Protokoll der Sitzung vom 02.09.2010

(Beifall bei der CDU – Andreas Storr, NPD: Um einen Niedriglohnsektor auszuweiten!)

Lassen Sie mich noch einmal kurz auf das Thema Ausbildung eingehen. Die Zahlen aus dem Ausbildungsmarkt sind ja bereits angesprochen worden, sodass ich sie jetzt nicht zu wiederholen brauche. Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, wie es im Bereich der Jüngsten aussieht, im Bereich der unter 20-Jährigen: Hier gibt es eine Abnahme der Arbeitslosen um nahezu 30 %. Das ist eine ganz erfreuliche Nachricht für die jungen Menschen hier im Freistaat Sachsen: dass wir 30 % weniger junge Menschen unter 20 Jahren haben, die im Vergleich zum letzten Jahr arbeitslos sind.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Insbesondere ist es ein großes Verdienst der Unternehmer im Freistaat Sachsen, dass sie sich auch den Altbewerbern zugewandt haben. Die Zahl der Altbewerber, also derjenigen, die schon im letzten Jahr einen Ausbildungsplatz gesucht haben, ist um über 26 % gesunken. Auch das ist eine sehr positive Nachricht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden uns natürlich in den nächsten Jahren der Frage der Organisation der Ausbildung zuwenden müssen. Bereits angesprochen worden ist das duale System. Wir als Staatsregierung setzen ganz klar auf das duale System, auf das Nebeneinander zwischen Berufsschule und betrieblicher Unterwei

sung. Das wird zur Folge haben, dass wir insbesondere die außerbetriebliche Ausbildung, nicht die überbetriebliche Ausbildung, deutlich zurückfahren. Das Überbetriebliche macht durchaus einen Sinn, wenn sich Unternehmen zusammenschließen, die selbst nicht die Möglichkeiten haben, um auszubilden. Das kann man auch weiter unterstützen. Aber bei der außerbetrieblichen Ausbildung werden wir wohl reduzieren müssen.

Wenn Sie sich die wirtschaftliche Entwicklung im Freistaat Sachsen anschauen, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehe ich davon aus, dass die Entwicklung auch weiterhin positiv sein wird mit der Einschränkung, die auch Prof. Unland zu Recht hinsichtlich der möglichen Risiken im konjunkturellen Bereich gemacht hat.

Wir hatten im letzten Jahr beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf einen Rückgang um 3,1 %. Auf Bundesebene waren es 4,4 %. Für 2010 gehen wir davon aus, dass wir im Freistaat Sachsen pro Kopf eine Steigerung um 2,6 %, auf Bundesebene um 2,4 % haben werden. Zwei Jahre hintereinander lagen wir bei der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes pro Kopf besser als der bundesdeutsche Durchschnitt. Das zeigt, dass wir aufholen.

Schauen Sie sich Frühindikatoren wie den IfoGeschäftsklimaindex an. Diese entwickeln sich im Freistaat Sachsen deutlich positiver als auf der bundesdeut

schen Ebene. Wenn Sie in das verarbeitende Gewerbe hineinschauen, stellen Sie fest, dass auch dort die Auftragseingänge und die Umsätze in Sachsen deutlich stärker steigen als im bundesdeutschen Durchschnitt.

Sehr erfreulich ist, weil wir heute über den Arbeitsmarkt sprechen, dass auch die Beschäftigtenzahl im verarbeitenden Gewerbe im Freistaat Sachsen steigt – und das, während sie im bundesdeutschen Durchschnitt stagniert. Das zeigt, dass unsere Unternehmen hier im Freistaat Sachsen etwas leisten und aufholen. Genau das ist es, was wir erreichen wollen. Deswegen, sehr geehrte Damen und Herren, setzen die Wirtschaftspolitik und die Arbeitsmarktpolitik der Staatsregierung darauf, dass diese Unternehmen, die diese Erfolge im letzten Jahr und insgesamt nach der Wende hervorgebracht haben, in ihrer Entwicklung weiter unterstützt werden, weil wir wissen, zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen sächsische Unternehmen, und deswegen bedürfen sie unserer Unterstützung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Meine Damen und Herren, der erste Teil der Aktuellen Stunde ist beendet. Ich rufe auf die

2. Aktuelle Debatte

Sachsens kulturelles Erbe erhalten – Denkmalschutz stärken

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ich gebe die Reihenfolge und die noch zur Verfügung stehenden Redezeiten bekannt: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10:22, CDU 19:24, DIE LINKE 11:08, SPD 04:32, FDP 03:37, NPD 05:13 und die Staatsregierung 07:56 Minuten.

Wir beginnen mit der Debatte. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abg. Dr. Gerstenberg; Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sachsen kann stolz sein – stolz auf den Reichtum an Denkmalen, der einen großen Teil unseres kulturellen Erbes ausmacht und für den wir im In- und Ausland bewundert werden.

Es sind diese Kulturdenkmale, die Identität im Lande stiften, die auch eine starke Anziehungskraft auf Touristen ausüben, die darüber hinaus aber nicht zuletzt ein Wirtschaftsfaktor sind. Es sind Tausende Handwerker, Architekten, Beschäftigte in Bauunternehmen, Restauratoren, die einen wichtigen Teil des Bauwirtschaftsgewerbes ausmachen.

Sachsen kann auch stolz sein auf seine Rolle in der Geschichte des Denkmalschutzes. Diese reicht nämlich von den ersten bürgerlichen Vereinen in der ersten Hälfte

des 19. Jahrhunderts über die Gründung des Landesamtes 1919 bis in die Gegenwart mit einem vorbildlichen Denkmalschutzgesetz.

Denkmalschutz hat in diesem Lande stets auch die Menschen bewegt. Wer sich 20 Jahre zurückerinnert, der wird wissen, dass es damals auch der Verfall der historischen Innenstädte war – hervorgerufen durch Misswirtschaft und ideologische Borniertheit –, der die Menschen 1989 auf die Straße getrieben hat.

(Beifall der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE, und vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Bandmann hat es einmal sehr anschaulich hier in diesem Hause für Görlitz geschildert.

Durch diese Geschichte und diese Wertschätzung ist es auch erklärbar, dass in der Sächsischen Verfassung im Rahmen einer Staatszielbestimmung Denkmale unter Schutz und Pflege des Landes gestellt werden.

Auch das Denkmalschutzgesetz im Jahre 1993 wurde einstimmig verabschiedet – ein Gesetz, das als innovativ eingeschätzt wird und bis heute international anerkannt ist.

Vor diesem Hintergrund ist es mir völlig unverständlich, dass das SMI offensichtlich entschlossen ist, diese Erfolgsgeschichte zu beenden und zum Frontalangriff auf die Denkmalpflege in Sachsen zu blasen. Der Arbeitsentwurf des SMI, der in diesem Jahr bekannt geworden ist, besteht aus zusammengestoppelten Regelungen, die nur einem Ziel zu dienen scheinen: den sächsischen Denkmalschutz auszuhöhlen.

Die Proteste und die, mit Verlaub gesagt, vernichtenden Stellungnahmen, die aus der Fachwelt gekommen sind, sind nach meiner Einschätzung beispiellos für einen Gesetzentwurf, auch in einer Arbeitsphase.

Herr Ulbig, ich glaube, es ist nicht einfach für Sie in dieser Situation, aber darin steckt auch eine Chance; nämlich die Chance, in dieser Arbeitsphase umzudenken und umzusteuern.

Ich möchte aus dieser Arbeitsfassung nur einen Punkt aufführen, der die heißesten Diskussionen erzeugt hat: die Einführung eines Zweiklassensystems – ein System, das unwissenschaftlich und sachfremd ist. Es gibt einen fachlichen Konsens. Die Gesamtheit der Denkmale macht den Wert einer Denkmallandschaft aus. Zu dieser Gesamtheit gehören nicht nur die Highlights, die als „hervorragend“ eingestuft werden, wie der Dresdner Zwinger oder das Residenzschloss; zu dieser Gesamtheit gehören auch die Umgebindelandschaft in der Lausitz, die Industriehalle im Erzgebirge und das Leipziger Gründerzeithaus.

Noch gravierender als diese Klassifikation ist aber, dass für Denkmale zweiter Klasse nur noch Schutz vor Abbruch und ein eingeschränkter Fassadenschutz geschaffen werden soll. Die Folge wäre die Möglichkeit eines ungeschützten Entkernens von Kulturdenkmalen; Grundrisse und Raumfluchten ständen ebenso zur Disposition wie Wandmalereien, Holzbalkendecken, Fußböden – und das geht zurück bis zum Barock und zur Renaissance.

Meine Damen und Herren, mit diesem Ansatz in diesem Arbeitsentwurf wird eine Abkehr vom Grundprinzip des Denkmalschutzes vollzogen. Denkmalschutz gilt der Substanz und nicht nur dem Erscheinungsbild. Letztendlich geht es hier um den Zeugniswert von 80 bis 90 % der Denkmale in Sachsen, die der Vernichtung anheimgestellt würden.

(Zuruf von der CDU)

Herr Staatsminister Ulbig, in den „DNN“ haben Sie das mit dem Ziel begründet, Sachsen für die Zukunft fit zu machen. Ich glaube, Sie irren. Ein Land, das seine Vergangenheit zerstört, wird auch seine Zukunft verlieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Dr. Eva-Maria Stange, SPD – Zuruf von der NPD)

Die Kulturdenkmale sind unser gebautes kulturelles Gedächtnis. Die Verluste, die hier einträten, wären Gedächtnislücken, die nicht wieder ausgleichbar wären. Zur Disposition steht hier der Wert des Originals – dieser ist

auch nicht durch historisierende Fassaden an Neubauten ersetzbar.

Ich sage deshalb angesichts der Größe dieser Verantwortung und der Einmaligkeit, um die es geht, noch einen Satz an die FDP, die ich in dieser Angelegenheit als treibende Kraft identifiziert habe: Sie sind gewählt worden, Sie haben alles Recht zu regieren – aber Sie sollten dies mit Augenmaß tun. Wer durch die Gunst der Wählerinnen und Wähler einmal für fünf Jahre an die Macht gespült wurde, der hat keinesfalls das Recht, jahrhundertealte Baudenkmale unwiederbringlich zu vernichten.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion, der SPD und der NPD)

Das war Herr Dr. Gerstenberg für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. – Für die CDU-Fraktion Herr Prof. Dr. Schneider, bitte; Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Gerstenberg, Sachsen kann stolz sein. Wir sind stolz auf unser Land.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir haben ein Land mit einem überaus großen Schatz, mit kulturellem Erbe ersten Ranges. Wir haben – Sie haben es angedeutet – flächendeckend historische Bauten, die Zeugnis über die Lebensweise unserer Vorfahren abgeben. Sie sind für unsere heutige Lebensqualität prägend. Ich nenne Beispiele von den großen Städten mit Gründerzeitbauten. Ich nenne liebevoll sanierte Wassermühlen in unseren schönen Tälern, ich nenne viele aufwendig sanierte historische Stadtkerne – denken Sie ans Erzgebirge, zum Beispiel an die Städte Olbernhau, Zschopau, Schwarzenberg oder nicht zuletzt Annaberg-Buchholz.

Meine Damen und Herren, zwei Gedanken: Viele Orte in Sachsen hatten das Glück – man muss darauf gerade heute, zu einer Zeit in Freiheit und Wohlstand, zu sprechen kommen –, dass den SED-Kadern seinerzeit das Geld gefehlt hat, um viele historische Ensembles beiseite zu räumen. Ich muss schon sagen, Herr Külow, wenn ich Ihre Pressearbeit der letzten Wochen zu diesem Thema Denkmalschutz verfolgt habe: Ihre Brüder im Geiste sind unter anderem für die Sprengung der Paulinerkirche verantwortlich. Wenn Sie sich heute sozusagen als Retter des Denkmalschutzes aufspielen, dann ist das hanebüchen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ein zweiter Gedanke: In den vergangenen 20 Jahren haben es die Eigentümer in ihrer Verantwortung für Eigentum und in Freiheit mit viel Liebe, mit viel Mühe in mühevoller Kleinarbeit geschafft, einen Großteil unserer Denkmallandschaft wiedererstehen zu lassen, für unsere Nachkommen zu erhalten und uns heute restauriert in wunderbarer Weise vorzustellen. Das ist Einsatz von Eigentümern, das ist Einsatz von vielen kommunalen, von

vielen ehrenamtlichen Kräften, und denen kann man nicht genug danken, meine Damen und Herren.

(Volker Bandmann, CDU: … und vielen Spendern! – Beifall des Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU)

… und vielen Spendern –, Herr Kollege Bandmann, ich danke sehr für die Ergänzung.