Herr Dr. Pellmann, eine Kurzintervention ist nach meinem Kenntnisstand nur nach Debattenbeiträgen möglich, nicht jedoch nach einem Schlusswort. Das tut mir leid.
Meine Damen und Herren! Ich stelle nun den Antrag in der Drucksache 5/2339 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit ist der Antrag in der Drucksache 5/2339 einstimmig beschlossen worden.
Herr Dr. Pellmann, Sie möchten sicherlich eine Erklärung zu Ihrem Abstimmungsverhalten abgeben. Das könnten Sie.
Schönen Dank, Herr Präsident! Ich möchte mein Abstimmungsverhalten erklären. Ich habe dem Antrag zugestimmt, weil ich der Auffassung bin, dass wir auf diesem Gebiet durchaus vorankommen müssen und dass der Antrag vielleicht doch ein kleines Signal sein könnte. Ich habe auch zugestimmt, obwohl ich bis zur jetzigen Stunde nicht weiß: Kommt ein Bericht – die Staatsregierung ist schließlich aufgefordert zu berichten – oder kommt keiner? Ich hätte mir schon gewünscht, dass die Antragstellerinnen deutlicher ausgewiesen hätten, was sie unter „Bericht“ verstehen. Ich habe keinen Bericht gehört, aber trotzdem zugestimmt.
Drucksache 5/1948, Antrag der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mit Stellungnahme der Staatsregierung
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: DIE LINKE, GRÜNE, SPD, CDU, FDP, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht.
Ich erteile zuerst den einreichenden Fraktionen das Wort. Herr Prof. Besier, Sie haben für die Fraktion DIE LINKE die Möglichkeit, den Antrag einzubringen.
Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das nationale Stipendienprogramm hat von ganz verschiedener Seite heftigen Widerspruch erfahren. Die zu vergebenden Stipendien sollen je zu einem Viertel von Bund und Land und zur Hälfte aus privaten Mitteln getragen werden. Der private Anteil soll von den Hochschulen bei Unternehmen, Stiftungen, Vereinen und Privatpersonen eingeworben werden.
Es ist nicht nur auf das regionale Ungleichgewicht beim Einwerben des privaten Anteils hingewiesen worden, sondern auch auf den ungeheuren Verwaltungsaufwand, der auf die Hochschulen – besonders in wirtschaftsschwachen Regionen – zukommt.
Heike Schmoll kommentierte in der „FAZ“ – das ist gewiss keine Zeitung, die der Linken nahesteht –: „Wie ohnehin unterfinanzierte Hochschulen mit einer überlasteten Verwaltung das schaffen sollen, steht nicht im Nationalen Stipendiengesetz.“
Schmoll weiter: „Aus Nordrhein-Westfalen, wo seit einem knappen Jahr Landesstipendien vergeben werden, ist der Aufwand bekannt.“
Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass seit vier, fünf Jahren ohnehin der Verwaltungsaufwand an unseren Universitäten derart zugenommen hat, dass selbst an einem kleinen Lehrstuhl eine Sekretärin die Hälfte ihrer Zeit nur damit zubringt, irgendwelche Leistungsbilanzen für ihren Lehrstuhl zu erstellen.
Wie will man mit diesem Stipendienprogramm finanzielle Hindernisse für die Aufnahme eines Studiums abbauen und Anreize für Spitzenleistungen schaffen? Wem ist damit gedient, wenn 8 bis 10 % der Studierenden 300 Euro mehr erhalten?
Die 19. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes über die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik hat deutlich gemacht, dass die geplanten Verbesserungen der Studienfinanzierung weder ausreichen noch bedarfsdeckend angelegt sind. Zwei von drei Studierenden müssen neben ihrem Studium regelmäßig für ihren Lebensunterhalt jobben – im Durchschnitt 13,5 Stunden pro Woche. Angesichts der erhöhten Studienbelastung durch die Bachelor- und Masterstudiengänge ist darauf hinzuarbeiten, dass sich die Studierenden ohne finanzielle Sorgen ganz ihrem Studium widmen können. Ich will nicht noch einmal die Probleme aufführen – wir haben sie an anderer Stelle schon erörtert –, die entstehen, wenn Studierende nur mit geteilter Aufmerksamkeit studieren können.
Der Monatsbedarf eines Studierenden liegt im östlichen Deutschland bei mindestens 722 Euro. Das ist nicht viel; das wissen Sie zum Teil von Ihren eigenen Kindern. Bisher bringen zu 48 % die Eltern diesen Betrag auf. 26 % bringt das Jobben ein. Das BAföG deckt bisher nur 15 % des Bedarfs ab. Die Bedarfssätze bei der Ausbildungsförderung BAföG um 2 % und die Freibeträge um 3 % anzuheben bedeutet angesichts dieser Zahlen einen Tropfen auf den heißen Stein.
Die Vorschläge der demokratischen Oppositionsfraktionen gehen dahin, zunächst einmal eine BAföGAusweitung vorzunehmen, die in der Breite den Finanzbedarf für Studierende redlich abdeckt, und dafür auch die Gelder des nationalen Stipendienprogramms, soweit sie staatlicherseits dafür verwendet werden sollen, vorzusehen.
Dieser Vorschlag stützt sich unter anderem auf eine Untersuchung des Hochschulinformationssystems, wonach „zwei Drittel der von den Begabtenförderungswerken geförderten Studierenden aus Akademikerfamilien“ stammen. Dass auch das nationale Stipendienprogramm vor allem jenen bildungsnahen Schichten, also Studierenden aus finanziell gut ausgestatteten Akademikerelternhäusern, zugute kommen wird, hat sogar der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft kritisiert – die wissenschaftspolitische Lobby von rund 3 000 deutschen Unternehmerverbänden, Stiftungen und Privatpersonen – so die „taz“ vom 22.01.2010.
Selbst die Wirtschaft hält das geplante Stiftungsmodell für unsozial. Das ist kein Wunder: Die möglichen Ressourcen aus den Akademikerschichten sind erschöpft und da wir mehr Studierende, mehr Hochschulabsolventen brauchen, müssen wir in der Tat sehen, wie wir Arbeiterkinder näher zum Studium führen. Nahezu 4 000 Stipendiaten der „Studienstiftung des deutschen Volkes“ haben eine Petition eingereicht, wonach sie nicht in den Genuss eines höheren Büchergeldes durch das Stipendienprogramm kommen wollen. Ihre Begründung lautet: Andere benötigten das Geld dringender. Sie wollten das Geld in einen Fonds einzahlen, der bedürftigen Kommilitoninnen und Kommilitonen zugute kommen soll.
Bei dem nationalen Stipendienprogramm handelt es sich um ein Renommierprojekt der Bundesregierung. Ich verstehe, dass so etwas gelegentlich nötig ist, mit dem man dann die „Bildungsrepublik Deutschland“ auf den Weg bringen will. Man will schnelle und sichtbare Effekte haben. Doch solange die grundlegende Ausbildungsförderung nicht gewährleistet ist, lässt sich ein solches Prospekt, meine ich, nicht verantworten. Zuerst einmal geht es um die Sicherung der breiten Ausbildungsförderung, um eine Entlastung der Eltern und eine Ermutigung jener, die aus bildungsfernen Elternhäusern ein Studium aufnehmen, ohne sich um die Finanzierung groß sorgen zu müssen. Großartig wäre eine elternunabhängige Förderung, die den jungen Menschen die nötige Selbstständigkeit gibt. Wenn all das erreicht ist, können wir über ein nationales Stipendienprogramm nachdenken, das besonders leistungsstarke Studierende belohnt.
Ich bin überhaupt nicht gegen die Belohnung von Leistungsstarken. Aber das kann nur der zweite Schritt sein, es ist gewissermaßen das Sahnehäubchen obendrauf. Zuerst einmal geht es um die Schaffung einer sozial gerechten, verlässlichen und leistungsfähigen Studienfinanzierung für alle Studierenden. Nur diese Reihenfolge ist sinnvoll, keine halbherzigen Parallelverfahren, die voraussichtlich die ohnehin schon Privilegierten noch einmal belohnen würden. Darum können wir diesem nationalen Stipendienprogramm nicht zustimmen und bitten darum, sich im Bundesrat entsprechend zu verhalten.
Ich danke Ihnen, Herr Prof. Besier, für die Einbringung des Antrages und bitte nun die Fraktion GRÜNE um ihren Redebeitrag. Herr Dr. Gerstenberg, bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als der Sächsische Landtag 2008 einen FDP-Antrag zur Einführung eines leistungsorientierten Stipendiensystems diskutierte, war es Adventszeit. Ich war milde gestimmt und hatte die leise Hoffnung, dass wir uns nie wieder mit diesem Thema beschäftigen müssen. So einhellig war nämlich die Einschätzung der damaligen Koalitions- wie Oppositionsfraktionen, dass diese Idee an einer völlig falschen Stelle des großen Problems der Studienfinanzierung ansetzt.
In der Zwischenzeit hat eine Bundestagswahl stattgefunden, nach der die FDP diese Idee des nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministers Andreas Pinkwart durch das Gesetz zur Einführung eines nationalen Stipendienprogramms auf die Tagesordnung setzen konnte. Als wir den vorliegenden Antrag gemeinsam mit der Linksfraktion auf den Weg gebracht haben, hatte ich nur eine kleine Hoffnung, dass dieses Vorhaben noch gestoppt werden könnte.
Seit den NRW-Wahlen am 9. Mai 2010 ist diese leise, diese kleine Hoffnung ein kleines Stück gewachsen. Die schwarz-gelbe Koalition des Herrn Pinkwart hat den Geist aufgegeben. Nur das Stipendienprogramm versucht noch als Untoter uns den Lebenssaft abzusaugen. Ich will mich dennoch nicht auf der Aussicht einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat ausruhen. Es gibt gute Gründe für uns hier im Freistaat, diesem Gesetz nicht zuzustimmen und im Gegenzug eine stärkere Erhöhung des BAföG anzustreben. Es gibt zwei zentrale Argumente, die gegen das Stipendiengesetz sprechen: erstens mangelnde Gerechtigkeit und zweitens unzureichende Praktikabilität.
Zunächst zur Gerechtigkeit: Stipendien haben zweifellos einen berechtigten Platz im bundesdeutschen System der Studien- und vor allem der Promotionsfinanzierung. Die gezielte Vergabe von Stipendien für Promovierende halten wir für sinnvoll und notwendig, wie unsere Forderung nach Verbesserung der sächsischen Graduiertenförderung immer wieder gezeigt hat.
Bei Stipendien geht es aber nicht nur um den finanziellen Aspekt. Stipendiengeber und Stipendiennehmer vereint wesentlich mehr als die zeitlich begrenzte Förderung. Stipendienprogramme sind in der Regel verbunden mit einer intensiven wertorientierten Bindung, angefangen von der Auswahl bis hin zu Stipendiaten, Seminaren usw. Hier liegen Vor- und Nachteile dicht beieinander. Es sind vor allem Studierende aus bildungsnahen und einkommensstarken Schichten, die die notwendige hervorragende Studienleistung mitbringen sowie das gesellschaftliche und politische Engagement zeigen, die die Stipendiatenwerke alle einfordern.
Soziologische Untersuchungen weisen nach, dass die meisten Stipendiatenwerke diese Abhängigkeit von der Herkunft nicht ausgleichen, sondern teilweise noch verstärken. Ein Ziel der Reform des Stipendienwesens wäre es also, aus Gerechtigkeitsgründen dafür zu sorgen, dass gerade die Benachteiligten aus bildungsfernen Schichten, nämlich Frauen, Migranten und Menschen mit Behinderungen, in den Genuss der finanziellen Unterstützung kommen sowie Zugang zu den entsprechenden Netzwerken der Stipendienwerke erhalten. Statt wenigstens an dieser Stelle einen Ausgleich zu schaffen, verweist der Gesetzentwurf der Bundesregierung die Aufgabe an die Länder und Hochschulen.
Die soziale Selektion, wie sie in vielen Begabtenförderwerken stattfindet, soll sich nun im Stipendienprogramm fortsetzen.
Meine Damen und Herren von der FDP, ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht: Die Ergebnisse der Bildungsforschung sind eindeutig. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden diejenigen Studierenden solche Stipendien erhalten, die sie nicht unmittelbar brauchen. Das nationale Stipendienprogramm ist offenbar nach dem MatthäusPrinzip angelegt: Wer hat, dem wird gegeben.
Die Behauptung von CDU und FDP, mit dem Stipendienprogramm eine Leistungskompetenz in der Studienfinan
zierung zu verankern, ist dabei eine bloße Chimäre. Studienerfolg hängt wesentlich von Herkunft, Studienbedingungen und der eigenen Motivation ab. Aber niemand wird intelligenter, weil am Horizont die vage Aussicht auf 300 Euro im Monat winkt. Wenn das Tillich-Unwort „Geld macht nicht automatisch klüger“ irgendwo zutrifft, dann bei diesem nationalen Stipendienprogramm.
Hinzu kommt noch ein Gerechtigkeitsproblem für das Wissenschaftssystem selbst, was sich in der Umsetzung bereits in Nordrhein-Westfalen gezeigt hat. Die Stipendien sollen zur Hälfte durch die Wirtschaft finanziert werden. Studierende aus Fächern, die für Unternehmen nicht interessant sind, also „ökonomisch nutzlose“ Geisteswissenschaftler, Orchideenfächler und andere, fallen glatt durch den Rost. Deutlicher kann man die negative Tendenz zur Vermarktlichung der Hochschulen nicht verstärken.
Ebenso benachteiligt sind Hochschulen eines schwächeren ökonomischen Umfeldes. Wir haben ohnehin einen Trend zur Zweiklassenwissenschaft, in der die Universitäten in Aachen, Karlsruhe und München den Ton angeben. Das Stipendienprogramm würde dieses Auseinanderdriften noch verstärken. Man muss wahrlich kein Prophet sein, um hier gerade für die sächsischen und die anderen ostdeutschen Hochschulen verhängnisvolle Folgen zu erkennen.
Ich will auf das zweite Argument noch eingehen, das gegen das nationale Stipendienprogramm spricht: die Praktikabilität. Das gesamte Programm ist mit 300 Millionen Euro ausgestattet. Der Freistaat Sachsen müsste dabei 7,2 Millionen Euro aus seinem Haushalt finanzieren. Finanzminister Unland kann sich jedoch freuen. Die Chancen stehen gut, dass er dieses Geld nicht ausgeben muss. Wenn man nämlich die Summen auf die einzelnen Hochschulen herunterrechnet, wird klar, welche unlösbare Aufgabe auf die Hochschulen wartet. Eine kleine Fachhochschule wie Zittau oder Görlitz müsste für 200 Stipendiaten 300 000 Euro bei der Wirtschaft einwerben. Die größte Hochschule, die TU Dresden, müsste knappe 5 Millionen Euro einwerben, um 1 500 Stipendiaten aus diesem Programm zu erreichen. Selbst für die TU Dresden mit etlichen Stiftungsprofessuren sicher ein Vorreiter beim Fundraising, liegen solche Summen außerhalb jedes Vorstellungsvermögens.
Der Rektor der HTWK Leipzig, Prof. Dr. Milke, ein Praktiker und Pragmatiker durch und durch, hat deshalb zu Recht und stellvertretend für andere sächsische Rektoren die Zielstellungen des Stipendienprogramms als das bezeichnet, was sie sind: nämlich völlig illusorisch.
Die Erfahrung aus NRW hat gezeigt, dass schon die Einwerbung von wenigen Stipendien für die Hochschulen ein enormer Kraftakt ist. Aber wir müssen gar nicht nach NRW schauen, um zu verstehen, dass das nationale Stipendienprogramm mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Fehlschlag wird.