorliegenden Bericht. Wir haben zwei Jahre lange intensiv gearbeitet. Es ist eines sehr deutlich geworden: Die Staatsregierung hat seit Anbeginn des Auffliegens des NSU immer wieder das Bild gemalt, die sächsischen Behörden hätten im Grunde alles richtig gemacht. Die Schuld sei in Thüringen zu suchen, weil die dortigen Behörden nicht ausreichend informiert hätten. Auch Herr Biesok hat gerade wieder versucht, diese Behauptung ein Stück weit hochzuziehen.
Ich kann dazu nur sagen: Nach zwei Jahren Ausschussarbeit ist eindeutig: Dieses Bild ist nicht aufrechtzuerhalten. Ich will einige Beispiele nennen.
Erstens. Sächsische Behörden hätten aufgrund eigener Zuständigkeit nach dem Trio fahnden müssen. Das gilt für den Verfassungsschutz wie für die Polizei. Nach dem Sächsischen Verfassungsschutzgesetz lag die Zuständigkeit für die Suche nach dem Trio beim Sächsischen Verfassungsschutz. Alle Behörden hatten starke Hinweise darauf, dass das Trio in Sachsen untergetaucht ist. Die Übernahme wurde aber nach allem, was wir wissen, durch das LfV Sachsen abgelehnt. Dass eigenständige Ermittlungspflichten sächsischer Behörden bestanden, wurde uns auch von den Sachverständigen Prof. Wolff und Prof. Gusy ziemlich zu Beginn des Untersuchungsausschusses ausdrücklich bestätigt.
Zweitens. Herr Biesok, Sie sagen, Thüringen habe nicht ausreichend informiert. Noch einmal: Das sächsische LfV hatte ausreichende Informationen darüber, was geschehen könnte. Spätestens am 17. September 1998 wusste das LfV, dass das Trio auf der Suche nach einer Waffe ist, um damit weitere Überfälle zu begehen.
Ich habe intensiv nachgefragt. Diese Information ist vom Verfassungsschutz Sachsen definitiv nicht an die sächsische Polizei weitergegeben worden.
Das ist nun einmal ein zentrales Versagen des sächsischen LfV, weil ich mir auch sicher bin, dass die sächsische Polizei mit dieser Information ganz andere und vor allem eigenständige Maßnahmen zum Auffinden des Trios ergriffen hätte.
Der nächste Punkt: Auch eine weitere Einschätzung des LfV wurde der sächsischen Polizei nicht mitgeteilt. Im Jahr 2000 begründete das LfV eine G-10-Maßnahme gegen das Trio und gegen Unterstützer mit folgenden Worten: „Das Vorgehen der Gruppe ähnelt der Strategie terroristischer Gruppen, die durch Arbeitsteilung einen gemeinsamen Zweck verfolgen. Zweck der Vereinigung ist es, schwere Straftaten zu begehen. Außerdem ist bei dem Trio eine deutliche Steigerung der Intensität bis hin zu schwersten Straftaten feststellbar.“
In den Vernehmungen durch den Untersuchungsausschuss sagten die Zeugen Boos und Vahrenhold demgegenüber aus, das LfV habe zum damaligen Zeitpunkt keine bzw. keinerlei Anhaltspunkte für die Existenz rechtsextremistischer oder rechtsterroristischer Gruppierungen in Sachsen gehabt. Wegen dieser Aussage habe ich Strafanzeige wegen des Verdachts der falschen uneidlichen Aussage erstattet.
Es gibt noch eine zweite Version: Möglicherweise liegt eine bewusste Täuschung der G-10-Kommission vor, die über die Maßnahme zu entscheiden hatte. Im Raum steht der Verdacht, dass dieser G-10-Antrag künstlich aufgeblasen wurde, um die Genehmigung zu erhalten.
Der vierte Punkt: Dass es im Zusammenhang mit der Aufklärung der Verbrechen des NSU bundesweit zu Aktenvernichtungen gekommen ist, ist an sich schon ein unglaubliches Phänomen, und auch in Sachsen waren wir damit konfrontiert. Die Sächsische Staatsregierung betont in ihrer Stellungnahme zum Ergebnis des Untersuchungsausschusses, dass der Datenschutzbeauftragte, der ehemalige Präsident des LfV, Herr Boos, und die HarmsKommission keinerlei Anhaltspunkte dafür gefunden hätten, dass Akten mit NSU-Bezug vernichtet wurden.
Ich möchte das an dieser Stelle noch einmal klarstellen: Bis auf diejenigen, die die Akten vernichtet haben, weiß keiner, was in den vernichteten Akten stand, und sich auf die Täter als Zeugen zu berufen, das macht nicht einmal ein Jurastudent im 1. Semester. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wir können es bis heute nicht aus
schließen, dass nach dem 4. November 2011 Akten mit NSU-Bezug durch das LfV vernichtet wurden.
In der Zusammenschau ist deutlich geworden, dass sächsische Behörden ein erhebliches Maß an Verantwortung dafür tragen, dass der sogenannte NSU nicht früher enttarnt und an seinem Verbrechen gehindert wurde. Das ist auch die Verantwortung, der wir uns gemeinsam stellen müssen.
Das ist auch der Punkt, wo ich noch einmal auf einen anderen Punkt eingehen möchte: Als der Bundestagsuntersuchungsausschuss im vergangenen September den Abschlussbericht zur nationalsozialistischen Terrorgruppe vorgelegt und beraten hat, wurde insbesondere in den einleitenden Worten von Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert das tief empfundene Mitgefühl mit den zehn Mordopfern und ihren Angehörigen deutlich. Dem möchte ich auch heute noch einmal Ausdruck verleihen. Ich danke an dieser Stelle auch der Frau Präsidentin, dass sie zu Beginn der Sitzung nochmals darauf eingegangen ist.
Im Bundestag ist aber auch eines deutlich geworden, nämlich der unbedingte Wille, über alle Parteigrenzen hinweg aufzuklären, warum es deutschen Behörden nicht gelungen ist, die über Jahre geplanten und ausgeführten Verbrechen des NSU rechtzeitig aufzuklären und zu verhindern. Ich sage das auch noch einmal deutlich: Ich bedaure es außerordentlich, dass es in Sachsen nicht möglich war, diesen großen demokratischen Konsens im Sinne der Aufklärung herzustellen, und dass es nicht möglich war, einen von den fünf demokratischen Fraktionen getragenen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Das hat sich in der Konsequenz auch in der Arbeit des Ausschusses bemerkbar gemacht. Wir sind deutlich langsamer vorangekommen als die Untersuchungsausschüsse im Bundestag, in Thüringen und in Bayern mit der Konsequenz, dass aus Sicht der demokratischen Opposition ein neuer Untersuchungsausschuss notwendig wird.
Herr Ministerpräsident, Herr Innenminister, Herr Justizminister, wie wichtig wäre es für die Mordopfer der neonazistischen Terrorgruppe gewesen, wenn Sachsen, wo sich das Trio mithilfe eines polizei- und verfassungsschutzbekannten Netzwerkes über 14 Jahre lang unbehelligt hat aufhalten können, Vorreiter in der Aufklärung gewesen wäre.
Herr Tillich, Sie haben es nach dem Auffliegen des nationalsozialistischen Untergrundes leider versäumt, in diesem Hohen Haus das Wort an die Opfer und ihre Angehörigen zu richten, von einer Initiative zur Aufarbeitung etwaiger Fehler und Versäumnisse sächsischer Behörden ganz zu schweigen. Im Gegenteil, Ihnen ging es in erster Linie um das Image Sachsens. Ich zitiere: „Das ist nicht Ausdruck dessen, was Sachsen eigentlich bedeutet. Es schmälert die Leistung der Menschen. Das ist unfair. Wir Sachsen werden für etwas verantwortlich gemacht, wo wir das Gegenteil unter Beweis gestellt haben, zum Beispiel mit vielen Initiativen.“
Diese Worte stammen aus dem Dezember 2011 in einem Interview zum Terrortrio. Es ist schön, dass Sie in Ihrer
heutigen Regierungserklärung auf das Thema NPD und Rechtsextremismus eingegangen sind. Aber auch da ging es immer nur um das Image Sachsens. Es geht bei diesem Thema aber nicht vordergründig um das Image Sachsens, es geht hier um Menschenleben.
Herr Ulbig, Sie sind für Ihren Ministerpräsidenten zumindest zum Teil eingesprungen. Sie haben im Landtag, aber auch in Zwickau gesprochen und haben versucht, Fragen zu beantworten. Aber auch Sie sind letztlich passiv geblieben. Wirklich eigenständige Aufklärungsbemühungen seitens der Staatsregierung, wie es sie zum Beispiel in Thüringen gegeben hat, waren hier nicht zu verzeichnen. Der im Juni 2012 vom Innenminister vorgelegte vorläufige Abschlussbericht zum Fallkomplex Nationalsozialistischer Untergrund wurde nie zu einem Abschlussbericht. Er wurde auch nach dem Auffinden von Unterlagen im LfV nie ergänzt. Es wurde schlicht nicht weiter aufgearbeitet.
Auch wenn es jetzt hart klingen mag: Genau diese Haltung, Verantwortung für neonazistisches Wirken und Denken in Sachsen von sich zu schieben, neonazistische Umtriebe allenfalls als Imageproblem zu sehen, Rechtsextreme reflexhaft immer in einem Atemzug mit Linksextremen zu nennen und Fehler bei Behörden außerhalb Sachsens zu suchen, auch um möglicherweise von eigenen Fehlern abzulenken, genau diese Haltung Sachsens ist es, die es dem NSU-Trio leicht gemacht hat, hier unterzutauchen.
Dass diese oder auch die nächste Staatsregierung eigene Aufklärungsinstrumente zu den Fehlern und Versäumnissen sächsischer Behörden bei der Suche nach dem Trio oder bei der Bekämpfung neonazistischer Bestrebungen einsetzt, wage ich nicht zu hoffen; denn die Staatsregierung schreibt in ihrer Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme des NSU-Untersuchungsausschusses, dass mit den eingeleiteten Maßnahmen der Sächsischen Staatsregierung, der verantwortlichen Stellen anderer Länder und des Bundes – ich zitiere – „die Voraussetzungen dafür geschaffen wurden, dass sich ein Phänomen wie der nationalsozialistische Untergrund nach menschlichem Ermessen künftig nicht wiederholen wird.“
Na, da ist ja alles gut. Nein, ist es nicht! Es kann einfach so nicht weitergehen. Wir brauchen in diesem Lande ein Umdenken. Rassismus muss endlich als das Problem ernst genommen werden, das es ist. Ihm ist in allen gesellschaftlichen Bereichen entgegenzutreten. Dazu gehört die Aufklärung aller Straftaten, die mit rassistischen Motiven begangen wurden. Staatsanwaltschaft und Polizei müssen sich entsprechend spezialisieren.
Und auch das gehört zur Wahrheit: Das LfV hat in dieser Hinsicht komplett versagt und ist daher abzuschaffen. Zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit diesem Thema gehört dann aber auch, Rassismus in der Mitte der Gesellschaft zu erkennen und vor allem auch zu bekämpfen. Das
muss unsere oberste Zielstellung sein, und zu diesem Zweck müssen zivilgesellschaftliche Initiativen und bürgerschaftliches Engagement ohne Extremismusklausel gefördert und unterstützt werden.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Entschließungsantrag, der jetzt vorliegt, ist, wie die Frau Präsidentin angekündigt hat, von den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN eingebracht worden. Ich bedauere ausdrücklich, dass es sich nur um einen Entschließungsantrag der demokratischen Oppositionsfraktionen handelt. Wir hatten vor drei Wochen noch einmal den Versuch unternommen, auf die Koalition zuzugehen und trotz aller inhaltlicher Differenzen bei der Bewertung dessen, was im Untersuchungsausschuss passiert ist, zumindest – ich will es einmal so formulieren – den kleinsten gemeinsamen Nenner zu definieren, um hier zu einer gemeinsamen Entschließung zu kommen.
In der letzten Woche wurde uns leider beschieden, dass das nicht möglich sein wird. Den Entschließungsantrag haben Sie heute Morgen in Ihrem Postfach gefunden. Da dieser möglicherweise jetzt nicht allen auf dem Tisch
vorliegt, will ich noch einmal ganz kurz auf die Punkte eingehen:
Im Punkt I sprechen wir noch einmal den zehn Todesopfern des NSU und deren Angehörigen unsere Anteilnahme aus. Auch wenn das durch die Frau Präsidentin eingangs zu dieser Debatte erfolgt ist, halten wir es für notwendig, das nach zweijähriger Tätigkeit des Untersuchungsausschusses noch einmal per Landtagsbeschluss zu bekräftigen, weil in den zwei Jahren doch eine Reihe von Fehlern sächsischer Behörden bekannt geworden ist. Es wäre in dieser Hinsicht ein wichtiges Signal, das noch einmal als Beschluss zu bekräftigen.
Weiterhin formulieren wir in Punkt I den Anspruch, der sich auch an uns richtet, eine Verpflichtung für uns ist und uns in die Verantwortung nimmt, Neonazismus entschieden entgegenzutreten und für ein weltoffenes Sachsen einzutreten. Ich denke, das sind die beiden Punkte, die, wenn man so will, ein gemeinsamer Kern sein können, der von allen demokratischen Fraktionen in diesem Hohen Hause unterstützt werden kann.
In Punkt II stellen wir fest, dass der Untersuchungsausschuss nur einen Teil seiner Arbeit hat abarbeiten können. Wir richten einen Prüfauftrag an den Landtagspräsidenten mit dem Ziel, einen Weg zu finden, dass die Protokolle der öffentlichen Zeugeneinvernahmen doch noch im EDAS veröffentlicht werden können. Dem stehen bislang noch Geschäftsordnungsregelungen entgegen. Das ist ein Thema, über das im 6. Sächsischen Landtag sicherlich noch einmal debattiert werden muss.
In Punkt III finden sich dann noch einmal die acht Schlussfolgerungen und Empfehlungen, die wir auch in dem abweichenden Votum zum Abschlussbericht ausführlich dargestellt haben. Frau Köditz ist darauf ausführlich eingegangen. Deshalb würde ich das nicht noch einmal im Einzelnen darstellen.
Meine Damen und Herren! Mir ist bewusst, dass der vorliegende Entschließungsantrag sicherlich kein Konsens-Entschließungsantrag ist, sondern im Wesentlichen in den Punkten II und III die Auffassung der den Untersuchungsausschuss einsetzenden Fraktionen widerspiegelt.
Ich denke aber, Punkt I, die Anteilnahme gegenüber den Opfern und ihren Angehörigen sowie die Selbstverpflichtung für ein weltoffenes Sachsen einzustehen, sind Aspekte, die konsensfähig sein müssten. Ich bitte daher CDU und FDP noch einmal eindringlich, vielleicht doch über ihren Schatten zu springen und dem zuzustimmen. Ich bitte daher die Frau Präsidentin um punktweise Abstimmung über die Punkte I bis III.
So weit zu dem Entschließungsantrag. Ich denke, ein solcher gemeinsamer Beschluss wäre auch noch einmal ein wichtiges Signal, das von den Angehörigen der Opfer wie auch den Vertretern der Nebenklage im Münchener NSU-Prozess wie auch den Vertretern der sächsischen Initiativlandschaft, die sich gegen Rechtsextremismus engagiert, wahrgenommen würde. Es wäre wichtig, dieses Zeichen zu setzen.
Vielen Dank.
Herr Präsident, vielen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zu Herrn Biesok: Wir können die Debatte über Herrn MeyerPlath gern führen. Aber ich lehne es ausdrücklich ab, das im Rahmen einer von der NPD beantragten Debatte zu tun.
Kommen wir zurück zu dem Thema der Aktuellen Debatte! Das ist offenkundig der peinliche Versuch der NPD, die Debatte über den 3. Untersuchungsausschuss vorzuziehen und irgendwie noch die Deutungshoheit zu erlangen. Frau Köditz hat es schon angedeutet: Diese Debatte werden wir ausführlich im Rahmen des Juli-Plenums führen.
Deshalb beschränke ich mich hier auf einige kurze Anmerkungen.
Ja, es gibt viele Fragen, was die Arbeit von Geheimdiensten betrifft. Es wird auch Schlussfolgerungen geben müssen. Das alles ist seit zweieinhalb Jahren Gegenstand von lebhaften politischen Diskussionen.
Nur zur Erinnerung: Mit der Ausspähpraxis der NSA und der möglichen Zusammenarbeit deutscher Behörden in diesem Zusammenhang beschäftigt sich jetzt ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss des Bundestages, eingesetzt auf Betreiben von GRÜNEN und LINKEN, aber auch mit den Stimmen von CDU und SPD. Zum NSU hat es wirklich eine Vielzahl von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen gegeben: im Bundestag, in Thüringen, in Bayern, in Sachsen; weitere sind in Vorbereitung.
Das ist auch Ihnen mittlerweile zur Kenntnis gekommen.
Die Diskussion wird geführt; sie wird auch weiterhin geführt. Wir brauchen die Diskussion.
Was wir allerdings nicht brauchen, ist der verschwörungstheoretische Schwachsinn, den Sie hier präsentieren.
Wir wissen mittlerweile, dass Geheimdienste ein Verhalten an den Tag legen, das für mich persönlich mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar ist.
Das hat dazu geführt, dass beispielsweise meine Partei und meine Fraktion die Auflösung von Verfassungsschutzbehörden fordern. Andere Parteien wollen nicht die Auflösung der Behörden fordern, aber weitreichende Reformen erreichen.
Wenn Sie hier versuchen, das Bild zu malen, die Gewalt, die von vielen Ihrer Parteimitglieder und der Neonaziszene insgesamt ausgeht, sei staatlich gesteuert, um eine an und für sich friedliche nationale Opposition zu diskreditieren, dann ist das, mit Verlaub, Schwachsinn.
Insofern ist die heutige Debatte ein beredtes Beispiel für die Art, in der Sie agitieren. Sie formulieren Fragen, die in der Tat viele Menschen haben. Aber statt darauf seriöse Antworten zu geben, ergehen Sie sich in Andeutungen, stellen diese Andeutungen als Tatsachen dar, ohne auch nur einen einzigen handfesten, greifbaren Beweis zu liefern.
Ich komme auf Ihren Debattentitel zurück. Sie stellen die Frage: „Wer schützt unsere Verfassung vor dem Verfassungsschutz?“ Damit erwecken Sie den Eindruck, als seien Sie das. Aber wie sieht es in Wirklichkeit aus?
Ich habe im Zitateschatz einiger Ihrer Parteikameraden geblättert. Ich zitiere Udo Voigt – Sie erinnern sich möglicherweise: das war der Parteivorsitzende, der vor Malle-Holger in Ihrer Partei an der Macht war –, der sich am 24. September 2004 in der extrem rechten „Jungen Freiheit“ wie folgt geäußert hat: „Es ist unser Ziel, die BRD ebenso abzuwickeln, wie das Volk vor 15 Jahren die DDR abgewickelt hat.“
„Dies geht offensichtlich auch über die Wahlurne.“
Dann komme ich zu Herrn Udo Pastörs, Ihrem jetzigen Parteivorsitzenden. Er hat am Aschermittwoch 2009 eine sehr bemerkenswerte Rede gehalten. Ich zitiere einige Passagen, um zu verdeutlichen, wovon wir hier eigentlich reden: „Wenn wir einen Schulterschluss haben, dann sind wir auch wieder in der Lage, anzugreifen dieses System! Auf der Straße – und in den Parlamenten!
Dann geht es weiter in der Rede: „Wer Selbstrespekt hat und Stolz entwickelt hat auf das, was er ist und in seiner Ahnenkette geworden ist, der wird sich wehrhaft dieser muselmanischen Bedrohung entgegenstellen. Mit Herz, mit Verstand und wenn nötig, auch mit Hand.“
Das ist auch die Rede, in der Pastörs die Bundesrepublik Deutschland als „Judenrepublik“ bezeichnet hat. Tun Sie also nicht so, als würden Sie sich für Demokratie und Verfassung interessieren. Sie sind Verfassungsfeinde durch und durch!
Herzlichen Dank.
Mögliche Verbindungen des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds bzw. dessen Mitgliedern Uwe Bönhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe zu den Morden an Sven Silbermann und Michael Silbermann 1995 (Frage Nr. 1)
In der Antwort auf die Kleine Anfrage 5/13323 berichtet die Staatsregierung über zwei ungeklärte Mordfälle in den Jahren 1995 und 2004, die zur Überprüfung auf einen möglichen rechtsextremen Hintergrund an das Bundeskriminalamt gemeldet wurden. Nach Medienrecherchen handelt es sich bei dem Fall aus dem Jahr 1995 um eine Tat, der zwei Menschen zum Opfer fielen: Sven Silbermann und Michael Silbermann. In der Ausgabe 24 vom 7. Juni 2014 berichtet das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ über mögliche Spuren in diesem Mordfall, die zum sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund führen bzw. zu Uwe Bönhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe (Artikel „Fundstück im Pappkarton“, S. 34 ff.).
Fragen an die Staatsregierung:
1. Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über mögliche Verbindungen der beiden Mordopfer zu Uwe Mundlos, Uwe Bönhardt und/oder Beate Zschäpe und zu welchem Zeitpunkt lagen diese den Ermittlungsbehörden und der Staatsregierung vor?
2. Laut Informationen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ lagen bereits nach den Mordtaten an Sven und Michael Silbermann Spuren vor, die ins Neonazi-Milieu führten. Die Ermittlungen der Polizei hätten sich jedoch schon bald auf Drogen- und Waffengeschäfte, einen möglichen Streit im Rotlichtmilieu und Verbindungen zur algerischen Mafia konzentriert. Welche konkreten Ermittlungsansätze wurden nach den Mordtaten 1995 verfolgt und weshalb konnte nicht schon zum damaligen Zeitpunkt ein rechtsextremistisches Tatmotiv erkannt werden?
Das ist korrekt, Herr Präsident. Vielen Dank. – Ich habe den Antrag abgelehnt, nicht, weil mir das Thema gleichgültig wäre oder ich mich gegen eine seriöse inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Schicksal der Heimatvertriebenen wehren würde, aber genau das leistet Ihr Antrag eben nicht.
Ich fand, es war wirklich ein Trauerspiel, mit welcher Arroganz Sie hier wirklich jeden sachlich vorgebrachten Einwand beiseitegefegt haben.
Ich möchte noch einmal kurz auf die Gründe eingehen, die zu meiner Ablehnung geführt haben.
Der erste ist: Der Antrag enthistorisiert, weil er eben nicht auf die Ursachen für die Vertreibung aufmerksam macht, und die Ursache liegt nun einmal in dem von Deutschland verursachten Zweiten Weltkrieg
und dem erklärten Ziel, den Krieg im Osten, in Osteuropa als Weltanschauungs- und damit als Vernichtungskrieg zu führen, wie es Adolf Hitler am 30. März 1941 vor 250 Wehrmachtsoffizieren ausdrücklich erklärt hat. Ich kann ganz einfach keinem Antrag zustimmen, der das Leid der Heimatvertriebenen auf eine Stufe stellt mit den originären Opfern des Nationalsozialismus und die Voraussetzungen, die zu diesem Leid geführt haben, schlichtweg ausblendet.
Der zweite ist: Ich habe die Befürchtung, dass es gerade wegen dieser enthistorisierenden Herangehensweise des Antrages zumindest zu Stirnrunzeln bei unseren osteuropäischen Nachbarn kommen wird; denn diese sind zu Recht sehr sensibel, wenn es darum geht, dass in Deutschland politische Initiativen gestartet werden, die zumindest den Anschein des Geschichtsrevisionismus zulassen. Diese Sensibilität, die dort existiert, resultiert zum einen natürlich aus dem historischen Leid, das unseren osteuropäischen Nachbarn aus der deutschen Geschichte widerfahren ist, aber – das betone ich auch noch einmal – diese Sensibilität resultiert zum Beispiel auch aus dem unseligen Wirken der Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach, die dort regelmäßig ein Trümmerfeld hinterlassen hat.
Der dritte ist: Es gibt Aussagen in der Begründung des Antrages, bei denen ich wirklich nur noch den Kopf schütteln kann. Ich zitiere das noch einmal: „Deutschland hat aufgrund seiner eigenen leidvollen Geschichte eine besondere Verantwortung in der Welt, die Stimme gegen Unrecht zu erheben.“ Also, weil wir den Zweiten Weltkrieg angefangen und verloren haben, haben wir jetzt auf einmal eine herausgehobene moralische Position in der Weltgemeinschaft. Entschuldigung, meine Damen und Herren von der Koalition, das riecht mir denn doch zu sehr nach „Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“.
Es sind genau diese Unwuchten im Antrag, die dazu geführt haben, dass wir eine Absetzung von der Tagesordnung und eine Zurücküberweisung an die Ausschüsse beantragt haben, um diese fachliche Diskussion führen zu können und zu einem seriösen Ergebnis zu kommen. Das haben Sie leider abgelehnt.
Unter dem Strich bleibt, leider, ein politischer Schnellschuss, der nichts wirklich regelt und der zudem eine hohe Gefahr in sich birgt, dass er von geschichtsrevisionistischen Kreisen politisch instrumentalisiert wird. Dazu haben wir heute schon einen Vorgeschmack erlebt. Wir brauchen wirklich keinen weiteren Anlass für NeonaziGroßdemonstrationen in Dresden oder anderen sächsischen Städten. Die will ich nicht mehr haben.
Es waren insbesondere die zweiten Redebeiträge von Kollegen Zastrow, von Herrn Hirche, aber auch die Zwischenfrage von Herrn Heidan, die letztendlich deutlich gemacht haben, dass es Ihnen gar nicht um das Leid der Heimatvertriebenen geht, sondern dass Sie ein Thema benutzt haben, um es politisch zu instrumentalisieren. Der Eindruck, der schon einmal geäußert wurde, dass es um ein Rechtsblinken vor der Landtagswahl geht, –
– um diese Stimmen abzugraben, hat sich leider heute bestätigt.
Allgemeines Abverlangen der sogenannten Demokratieerklärung zum Tag der Sachsen in Großenhain (Frage Nr. 1)
Mindestens bis zum 14. Februar 2014 wurde ausweislich der Internetseite zum „Tag der Sachsen“ in Großenhain 2014 von allen teilnehmenden Vereinen, Händlern, Gastronomen und Firmen als Teilnahmevoraussetzung die Abgabe der sogenannten „Demokratieerklärung“ verlangt.
Fragen an die Staatsregierung:
1. Wie viele Vereine, Händler, Gastronomen und Firmen haben sich zum Tag der Sachsen angemeldet und wie viele davon haben die sogenannte Demokratieerklärung abgegeben (bitte jeweils aufschlüsseln nach den Katego- rien Vereine, Händler, Gastronomen und Firmen)?
2. Wie viele der sich anmeldenden Vereine haben eine Förderung gemäß der „Richtlinie der Sächsischen Staatskanzlei über die Förderung aktiver Teilnehmer am ‚Tag der Sachsen‘ vom 12. Dezember 2012“ beantragt und wie viele davon haben die sogenannte Demokratieerklärung unterschrieben?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jüngst hat die RAA Sachsen, die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt, ihre Statistik für das Jahr 2013 vorgelegt. Demnach hat es 223 rechtsmotivierte und rassistische Angriffe im Freistaat Sachsen gegeben, von denen 319 Menschen direkt betroffen waren.
Das sind dramatische Zahlen, insbesondere wenn wir uns vor Augen halten, dass es im Jahr 2012 noch 155 Angriffe waren, wir also innerhalb von einem Jahr einen Anstieg von rund 45 % bei rassistischen Gewalttaten zu verzeichnen haben.
Rechte Gewalt – so der traurige Befund – ist also alltäglich in Sachsen. Seit Jahren gibt es aber auch das Phänomen, dass die offiziellen Statistiken deutlich weniger
rechtsextreme Straftaten ausweisen, als sie von unabhängigen Stellen wie der RAA registriert werden.
So weist die Polizeiliche Kriminalstatistik im Bereich der politisch motivierten Kriminalität – Rechts – lediglich 58 Fälle für das Jahr 2012 aus. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Zum einen ist das Phänomen weitverbreitet, dass rechte Gewalttaten nicht zur Anzeige gebracht werden – sei es aus Angst, sei es aus der Einstellung heraus, dass das ohnehin nichts bringe. Es gibt aber auch ein gerüttelt Maß an Misstrauen in staatliche Behörden; denn nicht wenige Opfer rechter Gewalt haben auch schon negative Erfahrungen mit der Polizei gemacht.
Sie halten jetzt einfach mal den Mund da drüben! Sie haben qualitativ nichts zum Thema beizutragen.
Nicht zuletzt müssen rechtsmotivierte Straftaten von den aufnehmenden Beamten auch als solche erkannt werden. Es ist also zum einen eine Frage der Sensibilität und bisweilen auch, ob Behörden das Problem überhaupt sehen wollen und ernst nehmen.
Das wirft aber auch die Frage auf, wie groß das tatsächliche Ausmaß schwerer rechter Straftaten in der Vergangenheit in Sachsen gewesen ist. Insoweit müssen wir uns endlich ehrlich machen und die bisherige Praxis auf den Prüfstand stellen. Wir müssen uns dabei immer wieder klarmachen, dass rechte Straftaten immer auch Botschaftstaten sind, mit denen nicht nur die direkt Betroffenen angesprochen werden, sondern auch alle anderen, die in das Opferbild der rechten Szene passen, nach dem Motto: „Wir kriegen euch!“ Genau an der Stelle gibt es allzu oft noch ein Wahrnehmungsdefizit. Werden diese Botschaften in der behördlichen Aufarbeitung nicht erkannt, die Taten entpolitisiert?
Allerdings – das gehört zur Wahrheit dazu – hatten wir in Sachsen auch allzu lange eine politische Großwetterlage, die das Nicht-Sehen und Nicht-Sehen-Wollen begünstigte. Auch wenn es der CDU nicht gefallen wird – ich erinnere an dieser Stelle an die Äußerungen des ehemaligen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf aus dem September 2000. Herr Biedenkopf war damals der Meinung, die Sachsen seien – ich zitiere – „völlig immun gegenüber den rechtsradikalen Versuchungen. In Sachsen haben noch keine Häuser gebrannt, es ist auch noch nie jemand umgekommen.“
Diese Aussage ist in mehrfacher Hinsicht perfide, weil sie offenkundig falsch ist. Sie war ein Schlag ins Gesicht der vielen, vielen Opfer, die es zu diesem Zeitpunkt schon gab. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die rassistischen Ausschreitungen in Hoyerswerda im September 1991. Ich erinnere zudem daran, dass zum Zeitpunkt der Äußerungen von Ministerpräsident Biedenkopf in Sachsen bereits mindestens zehn Menschen durch rechtsextreme Gewalt ihr Leben verloren hatten. Glaubt denn hier in diesem Hohen Haus wirklich jemand, dass eine solche Ansage des Ministerpräsidenten keine Auswirkungen auf Behördenhandeln hatte und auf den Willen, das Problem Rechtsextremismus ernst zu nehmen?
Es sind genau diese Fehler und Versäumnisse, dieses vorsätzliche Ignorieren, die uns heute vor die immense Herausforderung stellen, das tatsächliche Ausmaß rechter Strukturen und Straftaten aufzuarbeiten.
Ich will überhaupt nicht verhehlen, dass sich die Zeiten seitdem zumindest ein Stück weit zum Besseren gewendet haben. Das Thema Rechtsextremismus im Allgemeinen und rechte Gewalt im Besonderen ist in der Öffentlichkeit deutlich präsenter als noch vor zehn Jahren. Das liegt nicht zuletzt an der Selbstenttarnung des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrundes.
Aber neben dieser positiven Entwicklung ist auch anzumerken, dass bei der Staatsregierung deutlich weniger Bewegung erkennbar ist; denn bis heute verweigert sie eine fundierte Aufarbeitung des Behördenversagens im Umgang mit dem NSU. Bis heute ist sie nicht gewillt,
sich fundiert mit zentralen Strukturen der extremen Rechten zu beschäftigen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Nichtantwort der Staatsregierung auf den Antrag „Unterbindung des Wirkens von Strukturen von ‚Blood & Honour‘ und der ‚Hammerskin Nation‘ in Sachsen sowie deren Unterstützernetzwerke“, den die Kolleginnen und Kollegen der LINKEN bereits im Februar 2012 eingereicht hatten. Ich verweise auch auf die mehr als peinlichen Antworten der Staatsregierung auf die Große Anfrage der LINKEN zum gleichen Thema. All das war schon Gegenstand der parlamentarischen Befassung.
Wir stehen also in Sachsen hinsichtlich der Aufarbeitung dieser Versäumnisse und im Umgang mit der Frage, wie groß das Ausmaß rechtsextremer Straftaten tatsächlich ist, nach wie vor am Anfang. Einen notwendigen Schritt, den ich sehr begrüße, haben die Innenminister unternommen, nämlich ungeklärte Mord- und Totschlagsdelikte noch einmal rückwirkend auf eine mögliche rechte Tatmotivation hin zu überprüfen und dabei auch noch einmal die Tötungsdelikte in den Blick zu nehmen, die nach Medienrecherchen einen rechtsextremen Hintergrund haben, aber nach wie vor nicht offiziell anerkannt sind. Das ist wichtig und richtig, reicht aber nicht aus.
Wenn wir uns das genau anschauen, stellen wir fest, dass es mehrere Aspekte gibt, die uns Sorgen machen müssen:
Die gemeldeten Fallzahlen der einzelnen Bundesländer sind höchst unterschiedlich. Sachsen hat nach Auskunft des Innenministers 190 Altfälle überprüft und davon zwei als möglicherweise rechts motivierte Tötungsdelikte an das Bundeskriminalamt übergeben. Zum Vergleich: Sachsen-Anhalt hat 70 Fälle überprüft und davon 28 an das BKA übergeben. Baden-Württemberg hat sogar 209 Fälle zur weiteren Überprüfung an das Bundeskriminalamt gemeldet.
Diese breite Streuung wirft die Frage auf, ob bei der nachträglichen Überprüfung tatsächlich überall mit dem gleichen Maß gemessen wurde. Gerade deshalb ist es wichtig, an dieser Stelle uneingeschränkte Transparenz herzustellen, nach welchen Kriterien denn konkret eine Zuordnung der überprüften Tötungsdelikte als möglicherweise rechts motiviert erfolgt oder eben nicht erfolgt ist. Es muss im Einzelfall überprüfbar sein, wie die Entscheidung zu der Einordnung „politisch motiviert“ oder „nicht politisch motiviert“ zustande gekommen ist; nur so kann auch von unabhängiger Seite eine Einschätzung getroffen werden, ob hier korrekt gearbeitet wurde.
Auch Folgendes ist wichtig: Wir müssen schon an dieser Stelle den Anschein vermeiden, dass aus Imagegründen die Zahl der gemeldeten Tötungsdelikte kleingehalten wird. Deswegen möchte ich ausdrücklich auf das positive Beispiel Brandenburgs verweisen; denn dort hat man sich darauf verständigt, die Zahl möglicher Todesopfer, die es in Brandenburg seit 1990 gegeben hat, wissenschaftlich unabhängig untersuchen zu lassen, und hat damit das Moses-Mendelssohn-Zentrum der Universität Potsdam
betraut – ein Schritt, den ich auch für Sachsen begrüßen würde.
Der zweite wesentliche Punkt: Die nun rückwirkend auf eine mögliche rechte Tatmotivation überprüften Deliktsarten reichen nicht aus. Nicht zuletzt der NSU hat gezeigt, wie breit das Spektrum möglicher rechts motivierter Straftaten ist. Das gilt es noch einmal aufzuarbeiten. Dann reden wir auch von Straftaten wie Körperverletzung mit Todesfolge, und dann sprechen wir von schweren Raubdelikten wie Banküberfällen. Wir haben noch einige Fälle mehr in unserem Antrag aufgelistet.
Zum Abschluss möchte ich betonen: Uns ist sehr bewusst, dass mit der Erfüllung unserer Forderungen ein erheblicher Aufwand verbunden ist. Gleichwohl sind wir der Meinung, dass dieser Prozess Stück für Stück in Gang gebracht und abgearbeitet werden muss. Die staatlichen Behörden sind hier in einer Bringepflicht, daran mitzuwirken, dass das tatsächliche Ausmaß rechter Straftaten in Sachsen endlich sichtbar wird; denn nur so kann verloren gegangenes Vertrauen in den Rechtsstaat wiederhergestellt werden. Nicht zuletzt sind wir das den vielen, vielen Opfern rechter Gewalt im Freistaat Sachsen schuldig.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich den Kolleginnen von der LINKEN, von der SPD und, ja, auch
Herrn Biesok für die konstruktive und sachliche Auseinandersetzung mit dem Antrag danken. Dass einige konstruktive Kritikpunkte gefallen sind und auch die eine oder andere polemische Spitze, Herr Biesok, kann ich Ihnen nachsehen. Das gehört zur parlamentarischen Auseinandersetzung.
Herr Schiemann, bei Ihnen muss ich sagen, dass ich ein Stück weit enttäuscht war. Sie haben eine sehr vorhersehbare und sehr formalistische Argumentation an den Tag gelegt. Das war wieder der Pauschalvorwurf, wir würden einfach alles über einen Kamm scheren und Polizei sowie Justiz pauschal verurteilen. Das ist ein Totschlagargument und zeigt nur, dass Sie sich mit dem Antrag inhaltlich nicht auseinandersetzen wollen.
Dass es in der Vergangenheit in dem Bereich erhebliche Defizite gegeben hat, ist, glaube ich, offenkundig. Man kann sich einfach nicht im März 2014 hinstellen und so tun, also habe es 24 Jahre lang nur heile Welt bei dem Thema in Sachsen gegeben. Das ist wirklich realitätsfremd.
Ich hätte mir wirklich mehr Souveränität von Ihnen im Umgang mit diesem Antrag gewünscht.
Ich möchte darauf hinweisen, dass die Debatte zu diesem Thema auch im Landtag von Sachsen-Anhalt stattgefunden hat. Ihre Kollegen von der CDU dort waren zumindest zu einer fundierten Plenarbefassung fähig und auch dazu in der Lage, den Antrag noch einmal zur weiteren inhaltlichen Befassung an den zuständigen Ausschuss zu überweisen.
Noch einmal zu den anderen Argumenten. Frau Köditz, Sie haben gesagt, dass die Staatsregierung bereits berichtet hat. Ja, das ist richtig. Ich möchte unterstreichen, dass das Erhebungsraster nicht erst durch die Kleinen Anfragen von Ihnen bekannt ist. Das stand auch schon in der Antwort der Bundesregierung. Das ist auch nicht der Punkt, auf den wir abstellen. Der Punkt ist die Frage: Wie wird dieses Erhebungsraster im konkreten Einzelfall auf die 190 Fälle angewendet?
Ich gebe Ihnen durchaus recht, wir hätten es klarer formulieren müssen. Das bin ich gern bereit zuzugestehen. Aber das ist, glaube ich, der Kern, auf den wir hinarbeiten müssen, damit auch das überprüfbar ist und aufgearbeitet werden kann.
Herr Biesok, man sollte die zwei gemeldeten Fälle nicht vorschnell schon als rechtsextreme Straftat einsortieren.
Das ist richtig, das haben wir auch zu keinem Zeitpunkt getan.
Es geht letztendlich darum, herauszufinden, welche Fälle möglicherweise relevant sein könnten. Wenn man sich dann anschaut, was die Innenminister vereinbart haben, und den Kriterienkatalog bzw. das Erhebungsraster ansieht, dann finde ich es durchaus positiv, dass man sich externe wissenschaftliche Hilfe herbeigezogen hat, um dieses Erhebungsraster überhaupt entwickeln zu können. Aber ich würde mir auch wünschen, dass die Anwendung des Erhebungsrasters genauso wissenschaftlich begleitet wird, um die notwendige fachliche Expertise sicherstellen zu können.
Noch ein Wort in den letzten 20 Sekunden zum Herrn Staatsminister. Sie haben gesagt, uns sei möglicherweise das Vorgehen nicht ganz klar gewesen. Ja, möglicherweise ist das so, das hat aber vielleicht auch etwas damit zu tun, dass man der Staatsregierung die Informationen per Kleinen Anfragen stückchenweise aus der Nase popeln musste.
Okay, das Sprachbild war jetzt ein bisschen verunglückt, das gebe ich zu.
Ich hätte mir aber gewünscht, dass bei so einem zentralen Thema mehr aktive Transparenz vonseiten der Staatsregierung hergestellt worden wäre. Ich glaube, das ist nicht zu viel verlangt.
Ich bitte noch einmal um Zustimmung zu unserem Antrag.
Danke schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wahlkampf-Tabu Zuwanderung“, so ist die Aktuelle Debatte der NPD überschrieben, und an diesem Titel stimmt zunächst einmal überhaupt nichts.
Ich werde jetzt einmal formalistisch. Wenn ich in die Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages schaue, so gibt es dort einen § 55, der sich mit der Aktuellen Stunde auseinandersetzt. Darin heißt es: „Eine Fraktion kann zu einem bestimmt bezeichneten Gegenstand der Landespolitik von allgemeinem und aktuellem Interesse eine Aktuelle Debatte im Rahmen der Aktuellen Stunde beantragen.“ – Diesen Sinn und Zweck erfüllt Ihre Debatte definitiv nicht. Die Landtagswahl findet am 31. August statt, die Aktualität kann man damit durchaus in Zweifel ziehen, und einen konkreten Gegenstand der Landespolitik haben Sie mit dem Debattentitel ebenfalls nicht benannt.
Sie haben dann etwas mühsam versucht zu konstruieren mit dem Schlenker zu einem Interview des Ausländerbeauftragten. Aber gut, sei’s drum, Formalismus hin oder her: Die Aktuelle Debatte findet jetzt statt, deshalb doch noch einige inhaltliche Anmerkungen von mir.
Das Schöne ist: Der Debattenbeitrag von Herrn Szymanski war so inhaltsleer, dass ich doch noch etwas grundlegender werden kann, weil wir es letztendlich mit einer sehr typischen NPD-Debatte zu tun haben. Sie bauen hier einen veritablen Pappkameraden auf, und den schießen Sie dann mit viel Getöse wieder über den Haufen, inszenieren sich dabei als mutiger Tabubrecher und alles, was übrig bleibt, ist das klassische Argumentationsmuster der NPD, das sich bekanntermaßen immer in drei Schritten vollzieht:
Da ist Schritt 1: Sie benennen ein Problem, hier das vermeintliche Wahlkampf-Tabu Zuwanderung.
Der zweite Schritt: Sie versuchen krampfhaft, ein Feindbild aufzubauen, wer angeblich an diesem Problem schuld sein soll. Das sind dann typischerweise die etablierten Parteien oder die Systemmedien. Das Wort „Gutmensch“ haben Sie ja dankenswerterweise heute auch noch fallen lassen. Das sind so die typischen Aufzählungen, die immer kommen, die nicht fehlen dürfen.
Punkt 3 ist dann die Selbstinszenierung als angeblich einzige politische Kraft, die das Problem lösen kann.
Das Schwierige ist nur: Das Tabu, das Sie hier mühsam aufgebaut haben, existiert überhaupt nicht. Ich erinnere an Kampagnen wie „Kinder statt Inder“, an Unterschriftenkampagnen gegen doppelte Staatsbürgerschaften. Ich erinnere an Thilo Sarrazin; auch er hat versucht, mit dem Mythos der Selbstinszenierung als Tabubrecher seine rassistischen Thesen unters Volk zu bringen.
Auch er hat so getan, als würde er Wahrheiten aussprechen, die in Deutschland verboten sind, die man nicht aussprechen dürfe, die von den Systemmedien unterdrückt werden. Das Peinliche war nur: Er hat diese Thesen über „Bild“ und „SPIEGEL“ verbreitet und damit seine eigenen Behauptungen schon von vornherein ad absurdum geführt.
Ähnlich ist es bei Ihrer Debatte. Es ging hier nicht um ein tatsächliches Tabu. Sie wollen einfach nur Ihre rassistische Dreckschleuderei vornehmen können, ohne dass dem widersprochen wird. Nichts anderes ist der Hintergrund.
Ihre heutigen Ausführungen haben aber eines gezeigt: Sie haben keinerlei Interesse an einer sachlichen Debatte. Das hat der Kollege Hartmann dankenswerterweise schon ausgeführt. Sie appellieren einfach nur an niedere Instinkte, Sie säen Hass und Missgunst und schaffen ein Klima der Gewalt.
Dabei gibt es wirklich viele fundierte Auseinandersetzungen zum Thema Zuwanderung, und dazu sind auch viele interessante Publikationen in jüngerer Zeit erschienen. Ich erinnere nur an ein Positionspapier des Deutschen Städte- und Gemeindetages aus dem Jahr 2013. Darin wurden sehr konkrete Probleme benannt, die einige Kommunen tatsächlich mit Zuwanderung haben. Aber dieses Dispositionspapier wurde nicht geschrieben, um Stimmung gegen Zuwanderer zu machen, sondern um konkrete Lösungsvorschläge aufzuzeigen mit dem Ziel, die Aufnahme von Zuwanderern mit Respekt und Würde bewältigen zu können.
Sie hingegen malen gern Horrorszenarien an die Wand über Armutszuwanderung.
Das Beispiel von Rumänien und Bulgarien ist hier ebenfalls gefallen, nur: Ihr Blick auf die Fakten zeigt auch da ein anderes Bild. Es gibt ein Debattenpapier des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln, ganz frisch erschienen im Jahr 2014, das deutlich macht, dass 29 % der Zuwanderer im Alter zwischen 25 und 64 Jahren, die in den Jahren 2001 bis 2011 hierhergekommen sind, über einen Hochschulabschluss verfügen. Zum Vergleich: Der Anteil der Gesamtbevölkerung im gleichen Alter, die über einen Hochschulabschluss verfügen, liegt bei 18,7 %.
So schließe ich mich letztendlich der Schlussbemerkung einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung an, ebenfalls gerade erst erschienen. Sie ist überschrieben mit dem Titel „Die Mär vom Sozialtourismus" – ich zitiere –: „Wie so oft, wenn in Deutschland vom Missbrauch sozialer Leistungen, Armutszuwanderung und Sozialtourismus geredet wird, sprechen die Fakten eine andere Sprache. Missbrauch ist bislang vor allem an einer Stelle nachweisbar: dort, wo einige Kräfte in Deutschland die Probleme der Kommunen und Migranten für kurzfristige politische Geländegewinne benutzen.“
Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Ihren peinlichen, krankhaften Versuchen, hier Hass und Missgunst zu säen, werden wir immer widersprechen. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen, und wir werden, denke ich, gemeinsam als demokratische Fraktionen dafür Sorge tragen, dass sich das Problem NPD nach dem 31. August 2014 im Sächsischen Landtag erledigt hat.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir eine Verpflichtung des Petitionsausschusses schaffen, bei Sammel- und Massenpetitionen, bei denen ein besonders großes öffentliches Interesse nachgewiesen wird, eine öffentliche Anhörung durchzuführen. Das öffentliche Interesse sehen wir dann als gegeben an, wenn sich mindestens 2 500 Menschen einer solchen Petition anschließen.
Da wir uns in der 2. Lesung befinden und die Ausschussberatungen hinter uns haben, ist klar, dass die Koalition diesen Gesetzentwurf aller Voraussicht nach wohl ablehnen wird. Nun gibt es manchmal gute Gründe, Gesetzentwürfe abzulehnen, und bisweilen gibt es Gründe, die deutlich machen, dass die Ablehnung aus Prinzip erfolgt, weil der Vorschlag aus der Opposition stammt. Wenn ich mir ansehe, welche Argumente von CDU und FDP gegen unseren Vorschlag in die Diskussion gebracht wurden, haben wir es ganz klar mit der zweiten Variante zu tun: Ablehnung aus Prinzip.
Deshalb will ich kurz Revue passieren lassen, was die Argumente gegen unseren Gesetzentwurf waren, mit
denen wir konfrontiert wurden. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um vier Einwände.
Erstens. Der Gesetzentwurf ist überflüssig, weil die Begriffe Sammel- und Massenpetition nicht im Gesetz definiert werden müssen, da sie in den Grundlagen des Petitionsausschusses festgehalten sind.
Zweitens. Der Gesetzentwurf ist voreilig, da es eine interfraktionelle Arbeitsgruppe zur Reform des Petitionswesens gebe.
Drittens. Das Gesetz ist unnötig, da der Ausschuss auch jetzt schon Anhörungen durchführen könne.
Viertens. Die Zahl der benötigten Unterstützungsunterschriften ist gegriffen. Die Koalition kann sich nicht so einfach auf eine konkrete Zahl festlegen.
Alle diese Argumente lassen sich leicht entkräften. Zum ersten Argument: Bisher tauchten die Begriffe Sammel- und Massenpetition im Petitionsgesetz überhaupt nicht auf. Durch unseren Vorschlag finden sie nun Eingang in das Gesetz, indem Sammel- und Massenpetitionen mit großem öffentlichem Interesse aufgewertet werden. Wenn beide Bezeichnungen Eingang in das Gesetz finden, ist es auch nötig, sie hinreichend im Gesetzestext zu definieren. Dafür reichen die Grundlagen des Petitionsausschusses unseres Erachtens nicht aus.
Zum zweiten Argument: Ja, es hat – ich betone: es hat; das ist die Vergangenheitsform – eine interfraktionelle Arbeitsgruppe gegeben. Sie hat sogar die Vorschläge aller
demokratischen Fraktionen einmal zusammengetragen. Anschließend hat sie nicht mehr getagt und auch wiederholtes Nachfragen hat nicht zu weiteren Treffen geführt. Aber auf der anderen Seite hat Frau Jonas die Arbeitsgruppe ja vor zwei Jahren de facto für tot erklärt, indem sie hier im Plenum sagte, dass CDU und FDP gemeinsam an der Reformierung des Petitionswesens arbeiten würden. Von der interfraktionellen Arbeitsgruppe war schon zum damaligen Zeitpunkt keine Rede mehr.
Seitdem warten wir auf die angekündigten Reformvorschläge von CDU und FDP. Ich bin sehr gespannt, ob uns in den wenigen verbleibenden Monaten der Legislaturperiode noch irgendetwas vorgelegt wird, was wir auch bewerten können.
Genau; ich bin gespannt. Sie haben ja noch ungefähr fünf Monate Zeit.
Zum dritten Argument: Ja, der Petitionsausschuss kann schon jetzt Anhörungen durchführen, aber es liegt ausschließlich im Ermessen des Ausschusses, ob er von diesem Instrument Gebrauch macht. Mit unserem Gesetzentwurf wird eine grundsätzliche Pflicht des Ausschusses zur Anhörung eingeführt, eben bei Sammel- und Massenpetitionen mit mindestens 2 500 Unterstützern.
Ich glaube, daran erkennt man, dass zwischen der jetzigen Regelung und dem, was wir vorhaben, doch ein qualitativer Unterschied besteht.
Viertens, die Koalition könne sich nicht so schnell auf eine konkrete Zahl an Unterschriften festlegen: Gut, den Gesetzentwurf haben wir am 3. Mai 2013 eingereicht und in 1. Lesung am 16. Mai 2013 im Sächsischen Landtag behandelt. Auch wenn ich dafür Verständnis habe, dass die Fraktionsmühlen bisweilen langsam mahlen, so sollten acht Monate eigentlich ausreichen, sich Gedanken über dieses Thema zu machen.
Frau Kollegin Jonas, ich nehme auch mit einer gewissen Verwunderung zur Kenntnis, wenn Sie in der gestrigen Ausgabe der „Sächsischen Zeitung“ mit den Worten wiedergegeben werden, man könne ja Petitionen mit mehr als 50 Unterschriften auf Wunsch ein Anhörungsrecht einräumen.
Ja, was denn nun? Sind Sie gegen ein Anhörungsrecht oder dafür? Wenn ich mir den Werdegang der Diskussion anschaue, befürchte ich allerdings, dass Ihre gestrigen Äußerungen nicht viel mehr als ein medienwirksamer Papiertiger bleiben werden.
Bitte? Sie können gern ans Mikrofon treten und Zwischenfragen stellen.
Ich bin gespannt auf die Erklärung – gern auch nicht individuell, sondern hier im Plenum, damit auch der Rest der Kollegenschaft an diesen Erläuterungen teilhaben kann.
Abschließend bleibt mir nur der Verweis auf unseren Änderungsantrag, mit dem wir einen redaktionellen Fehler in unserem Gesetzentwurf heilen.
Natürlich möchte ich – entgegen meiner nunmehr vierjährigen Erfahrung hier im Sächsischen Landtag – meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass Sie sich möglicherweise doch noch überwinden und unserem Vorschlag zustimmen. Das wäre im Interesse der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land.
Herzlichen Dank.
Vielen Dank. Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, Herr Kollege, dass sich Ihre Ablehnung darauf gründet, dass wir einen Gesetzentwurf vorgelegt und nicht den Anspruch erhoben haben, die Geschäftsordnung zu verändern?
Vielen Dank. Das fordert ja geradezu heraus. Ich bin immer wieder beeindruckt von diesen argumentativen Zirkelschlüssen, die hier vollzogen werden. Wenn wir vor zwei Jahren den Gesetzentwurf eingebracht hätten, dann hätte es geheißen: Die interfraktionelle Arbeitsgruppe tagte, greifen Sie dieser bitte nicht vor.
Jetzt haben wir gewartet und viel Geduld bewiesen und reichen den Gesetzentwurf ein. Da heißt es nun, die Legislaturperiode ist leider, leider fast zu Ende, da kann man das gar nicht mehr machen, denn das macht der nächste Sächsische Landtag. Sagen Sie doch gleich, dass Sie die nächsten fünf Monate nicht mehr vorhaben, hier im Sächsischen Landtag zu arbeiten. Das wäre ehrlich.
Solange der 5. Sächsische Landtag gewählt ist, ist es seine Pflicht, sich Gedanken darüber zu machen, wie das Miteinander in Sachsen besser gestaltet werden kann. Das haben wir getan, und das werde ich mir auch nicht nehmen lassen.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Grunde haben wir heute hier eine ganz einfache Frage zu beantworten. Die Frage lautet: Haben wir als Abgeordnete des Sächsischen Landtages den Mut, den Souverän selbst darüber abstimmen zu lassen, ob die Hürden für die Volksgesetzgebung gesenkt werden sollen oder nicht. Das ist die Frage, die dieser Antrag stellt.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, offenbar sehen Sie schon die Zacken aus Ihrer Krone fallen, wenn wir die Menschen mit genau dieser Frage befassen. Aber es geht bei dieser Frage gar nicht um Ihre Krone, denn Sachsen ist keine Monarchie, sondern eine Demokratie. Dazu gehört eben auch die direkte Demokratie. Insofern ist die Vorlage der LINKEN auch nur folgerichtig, da – das ist ja schon angeklungen – in den Ver
handlungen zur Verfassungsmodernisierung die Vorschläge von LINKEN und GRÜNEN zur Absenkung der Quoren an CDU und FDP gescheitert sind. Da kann ich nur sagen: Schade, dass in den Verfassungsverhandlungen diese Tür zugeschlagen wurde.
In der Verfassung selbst ist idealtypisch die Gleichrangigkeit von parlamentarischer und Volksgesetzgebung festgeschrieben. In der Realität hat Sachsen diese Gleichrangigkeit allerdings nicht erreicht. Es gab – auch das ist schon angeklungen – nur ein erfolgreiches Volksbegehren in Sachsen vor mehr als zehn Jahren. Statistisch gesehen, findet pro Bundesland etwa alle 35 Jahre ein Volksentscheid statt. In Sachsen wären wir also ungefähr 2033/2034 an der Reihe. Das finden wir äußerst unbefriedigend.
Was sind die Gründe dafür, dass Volksentscheide so selten stattfinden? Dazu ist auch schon etwas gesagt worden. Die Chance für die Volksgesetzgeber, einen Volksentscheid zu initiieren, ist einfach zu gering. Das scheitert in der Regel an den viel zu hohen Quoren. 450 000 Stimmen muss ein Volksbegehren erreichen, um in einen Volksentscheid überführt werden zu können. Das entspricht 13 % der Stimmberechtigten. Dass diese Quoren zu hoch sind, ist auch schon von Experten in Anhörungen im Sächsischen Landtag kritisiert worden.
Wir haben gestern oder heute Herrn Prof. Patzelt in der „Freien Presse“ zu diesem Thema lesen können. Sie wissen, Prof. Patzelt steht nicht unbedingt unter dem Verdacht, ein linksgefärbter Agitprop-Professor zu sein, sondern er steht eher der CDU nahe. Auch Prof. Patzelt sieht Änderungsbedarf und setzt sich für eine Senkung der Quoren auf 5 % ein. Das entspricht etwa 170 000 Stimmberechtigten.
Herr Schiemann, Sie geben sich immer wieder alle Mühe, Ihre Angst vor direktdemokratischen Entscheidungen zum Maßstab für unsere Entscheidungen zu erheben. Sie haben sich in der „Freien Presse“ auch geäußert. Wenn Sie Angst haben, dass nur wenige Stimmberechtigte Gesetze verabschieden und so das Ergebnis demokratischer Wahlen umgehen, sodass quasi eine Minderheit über die Mehrheit herrscht, dann müssen Sie aber auch so konsequent sein und darüber nachdenken, ob Sie nicht eine allgemeine Wahlpflicht einführen. Nicht dass ich das wollte! Es liegt mir fern, das zu fordern. Aber Sie wissen auch, es gibt keine Mindestbeteiligung für die Wahl des Sächsischen Landtages. Gesetzt den Fall, es würden nur 10 % der Stimmberechtigten in Sachsen den Stimmzettel abgeben, wäre der Sächsische Landtag nach wie vor legitimiert, Gesetze zu verabschieden.
Sie tun auch immer so, als würden Sie durch die Wahl 2009 die Mehrheit der Sachsen vertreten. Auch diesen faulen Zahn muss ich Ihnen an dieser Stelle ziehen. Die Staatsregierung aus CDU und FDP bezieht ihre Legitimation aus nur einem Viertel der 3,5 Millionen Wahlberechtigten in Sachsen. Zur Landtagswahl 2009 lag die Wahlbeteiligung bei etwa 52 %. 50,2 % davon wählten CDU und FDP. Das entspricht 26,2 % der Wahlberechtigten. An
dieser Stelle ist es also höchste Zeit, dass Sie einmal von Ihrem hohen Ross heruntersteigen.
Noch ein Wort zu den fakultativen Referenden, die die LINKEN in ihrem Vorschlag auch vorsehen. Die Bürger sollen also die Möglichkeit haben, über vom Landtag beschlossene Vorlagen abzustimmen. In unserem Gesetzentwurf, der im Februar 2014 angehört wird, sehen wir vor allem die Möglichkeit vor, Landesgesetze durch Volksentscheide aufheben lassen zu können. Aus unserer Sicht ist das ein Instrument, das die Demokratie mit Leben füllt und keine Gefahr darstellt. Auch das wird von Menschen bestätigt, die sich wissenschaftlich mit Demokratie beschäftigen.
Ich zitiere noch einmal Prof. Patzelt, der sich auf einer Veranstaltung der Fraktion GRÜNE im Juli 2012 geäußert hat. Ich zitiere: „Das wichtigste aller plebiszitären Instrumente ist das fakultative Gesetzes- und das fakultative Verfassungsreferendum. Auf diese Weise wird nicht Populismus dergestalt gemacht, dass man dem Volk irgendwelche Phantasiefragen oder Pseudoalternativen zur Auswahl stellt und die Verantwortung von der politischen Klasse auf das Volk ablädt, sondern die politische Klasse hat Stellung zu beziehen, und anschließend kann das Volk sagen: Nein! Wichtig an diesem Instrument sind die Vorauswirkungen, die entfaltet werden. Und der politische Kampf muss nicht erst kunstfertig in einen verfassungsrechtlichen Kampf transformiert werden oder gleich die Grundprinzipien der Verfassung, die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, damit die Herren in Karlsruhe sich zu einem entsprechenden Urteil bequemen, sondern die Opposition kann ihre Sache dahin tragen, wo sie hingehört: vor das Volk.“
Um es kurz zu machen: Wir stimmen Ihrem Antrag zu.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wieder einmal widmet sich eine Aktuelle Debatte dem Staatsminister Morlok, und wieder einmal lautet der Vorwurf Inkompetenz und Unkenntnis. Das ist eindrucksvoll unter Beweis
gestellt und klang hier schon an. Um Stimmung gegen den Mindestlohn zu machen, wird im Parlament geschwindelt, dass sich die Balken biegen. Das Beispiel stammt aus dem letzten Plenum, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, Herr Hauschild. Herr Staatsminister Morlok hatte behauptet, die Handwerkskammer habe sich gegen einen Mindestlohn ausgesprochen. Die Handwerkskammer wiederum wusste nichts von einem solchen Beschluss. Vor allem aber die Arbeitnehmer haben sich gefragt, ob sie richtig gehört haben, als diese Äußerungen gefallen sind.
Meine Damen und Herren, trotz der Kritik am sächsischen Arbeitsminister möchte ich natürlich nicht verschweigen, dass auch Herr Morlok dazu beigetragen hat, die Lage der sächsischen Arbeitnehmer zu verbessern – allerdings anders, als wir uns das vorgestellt haben. Herr Staatsminister Morlok macht nämlich Politik fürs Herz und nicht so sehr für den Geldbeutel.
Ein Beispiel: Klaus K., 35 Jahre, Berufskraftfahrer aus Löbau, fährt mit seinem Lastkraftwagen quer durch die Bundesrepublik für 1 200 Euro brutto im Monat. Bisher hat er sich in der Fremde oft allein gefühlt und wurde vom Heimweh übermannt. Heute aber, seitdem es die neuen, alten Kfz-Kennzeichen gibt, ist Herr K. wie ausgewechselt.
Lange musste er mit „ZI“ und dann mit „GR“ am Nummernschild durch die Lande fahren – heute aber prangt wieder das „LÖB“ an der Stoßstange und immer, wenn Herr K. dieses identitätsstiftende Schild ansieht, läuft ihm ein wohliger Schauer den Rücken hinunter.
Ja, meine Damen und Herren, wer braucht denn da noch einen Mindestlohn?
Die Antwort ist ganz einfach: Circa 25 % der Ostdeutschen und 12 % der Westdeutschen verdienen weniger als 8,50 Euro brutto in der Stunde, und da sprechen wir nur über die vereinbarten Bruttostundenlöhne; denn wenn wir uns die effektiven Bruttostundenlöhne anschauen – zum Beispiel unbezahlte Überstunden einrechnen und dergleichen mehr –, dann steigt dieser Wert auf 32 % im Osten und auf 17 % im Westen.
Allein diese Zahlen zeigen, dass eine Einführung des Mindestlohnes die Lebensrealität sehr vieler Menschen entscheidend verbessern wird.
Wir führen in diesem Jahr mittlerweile die dritte Diskussion zu diesem Thema im Sächsischen Landtag; allerdings stehen wir diesmal vor einer etwas veränderten Situation: Bisher hat sich die sächsische Koalition in die politische Großwetterlage eingeordnet; nun steht Sachsen
auch bei diesem Thema auf verlorenem Posten. Der Redebeitrag von Herrn Heidan war diesbezüglich eindrücklich; das hatte schon etwas Kabarettistisches.
75 % der Deutschen wollen einen Mindestlohn – zumindest sagen das die Zahlen, die ich von „Infratest dimap“ gefunden habe. Die Große Koalition hat sich dafür entschieden, den Mindestlohn einzuführen – allein die Verhinderer aus Sachsen beschwören nach wie vor den Untergang des Abendlandes durch die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes.