Protokoll der Sitzung vom 17.10.2013

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 85. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages und zuerst gratuliere ich Herrn Kollegen Enrico Stange ganz herzlich zum Geburtstag, alles Gute.

(Beifall)

Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Frau Kliese, Frau Roth, Herr Günther, Frau Bonk, Herr Lehmann, Frau Dr. Franke, Herr Hähnel, Herr Tillich, Herr Bandmann und Frau Strempel.

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Folgende Redezeiten hat das Präsidium für die Tagesordnungspunkte 4 bis 9 festgelegt: CDU bis zu 97 Minuten, DIE LINKE bis zu 69 Minuten, SPD bis zu 42 Minuten, FDP bis zu 42 Minuten, GRÜNE bis zu 38 Minuten, NPD bis zu 38 Minuten, Staatsregierung 67 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Meine Damen und Herren, eine Änderung gibt es zu Punkt 1 der Tagesordnung, zur Aktuellen Stunde. Die

SPD-Fraktion hat von der Möglichkeit unserer Geschäftsordnung in § 55 Gebrauch gemacht, das Thema der Aktuellen Debatte bis zum Montag der Plenarwoche zu ändern. Davon wurden die Fraktionen und die Staatsregierung unverzüglich in Kenntnis gesetzt. Das neue Thema lautet „Die Lehre aus dem Kürzungsdiktat: Stellenabbau, Fächersterben, Fachkräftemangel“.

Meine Damen und Herren, der Tagesordnungspunkt 11, Kleine Anfragen, ist zu streichen. Des Weiteren sind zwei Einsprüche des Abg. Holger Apfel und ein Einspruch des Abg. Jürgen Gansel gegen in der 84. Sitzung erteilte Ordnungsrufe eingegangen. Die Einsprüche wurden als Drucksachen 5/12932, 5/12933 und 5/12934 verteilt. Nach § 98 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung entscheidet der Landtag über diese Einsprüche in dieser Sitzung ohne Beratung. Ich schlage Ihnen vor, dafür den neuen Tagesordnungspunkt 11 vorzusehen.

Ich sehe jetzt keine weiteren Änderungsvorschläge oder Widerspruch gegen die Tagesordnung. Die Tagesordnung der 85. Sitzung ist damit bestätigt.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Die Lehre aus dem Kürzungsdiktat:

Stellenabbau, Fächersterben, Fachkräftemangel

Antrag der Fraktion der SPD

2. Aktuelle Debatte: Humanität heißt Verantwortung übernehmen –

Sachsen braucht eine neue Flüchtlingspolitik

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Verteilung der Gesamtredezeiten der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 30 Minuten, DIE LINKE 20 Minuten, SPD 17 Minuten, FDP

12 Minuten, GRÜNE 15 Minuten, NPD 10 Minuten und

die Staatsregierung zweimal 10 Minuten, wenn gewünscht.

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zu

1. Aktuelle Debatte

Die Lehre aus dem Kürzungsdiktat:

Stellenabbau, Fächersterben, Fachkräftemangel

Antrag der Fraktion der SPD

Als Antragstellerin hat zunächst die SPD-Fraktion das Wort. Das Wort ergreift für die einbringende Fraktion Herr Kollege Mann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Letzte Woche fanden sich in den Medien zahlreiche Meldungen darüber, dass in Sachsen 57 Studiengänge geschlossen werden. Das an

sich ist noch nicht so verwunderlich – wichtiger ist, dass das eher die Spitze des Eisberges darstellt; denn darunter sind Studiengänge wie die Pharmazie in Leipzig, die es in Sachsen nur noch einmal gibt und für die ein Fachkräftemangel schon jetzt absehbar ist, oder die Architektur in Reichenbach mit einem Arbeitsmarktübergang der Absolventen von 100 % oder zahlreiche andere Studiengänge, durchaus gut ausgelastet, am Standort Görlitz/Zittau.

Hier also, meine Damen und Herren, geht es lange nicht nur um Profilbildung. Hier geht es den Hochschulen an die Substanz. Sie kürzen und schließen diese Studiengänge aus der Not heraus. Das alles findet statt, obwohl wir jetzt zum Semesterstart die Bewerberzahlen wieder auf einem Allzeithoch haben. Die Studierendenzahlen werden dieses Jahr wieder auf einem Rekordniveau sein. Wenn die Hochschulen nicht jetzt schon dazu genötigt wären, den Zugang zu ihren Studiengängen zu begrenzen, dann wären auch die Immatrikulationszahlen dieses Jahr wieder auf einem Rekordniveau.

Die Staatsregierung aber und die sie tragende Koalition sagt, das sei kein Grund, etwas zu ändern. Sie wollen den Stellenabbau fortsetzen und bis 2020 über tausend Stellen – fast 10 % – an den sächsischen Hochschulen einsparen. So weit alles wie 2010.

Neu aber, meine Damen und Herren, war unter anderem letzte Woche eine Pressemitteilung der FDP-Fraktion. Kollege Tippelt ließ sich darin zitieren, die Staatsministerin hätte die Ziele und Auswirkungen der Streichung von Studiengängen zu erläutern und – hier stimme ich Ihnen zu – der Freistaat sei deshalb nicht aus seiner Chance und Pflicht entlassen, einen Rahmen im Interesse des gesamten Hochschulstandortes zu setzen. Sehr richtig, Kollege Tippelt.

Deshalb will ich hier noch einmal deutlich herausstellen: Dieser Stellenabbau, der Ursache für die Schließungen ist, kam nicht wie ein Eisberg als Naturereignis über uns. Diesen Stellenabbau haben Sie, meine Damen und Herren von CDU- und FDP-Fraktion, beschlossen. Diesen Stellenabbau haben Sie 2010 in das Haushaltsverfahren eingebracht. Unsere Änderungsanträge, dies nicht für acht Jahre zu beschließen, haben Sie vom Tisch gewischt. Sie haben gesagt, Sie wollen diese Stellenkürzungen in der Größenordnung einer sächsischen Fachhochschule und von ein bis zwei Kunsthochschulen durchsetzen. Jetzt tun einzelne Abgeordnete so, als wäre es ein Wunder, dass das strukturelle Veränderungen nach sich zieht. Das, meine Damen und Herren, kann wohl nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall bei der SPD)

Was hier beginnt, ist in der Dimension mit dem vergleichbar, was in Sachsen-Anhalt zu Beginn dieses Jahres allein nur als Plan zu massiven Protesten geführt hat und dort auch zur Korrektur der Kürzungsabsichten führte.

Neu ist auch, meine Damen und Herren, dass mit den Hochschulen über die Ressourcen der kommenden acht Jahre verhandelt wird. Was da am Ende stehen soll, nennt sich Zuschussvereinbarung. Manchmal ist es gut, sich

Worte durch den Kopf gehen zu lassen. Zuschuss klingt, als sei das ein Zubrot, als gäbe der Freistaat noch ein paar Krümel dafür, dass in diesem Land Menschen ausgebildet und Forschungsleistungen erbracht werden.

Die Anhörung vor zehn Tagen auf Antrag unserer Fraktion hat einiges ans Licht gebracht, was da gerade zwischen Wissenschaftsministerium und Finanzministerium verhandelt wird. In dieser Zuschussvereinbarung sollen die Hochschulen unterschreiben, dass sie diese Stellen angesichts der beschriebenen Situation bis 2020 abbauen. Und was bietet der Freistaat dafür? Ganze drei Jahre sogenannte Planungssicherheit, ein Jahr, was im Doppelhaushalt schon beschlossen ist, zwei Jahre eines Doppelhaushaltes, den dieser Landtag nicht mehr beschließen wird.

Nicht ohne Grund kritisieren die Hochschulen hier mangelnde Übereinstimmung zwischen den Fristen für diesen Stellenabbau, für die sie Stellenabbauzahlen zusichern sollen, und den finanziellen Planungssicherheiten; denn das, meine Damen und Herren, ist keine Planungssicherheit, dies ist ein Stillhalteabkommen der Staatsregierung für die Landtagswahlen.

(Beifall bei der SPD)

Und auch andere Regelungen, meine Damen und Herren, hören sich nicht gerade nach Wissenschaftsfreiheit an. Für Drittmittel soll es zukünftig einen „Wegezoll“ geben und mit 43 einzelnen Regelungen und Zielvereinbarungen will die Staatsregierung in die Hochschulen hineinregieren.

Meine Damen und Herren! Ich kann die Wertung gern den Mitgliedern der Rektorate der größten Hochschulen des Landes überlassen. Der Rektor der TU Chemnitz nennt den Stellenabbau ein Diktat und bekommt Zustimmung seines Kollegen Prorektors aus Leipzig.

Der Dresdner Rektor Müller-Steinhagen beklagt in einem ganzseitigen Namensartikel, dass trotz seit 1990 kontinuierlich gestiegener Studierendenzahlen die Grundmittelausstattung stagniert.

Ihre Redezeit ist zu Ende.

Die Kanzlerin der größten Hochschule für angewandte Wissenschaften im Land macht klar, dass dieser Stellenabbau bedeutet, dass jede frei werdende Stelle gekürzt werden muss. Wo, meine Damen und Herren, frage ich deshalb, ist hier die Profilbildung?

(Beifall bei der SPD)

Kollege Mann sprach für die einbringende SPD-Fraktion. Die weitere Reihenfolge ist CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Für die CDU-Fraktion ergreift jetzt Herr Prof. Schneider das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Mann, warum liegt Ihnen so viel daran, unser Hochschul- und Wissen

schaftssystem, das sich in Deutschland sehen lassen kann, derart schlechtzureden?

An sächsischen Hochschulen, meine Damen und Herren, und den Forschungseinrichtungen arbeiten viele Tausend Menschen, die unser Land mit ihrem Geist voranbringen. Wir wissen als CDU-Fraktion – seit 1990 setzen wir das auch um –, welche Leistungen erbracht werden, was wir für Sachsen tun. Das fördern und unterstützen wir, es funktioniert jetzt und auch zukünftig.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie sprechen, Herr Mann, von einem Kürzungsdiktat. Ich will einmal ein paar Zahlen nennen. 2014 werden die sächsischen Hochschulen ohne die Mittel für Baumaßnahmen und für Medizin 746 Millionen Euro an Zuschuss erhalten. „Zuschuss“ – das hieß schon immer so. Man sollte sich besser einmal kundig machen. Im Vergleich zum Jahr 2005 betrug derselbe Wert 625 Millionen Euro. Das heißt, wir haben in der Zeit von 2005 bis heute eine Steigerung von rund 20 % der Mittel bei zugegeben hohen, aber auch in der Sache gedeckelten Studierendenzahlen. Wenn man also sieht, dass wir 2005 rund 108 000 Studenten und 2012 113 000 Studierende haben, wird man bei der Finanzsteigerung um 20 % keineswegs von einem Kürzungsdiktat reden können. Wer das tut, der handelt vielleicht wider besseres Wissen.