Vorgesehen ist nun aber, dass die zusätzlichen Leistungen für bedürftige Kinder und Jugendliche individuell beim Jobcenter beantragt werden müssen. Hier entsteht der Eindruck, dass die Bundesregierung insgeheim darauf hofft, dass nicht alle leistungsberechtigten Familien einen Antrag stellen, damit das Geld auch reichen möge. Jeder, der rechnen kann – und Frau Schütz, da komme ich dann zu Ihnen –, fragt sich zunächst, wie die 20 Euro im Monat pro Kind für einen Mittagessenszuschuss in Höhe von 10 Euro und für den Besuch von Musikschulen oder Sportvereinen ausreichen sollen.
Ein Mittagessen in Kita oder Schule kostet heute schon 2,50 Euro bis 3,00 Euro pro Tag. Ein ähnliches Missverhältnis – Frau Schütz, ich will Ihnen das gern noch einmal erklären, Sie kommen ja auch aus Görlitz – zwischen Anspruch und Wirklichkeit lässt sich auch an den 10 Euro für die kulturelle Teilhabe beobachten. Im Landkreis Görlitz, der mit fast 40 % in Sachsen den höchsten Anteil von Kindern in Bedarfsgemeinschaften aufweist, wie auch der Kinder- und Jugendbericht unseres Landes 2009 feststellt, kostet an der Görlitzer Musikschule 30 Minuten Einzelunterricht 29 Euro, der Gruppenunterricht 20,50 Euro. Jetzt erhalten ALG-II-Empfänger zwar 50 % Ermäßigung, jedoch kostet der Instrumentalunterricht dann für ein Kind pro Monat selbst in der preiswertesten Variante des Vier-Gruppen-Unterrichts mindestens 40 Euro. Wie soll das eine Familie mit Hartz-IV-Bezug finanziell bestreiten können, solange wiederum das Kindergeld angerechnet wird und es keine Kindergrundsicherung gibt?
Ein weiterer Kritikpunkt: Die Verwaltung und Durchführung des Bildungspaketes ist ein wesentlicher Kritikpunkt aus Sicht der LINKEN. Der paritätische Wohlfahrtsverband – und, Kollegin Schütz, dort sind Sie und auch die Kollegin Herrmann im Beirat – weist jedenfalls darauf hin, dass die Einführung dieses bürokratischen Gutscheinsystems, das eben nicht an der Förderung der Infrastruktur in der Kinder- und Jugendhilfe und der Kultur ansetzt, sondern an der vermeintlich individuellen, aber verwaltungsaufwendigen Förderung der Einzelperson, insgesamt zu einer Verschlechterung des Gesamtsystems führen wird.
Wir begrüßen deshalb auch die Bemühungen wenigstens der SPD, die Schulsozialarbeit flächendeckend mit der Unterstützung des Bundes einzuführen. An der Stelle möchte ich auch daran erinnern, dass vor einigen Tagen – es war am 7. Januar – der amtierende Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, der niedersächsische Minister Bernd Althaus, selbst gefordert hat, die Schulsozialarbeit bundesweit auszubauen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition und der Staatsregierung, sollten Sie in die Verhandlungsrunden mitnehmen.
Ich komme zum Schluss. Der Antrag der SPD greift das Verständigungsverfahren auf Bundesebene dankenswerterweise auf, jedoch ist er aus unserer Sicht nicht weitreichend genug. Wir werden uns zustimmend verhalten. Wir haben aber den Änderungsantrag mit Ergänzungen eingebracht, die unsere Forderungen konkretisieren, da es aus unserer Sicht noch einmal einer grundsätzlichen Kritik an der SGB-II-Novellierung und dem Bildungspaket bedarf.
Ich frage die Fraktionen, ob noch ein Abgeordneter in der zweiten Runde der allgemeinen Aussprache das Wort wünscht. Das kann ich nicht erkennen. Ich frage die
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Anders als die SPDFraktion in der Begründung des Antrages behauptet, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 keineswegs den Auftrag erteilt, die Entwicklung aller Kinder zu fördern. Vielmehr hat der I. Senat des Bundesverfassungsgerichtes entschieden: Erstens. Die Ableitung der Regelleistungen für Kinder von den Regelsätzen für Erwachsene ist nicht verfassungskonform. Zweitens. Die Vorschriften des SGB II und des SGB XII, die die Regelleistungen für Erwachsene und Kinder betreffen, entsprechen nicht den verfassungsrechtlichen Ansprüchen, weil sie nicht in allen Teilen nachvollziehbar sind. Auch von einer allgemeinen Bildungsarmut war nicht die Rede.
Unabhängig davon ist es aber sicher Konsens, dass die Hilfe dort ansetzen muss, wo sie tatsächlich auch gebraucht wird und nicht nur bei der Gruppe der Arbeitslosengeld-II-Empfänger. Es ist Konsens, dass staatliche Hilfe dort ansetzen muss, wo Benachteiligung anfängt:
bei den Kindern, deren Versorgung nicht vollumfänglich sichergestellt ist. Aus diesen Gründen sind sie auf die ergänzende staatliche Unterstützung angewiesen. Dies wird derzeit im Vermittlungsausschuss über das Regelbedarfsermittlungsgesetz verhandelt. Insbesondere hierzu gibt es erste Annäherungen.
Heute findet eine weitere Sitzung der informell eingesetzten großen Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses statt. Der Vermittlungsausschuss selbst tritt heute zusammen bzw. wird bereits zusammensitzen. Schließlich tagen heute auch die drei gebildeten Unterarbeitsgruppen. Eine davon beschäftigt sich mit der Frage des Bildungs- und Teilhabepaketes. Ob es heute zu einem Ergebnis kommt, wissen wir nicht.
Allerdings werden wir bis zum 24. Januar erfahren, wann die abschließende Vermittlungsausschusssitzung stattfindet. Ich halte eine Einigung für durchaus realistisch und – vor allem – für erforderlich. Ziel sollte es sein, am 11. Februar eine abschließende Entscheidung im Bundesrat zu treffen. Dies betrifft insbesondere die geforderten administrativen Vereinfachungen sowie die Ausweitung des Personenkreises, der diese Leistungen beanspruchen kann. Das ist zum Beispiel die Ausweitung des Leistungsanspruchs auf Kinder von Wohngeldempfängern und die Erweiterung auf Jugendliche bis 25 Jahre zulasten des Bundes.
Meine Damen und Herren! Ist es wirklich sachgerecht, an jeder Schule in Deutschland unbedingt einen Schulsozialarbeiter oder eine Schulsozialarbeiterin zu finanzieren? Diese Frage stellt sich die Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses. Das sagen zumindest unsere aktuellen Informationen. Das wären 43 000 zusätzliche Personal
Im Verfahren des Vermittlungsausschusses wird hingegen zurzeit über den Einsatz sogenannter Lotsen gesprochen. Dabei geht es um die nachhaltige Wirkung. Der Inhalt des Prüfauftrages ist, ob die Leistungen des Bildungspaketes auch beim Kind ankommen. Wo und wie die Lotsenfunktion angesiedelt werden soll, bleibt dem weiteren Vermittlungsverfahren vorbehalten. Es gibt bisher keine Einigung. Die Entscheidungen fallen am Ende in einem Gesamtpaket.
Mir ist es wichtig, dass der Zugang zu den Bildungsgutscheinen sofort gesichert und unmittelbar mit anderen Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe abgestimmt bzw. gekoppelt wird.
Nur so sind zielgerichtete und im Einzelfall genaue Hilfen möglich. Daher müssen die Kommunen zumindest eng in die Umsetzung eingebunden werden oder sogar für die Bewilligung zuständig sein.
Der Freistaat Sachsen unterstützt im Schulterschluss mit den Kommunen die Forderung nach kostendeckenden Ausgleichzahlungen des Bundes für Leistungsausweitungen wie diese. Dies gilt gleichermaßen für die Verwaltungskosten und Kostenblöcke, die den Kommunen zusätzlich aufgebürdet werden.
Das Ziel ist für alle erkennbar. Eine Einigung ist nach meiner Einschätzung realistisch. Deshalb appelliere ich an dieser Stelle an alle Verantwortlichen und ganz besonders an die Opposition: Bleiben Sie beim Thema. Die Forderung nach einem umfassenden Mindestlohn hat nichts mit dem Bildungs- und Teilhabepaket zu tun. Es ist gerade zum jetzigen Zeitpunkt wichtig, die Verhandlungen zur praktikablen Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes zielführend zu unterstützen. Dadurch kann die geplante und gewollte Hilfe möglichst schnell und ohne weitere Zeitverzögerungen bei den Anspruchsberechtigten ankommen – bei vielen benachteiligten Kindern.
In diesem Punkt sehe ich vor allem die SPD gefordert. Stellen Sie mögliche Konsenslinien in den Arbeitsgruppen und damit im Vermittlungsausschuss nicht infrage. Dadurch kann das Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des SGB II und SGB XII zeitnah verabschiedet werden. Viele Leistungsempfänger warten darauf. Wir können es zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausbezahlen: Ohne Rechtsgrundlage kann man nicht zahlen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Schütz und Herr Krauß, ich kann Sie beruhigen: Ich weiß, dass unsere Verhandlungsführer auf Bundesebene sehr erfahrene Verhandler sind. Sie wissen sehr wohl, was sie tun.
Frau Clauß, das gemeinsame Ziel, den Bundesrat dadurch zu erreichen, dass man sich auf einer vernünftigen Basis einigt, kann gelingen. Es gibt in diesem Sinne keine Blockade. Es gibt einen klaren Verhandlungsprozess. Dieser wird dadurch ausgelöst, dass der durch die Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf in vielen Punkten nachgebessert werden muss. Frau Clauß hatte es deutlich gemacht: Mit einigen Punkten sind die CDU und FDP auch nicht einverstanden. Es muss sich auf beiden Seiten – auch auf der Seite der Bundesregierung – etwas bewegen.
Herr Krauß! An dieser Stelle sei Folgendes vermerkt, weil Sie immer wieder auf Hartz IV zu sprechen kommen: Sie sind vielleicht ein wenig zu jung, um das nachvollziehen zu können. Es war damals die CDU, die im Vermittlungsausschuss in einer Nacht- und Nebelaktion die Arbeitslosengeld-I-Empfänger von 24 Monaten auf zwölf Monate heruntergedrückt hat. Ich will damit Folgendes deutlich machen: Sie wissen sehr wohl, wie man im Vermittlungsausschuss miteinander umgehen kann.
Frau Schütz, einen wirksamen Sozialstaat will die FDP nicht. Sonst hätte sie hier im Dezember nicht den Kürzungen der Sozialleistungen – unter anderem der Kinder- und Jugendarbeit, in dem die Schulsozialarbeiter enthalten sind – zugestimmt. Das haben Sie getan. Deshalb bezweifle ich, dass Sie es mit dem wirksamen Sozialstaat ernst meinen.
Natürlich wäre es wünschenswert, wenn die Kommunen und das Land in seiner Verantwortung die Schulsozialarbeit – für alle Schulen – finanzieren könnten. Das machen sie aber nicht. Das haben Sie im Dezember abgelehnt. Die Mehrheit dieses Landtages hat es abgelehnt. Insofern bleibt uns nichts anderes übrig, als Druck auszuüben. Es sind nicht drei, sondern maximal 2,5 Milliarden Euro, die notwendig wären, um die Schulsozialarbeit flächendeckend in der Bundesrepublik zu finanzieren. Frau Clauß, die SPD hat einen Vorschlag gemacht, in einem Stufenverfahren diese Anforderungen in den nächsten Jahren umzusetzen.
Insofern bitte ich und fordere Sie auf, vonseiten der Landesregierung das nicht zu blockieren. Die Kinder und Jugendlichen sowie ihre Eltern warten auf diese Leistungen. Sie warten nicht nur auf die 5 Euro. Sie warten vor allen Dingen auf eine echte Teilhabe an der Bildung und Kultur.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mir liegt noch ein Änderungsantrag der Linksfraktion mit der Drucksachennummer 5/4706 vor. Frau Klepsch, haben Sie diesen schon eingebracht? – Das ist nicht der Fall. Sie können diesen noch einbringen, wenn Sie wollen. Dafür stehen Ihnen drei Minuten zur Verfügung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich muss das nicht. Allerdings muss man es manchen Kollegen noch einmal erklären, bis es irgendwann bei ihnen ankommt.
Ich fasse mich kurz. Aus unserer Sicht ist der Antrag der SPD zwar richtig, aber zu allgemein. Es gibt einzelne Punkte, die wir nach unserer Auffassung konkretisieren müssen, um die verschiedenen angesprochenen Probleme zu lösen. Ich komme zu Punkt 3, dem ersten Punkt in unserem Änderungsantrag. Wir denken, dass die Einnahme gesunder Mahlzeiten eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Bildungsteilhabe und erfolgreiches Lernen sowohl in der Kita als auch in der Schule ist. Wir gehen davon aus, dass die zur Verfügung gestellten Mittel für die Mittagsversorgung als Zuschuss nicht ausreichen. Wir wollen diesen Punkt mit einem einklagbaren Rechtsanspruch absichern.
Ich komme nun zum zweiten Absatz. Das ist Punkt 4. Ich möchte noch einmal auf die Parität eingehen. Es wird davor gewarnt, dass die Einführung des Gutscheins kontraproduktive Effekte haben könnte. Aus offenen Angeboten könnten geschlossene Angebote mit Mitgliedsbeiträgen oder festen Gebühren werden, um es abrechnen zu können. Das führt wieder zu einer Segregation verschiedener Kinder und Jugendlicher.
Ich komme nun zum dritten Absatz. Das ist Punkt 5. 135 Millionen Euro soll der Verwaltungsaufwand kosten. Man muss sich ernsthaft fragen: Was sollen irgendwelche Lotsen in den Jobcentern den Familien raten? Das unterstellt zum einen, dass grundsätzlich alle einkommensschwachen oder von Hartz IV betroffenen Familien nicht in der Lage sind, ihre Kinder entsprechend zu bilden. Ich behaupte, dass das nicht der Fall ist. Sie können es nicht, weil ihnen das Geld fehlt, ihre Kinder zu Kursen und in Sportvereine zu schicken. An diesem Punkt müssen wir ansetzen, und nicht in der Kontrolle und Bevormundung von Eltern und Familien.
Frau Clauß, es gibt einen weiteren Punkt, den wir noch nicht thematisiert haben. Wenn es diese Lotsen gäbe, die den Eltern erfolgreich erklären, wohin man das Kind mit diesem Gutschein schicken könnte, haben wir folgende Frage nicht geklärt: Wie werden die Fahrtkosten bezahlt? Gerade in den Großstädten und Landkreisen muss man den Familien die Möglichkeit geben, die Fahrtkosten für die Kinder zu finanzieren. Diese sind es mit den gegenwärtigen Regelsätzen eben nicht.
Ein letzter Punkt. Es hat mich schon gewundert, dass ich als Abgeordnete vor einigen Tagen eine Einladung bekommen habe zu einer Veranstaltung in Berlin, wo uns eine CDU-Bundestagsabgeordnete auf Einladung der Chipkartenindustrie einen Vortrag halten möchte über den Zusammenhang von Bildungsgutscheinen und Chipkarten. Dazu sage ich, damit möchte sich jemand eine goldene Nase verdienen. Genau das lassen wir nicht zu, damit sind wir nicht einverstanden. Deswegen haben wir auch unseren Änderungsantrag gestellt.
Ich frage die Fraktionen: Möchte ein Abgeordneter noch zum Änderungsantrag Stellung nehmen? – Frau Stange für die SPD-Fraktion.
Ich spreche gleich von hier, Herr Präsident. Der Antrag der LINKEN ist gut gemeint und wird auch inhaltlich in allen Punkten von uns unterstützt. Allerdings hat unser Antrag eine ganz klare Fokussierung auf die jetzigen Vermittlungsverhandlungen. Deswegen ist er auch in dieser Knappheit und in dieser Zuspitzung formuliert. Wir werden uns deshalb in dem Fall beim Antrag der LINKEN enthalten.
Gibt es weitere Wortmeldungen von den Fraktionen zum Änderungsantrag? – Das ist nicht der Fall. Damit stelle ich als Erstes, bevor wir zur Abstimmung über den Ursprungsantrag kommen, den Änderungsantrag der LINKEN in der Drucksache 5/4706 zur Abstimmung. Wer ihm seine Zustimmung geben will, den bitte ich um sein Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei zahlreichen Stimmenthaltungen und zahlreichen Dafür-Stimmen ist der Änderungsantrag mehrheitlich abgelehnt worden.
Meine Damen und Herren! Ich stelle nun den Antrag der SPD-Fraktion, Drucksache 5/4652, zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Danke. Bei keiner Stimmenthaltung, zahlreichen DafürStimmen ist die Drucksache 5/4652 mehrheitlich nicht beschlossen worden. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.