Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Reden wir doch einmal nicht um den heißen Brei herum. Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Sie haben ein Problem, nicht die Polizeigewerkschaften. Haben Sie am Anfang des Jahres noch versucht, symbolischen Schulterschluss mit der Polizei zu betreiben über die Veränderung des Strafrahmens in Gewaltfragen, zeigen Sie jetzt, dass Sie keinerlei Auseinandersetzung mit der realen Situation von Polizisten führen können. Sie leisten sich Schlagabtausche in der Öffentlichkeit – Undankbarkeit der Polizei, gefährliches Spiel mit den Ängsten der Bevölkerung – und verweigern die Diskussion um die Realität. Dazu muss ich als gelernte Krankenschwester einmal sagen: Ich glaube, jede Krankenschwester kann die Situation eines Polizeibeamten mit seinem weiß Gott nicht sehr hohen Gehalt verstehen. Diese Neiddebatte – auch aus Sicht einer Krankenschwester – haben wir alle zusammen nicht notwendig.
Aber die Verärgerung und die schlechte Stimmung in den Polizeigewerkschaften und in der Polizei selbst ist offensichtlich Ihre Politik – und wenn Sie Verantwortung für öffentliche Sicherheit wahrnehmen wollen, dann müssen Sie diese Fehler erkennen und beseitigen. Das ist der
Maßstab, mit dem an ein „Polizeikonzept 2020“ herangegangen werden soll. Das ist ja das Thema dieser Aktuellen Stunde.
Was brauchen wir dafür? – Die Analyse der realen Situation und der Arbeitsbedingungen als Voraussetzungen für eine echte Reform, die diesen Namen verdient. Was sollen wir jetzt beschließen? – Als einzige politische Voraussetzung den Stellenabbau auf ganz lange Zeit. Das nenne ich keine gute Arbeit. Ich nenne es auch deshalb keine gute Arbeit, weil das Diskussionspapier, das die Expertengruppe anstelle des angekündigten Konzeptes vorgelegt hat, offensichtlich schwach ist, zu spät kommt und unzureichend ist.
Was helfen uns, sehr geehrter Herr Innenminister, die schönen Bilder von der künftigen Sicherheitsarchitektur, wenn wir die Substanz des Hauses Polizei nicht erkennen und weiterhin auf Verschleiß setzen? Eine Strukturreform in Sachsen jagt die andere. Wenn jetzt Abbau von Verwaltung und unnötiger Führungsebene derart prägnant notwendig sind, was hat denn dann die Polizeireform 2005 gebracht? Deren Aufgabe war doch auch Abbau unnötiger Führungs- und Verwaltungsstrukturen. Wenn hier jetzt so ein krasses Missverhältnis besteht, wie Sie es in Ihrem Diskussionspapier schildern, dann muss die Reform von 2005 gescheitert sein. Kein Wunder, dass sie bis heute nicht evaluiert worden ist, obwohl es dringend notwendig wäre – und nicht nur bei dieser Reform.
Ich muss aber auch nach dem Studieren dieses Papiers sagen: Die Sparpotenziale werden nur vorgegaukelt. Die Analyse ist schwach. Zum Beispiel werden die Führungsstellen innerhalb der Streifendienste und der Bereitschaftspolizei gleich verortet, als wäre es der Führungsbereich, der aufgebaut werden kann. Mein Gott, die Bereitschafts- und die Streifenpolizisten brauchen in Zukunft noch Einsatzführer. Das ist doch keine Verwaltung und keine unnötige Ebene.
Was uns GRÜNEN ganz besonders wichtig ist: Die Grundversorgung an Polizei in der Fläche des Landes kann man nicht allein am Verhältnis von Einwohnerzahlen und Polizisten bemessen. Wo bleiben die vom Innenminister auf meine Anfrage in diesem Haus versprochenen Festlegungen für Interventionsstandards bei Gefahr für Leib und Leben? Halten Sie daran fest oder haben Sie das aufgegeben? Wollen Sie durchsetzen, dass auf einen Notruf in angemessener Zeit reagiert wird oder dass solche Erscheinungen, dass Leute bei Gefahr für Leib und Leben 40 Minuten auf den Einsatz warten müssen, bleiben?
Die Antwort auf meine Kleine Anfrage in Drucksache 5/2223 zur Polizeisituation vor Ort hat gezeigt, dass es bereits jetzt eklatante Unterbesetzungen und Überlastungssituationen gibt. Deshalb haben wir Ihnen mit unserer Anregung für einen Stellenpool bei der Polizei einen pragmatischen Vorschlag gemacht, wie man die Situation jetzt aufarbeiten und verbessern kann; übrigens finanziert aus dem Haushalt, Sie wissen das. Ich sage noch einmal: Es ist besser, die Polizei aufzustocken als
das Landesamt für Verfassungsschutz in unnötiger Größe zu belassen; denn das Landesamt kann nur beobachten, die Polizei ist vor Ort und kann reagieren.
Wir machen einen pragmatischen Vorschlag, um gerade der Situation gering verdienender Polizeibeamter gerecht zu werden. Gehen Sie darauf ein. Diskutieren Sie dafür und beschließen Sie nicht diesen Stellenabbau vor jeder Reform.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Frank Conrad kommentierte die geplante Streichung der Sonderzahlung wie folgt – Zitat –: „Die im Kabinett inszenierte Streichung der Sonderzahlung ist eine Missbilligung der Arbeit unserer Polizeibeamten. Wir kommen deshalb nicht umhin, zum zivilen Ungehorsam aufzurufen.“
Diese zugegebenermaßen sehr drastische Formulierung ist aber jetzt sicherlich mehr als nur eine Kritik an der Streichung der Sonderzahlung. Sie ist der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, weil die Lage innerhalb der sächsischen Polizei nicht so rosarot ist, wie sie der Herr Innenminister immer zeichnet, sondern es gibt ganz massive Probleme, die auch der Öffentlichkeit nicht verborgen bleiben, angefangen vom geplanten Abbau von gut 2 600 Stellen, der möglichen Schließung von Polizeidienststellen, dem Abzug der Bundespolizei bei steigender Grenzkriminalität, dem immer brutalerem Auftreten von Kriminellen, gleichzeitig aber immer längerer Anfahrtswegen von Polizeibeamten, einem steigenden Krankenstand von tatsächlich – die Zahl wurde schon genannt, aber sie ist so gigantisch, dass sie immer wieder wiederholt werden muss – täglich 1 500 krank gemeldeten Polizeibeamten, dazu Überstunden, physischen Langzeiterkrankungen und jetzt die Kürzung des Weihnachtsgeldes.
Vor diesem Hintergrund der Unzulänglichkeiten und der Probleme innerhalb der sächsischen Polizei ist es folgerichtig und nicht nur eine Meinungsäußerung der Arbeitnehmervertretung, sondern auch ganz klar das Ergebnis einer Analyse, wenn der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei Hagen Husgen inzwischen feststellt, dass die innere Sicherheit im Freistaat Sachsen in Gefahr ist.
Wenn dann der Innenminister nur einfach sagt, dass sich die Polizeibeamten durch diese Meinungsäußerung nicht
von ihrem Berufsethos abbringen lassen sollen, Herr Innenminister, dann ist das eigentlich nur Ignoranz gegenüber den Problemen, mit denen sich die sächsische Polizei schon heute täglich herumschlagen muss und die auch überall bekannt sind. Ich vermute einmal, Sie haben Ihr Haus doch so im Griff, dass Sie um diese Probleme wissen, auch wenn Sie sie nicht ansprechen.
Für die NPD-Fraktion ergibt sich deshalb die Frage: Mit welchem Amtsverständnis führt der Innenminister sein Ministerium und die sächsische Landespolizei?
Ich will das einmal auf einen begrifflichen Punkt bringen. Er versteht sich meiner Meinung nach ganz eindeutig als ein Sparminister, der letztendlich die Sparbeschlüsse des Kabinetts umsetzt, ohne entsprechende kritische Einwände zu formulieren.
In dem Zusammenhang stellt sich auch die Frage: Steht der Innenminister eigentlich noch hinter den Polizeibeamten? Ich meine, dass auch das fragwürdig ist, und will es mit Beispielen belegen.
Zum Beispiel die Demonstration am 13. Februar dieses Jahres hier in Dresden, wo bekanntermaßen Linksextremisten mit Gewalt und mit Rechtsbruch eine ordentliche, eine friedliche, eine würdevolle Gedenkveranstaltung der nationalen Deutschen verhindert haben oder verhindern wollten. Dass sich der Innenminister dazu nicht geäußert hat – auch zu den polizeilichen Problemen nicht geäußert hat – und die Gegendemonstranten, die Blockierer wahrheitswidrig als friedliche Demonstranten bezeichnet hat, zeigt, dass er die polizeilichen Probleme nicht ernst nimmt und in der Öffentlichkeit nicht benennt.
Es ist im Grunde genommen ein Armutszeugnis für den Innenminister, dass es auch hier die Deutsche Polizeigewerkschaft war, die darauf hinwies, dass von Linksextremisten an diesem Tag Gewalt ausging.
Ich will hier auch noch einmal einiges kurz zum Reformprojekt „Polizei Sachsen 2020“ sagen. Wer das Diskussionspapier durchgelesen und die Ergebnisse der Aufgabenkritik zur Kenntnis genommen hat, sieht, dass man bisher eigentlich im Grunde genommen gar nicht sachlich die Probleme analysiert, sondern nur zudecken will. Es ist schon interessant, dass ein Sparprogramm dadurch umgedeutet wird, dass man dann plötzlich schöne Begriffe benutzt wie Modernisierungs- und Effektivitätssteigerungsprogramm.
Denn – bitte schön, das kann wohl niemand erklären –, wie soll mit einem Personalabbau die Polizei moderner und effektiver werden? Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Das ist ein Etikettenschwindel. Die NPD sagt: Wir brauchen Solidarität mit unseren Polizeibeamten. Das Weihnachtsgeld für die Polizeibeamten ist auch in den nächsten Jahren gerechtfertigt.
Meine Damen und Herren! Wir gehen jetzt in die zweite Runde. Es beginnt wieder die Fraktion DIE LINKE; Herr Gebhardt, bitte.
Frau Präsidentin! Lassen Sie mich noch einmal etwas zu dem sagen, was Herr Bandmann geäußert hat, was wir alles zusätzlich für die Polizei im Haushalt 2010 und 2011 und 2012 zu erwarten haben.
Ja, natürlich stehen die 6 Millionen Euro drin, die Sie für die Anschaffung von neuen interaktiven Funkwagen einplanen. Ich frage nur: Was nützen uns 6 Millionen Euro ausgegebene Gelder für interaktive neue Funkwagen, wenn wir gar keine Polizeibeamten mehr haben, die wir in diese Funkwagen setzen können?
Der Innenminister hat sich endlich sein Spielzeug zugelegt, indem er sich jetzt seine Polizeidrohne für einen höheren fünfstelligen Betrag angeschafft hat, wohl wissend, dass sie auf ganzer Ebene vollkommen versagt hat, und wohl wissend, dass er sie bei Polizeieinsätzen in Fußballstadien nie einsetzen kann. Sie wissen, dass man sie nicht einsetzen kann. Ich kann es tatsächlich nur als Spielzeug für Sie bezeichnen; vielleicht ist es ein Weihnachtsgeschenk, was Sie sich immer mal gewünscht haben.
Der Landespolizeipräsident hat nun erkannt: Wir brauchen neue IT-Spezialisten. Das ist eine tolle Erkenntnis, dass wir die jetzt brauchen. Er stellt dann gleichzeitig fest – und jetzt Zitat –: „Die kann man nicht für einen Apfel und ein Ei kriegen.“ Auch dazu sage ich: Da hat der Landespolizeipräsident recht.
Nur, wenn im selben Haushalt für die Beamtinnen und Beamten die Sonderzahlung gestrichen wird und wir gleichzeitig Polizeibeamte von außen neu einstellen wollen, die wir natürlich nicht mit einem Apfel und einem Ei bezahlen können, dann schaffe ich eine Ungerechtigkeit innerhalb der Polizei, die mit unserer Fraktion auf keinen Fall zu machen ist.
Herr Bandmann, 1,6 Millionen Euro Erschwerniszulage sind ein Witz für die 12 000 Polizeibeamtinnen und -beamten. Rechnen Sie das doch einmal um, dann wissen Sie, was dabei letztendlich herauskommt. Sie können nicht einfach sagen, dass das eine große Leistung ist, die Sie erbracht haben. Das SEK wartet seit Langem auf die 205 000 Euro, die Sie zusätzlich als Erschwerniszuschläge eingestellt haben. Das ist also auch ein Witz für diese Kolleginnen und Kollegen und die Beamtinnen und Beamten. Verkaufen Sie das nicht als ganz großes oder tolles Ergebnis!
Noch einmal zu dem Papier, zu dem bereits Frau Jähnigen und Frau Friedel gesprochen hatten, das Projekt „Polizei Sachsen 2020“. Für mich ist es als Erstes ein Skandal, dass zuerst die Medien das Papier bekommen, und danach
erhalten es die Abgeordneten zur Kenntnis. Auch wenn es am gleichen Tag geschehen ist, frage ich: Was ist das für eine Art und Weise, wie wir miteinander umgehen? Zuerst gehört wohl dieses Papier in den Sächsischen Landtag, damit wir darüber diskutieren können, bevor es den Journalistinnen und Journalisten vorgestellt wird. Der nächste Skandal in dem Papier ist dann, dass die Kolleginnen und Kollegen Polizisten nun vier Wochen lang im Internet ihre Meinung dazu äußern dürfen. Vier Wochen jetzt in der Dezemberzeit! Ich frage Sie: Wer soll denn innerhalb dieser vier Wochen tatsächlich dazu in der Lage sein, sich mit den vorgeschlagenen Dingen in diesem Papier zu beschäftigen?
Vielleicht sind die vier Wochen von Ihnen gewollt; es ist auch lächerlich, was an Vorschlägen darin „stattfindet“. Ich komme nun zu dem Inhalt des Papiers. Sie bzw. Ihre Expertenkommission kommt letztendlich selbst zu der Einschätzung, dass Sie mit diesen Vorschlägen nur 1 700 Stellen einsparen können. Sie wollen aber gleichzeitig insgesamt 2 600 Stellen abbauen. Dabei komme ich auf die Frage: Was wollen Sie denn mit den restlichen machen? Bei den 1 700 Stellen wollen Sie dann noch 1 250 Stellen in Führungsstäben einsparen. Glauben Sie denn tatsächlich, dass eine von den 1 250 Stellen irgendwie tatsächlich in die Fläche geht und Streifendienst übernehmen wird? Somit benötigen Sie mehrere Jahre, um tatsächlich auf dieses Ergebnis zu kommen, was Sie sich irgendwie ausdenken bzw. vorgenommen haben. Sie wollen innerhalb der Führungskräfte immerhin 30 % sparen.
Zudem schlagen Sie vor, dass Sie die Werkstattleistungen privatisieren wollen und mehr Ausschreibung stattfinden soll. Toll! Eine Kfz-Ausschreibung in diesem Maße müssen Sie aber dann europaweit ausschreiben. Nach unseren Richtlinien müssen Sie die Kfz-Werkstätten der Polizei privatisieren und eine europaweite Ausschreibung erarbeiten. Sie wollen doch nicht ernsthaft erzählen, dass dies wirklich effektiv ist! Sie wollen zum Schluss sogar nur noch eine Werkstatt für Spezialwerkzeuge einrichten. Hierzu erklären Sie uns, dass Sie damit Personal sparen. Dass Sie aber damit weder Zeit einsparen, da Sie das Spezialfahrzeug von A nach B transportieren müssen – Sachsen ist nicht so klein wie das Saarland – und dazu Personal benötigen, Herr Innenminister, steht an keiner Stelle auch nur irgendwie im Ansatz, auch nicht, dass Sie darüber nachgedacht haben.
Ganz zum Schluss möchte ich Ihnen unsere Forderungen einfach und verständlich sagen. Wir brauchen eine sofortige Aussetzung des Stellenabbaus bei der sächsischen Polizei. Wir benötigen eine Struktur in der Personalreform mit einer umfangreichen Aufgabenkritik – auch wenn Sie damit angefangen haben. Da es erst der Beginn der Debatte ist, können wir nicht schon zu einem Ergebnis kommen und den Personalabbau am Mittwoch bzw. Donnerstag beschließen wollen. Wir benötigen zudem einen viel größeren Einstellungskorridor. Dazu möchte
ich Ihnen auch noch einmal sagen, dass 300 Neueinstellungen pro Jahr erstens lächerlich sind, da nur 260 davon ankommen, und zweitens ungefähr 460 jedes Jahr aus Altersgründen ausscheiden. Sie können damit überhaupt nichts ausgleichen, erklären aber permanent, dass 300 Neueinstellungen eine tolle Leistung sind. Es ist ein Nichts! Deswegen kann ich Sie nur auffordern, dass Sie an dieser Stelle zukünftig viel effektiver agieren! Hören Sie mit der Streichung der Sonderzahlungen auf! Das ist meine große Bitte und ist ein großer Wunsch von uns.