Daher lautet eine wichtige Frage: Wo rührt die Basis für dieses Erfolgsmodell her? Einer der wichtigsten Basisfaktoren ist der Gleichmäßigkeitsgrundsatz, und zwar der Vertrag zwischen der kommunalen Ebene, der Familie der Städte und Gemeinden in Sachsen, und dem Freistaat Sachsen. Geht’s dem Land gut, gibt’s viel Geld für die Städte – wird es dort weniger, geht’s auch beim Freistaat bergab.
Das mit Chemnitz und Leipzig ist mir sicher passiert, weil auf der kommunalen Ebene nicht nach Parteien, sondern nach Aufgaben gedacht wird, die für die Bürger zu erledigen sind. Ich frage Sie: Wissen Sie, wer den Landkreis Nordsachsen leitet und welcher Partei dieser Landrat angehört, und das übrigens seit 20 Jahren?
Ich denke, gerade die Industrieregion Chemnitz und die große Stadt Leipzig, wo die meisten öffentlichen Investitionen des Freistaates hingegangen sind, unterscheiden sich natürlich grundsätzlich von einem strukturschwachen Gebiet in Nordsachsen.
Aber, Frau Köpping, es ist natürlich ein beliebtes Geschäftsmodell, immer das Geld anderer Leute zu verteilen.
Wir leben eben – das ist immer wieder wichtig zu betonen – im Freistaat Sachsen immer noch vom Transfer der alten Bundesländer, auch wenn das manch einer nicht wahrhaben will. Wer die Debatten auf den Finanzkonferenzen zwischen Ost und West beobachtet, der erlebt sehr
deutlich, wie schwierig die Position zu halten ist, den alten Bundesländern zu erklären, dass der Solidarpakt weitergeführt werden muss und dass wir hier insbesondere mit unseren zusätzlichen Mitteln für den nachholbedingten Bedarf sorgsam umgehen.
Was Ihnen, Herr Jurk, aber völlig entgangen ist: dass das, was jetzt alles an Kürzungen im Land zu verarbeiten ist,
auf die schwerste Wirtschaftskrise nach dem Zweiten Weltkrieg, und zwar weltweit, zurückzuführen ist.
Unsere Menschen im Land wollen keine Steuererhöhungen. Unser Gesellschafter – wenn ich das einmal so übersetzen darf – will keine Steuererhöhungen, aber die Bilanz durch die Wirtschaftskrise ist, dass eben in der Bilanz im letzten Jahr ein deutlicher Einbruch zu verzeichnen war. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten, nämlich, dass der Gesellschafter sagt, wir wollen diese Bilanz ausgleichen, indem wir zusätzliche Schulden aufnehmen; oder aber der Gesellschafter sagt Nein, wir wollen keine zusätzlichen Schulden aufnehmen, sondern wir müssen mit dem Geld auskommen, das wir haben, und wir wollen die Schulden zurückführen.
Deswegen, Frau Köpping, sind Kürzungen vorgenommen worden. Die Kürzungen bedeuten für die kommunale Ebene die gleichen Anstrengungen wie für den Freistaat, denn in den nächsten zwei Jahren, wenn der nächste Doppelhaushalt beraten wird, wird wieder gefragt: Wie gehen wir mit dem Geld um? Die Transferleistungen gehen zurück und allein in Sachsen werden in den nächsten Jahren 300 000 Einwohner weniger sein, das heißt, für 300 000 weniger Einwohner weniger Bundeszuweisungen. Das heißt, 1 500 Wohnungen brauchen keine Mieter mehr. Deshalb müssen wir eine Lösung finden, dass gerade im Projekt des Stadtumbaus die Städte dennoch attraktiv bleiben und wir hier in diesem Bereich weiteres Geld einsetzen werden.
Das habe ich fast vermutet, Herr Bandmann. – Herr Bandmann, ist Ihnen bekannt, dass die Fraktionsvorsitzenden im Kreistag Görlitz einen Brief unterzeichnet haben, in dem sie auf die schwierige Finanzsituation der kommunalen Ebene aufmerksam machen und sogar damit drohen, dass man eine Klage gegen den Freistaat Sachsen anstrengt?
Ich weiß, Herr Bienst hat unterschrieben. Ich finde das sehr anständig, denn das macht deutlich, dass sich der Abg. Bienst für die Interessen des Landkreises einsetzt. Das begrüße ich ausdrücklich.
Was ich nicht verstanden habe, lieber Herr Bienst, ist, dass Sie sich als Mitglied des Sächsischen Landtages eine Selbstaufgabe gestellt haben.
Kollege Bandmann, ist Ihnen dieser Brief bekannt und dass es entsprechende Klagedrohungen des Landkreises gibt?
Herr Jurk, das ist genau ein wichtiges Element, dass man, wenn man Sorgen hat, Briefe schreibt und dass man, wenn man der Meinung ist, dass man schlecht behandelt wird, in einem Rechtsstaat die Möglichkeiten des Rechtsweges ausschöpft.
In der Tat ist es so – das ist auch immer wieder zu betonen –, dass einerseits eine erfreuliche Entwicklung, aber andererseits ein riesiges Problem besteht. Sachsen ist das Bundesland in Deutschland mit der ältesten Bevölkerung. Das heißt, auch diese älteste Bevölkerung hat ein besonderes Strukturproblem. Dazu kommt, dass aufgrund der Entwicklung – die Autobahn war eben 1990 noch nicht bis Görlitz reichend, auch als die wirtschaftlichen Investitionen kamen – eine Situation entstanden ist, dass wir nicht gleich Anschluss mit den Regionen hatten, die nahe am Westen, die nahe an der besseren wirtschaftlichen Situation waren. Deshalb werden wir diese Angelegenheiten aus dem Landkreis sehr ernst nehmen und sicherlich das eine oder andere hier noch in Zukunft diskutieren.
Für die CDU-Fraktion sprach Kollege Bandmann. – Als Nächste spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Kollegin Junge. Bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Frau Roth, bemerkte unlängst, im September: „Die Städte steuern 2010 bei weiter sinkenden Steuereinnahmen und stark steigenden Sozialausgaben auf ein nie dagewesenes Rekorddefizit zu. Die Städte sind in den vergangenen Jahren immer stärker mit Aufgaben belastet worden, die ihre Haushalte sprengen. Deshalb brauchen wir durch die Gemeindefinanzkommission im Herbst unbedingt eine spürbare und nachhaltige Entwicklung“ – so Frau Roth von der CDU.
Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube – so möchte ich mit Goethe antworten. Der für dieses Jahr bereits bejubelte wirtschaftliche Aufschwung bringt keine Entwarnung für die kommunalen Haushalte, das möchte ich hier noch einmal ausdrücklich feststellen. Die Steuereinnahmen liegen trotz höherer Wachstumswerte und -zahlen weiterhin unter dem Niveau von 2008.
Die Hauptursache für diese prekäre Finanzsituation auf kommunaler Ebene ist die seit 1998 – das sollten wir nicht vergessen – durchgeführte Steuersenkungspolitik von den Regierungen, die wir seit diesem Zeitraum haben: von Rot-Grün, Schwarz-Rot und Schwarz-Gelb. Dadurch werden fast 250 Milliarden Euro Steuereinnahmen bis 2013 fehlen. Das sind Zahlen, die alle den statistischen Werten entnommen sind.
Die sozialen Leistungen steigen aber weiter an, auch die Sozialausgaben – auch das ist nachweisbar –, in Sachsen im ersten Halbjahr um 8,1 %. Gerade deshalb wurden etliche Aufgaben auf die Kommunen abgewälzt. Ich möchte hier einige Beispiele ergänzen. Meine Vorrednerin hatte dazu schon einiges ausgeführt.
Die Ausgestaltung der Kinder- und Jugendarbeit wurde aufgrund der Kürzung der Jugendpauschale in diesem Jahr verstärkt auf die Kommunen abgewälzt, die Grundsicherung im Alter haben die Kommunen entsprechend abzusichern, auch die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz oder die Kosten der Unterkunft nach ALG II – darüber haben wir hier schon sehr häufig Debatten geführt. All diese zusätzlichen Aufgaben bringen den Kommunen Schwierigkeiten, und letztendlich wissen sie zum Teil nicht mehr, wie sie alles finanzieren können.
Ich möchte noch einmal im Blick der Koalition an Folgendes erinnern – viele debattieren jetzt dazwischen, hören Sie doch bitte einmal zu, was in Ihrem Koalitionsvertrag, der jetzt gültig ist, eigentlich steht. Ich frage Sie, wie Sie das umsetzen wollen, zum Beispiel solche Vorhaben, die bei Ihnen verankert sind:
Umsetzung eines Rechtsanspruchs auf ein Betreuungsangebot ab dem vollendeten ersten Lebensjahr in KitaEinrichtungen. Hier frage ich mich, wie das umgesetzt werden soll, wenn das Land sich weiter aus der Finanzierung zurückzieht.
Bedarfsgerechte Angebote der Schulsozialarbeit stehen bei Ihnen im Koalitionsvertrag. Derzeit wird das heruntergefahren, werden die Schulsozialarbeiter aus den Schulen aufgrund der Kürzung verbannt.
In Ihrem Haushaltsentwurf 2011/2012 sind diese genannten Aufgaben, die ich hier aufgeführt habe, überhaupt nicht enthalten und nicht finanziell untersetzt. Im Gegenteil. Der Freistaat Sachsen beteiligt sich nicht mehr an den Investitionskosten im Bereich der Kindertagesstätten. Ich hatte dazu eine Kleine Anfrage gestellt. In der Antwort hieß es: Die Bundesmittel in Höhe von 16,5 Millionen Euro für 2011 und in Höhe von 16,2 Millionen Euro
für 2012 reichen völlig aus. Das ist die Antwort, die die Kommunen von der Landesregierung bekommen.
Für die Fraktion DIE LINKE sprach die Abg. Junge. – Jetzt kommt die FDPFraktion mit Herrn Kollegen Karabinski.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Kommunen und Gemeinwohl stärken – Steuermehreinnahmen sinnvoll nutzen“ – dieser Titel verrät uns einiges über Rituale gesellschaftlicher Debatten, über die Autoren dieses Titels, aber er verrät uns nichts über die Wirklichkeit.
Zu den Ritualen. Zweimal im Jahr, im Mai und November, finden Steuerschätzungen statt. Finanzminister nutzen das in aller Regel, um ihre Politik zu erklären. Opposition und Gewerkschaften hingegen verteufeln dann genau diese Begründung, diese Politik, diese Entscheidung. Das sehen wir auch heute. Wir werden es in den nächsten Tagen und Wochen live mehrfach erleben müssen. Zweimal im Jahr schmieden Sie hier ein Bündnis gegen die Regierung und deren Vorschläge. Aus den gleichen Zahlen ziehen Opposition und Gewerkschaften ganz andere Schlussfolgerungen als die Regierung, völlig ohne Moral und Anstand. Wir erleben es hier: Es geht schlichtweg nur um Konsumieren und Verfressen.