Protokoll der Sitzung vom 04.11.2010

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 24. Sitzung des 5. Sächsischen Landtags.

Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Frau Kagelmann, Frau Dr. Deicke, Herr Nolle, Herr Prof. Dr. Wöller, Herr Dr. Schuster und Frau Schüßler.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung für die heutige Sitzung liegt Ihnen vor. Folgende Redezeiten hat das Präsidium festgelegt: CDU bis zu 110 Minuten, DIE LINKE bis zu 76 Minuten, SPD bis zu 46 Minuten, FDP bis zu 46 Minuten, GRÜNE bis zu 40 Minuten, NPD bis

zu 40 Minuten und die Staatsregierung 74 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt 13, Kleine Anfragen, ist zu streichen.

Weitere Anträge zur Tagesordnung liegen nicht vor. Dringliche Anträge sehe ich heute nicht. Da keine weiteren Anträge oder Widerspruch gegen die Tagesordnung vorliegen, ist die Tagesordnung der 24. Sitzung – diesmal ohne Änderungen – bestätigt.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Kommunen und Gemeinwohl stärken – Steuermehreinnahmen sinnvoll nutzen

Antrag der Fraktion der SPD

2. Aktuelle Debatte: Mündige Bürger unerwünscht? Das Demokratieverständnis des sächsischen Ministerpräsidenten

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Der Hinweis auf die Geschäftsordnung § 55 Abs. 3, dass diese Aktuelle Stunde zwei Zeitstunden dauert, ist weitgehend Allgemeingut. Die Verteilung der Gesamtredezeiten hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 30 Minuten, DIE LINKE 20 Minuten, SPD 17 Minuten, FDP 12 Minuten, GRÜNE 15 Minuten, NPD 10 Minuten; die Staatsregierung 20 Minuten, wenn gewünscht. Die Redezeit eines Redners beträgt gemäß Geschäftsordnung maximal fünf Minuten pro Beitrag.

Ich bitte noch einmal darum, weil es gestern diesen und jenen gegeben hat, der in alte Gewohnheiten zurückzufallen drohte, sich daran zu erinnern, dass diese Aktuellen Debatten in freier Rede erfolgen müssen. Hier vorn darf es bestenfalls einen Stichwortzettel geben.

Wir kommen nun zu

1. Aktuelle Debatte

Kommunen und Gemeinwohl stärken – Steuermehreinnahmen sinnvoll nutzen

Antrag der Fraktion der SPD

Als Antragsteller hat zunächst die Fraktion der SPD das Wort. Für die SPD-Fraktion spricht Frau Köpping.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kommunen und Gemeinwohl stärken – ein wichtiges Thema aus unserer Sicht. Wenn Sie die Menschen in diesem Land fragen, worauf sie stolz sind, dann sagen sie in der Regel: auf ihre Stadt, auf ihre Gemeinde. Das stimmt. In den letzten 20 Jahren ist in Sachsen, was unsere Städte und

Gemeinden betrifft, viel passiert. Wir haben Schulen gebaut, Straßen saniert, wir haben die Gemeinden auf eine harte Probe gestellt; denn als Bürgermeisterin weiß ich selbst, dass es kein Jahr gab, in dem die Gemeinden zu viel Geld hatten und aus dem Vollen schöpfen konnten.

Kommunen sind erfinderisch, Kommunen sind voller Ideen, und, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie haben kürzlich erst zum 20-jährigen Bestehen des Sächsischen Städte- und Gemeindetages gefordert, dass Städte und Gemeinden, dass die Bürgermeister kreativ sein

sollen. Das sind sie seit vielen Jahren. Sie haben Haushaltskonsolidierungen durchgeführt, sie haben trotzdem mit ihren Stadt- und Gemeinderäten die Gemeinden zu einem Standard gebracht, der sich wirklich bundesweit sehen lassen kann.

Was hat uns motiviert, heute diese Debatte zu beginnen? Das sind die Ereignisse der letzten Wochen. Mit dem Entwurf des Haushaltes wurden Kürzungen in Größenordnungen vorgenommen. Stichwort Nahverkehr: minus 7,5 %. Ich durfte gerade gestern Abend mit den Zweckverbänden zusammensitzen, wo das Wirtschaftsministerium erklären sollte, wie es 7,5 % Kürzungen umsetzen wolle. Darauf wurde geantwortet: Na ja, darüber müssen wir uns im nächsten Jahr mal unterhalten. Das sind die Strategien.

Stichwort Hilfen für mittelständische Unternehmen, regionales Wachstum: Herr Morlok, gekürzt! Stichwort Kommunalkombi: abgeschafft! Stichwort kommunale Investitionen: gekürzt! Stichwort Bau von Schulen und Kitas: gekürzt! Stichwort Ganztagsbetreuung: gekürzt! Stichwort Kindertagesstätten, Musikschulen, Sportstätten, Feuerwehr – ich kann gar nicht alles nennen. Ich bin auch nicht am Ende, aber ich will es dabei belassen, weil wir im Hohen Hause die einzelnen Punkte kennen.

Wo soll das hinführen? In jeder Rede, die ich von Ihnen, Herr Ministerpräsident, höre, sind wir stolz auf Sachsen. Das teile ich. Und das ist bisher auch so gewesen. Aber das, was hier passiert, bringt uns von diesem Weg ab, und das macht uns Sorge.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Es bringt uns nicht nur von diesem Weg ab, sondern es gibt keine Strategie. Wie soll denn das Dorf, die Stadt 2030 aussehen? Das Einzige, was ich höre, ist: Wir sparen. Ich höre nichts darüber, wie die Stadt der Zukunft aussehen soll. Sie haben mich bei der Feier zu 20 Jahren SSG regelrecht angesprochen, als ich richtig empört darüber war, dass neue Ideen gefragt seien. Was machen Sie denn mit denen, die Fehler machen? Ich will darauf keine Antwort geben, weil die Fragen noch offen sind und geklärt werden. Ein Bürgermeister ist gut beraten, sich zurückzulehnen und zu warten, was passiert. Das soll natürlich nicht unsere Strategie werden und ich frage Sie, wo das hinführen soll.

Unsere Städte und Gemeinden in Sachsen brauchen Investitionsmittel. Wir sind stolz darauf, dass Sachsen sich aus der Wirtschaftskrise so gut erholt hat. Wodurch ist es denn passiert? Durch ein Konjunkturpaket! In der jetzigen Zeit, da es zinsgünstige Möglichkeiten für unsere Städte und Gemeinden gibt, sagen wir, es gibt keine Investitionsmittel. Wir fordern deswegen investive Schlüsselzuweisungen für unsere Städte und Gemeinden, und zwar zusätzlich und nicht irgendetwas aus dem FAG herausgebaggert.

Gleichzeitig sagen wir aber auch, dass unsere Städte und Gemeinden natürlich das demokratische Recht auch in

Zukunft wahrnehmen müssen. Es ist immer viel geredet worden, das können die ja selbst entscheiden. Wissen Sie, was ein Landkreis überhaupt noch für eine Freiwilligkeitsentscheidung hat? Zwei Prozent aller Zukunftsinvestitionen kann ein Landkreis noch selbst entscheiden. Das ist eine Größenordnung, wo ein Kreistag zur Farce degradiert wird. Der kann nichts mehr entscheiden. Wir fordern für die Zukunft eine flexible Lösung für unsere Städte und Gemeinden.

19 Städte und Gemeinden in Sachsen sind schuldenfrei, tolle Bilanz! Aber wir haben auch Städte, wie Chemnitz oder Leipzig, mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von über 4 000 Euro. Was wird aus diesen Städten in der Zukunft? Wie soll die Perspektive aussehen? Ich nehme mal den Bereich Schulen: Investitionsstau in Chemnitz 345 Millionen Euro, Investitionsstau in Leipzig 570 Millionen Euro. Die Gemeinden ringsherum haben ihre Schulen gut im Griff. Soll es künftig so sein, dass die Eltern ihre Kinder aufs Land in die Schulen schicken, weil die Städte ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können? Wir wissen alle, dass die Sozialausgaben, und zwar nicht durch zusätzliche Dinge, die sich die Städte und Gemeinden geleistet haben, in den letzten Jahren von 30 auf 70 % gestiegen sind. 70 %! Da frage ich mich, wie die Umverteilung für die Städte und Gemeinden in Zukunft aussehen soll.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Wir fordern Investitionspauschalen. Wir fordern mehr Möglichkeiten für die Städte und Gemeinden in der Zukunft und wir fordern ein zielführendes Programm der Landesregierung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Für die einbringende Fraktion der SPD sprach Frau Kollegin Köpping. – In der ersten Rednerrunde kommt jetzt die CDU-Fraktion mit Herrn Kollegen Bandmann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Kommunen und Gemeinwohl stärken – Steuereinnahmen sinnvoll nutzen.“

Nun hat Frau Köpping als ehemalige Landrätin hier für die SPD gesprochen und das Klagelied, das sie anstimmte – es ist wichtig, dass wir kommunale Selbstverwaltung und kommunale Selbstverantwortung haben –, begann sie mit den Städten Chemnitz und Leipzig. Warum hat sie das Klagelied nicht über Dresden gesungen?

(Thomas Jurk, SPD: Was ist mit Görlitz?)

Dresden ist CDU-regiert, Chemnitz und Leipzig sind SPD-regiert.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Die Städte und Dörfer ringsherum sind in aller Regel gut verwaltet.

(Zurufe von den LINKEN)

Das hat sie ausgesprochen,

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

also wird irgendwo politische Verantwortung wahrgenommen.

(Beifall bei der CDU)

Die Menschen im Freistaat Sachsen sind in der Tat auf ihre Städte und Gemeinden stolz – das ist das Erfolgsmodell. Das wollen wir auch so. Die Menschen sind aber auch auf den Freistaat Sachsen stolz. Wenn sie nämlich im Ausland im Urlaub sind und gefragt werden, wo sie herkommen, dann sagen sie: Wir kommen aus dem Freistaat Sachsen. Das ist unser Selbstverständnis.

(Beifall bei der CDU)

Daher lautet eine wichtige Frage: Wo rührt die Basis für dieses Erfolgsmodell her? Einer der wichtigsten Basisfaktoren ist der Gleichmäßigkeitsgrundsatz, und zwar der Vertrag zwischen der kommunalen Ebene, der Familie der Städte und Gemeinden in Sachsen, und dem Freistaat Sachsen. Geht’s dem Land gut, gibt’s viel Geld für die Städte – wird es dort weniger, geht’s auch beim Freistaat bergab.