Entsprechend § 2 Abs. 3 der Geschäftsordnung werden neu in den Landtag eintretende Abgeordnete in der ihrer Berufung folgenden Sitzung des Landtages durch Handschlag verpflichtet. Das ist heute der Fall. Ich begrüße sehr herzlich und bitte nach vorn: Frau Antje Hermenau, Frau Gisela Kallenbach, Herrn Dr. Dietmar Pellmann und Herrn Carsten Biesok, der für Frau Isabel Siebert nachgerückt ist, die ihr Mandat niedergelegt hat.
(Die Anwesenden erheben sich. – Der Präsident verpflichtet die genannten Abgeordneten per Handschlag. – Beifall)
Folgende Abgeordnete haben sich für den heutigen Sitzungstag entschuldigt: Herr Dr. Schuster, Herr Krauß und Frau Strempel.
Meine Damen und Herren, die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkt 8 bis 11 folgende Redezeiten festgelegt: CDU bis zu 62 Minuten, DIE LINKE bis zu 43 Minuten, SPD bis zu 26 Minuten, FDP bis zu 26 Minuten, GRÜNE bis zu 23 Minuten, NPD bis zu 23 Minuten und Staatsregierung bis zu 43 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.
Änderungsanträge zu dieser Tagesordnung liegen nicht vor. Es gibt auch keine Dringlichen Anträge aus den Fraktionen. Ich sehe auch keine weiteren Änderungsvorschläge. Widerspruch gegen die Tagesordnung stelle ich nicht fest. Die Tagesordnung der 3. Sitzung ist damit in der vorliegenden Form bestätigt.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Im nächsten Jahrzehnt stellen wir die Weichen für den weiteren Erfolg des Freistaates Sachsen. Die Arbeit der Staatsregierung wird sich deshalb an einem Leitbild orientieren: Sachsen will 2020 wirtschaftlich auf eigenen Füßen stehen. Die Cluster Automobilindustrie, Halbleiterindustrie und Elektromobilität werden sich zu einem sächsischen Industriecluster vereinen, das europaweit einzigartig ist, weil es Forschung und Anwendung branchenübergreifend verzahnt.
Sachsen wird ein noch familienfreundlicheres Land sein. 40 % eines Schuljahrgangs sollen die Hochschulreife erlangen. Demografische Lücken werden wir durch kluge und vernetzte Infrastruktur, zum Beispiel durch die Breitbandtechnologie, durch eine transparente und bürgerorientierte Verwaltung und durch die Stärkung des Ehrenamtes, schließen. 70 000 Beschäftigte im gesamten öffentlichen Dienst des Landes Sachsen sollen effektiv und effizient gestalten und verwalten.
Wir wissen auch, wie es geht: mit Arbeit, Bildung und Solidarität. Das sind die Säulen dieses Erfolges. Sie werden untermauert von der in der Koalition vereinbarten Staatsmodernisierung.
Meine Damen und Herren! Am 30. August haben die sächsischen Wähler der CDU den Auftrag erteilt, gemein
sam mit der FDP eine Koalition der Mitte zu bilden. Sie haben damit ein Signal des Aufbruchs gesetzt.
Wenn diese Legislatur endet, wird die Union ein Vierteljahrhundert lang die Geschichte und die Geschicke unseres Landes bestimmt haben. Wir sind dank dieser politischen Kontinuität ein sehr weites Stück vorangekommen. Wir werden diesen Weg fortsetzen.
Den Koalitionsvertrag haben CDU und FDP innerhalb von zwei Wochen ausgehandelt. Die Schnittmenge unserer Positionen ist groß. Wir werden den Freistaat Sachsen in den kommenden fünf Jahren entschlossen, klug und vorausschauend regieren.
Wir werden die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Sachsen zu einer der modernsten Regionen Europas wird.
Entschlossenheit, Klugheit und Voraussicht sind seit 1990 die Kennzeichen sächsischer Regierungspolitik. Darauf kommt es jetzt mehr denn je an. Sachsen, Deutschland und die Welt befinden sich in einer der schwersten Wirtschaftskrisen seit dem Zweiten Weltkrieg. Anders als vor 80 Jahren haben die Staaten der Welt gemeinsam gehandelt. Die Welt ist nicht in einen globalen Schockzustand
geraten. Weltweit wurde mit Konjunktur- und Stabilisierungsprogrammen wirksam gegengesteuert. Auch der Freistaat Sachsen hat mit einem eigenen Mittelstandsstabilisierungsprogramm erfolgreich Krisenintervention betrieben und wird dies auch im Jahr 2010 weiter betreiben.
Ich sage aber auch: So etwas darf sich nicht wiederholen. Wir brauchen in einer globalisierten Wirtschaft weltweit gültige Regeln für die Finanzmärkte, wie sie der Koalitionsvertrag auf Bundesebene vorsieht.
Täuschen wir uns nicht: Märkte brechen immer noch weg. Die Aufträge der Unternehmen gehen in einem bisher nicht gekannten Maße zurück. Zugleich sehen wir aber auch Hoffnungszeichen. Die Hauptbetroffenen sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In den sächsischen Unternehmen befanden sich im April 2009 rund 69 900 von ihnen in Kurzarbeit. Im Juni 2009 waren es 10 000 weniger – auch eine positive Tendenz. Die Kurzarbeit ist wie ein Damoklesschwert. Die Unternehmen setzen alles daran, wieder Aufträge zu bekommen, und wollen ihre qualifizierten Mitarbeiter sichern. Erste Unternehmen sind bereits aus der Krise heraus. So erweitert die SolarWorld AG in Freiberg; sie stellt neue Mitarbeiter ein. Andere Unternehmen haben Probleme und entlassen teilweise sogar ihre Mitarbeiter.
Bei meinen Unternehmensbesuchen im Land überwiegen derzeit die Hoffnungszeichen. Erst in den letzten Tagen schrieb mir ein Bürgermeister, dass in seiner Gemeinde viele ehemalige Mitarbeiter von Qimonda eine neue Beschäftigung in einer wachsenden Industrie gefunden haben.
Geht es den Bürgern und den Unternehmen nicht gut, hat dies unmittelbare Auswirkungen auf den Staat. Die Einnahmen des Freistaates gehen ähnlich drastisch zurück wie die Umsätze der Unternehmen. 2010 brechen uns eine Milliarde Euro weg. Auch die Kommunen werden mittelfristig deutlich weniger Geld in der Kasse haben. Zugleich steigen die Kosten im Sozialbereich.
Zudem sinken jedes Jahr die Zuweisungen aus dem Solidarpakt um rund 200 Millionen Euro. 2013 endet die Förderperiode der Europäischen Strukturfonds. Das Geld wird knapper.
Ich werde mich in Brüssel für eine Anschlussregelung für den Freistaat einsetzen. Aber ich sage mit Blick auf die Kassenlage der nächsten Jahre ganz klar: Sparsamkeit ist und bleibt oberstes Gebot.
Machen wir uns beim Aufbau Ost nichts vor. Nach 40 Jahren sozialistischer Planwirtschaft ist der Anschluss an die führenden Regionen in Europa nicht schon in zwei Jahrzehnten zu bewerkstelligen; denn die, mit denen wir uns vergleichen, treten ja auch nicht auf der Stelle. Wir werden eine ganze Generation lang hart arbeiten müssen und wir sind dabei weiter auf die Solidarität der Staaten, der Regionen Deutschlands und Europas angewiesen. In
schweren Zeiten ist die Solidarität besonders brüchig. Manche meinen, in Westdeutschland könnte man Straßen, Schulen und Universitäten ausbauen, wenn es den Solidarpakt II so nicht gäbe. So lange die Fahrzeiten per Bahn von Dresden nach Berlin dem Stand von 1930 entsprechen – damit hat Kollege Zastrow völlig recht –, besteht ein Nachholbedarf. In Richtung derer, die hier dennoch Verhandlungsmasse sehen, sage ich: Wir stehen in der geschichtlichen Verantwortung, die Einheit Deutschlands zum Erfolg zu machen. Sachsen wird der Hüter des Solidarpakts II sein.
Meine Damen und Herren! Wirtschaftskrise, Haushaltslöcher, bröckelnde Solidarität – wir alle, die Sächsinnen und Sachsen, die Staatsregierung und der Landtag stehen vor einer großen Bewährungsprobe und wir werden sie bestehen, weil wir mit vereinten Kräften anpacken, weil wir ein Ziel vor Augen haben. Wir sind attraktiv als Ziel für Investoren, als Kulturland, als Bildungs- und Wissenschaftsland. Wir wollen, dass die Menschen bleiben, und wir wollen, dass noch mehr Menschen zu uns kommen und sich in Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur in unserem Land einbringen.
Sachsen steht im Wettbewerb in Europa und mit der Welt. Die Regionen ringen um Investitionen und um kluge Köpfe. Der Nahe und Ferne Osten zum Beispiel investiert erhebliche Summen in Bildung und Zukunftstechnologien. Diese Länder werden sich vom Rohstofflieferanten zum Industrie- und Produktionsstandort entwickeln. Auch wir wollen im Wettbewerb mit den Besten der Welt mithalten. Wir müssen uns dabei nicht verstecken. In Sachsen werden die besten Uhren gefertigt, Sachsen ist in Europa die Heimat des ältesten Porzellans, unsere Sammlungen bergen einige der wertvollsten Kunstschütze Europas, wir sind von einzigartigen Naturschätzen umgeben. Sie funkeln wie Juwelen in einem Collier. Das Kronjuwel sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dies alles schaffen und uns die Kulturleistung pflegen.
Die Vorzüge machen den Freistaat Sachsen attraktiv als Land, in dem Menschen gerne leben und arbeiten. Sachsen ist eine Marke von Wert.
Aber es gibt Menschen in unserem Land, die diese offene Gesellschaft nicht wollen und sogar bekämpfen. Das, meine Damen und Herren, lassen wir uns nicht gefallen.
Gemeinsam mit der übergroßen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes treten wir Fremdenfeindlichkeit entschlossen entgegen. Beispielgebend ist das couragierte Verhalten der Einwohner von Görlitz gegen die polenfeindlichen Plakate gewesen. Der Oberbürgermeister von Breslau, Rafał Dutkiewicz, hat den Einwohnern von Görlitz in einem Brief gedankt. Das ist eine große Geste, der ich mich ausdrücklich anschließe.
Rechtsradikale Schmierereien an Synagogen und Vereinshäusern sind keine „Dummejungenstreiche“. Sie verletzen die Grundwerte unserer Demokratie und unseres Rechtsstaates. Wir werden beides entschlossen verteidigen.
Mit Markus Ulbig habe ich einen Staatsminister des Innern ernannt, der ein Mann der Tat ist und zeigt, wie man Netzwerke gegen Rechtsextremisten knüpft.
Der Brief des Oberbürgermeisters von Breslau an die Bürger der Stadt Görlitz hat mir auch gezeigt, wie intensiv unsere Nachbarn zu uns blicken, wie sie bewerten, was wir tun. Wir sind deshalb auf eine gute Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn angewiesen.
Ich werde morgen ganz bewusst an der Versöhnungsmesse in Kreisau teilnehmen. Dieser historisch bedeutende Ort steht heute als ein Symbol für die Zusammenarbeit zwischen Sachsen und Polen. Eine Schülerin berichtete mir vor Kurzem von ihren Begegnungen in Kreisau mit polnischen Schülern. Gemeinsamkeiten und Unterschiede erfahren – das ist der Weg, auf dem Europa zusammenwächst. Wir wollen mit unseren Partnern in Polen und Tschechien das Dreieck Sachsen–Niederschlesien– Böhmen zu einer prosperierenden Kernregion Europas entwickeln.
Die Dynamik ist groß. In den letzten zehn Jahren haben sich die Handelsströme zwischen unseren Ländern vervierfacht. Fast ein Sechstel unseres gesamten Außenhandels wickeln wir mit unseren Nachbarn ab. Alle Seiten profitieren davon. Kein anderes Land exportiert so viel nach Sachsen wie die Tschechische Republik. Polen ist unser Exportziel Nummer zwei. Deshalb haben die Koalitionspartner CDU und FDP vereinbart, Verbindungsbüros unter Beteiligung der Wirtschaft in Tschechien und Polen einzurichten.
Wir werden dafür arbeiten, Sachsen im weltweiten Wettbewerb der Regionen weiter zu profilieren. Die Aufgabe lautet: Wie kann es uns gelingen, unsere Stärken noch besser darzustellen? Denn ein „Weiter so wie bisher“ ist keine Antwort auf die Fragen der Zeit. In einer sich wandelnden Gesellschaft muss der Staat seine Rolle weiterentwickeln. Die neue Staatsregierung unter meiner Leitung setzt auf eine intelligente Staatsmodernisierung. Es ist ein zentrales Projekt der Koalition. Die Federführung dafür liegt beim Justizminister Dr. Martens vom Koalitionspartner FDP.