Protokoll der Sitzung vom 03.11.2010

der die ehrenamtlichen Mitarbeiter so abhängig sind. Es werden Förderrichtlinien erarbeitet, in die die Zuwendungsträger, also diejenigen, die das umsetzen sollen, nicht einbezogen werden. Es wird immer mehr die institutionelle Förderung gekürzt, zum Teil komplett, zugunsten einer Projektförderung. Wir erleben auch auf Bundes- und Landesebene jetzt die Kürzungen bei dem Programm „Soziale Stadt“, einem wichtigen Programm gerade für benachteiligte Wohngebiete. Da wird nur noch investiv gefördert, und eigentlich sind die Projekte für Bildung, Integration und Förderung des Ehrenamtes besonders wichtig bei diesen Aufgaben. Doch das wird wiederum auf null gesetzt.

Welche Auswirkungen hat diese Politik für das Land? Zum Teil erleben wir bei den Ehrenämtlern eine große Resignation. Gerade die Ereignisse des letzten Jahres haben dazu geführt, dass das Vertrauen in die Politik erschüttert wurde. Wir haben auf der Anhörung von einem jungen Mann gehört, der gerade im FSJ war, Sozialarbeiter werden wollte und sich jetzt, nachdem er gesehen hat, wie unsicher die Arbeit in der Sozialarbeit ist, entschlossen hat, Immobilienmakler zu werden. Diese haben auch das Problem, dass gerade in Vereinen und Verbänden die Menschen, die die Leitungsstrukturen vorwiegend ehrenamtlich übernehmen, ihr Amt aufgeben, resignieren und weggehen. Sie entscheiden sich nicht mehr für ehrenamtliche Arbeit aufgrund von Kürzungen und der Ungewissheit für zukünftige Umsetzungen der Arbeit und auch der Notwendigkeit, eventuell Stellen streichen und Mitarbei

ter entlassen zu müssen. Das führt zu großer Ungewissheit bei den Menschen, die bisher ehrenamtlich gearbeitet haben.

Wir erleben auch, dass es im Ehrenamt eine soziale Selektion gibt, denn im Osten ist das anders als im Westen. Wir haben hier keine reichen Gattinnen, sondern wir haben hier Alleinerziehende, Vorruheständler usw., die auf Aufwandsentschädigungen angewiesen sind, weil sie zum Beispiel das Geld brauchen, um die Fahrtkosten im ländlichen Raum bezahlen zu können, um zum Verein zu kommen, um Menschen in ihrem Leben helfen zu können. Wir erleben auch, dass diese Aufwandsentschädigungen dafür genutzt werden, um zum Beispiel Betriebskosten für Miete, Telefon usw. zu bezahlen. Wenn diese Ehrenamtsentschädigungen eingekürzt werden, sind genau diese Dinge nicht mehr möglich, und es würde die Arbeit im ländlichen Raum entfallen. Es würde auch dazu kommen, dass bestimmte Strukturen, die jetzt gerade noch so leben konnten, zerschlagen werden, weil die Arbeitsbedingungen nicht mehr gegeben sind.

Die Kürzungen im Haushalt führen auch dazu, dass bestimmte Strukturen zerschlagen werden, die notwendig waren. Es wurde auch in den Anhörungen gesagt, dass es dringend notwendig ist, dass durch Fachkräfte eine gute qualifizierte Struktur vorgehalten wird, weil Ehrenamtliche auch geführt werden müssen. Sie müssen angeleitet werden, und sie brauchen eine Qualifizierung. Durch die Zerschlagung von Strukturen, zum Beispiel mit den Kürzungen in den Wohlfahrtsverbänden oder durch die Jugendpauschale, ist dies nicht mehr gegeben.

Die Forderungen der LINKEN bestehen darin, dass zum einen das Ehrenamt nicht als Lückenbüßer für den Sozialstaat genutzt wird. Es darf auch nicht sein, dass das Ehrenamt nur diejenigen umsetzen können, die sich das leisten können. Wir wollen, dass auch Erwerbslose, Geringverdienende, ältere Menschen und Menschen mit Behinderung die gleichen Teilhabemöglichkeiten haben. Wir fordern, dass rechtliche, finanzielle, infrastrukturelle Rahmenbedingungen verbessert werden, damit das Ehrenamt tatsächlich umgesetzt werden kann. Wir fordern, dass angemessen institutionelle und Projektförderungen miteinander verknüpft werden.

Wir müssen auch darüber reden, ob zum Beispiel Zeitaufwendungen durch das Ehrenamt als Eigenanteil für bestimmte Förderprogramme angesetzt werden. Wir fordern auch die Verbesserung der Instrumente „direkte Demokratie“, und – das ist ganz schnell zu leisten, nämlich jetzt mit dem gegebenen Haushalt – wir fordern die Anpassung der Zuschüsse für die Förderung des bürgerlichen Engagements an die tatsächlichen Antragstellungen. Dann wäre ein erster Schritt getan, und wir würden so bürgerschaftliches Engagement wertschätzen, fördern und tatsächlich sicherstellen.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die einbringende Fraktion DIE LINKE hatte die Abg. Werner das Wort. – Als Nächstes spricht die CDU-Fraktion mit Herrn Kollegen Krauß; bitte.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Er wird bestimmt etwas zur Frauenförderung sagen, die gestrichen wird!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Titel der Aktuellen Debatte lautet „Bürgerschaftliches Engagement – wertschätzen, fördern und tatsächlich sichern“. An dem Titel der Debatte habe ich nichts auszusetzen – Sie haben in der Tat die Realität wiedergegeben, wie es im Freistaat ist –;

(Oh-Rufe von der LINKEN)

und ich möchte gern auf die einzelnen Punkte eingehen. – Sonst haben Sie ja oftmals nicht unbedingt passende Titel für Aktuelle Debatten; diesmal kann ich daran nichts aussetzen – am Inhalt aber schon.

Kommen wir zum ersten Punkt Ihres Antrages. Dort sagen Sie: bürgerschaftliches Engagement wertschätzen. Ich kann mich erinnern, weil es noch nicht so lange her ist, dass die Frau Staatsministerin vorige Woche erst wieder 20 ehrenamtlich engagierte Menschen im Freistaat Sachsen mit der Annen-Medaille ausgezeichnet hat: Menschen, die sich um behinderte Menschen kümmern, die sich um Senioren kümmern, die Sterbebegleitung leisten – sehr schwere ehrenamtliche Tätigkeit. Das ist die Wertschätzung, die ich mir wünsche.

Ich erinnere an den „Joker im Ehrenamt“, der vom Kultusminister verliehen wird; ich erinnere an das Bundesverdienstkreuz, das verdiente Persönlichkeiten bei uns in Sachsen bekommen. Ich denke, wir haben in unserem Freistaat eine sehr gute Anerkennungskultur, und dafür bin ich dankbar.

Zweitens. Bürgerschaftliches Engagement fördern und tatsächlich sichern. Ich will eine Vorbemerkung machen: Zwei Drittel von denjenigen, die sich ehrenamtlich engagieren, bekommen dafür keinen Cent; sie bekommen keine Fahrtkosten noch sonst etwas erstattet, sondern zahlen im Regelfall obendrauf. Es ist der Normalfall beim Ehrenamt, dass man sich mit Geld und Zeit engagiert.

(Dr. André Hahn, DIE LINKE: Deshalb kann der Rest auch noch gestrichen werden?)

Ich kenne auch eine ganze Menge Arbeitslose, die sich ehrenamtlich sehr stark engagieren, weil sie zum Beispiel viel Zeit haben und sich dort einbringen. Das muss man immer vorausschicken, damit nicht der Eindruck entsteht, Ehrenamt sei immer eine bezahlte Tätigkeit; das ist ja das, was Sie uns gerade so einreden wollten.

(Zuruf von den LINKEN: Nein, nein!)

Wir haben dann in dem Bereich Ehrenamtsförderung ein breites Spektrum bei uns im Freistaat Sachsen: Sportförderung, Übungsleiterpauschalen. Es läuft so viel in diesem Bereich, an dem sich der Freistaat Sachsen über

die Sportförderung beteiligt. Wir haben die Jugendverbände, bei denen wir Dienstleistungen finanzieren, damit auf der anderen Seite die ehrenamtliche Arbeit vor Ort geleistet werden kann. Und wir haben explizit eine Ehrenamtsförderung im Freistaat Sachsen, für die wir, wenn Sie den Entwurf der Staatsregierung gelesen haben, im kommenden Jahr und das Jahr darauf wieder 6,9 Millionen Euro bereitstellen wollen. Damit können über 20 000 Ehrenamtliche eine Ehrenamtsentschädigung bekommen.

Hier möchte ich fragen: Welches andere Bundesland macht das noch? Wenn Sie es einmal vergleichen zwischen diesem und dem nächsten Jahr, dann kann ich nicht feststellen, dass das ein Abschmelzen der Mittel war, sondern dann wird es eine Aufstockung der Mittel um 1,7 Millionen Euro geben – eine Aufstockung von 1,7 Millionen Euro, wenn Sie den Iststand von 2010 mit dem Folgejahr 2011 vergleichen.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE, steht zu einer Zwischenfrage am Mikrofon.)

Wir haben Versicherungsschutz für ehrenamtlich Engagierte – wo gibt es das noch? –, den wir als Freistaat Sachsen finanzieren. – Ich würde gern weiterreden.

Sie gestatten keine Zwischenfrage?

Nein, danke schön. – Wir unterstützen das, indem wir extra eine Versicherung abgeschlossen haben für diejenigen, die ehrenamtlich engagiert sind.

Die Staatsregierung stellt Broschüren zur Vereinsgründung, zum Vereinsrecht bereit. Wir haben in diesem Jahr neu ein Programm „Alltagsbegleiter für Senioren“ aufgelegt mit einer hundertprozentigen Förderung, in dem es darum geht, dass Senioren ehrenamtlich begleitet werden, und wir fördern das bis zu 100 %. 44 Anträge sind mittlerweile ausgewählt; ich bin dankbar, dass das so schnell möglich war.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben zum Beispiel auch die Selbsthilfeförderung, bei der ich sicher bin, dass wir sie in den nächsten Jahren fortführen werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Thema TAURIS sagen. Die Projektträger sind Anfang 2009 darauf hingewiesen worden, dass die Förderung ausläuft. Ziel war es, die Beschäftigungsfähigkeit von Menschen zu erhalten, um sie in Arbeit zu bringen. Der Grundgedanke bei TAURIS war keine Ehrenamtsförderung, sondern es ging im Endeffekt darum, Menschen in Arbeit zu bringen. Hier müssen wir uns ehrlich anschauen, bei wie vielen das wirklich geklappt hat – bei allem Engagement auch von Tafeln, wenn man über 40 Menschen über TAURIS bei einer Tafel anstellt. Das ist als Ehrenamtsförderung verstanden worden, aber das war eigentlich nicht Sinn

und Zweck des Ganzen; darauf möchte ich einmal hinweisen.

Das Sozialministerium hat eine Alternative aufgezeigt, dass man über das lokale Kapital für soziale Zwecke Projekte bis 20 000 Euro fördern kann bei einer hundertprozentigen Fördersumme. Das ist auch eine Möglichkeit, und die Vereine sollten darüber nachdenken, das in Anspruch zu nehmen.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Ehrenamtliches Engagement wird wertgeschätzt bei uns im Freistaat Sachsen; es wird bei uns im Freistaat Sachsen gefördert und auch tatsächlich gesichert.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Nur von Wahlen!)

Das war der Abg. Krauß für die CDU-Fraktion. – Als Nächster spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Homann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten gerade eine sehr beeindruckende Aufzählung von Förderungen, die der Freistaat Sachsen für ehrenamtliches Engagement gewährt. Das stellt auch niemand infrage. Es ist aber auch immer nur die halbe Wahrheit, wenn man darüber berichtet, was man macht, wenn man nämlich das Wort davor vergisst, das die Wahrheit ausdrückt: was man „noch“ macht.

Die Wahrheit ist doch, dass wir gerade im Bereich des ehrenamtlichen Engagements in diesem Jahr einen Kahlschlag, eine Kürzung erleben in einer einmaligen Dramatik in diesem Freistaat. Man kann sich doch hier nicht hinstellen und sagen; im Vergleich zum Iststand 2010 erhöhen wir im nächsten Jahr die Mittel, und darüber vergessen, dass im Soll 2010 ganz andere Zahlen standen, die man aber vorher ordentlich gekürzt hat. Ich finde, man darf doch hier nicht die Hälfte weglassen; dann wird es nämlich auch falsch.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN – Dr. André Hahn, DIE LINKE: Herr Krauß kann das!)

Ich möchte gern drei Punkte aufgreifen, die mir besonders am Herzen liegen. Wir haben als Erstes das Beispiel Freiwilligendienste. Wir erleben auf Bundesebene wahrscheinlich den Wegfall des Zivildienstes und genau in dem Punkt, in dem man eigentlich über eine neue Kultur von Freiwilligendiensten sprechen müsste, kürzt der Freistaat Sachsen über die Hälfte der Freiwilligenstellen weg. Auch jetzt, da klar ist, wohin im Bund die Reise geht, hält man an diesem irrwitzigen Sparziel fest und zerstört gewachsenes freiwilliges Engagement von vielen jungen Bürgerinnen und Bürgern in Sachsen.

Das Zweite ist das Thema Selbsthilfe und Betreuungsvereine. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Selbsthilfe

ist ein Manifest – ein Manifest der Solidarität und der Nächstenliebe.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Was kann sich ein Freistaat mehr wünschen, als dass Bürgerinnen und Bürger ihre Zukunft, die Lösung ihrer Probleme selbst in die Hand nehmen? Und was macht man? Wir reden doch nicht über Millionen, wir reden über 200 000 Euro, die in diesem Haushaltsentwurf gestrichen werden. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist kontraproduktiv für die Zukunft dieses Landes und es ist einfach irrsinnig und unnötig.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN – Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Genau!)

Der dritte Punkt ist die Landesseniorenvertretung des Freistaates Sachsen, die seit Monaten in der Luft hängt. Hier gibt es keine Bewegung im Ministerium. Jahrelang sagt man, ihre Anträge sind gut, und auf einmal gibt es hier keine ausreichende Qualität mehr und man lässt sie einfach im Regen stehen. Dabei haben wir doch im Sozialausschuss und in der Anhörung zum Thema „Projektförderung in Sachsen“ gute Vorschläge von Expertinnen und Experten bekommen. Wir haben gehört, dass Ehrenamt natürlich Ehrenamt ist und kein Hauptamt, aber dass Ehrenamt in der ganzen Breite auch im Hintergrund eine funktionierende hauptamtliche Struktur braucht, die die Ehrenamtlichen unterstützt, die da, wo es klemmt, eingreift und die Qualifizierung organisiert. Denn Ehrenamt muss wie vieles andere im Leben gut gemacht und nicht nur gut gemeint sein.

Wir haben gehört, dass Ehrenamt Planungssicherheit und weniger Bürokratie braucht. Und auch hier war die Expertise der Fachleute ganz eindeutig. In dieser Sache ist im Freistaat Sachsen noch viel zu tun. Ich würde mir wünschen, dass man sich diesen Kritiken offen und ehrlich stellt, anstatt zu verkleistern und sich lediglich auf die Sachen zu beschränken, die man noch tut. Wir sollten uns einig sein, dass es im Bereich Ehrenamt noch viel zu tun gibt, denn wir werden auch in Zukunft darauf angewiesen sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Für die SPD-Fraktion sprach Herr Kollege Homann. – Als Nächstes spricht für die FDP-Fraktion Frau Kollegin Schütz.