Protokoll der Sitzung vom 02.09.2010

Nächstes Stichwort sind die Kommunalfinanzen. Im Finanzausgleichsgesetz werden bekanntlich allein schon ein Sechstel des Staatshaushaltes gebunden. Umso unverständlicher ist es, dass das Parlament bei der Festlegung der Ansätze nur Zaungast ist. Die seit Jahren geübte Praxis des so genannten FAG-Kompromisses fand auch in diesem Jahr statt. Dabei spielen Finanzminister und kommunale Spitzenverbände Haushaltsgesetzgeber und klopfen die Mittelansätze fest. Erkauft wurde dieses Ergebnis mit einer drastischen Abschmelzung der investiven Mittel. Die Folgen sind absehbar. Die Kommunen müssen faktisch aufhören zu investieren. Ihre Investitionskraft schrumpft im Jahr 2011 um 67 %. Berücksichtigt man die bis 2010 zur Verfügung stehenden Konjunkturmittel, dann ist sogar ein Einbruch von 82 % zu konstatieren. Für die Fraktion DIE LINKE steht fest, dass die investive Seite der Kommunalhaushalte gestärkt werden muss. Wir halten eine zusätzliche Investitionspauschale von jährlich mindestens 75 Millionen Euro für erforderlich.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Gern hätte ich auch etwas zum vorgesehenen Etat des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit gesagt, aber der ist genauso indiskutabel wie der amtierende Minister. Von wirklicher Arbeitsmarktpolitik ist nichts zu erkennen, denn diese kann sich ja wohl nicht nur auf die verstärkte Förderung der Meisterausbildung beschränken. Was wir brauchen, ist ein sächsisches Beschäftigungsprogramm. Davon ist im Haushalt aber nichts zu finden.

Wie wichtig den Koalitionären von CDU und FDP die Themen Umwelt und Landwirtschaft entgegen den vollmundigen Sonntagsreden wirklich sind, zeigt ein Blick in die jeweiligen Einzelpläne. Die dafür zur Verfügung stehenden Mittel gehen um sage und schreibe 31,3 Millionen Euro zurück. Lediglich bei der institutionellen Förderung von der CDU nahestehenden Vereinen und Verbänden wird nicht gekürzt, während die anerkannten Naturschutz- und Umweltverbände nach wie vor um jeden einzelnen Euro Projektmittel kämpfen müssen. Auch hier sind dringend Korrekturen erforderlich.

CDU- und FDP-Fraktion behaupten immer wieder, für all das sei kein Geld da. Wir als Linke sehen das deutlich anders, denn im Gegensatz zur Koalition wollen wir die Einnahmenseite stärken, sehen durchaus Umschich

tungsmöglichkeiten im Haushalt und tragen das Motto „Nettoneuverschuldung Null“ nicht wie eine Monstranz vor uns her. Herr Ministerpräsident, fragen Sie doch einmal junge Familien in Ihrer Nachbarschaft, die in den letzten Jahren für sich und ihre Kinder ein Häuschen gebaut oder gekauft haben. Hätten sich diese Menschen an den Grundsatz Ihrer Haushaltspolitik gehalten, keine Investitionen auf Pump zu tätigen, dann würden weder sie selbst noch ihre Kinder jemals in einem eigenen Heim wohnen. Hätten sich die Menschen im zu Ende gehenden Jahr sämtlichen Konsums enthalten und deshalb beispielsweise Autos und Möbel nicht gekauft, wären viele sächsische Betriebe nicht einmal mit Kurzarbeit über Wasser gehalten worden; sie wären mangels Nachfrage schlicht pleitegegangen.

CDU- und FDP-Fraktion kürzen ohne Sinn und Verstand bei den Investitionen, bei den Kommunen und bei der sozialen Infrastruktur. Bisweilen drängt sich der Eindruck auf, sie wollten den Aufbau Ost seit Ende der DDR wieder zurückabwickeln. Das alles nur, damit das Land ja keinen Cent Kredit aufnimmt, während die Kreise, die Städte und die Gemeinden genötigt werden, sich immer stärker zu verschulden. Herr Tillich, wir wollen es mal klar sagen: Sie lassen Gemeinde- und Kreisräte, Bürgermeister und Landräte die Drecksarbeit machen. Genau das kritisieren wir.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Seit 1990 sind Hunderttausende überwiegend junge Leute aus Sachsen weggezogen. Wir sind heute das Land mit dem höchsten Altersdurchschnitt in ganz Deutschland. Kurt Biedenkopf hat immer wieder auf den Zusammenhang zwischen Jugend und Innovationskraft hingewiesen. Ideen und neue Impulse kommen vor allem mit neuen Generationen.

Wer wie Sachsens Wirtschaftsminister Morlok allen Ernstes davon spricht, dass Sachsen, das im Moment gerade gut die Hälfte seiner Einnahmen selbst erwirtschaftet, innerhalb eines Jahrzehnts zum Geberland im Länderfinanzausgleich werden soll, der muss erst einmal sagen, wie er die Jugend im Land halten oder wieder zurückholen will.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Denn ohne diese Jugend, Herr Morlok, wird unser Land leider nicht einmal ansatzweise in der Lage sein, irgendwann in einer Liga mit Bayern und Hessen zu spielen.

Diese Regierung hat den Lehrernachwuchs vergrault, streicht Jugendprojekten die finanzielle Existenzgrundlage und sieht zu, wie fast die Hälfte der Uni-Absolventen Sachsen wieder verlässt. Sachsen ist die verlängerte Werkbank für Zulieferer, aber eben nicht der Magnet für gute Jobs im Hightechbereich. Mit Qimonda, Herr Morlok, ließ der Freistaat Sachsen erst im letzten Jahr den größten Arbeitgeber der Landeshauptstadt am ausgestreckten Arm verhungern – und mit ihm 3 000 HightechArbeitsplätze.

(Zurufe von der CDU)

So wie Sie jetzt aus Prinzipienreiterei rufen: „Keine Nettokreditaufnahme“, und sogar noch in Krisenzeiten tilgen –, riefen Sie damals: „Keine Staatsbeteiligung!“ Statt zu handeln, pflegen Sie Ihre Dogmen, Herr Morlok und Herr Tillich. Doch das kommt nicht an, schon gar nicht bei den jungen Leuten. Nach jüngsten Umfragen, die Sie auch kennen, wollen in Thüringen deutlich weniger Menschen auswandern als in Sachsen. Sie sollten einmal darüber nachdenken, warum Ihre Politik weniger zum Hierbleiben als zur Flucht ermuntert.

Wir als Linke sagen: Alternativen sind möglich. Es ist nicht alternativlos, durch Steuergeschenke an reiche Erben und Besserverdienende die Staatseinnahmen zu schmälern und dann die Projekte des sozialen Zusammenhalts zu schröpfen. Das aber ist schwarz-gelbe Regierungspolitik in Sachsen wie auch im Bund.

Ein Wort noch an die Kollegen der GRÜNEN: Als wir in früheren Jahren bei einem in Milliardengrößenordnungen besser ausgestatteten Finanzrahmen des Regierungshaushaltsentwurfs gesagt haben, dass wir den Rahmen akzeptieren, in diesem Rahmen aber andere Schwerpunkte setzen, wurden wir für diesen alternativen Haushaltsansatz von allen Seiten hier im Parlament kritisiert. Nun sagen wir: Der Schrumpfhaushalt bedroht das sächsische Gemeinwesen, und daher können wir diesen Haushalt nicht als Ausgangspunkt für alternative Berechnungen nehmen.

Aber was erleben wir, liebe Frau Kollegin Hermenau? Eine grüne Wundertüte, in der plötzlich ein Minus von 1,2 Milliarden Euro wie nichts geschluckt wird und in der man dennoch eine halbe Milliarde Euro schmerzfrei irgendwie hin- und herschieben kann.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Frau Hermenau, was Sie machen, ist Haushaltsesoterik,

(Beifall des Abg. Holger Zastrow, FDP)

die offenbar nur so erklärbar ist, dass auch Sie das Dogma „Nettokreditaufnahme Null“ beibehalten wollen, um sich als möglicher Ersatzkoalitionspartner für die CDU bereitzuhalten.

(Christian Piwarz, CDU: Haben Sie Angst?)

Das mag machtarithmetisch nachvollziehbar sein, nachhaltige alternative Politik sieht aber anders aus, Frau Hermenau.

(Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Wir als Linke stehen für eine solche nachhaltige alternative Politik, was man von der Staatsregierung nun wahrlich nicht behaupten kann.

Der vorgelegte Haushalt, um es zusammenzufassen, ist konzeptionslos, ideenlos und verantwortungslos. Wer aber konzeptionslos ist wie Herr Tillich, der sollte keiner Regierung vorstehen. Wer ideenlos ist wie CDU und FDP,

wird unser Land nicht voranbringen. Und wer verantwortungslos agiert und regiert, wird ganz sicher irgendwann ausgewechselt werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das war für die Fraktion DIE LINKE der Abg. Hahn. Jetzt spricht die CDUFraktion, vertreten durch Herrn Kollegen Flath.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich will zu Beginn meines Debattenbeitrages zunächst an die Sternstunde des sächsischen Parlaments am gestrigen Tag erinnern. Unser Bundespräsident Christian Wulff

(Ah-Rufe bei der Linksfraktion)

hat unsere Arbeit und im Übrigen die Arbeit aller Abgeordneten – ich betone noch einmal: aller Abgeordneten – hier im Hohen Haus gewürdigt.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Er hat uns für den Dienst an der Demokratie gedankt, und er hat, glaube ich, wörtlich gesagt: und das sieben Tage die Woche! Wann erlebt ein Abgeordneter schon einmal eine solche Anerkennung? Und das vom höchsten Mann unseres Landes!

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Er hat danach aber auch die Stärken Sachsens herausgestellt und gesagt, wie der Freistaat Sachsen nach außen erscheint. Er hat darauf hingewiesen, dass eine besondere Stärke der Sachsen darin besteht, dass Sachsen Bildungsland und dabei in einer Vorbildrolle ist. Er hat weiter darauf hingewiesen, dass Sachsen Forschungsland ist,

(Unruhe bei der Linksfraktion und der SPD)

und er hat darauf hingewiesen, dass andere Länder voller Bewunderung auf unsere solide Finanzpolitik blicken. So weit die Anerkennung des Bundespräsidenten für 20 Jahre politische Arbeit hier in Sachsen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Damit, meine Damen und Herren, sind wir beim Haushaltsentwurf. Ich danke der Staatsregierung, dem Ministerpräsidenten, aber auch allen Damen und Herren Ministern und besonders dem Finanzminister, dass sie uns den Entwurf pünktlich zur Beratung vorlegen. Er ist solide,

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das stimmt nun wirklich nicht!)

er ist verantwortungsbewusst, er ist generationengerecht,

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Nicht ganz korrekt!)

und er ist mutig.

Ich würde sagen, das sind eigentlich alles Selbstverständlichkeiten. Aber ein Blick in unsere Nachbarländer, ein

Blick über unsere Landesgrenzen hinaus zeigt, dass das alles heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr ist.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Deshalb Anerkennung der CDU-Fraktion; denn es war kein leichter Weg für die Regierung bis zu dieser 1. Lesung, und auch ein Kompliment an Sie, Herr Prof. Unland, wie Sie uns in Ihrer unnachahmlichen Art den Haushalt hier vorgestellt haben.

(Lachen bei der Linksfraktion)