Protokoll der Sitzung vom 31.03.2010

(Alexander Krauß, CDU: Er hat nicht abgelesen!)

Herr Schimmer, kehren Sie bitte zum Thema zurück.

(Heiterkeit)

Es geht hier um die Aktuelle Debatte.

Also, Herr Brangs, die Hartz-IVDebatte der FDP können wir jetzt zum Anlass nehmen, uns zu vergegenwärtigen, dass der Niedriglohnsektor in Deutschland immer noch zunimmt und dass immer noch viele Millionen Deutsche für entwürdigende Armutslöhne arbeiten gehen müssen und gleichzeitig staatliche Hilfe beziehen müssen.

Ihre Redezeit läuft übrigens ab, Herr Schimmer.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Hartz-IV-Bezieher und Geringverdiener werden von der FDP immer noch gegeneinander ausgespielt. Das muss unseres Erachtens ein Ende haben und ich glaube, die Wähler werden das erkennen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Das war der Abg. Schimmer für die NPD-Fraktion. – Bevor wir zur zweiten Rednerrunde kommen, ein Hinweis in Sachen § 55 unserer Geschäftsordnung: Wenn eine Fraktion die 5 Minuten zusätzliche Redezeit in Anspruch nehmen will, so muss das in der 1. Aktuellen Debatte sein und muss auch dort beantragt werden.

Ein weiterer Hinweis. Die Staatsregierung hat in der sich anschließenden 2. Aktuellen Debatte wieder die volle Redezeit von 10 Minuten, wenn sie diese in Anspruch nehmen will.

Wir kommen jetzt zur zweiten Rednerrunde. Zunächst zu den einbringenden Fraktionen. Gibt es dort weiteren Redebedarf? FDP, CDU? – Das ist nicht der Fall. Wir gehen dann weiter in der Reihenfolge der ersten Runde. DIE LINKE? – Herr Kollege Pellmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon verwunderlich, dass die Koalition heute eine Feierstunde ausgerufen hat und nicht einmal in der Lage ist, sich in der zweiten Runde an der Debatte zu beteiligen. Aber das scheint hier Tradition zu werden. Wir haben das gestern mit dem Katz-und-Maus-Spiel bei der Lehrerdebatte erlebt.

(Torsten Herbst, FDP: Das war aber Ihre Vertreterin!)

Ich möchte Ihnen deutlich sagen: Es besteht wahrlich kein Anlass zu Jubelchören oder Feierstunden, denn – das können Sie statistisch drehen und wenden, wie Sie wollen

es bleibt dabei: Hartz IV ist gescheitert. Gewerkschaften und Sozialverbände geben mir in dieser Auffassung recht. Da können Sie kosmetisch operieren, wie Sie wollen, Sie werden an dieser Sache nichts ändern.

(Patrick Schreiber, CDU: Erzählen Sie mal etwas Neues!)

Ja, ich werde Ihnen etwas Neues sagen. – Denn durch das, was Sie hier versuchen, ist eines nicht beseitigt: dass wir Arbeitslose erster und zweiter Klasse haben. Das müssen wir abschaffen, und zwar dringend. Denn wir haben Arbeitslose, die weiterhin von der Bundesagentur für Arbeit betreut werden sollen, und wir haben in einem Flickenteppich bzw. Mischmasch Arbeitslose, die per Gesetz auf Sozialhilfeniveau herabgestuft werden. Das hätten wir unter Nutzung der Chance des Urteils des Bundesverfassungsgerichts abschaffen können. Aber nein, diese Chance ist bewusst vertan worden.

Ich sage Ihnen eines, weil Herr Kollege Brangs uns vorhin den Weg nach Karlsruhe vorgeschlagen hat: Ob wir diesen Weg gehen und wer ihn geht, das weiß ich nicht. Aber eines ist völlig klar und das wird bei all dem unterschätzt: Mit dieser ins Haus stehenden Grundgesetzänderung öffnen Sie einer anderen Sache verfassungsrechtlich Tür und Tor, nämlich dem direkten Zugriff des Bundes auf die Kommunen. Die Länder brauchen wir dann gar nicht mehr. Haben Sie sich das einmal überlegt, was hier begonnen worden ist? Ich kann damit leben. Aber ob Ihnen das bewusst gewesen ist, das wage ich zu bezweifeln. Denn wenn es im Zusammenhang mit Hartz IV einmal geht, dann kann man sich sehr gut vorstellen, dass es auch künftig möglich sein wird.

Eines noch. Ich habe erhebliche Vorbehalte, was die Kommunalisierung des Arbeitsmarktes betrifft. Arbeitslosigkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und das kann nicht vor Ort nach Kassenlage gelöst werden. Das sollten wir in aller Entschiedenheit deutlich machen. Zu dem ersten Weg der Kommunalisierung, die Sie jetzt als sogenannten Kompromiss feiern – wobei nur 110 Kommunen diesen Weg gehen können –, sage ich Ihnen: Die FDP hat schon lange die endgültige Privatisierung und die vollständige Privatisierung der Arbeitsvermittlung und die Abschaffung der zentralen Arbeitsverwaltung in ihrer Schublade. Wenn Sie das irgendwann herausholen oder umsetzen, dann sind Sie endgültig auf dem Holzweg und dann helfen Sie niemandem, in keinem Fall denen, denen man wirklich helfen muss.

Alles in allem: Diese ins Haus stehende Grundgesetzänderung mag zwar ein Durcheinander verhindern, aber sie geht nicht an die Wurzel und vor allen Dingen wird dadurch kein einziger neuer Arbeitsplatz entstehen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das war Herr Kollege Pellmann für die Fraktion DIE LINKE. – Gibt es Redebedarf bei der SPD-Fraktion? – GRÜNE? – Für die GRÜNEN Herr Kollege Lichdi; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Ministerpräsident hat bei seiner Einführung zu diesem Thema die erfreuliche Entwicklung angesprochen, dass sächsische Unternehmen in der Krise zum großen Teil ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer behalten haben. Ich denke, darüber können wir uns alle freuen.

Es ist aber so, dass die ARGEn bzw. die Optionskommunen schon jetzt und in nächster Zukunft fatalerweise viel Arbeit bekommen werden. Sie werden vor allem deswegen viel Arbeit bekommen, weil die Sächsische Staatsregierung, insbesondere auch der Ministerpräsident, die sächsische Fotovoltaikindustrie im Stich gelassen hat.

(Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Vielleicht haben Sie alle die Meldung mitbekommen, dass in der letzten Woche die Firma Sunfilm in Großröhrsdorf Insolvenz angemeldet hat – 300 Arbeitsplätze –, ein Unternehmen, das mit großen Hoffnungen gestartet ist, das die Dünnschichttechnologie entwickeln wollte.

Die schwierige Situation bei Q-Cells, dem Mutterkonzern, hat dazu geführt, dass es zu diesen Entwicklungen gekommen ist. Aber Sunfilm, meine Damen und Herren, steht keinesfalls allein da. Vielen sächsischen Handwerks- und Installationsunternehmen, die jetzt ihre Mitarbeiterzahlen abbauen bzw. die fest geplanten Neueinstellungen nicht vornehmen, geht es genauso. Ich habe darauf in der Debatte vor drei Wochen hingewiesen.

In unserer Fraktion laufen in letzter Zeit viele Meldungen ein, in denen es heißt: Wir hatten einen festen Ausbau geplant. Wir haben mittlerweile die Unterlagen zum Arbeitsamt zurückgeschickt, weil die politische Situation unsicher ist und wir es nicht verantworten können, derzeit neue Mitarbeiter einzustellen.

Es gibt viele Menschen, die Bürgersolarkraftwerke planen. Wir wissen – –

Herr Kollege Lichdi, darf ich Sie an unser Thema erinnern: Regionale Arbeitsvermittlung wird gestärkt!

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Präsident, mit Verlaub, das gehört zum Thema. Es gehört dazu zu sagen, was die Kommunen, wenn sie entweder optieren oder wenn sie in der ARGE zusammenarbeiten, in der nächsten Zeit zu tun haben. Ich halte es schon für wichtig, in dieser Debatte auf die verfehlte Politik der Staatsregierung hinzuweisen, zumal sich der Ministerpräsident hier an die Brust klopft und sagt: Wir haben alles richtig gemacht.

Ich bitte Sie, Herr Präsident, dies zu respektieren.

Meine Damen und Herren! Es ist so, dass der Freistaat Sachsen in der letzten Woche bei der Bundesratsentscheidung über die Zusatzabsenkung zur Fotovoltaikindustrie als einziges Land neben Nordrhein-Westfalen der einmütigen Bundesratsempfehlung nicht zugestimmt hat. Warum eigentlich? Schauen wir uns die beiden Länder

Nordrhein-Westfalen und Sachsen an: Es sind die Braunkohleländer.

Hier wird deutlich, welches Spiel diese Koalition in Sachsen spielt. Man geriert sich als Wahrer der Langzeitarbeitslosen, als Beschützer der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, tatsächlich, in Wirklichkeit ist man gerade dabei, eine der erfolgreichsten Industriezweige in Sachsen der fossilen Braunkohlenideologie zu opfern.

Meine Damen und Herren! Auch wenn Sie, Herr Tillich, es geschafft haben, dies vor der Öffentlichkeit zu verheimlichen, werden wir weiterhin darauf hinweisen und Ihnen das nicht durchgehen lassen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, Herr Ministerpräsident!

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Die NPD-Fraktion hat die fünf zusätzlichen Minuten Redezeit beantragt. Der Abg. Schimmer wird sie wahrnehmen.

Meine Damen und Herren! Mir geht es mit dieser Selbstbeweihräucherung doch zu weit, denn unseres Erachtens besteht das Durcheinander weiterhin. Es ist so, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsagenturen und der Kommunen in einer Doppelstruktur bei unterschiedlichen Tarifverträgen weiterhin nebeneinander arbeiten müssen. Insofern ist dieser Jobcenterkompromiss nicht so gut, wie er hier dargestellt wird. Aber ich bin mir ganz sicher: Die Deutschen fallen auf Ihre Täuschungsmanöver nicht herein.

Nach einer neuen Umfrage hat eine Mehrheit der Bundesbürger sehr wohl Verständnis dafür, dass Langzeitarbeitslose, die in Hartz IV sind, wenig Anreize haben, eine geringfügig bezahlte Beschäftigung anzunehmen. Ebenso sagt eine Mehrheit der Bundesbürger, dass die Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze, die das Bundesverfassungsgericht angeordnet hat, gerechtfertigt ist. Eine Mehrheit der Bundesbürger sagt auch, dass die zu geringe Differenz zwischen Geringverdienenden und Hartz-IVBeziehern dadurch ausgeglichen werden soll, dass in Deutschland endlich Mindestlöhne eingeführt werden sollen. Das ist genau die Position der NPD.

Deswegen bleiben wir bei unserer Haltung: Hartz IV ist nur eine kosmetische Symptombehandlung, Hartz IV muss weg! Es konnte weder, wie angestrebt, die Arbeitslosigkeit halbiert werden, noch hat man es geschafft, das Ziel zu erreichen, den Verwaltungsaufwand spürbar zu reduzieren. Aber erst wenn sich Erfolge einstellen, kann man sich selbst loben. Das heute schon zu tun war völlig daneben.

(Beifall bei der NPD)

Das war der Abg. Schimmer für die NPD-Fraktion. – Gibt es jetzt weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Ich kann keinen weite

ren Redebedarf feststellen. Damit ist die 1. Aktuelle Debatte abgeschlossen.

Ich rufe auf

2. Aktuelle Debatte

DIW-Zahlen zwingen zum Handeln – drohende Altersarmut in Sachsen verhindern