Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Abstimmung über den gesamten Antrag. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen?
Hierzu können die Fraktionen wieder Stellung nehmen und es beginnt die einreichende Fraktion. Frau Abg. Hermenau, bitte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Der Antrag, den wir Ihnen heute vorstellen, hat natürlich mit dem zu tun, was wir im zweiten Halbjahr des vergangenen Jahres besprochen hatten: Es geht um strategische Zukunftsinvestitionen unter dem Vorzeichen knapper werdender öffentlicher Kassen – man muss sich da einfach auch entscheiden. – Ich hoffe, der Finanzminister stößt nachher noch zu uns.
Wir haben an Steuermehreinnahmen für die Jahre 2011 und 2012 im Doppelhaushalt ungefähr mindestens 650 Millionen Euro zu erwarten – das ist sehr viel Geld. Sie kennen meine Haltung zur Sparsamkeit und zur Konsolidierung. Natürlich würden wir zwei Drittel dieses Geldes in Rücklagen und in Vorsorge stecken; das ist gar keine Frage. Zuerst muss man einmal die allgemeine Haushaltsausgleichsrücklage, die für den Doppelhaushalt angegriffen worden ist, wieder auffüllen; das ist die erste Pflicht.
Das Zweite ist, dass man schauen muss, ob man bei den Kürzungen, die zum Teil ja doch in der Haushaltsberatung zum Doppelhaushalt 2011/2012 ein wenig unüberlegt gemacht worden sind, nicht insofern wieder etwas in Ordnung bringt, als dass man sehr gezielt strategisch kleine Injektionen gibt, um größeren Schaden zu verhindern – das werde ich gleich noch einmal ausführen. Dafür würden wir sogar weniger als für die Auffüllung der Haushaltsausgleichsrücklage vorsehen, nämlich 217 Millionen Euro.
Zum Dritten geht es darum, einen Betrag X, der zwischen mindestens 150 und 200 Millionen Euro liegen dürfte, in den Garantiefonds abzuführen, denn wir müssen ja für die Bürgschaft der Sachsen LB ansparen. Die Lage in den USA hat sich nicht gebessert; das Geld wird fällig.
Das ist in groben Zügen der Antrag, das haben wir uns so überlegt. Wir haben die Zahlen allgemein bekommen zum Thema Steuerschätzung. Interessant ist, dass wir die regionalisierte Steuerschätzung immer noch nicht haben. Ich finde das nicht in Ordnung – das muss ich gleich am Anfang sagen, Herr Finanzminister. Ich halte es für schlechten Stil, dass Sie für den Montag die Presse
einladen, um dort die regionalisierte Steuerschätzung vorzustellen, und dass Sie es nicht für nötig befinden, sie uns, wie im Haushalts- und Finanzausschuss verabredet, am Montag oder Dienstag dieser Woche zur Verfügung zu stellen.
Aber mit meinen Schätzungen habe ich ja derartig gut gelegen, dass wir sie vielleicht auch nicht mehr brauchen – wahrscheinlich wird es sowieso ein „Armutsbericht“, was Sie vorlegen.
Ich habe registriert, dass es der neue Finanzminister in Thüringen, Herr Voß – einigen im Haus wird er noch bekannt sein –, geschafft hat, die regionalisierte Steuerschätzung bereits einen Tag nach der allgemeinen Steuerschätzung vorzulegen – am 13. Mai; sie ist veröffentlicht. Das ist der kleine Unterschied, den ich hier sehe.
Deshalb bitte ich Sie auch, dem Parlament zu erklären, warum Sie dafür mehr als zwei Wochen Zeit benötigen, während das Herr Voß als neuer Finanzminister in Thüringen an einem Tag schafft.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, ich weiß ja nicht, ob Ihnen allen klar ist, dass Sie von den Steuermehreinnahmen keinen einzigen Cent sehen, denn Sie haben ja diesen Vermerk nicht geändert, dass die Staatsregierung die Mehreinnahmen in die Rücklagen, den Generationenfonds oder Garantiefonds der Sachsen LB, schiebt, während wichtige Zukunftsinvestitionen auf Eis liegen.
Minister Wöller hat, soweit ich es beobachten kann, als Einziger die Zeichen der Zeit erkannt und ich sage ganz klar: Es ist Bestandteil unseres Antrages. Er hat unsere volle Unterstützung, wenn er mehr Referendare einstellen will, damit Sachsen auch in Zukunft noch genügend gute Lehrerinnen und Lehrer beschäftigen kann.
Rücklagen sind nicht nur da, um ein gutes Gefühl zu machen – das muss natürlich auch gemacht werden –, aber man kann sich nicht ausschließlich darauf konzentrieren; das ist zu wenig und es ist, wie ich finde, ökonomisch nicht sinnvoll.
Ich habe dargestellt, dass wir nur ein Drittel in Zukunftsinvestitionen ausgeben würden und zwei Drittel in die Rücklagen; es ist also nicht so, dass wir verschwenderisch auftreten. Aber – und nun kommen wir zu den ökonomischen Handlungsbedarfen – es gibt vordringlichen Handlungsbedarf beim Wohnungsbestand und beim Verkehr. Investitionen in diese beiden Bereiche sind nicht nur umweltpolitisch notwendig, sondern in Zeiten steigender Energiepreise und endlicher fossiler Energiereserven auch ökonomisch sinnvoll.
Im Gebäudebereich wollen wir in den Altbaubestand investieren – er macht den größeren Teil aus. Um sächsischen Vermietern angesichts ihrer finanziellen Situation einen besonderen Anreiz zur Gebäudesanierung zu geben, wollen wir für die energetische Sanierung von Mietwohnungen neben dem Bundesprogramm einen Zuschuss gewähren. Die Zuschussfinanzierung der öffentlichen Hand im Bereich der energetischen Gebäudesanierung hat ein exzellentes Kosten-Nutzen-Verhältnis: Je Euro Forderung werden private Investitionen von 7 bis 8 Euro ausgelöst, qualifizierte Arbeitsplätze im sächsischen Handwerk erhalten oder neu geschaffen. Deshalb fordern wir ein Programm zur energetischen Sanierung von Mietwohnungen in Höhe von 44 Millionen Euro jährlich.
Investitionen in den ÖPNV, in den öffentlichen Nahverkehr, sind nicht nur Investitionen in den Klimaschutz, sondern sichern maßgeblich den Erhalt der zukünftigen Mobilität der sächsischen Bürgerinnen und Bürger – übrigens gerade im ländlichen Raum. Vielleicht muss man sich einfach mal die Konsequenz Ihres Verhaltens vom letzten Jahr vor Augen führen, um das zu verstehen.
Überregional berühmt geworden ist die Taktreduzierung der Mitte-Deutschland-Bahn auf der Strecke Chemnitz– Glauchau–Jena–Erfurt–Göttingen. Inakzeptabel sind die 60-prozentigen Taktreduzierungen auf der Strecke Döbeln–Nossen. Als Mittelstück der Strecke Meißen– Leipzig werden Taktausdünnungen auf anderen Strecken die Folge sein. Wir fordern deshalb die Aufstockung der Regionalisierungsmittel für den ÖPNV auf die ursprünglich in der ÖPNV-VO festgeschriebene Höhe, das heißt 25 Millionen Euro 2011 und 35 Millionen Euro 2012.
Damit wollen wir den Verkehrsverbänden die nötige Planungssicherheit geben, sodass Tarifanstiege revidiert und strategisch notwendige Mindestinvestitionen möglich sind.
Jetzt einmal strategisch gesprochen: Die Kürzungen, die Sie beim öffentlichen Nahverkehr für Regionalisierungs
mittel ausgesprochen haben, führen dazu, dass wir weniger Mittel aus dem Bund erhalten werden, wenn neu verhandelt wird. Die Mittel für 2015 werden schon neu verhandelt.
Sie haben sich also für die Zeit, in der wir vielleicht noch weniger Geld haben werden, jetzt schon die Hände gebunden und verzichten darauf, vom Bund mehr Geld zu bekommen. Ich halte es wirklich für strategisch falsch, was Sie entschieden haben, und denke, dass es auch ökonomisch nicht sinnvoll ist. Das kann man korrigieren, da kann man Abhilfe schaffen.
Wir sind im Bildungsbereich. Kinder und Jugendliche spielen eine wichtige Rolle, wenn es um unsere Zukunft geht. Das beginnt im Kita-Bereich. Dort können Sie mit wenig Geld strategisch ganz viel bewirken. Deshalb fordern wir ein Programm zur Sprachförderung in Kitas in Höhe von 6 Millionen Euro. Der Anteil der Schulanfänger mit erheblichen Sprachschwierigkeiten nimmt zu; in einigen Schulen und Kommunen beträgt er inzwischen bis zu 30 %. In den Kindertagesstätten sind aufgrund der angespannten Personalsituation nur wenige in der Lage, auf dieses Problem angemessen zu reagieren.
Das – soeben abgeschlossene – Landesmodellprojekt „Sprache fördern“ hat sich zum Ziel gesetzt, die Sprachförderkompetenz auszubauen. Aber das muss man nachher auch umsetzen. Was nützt es Ihnen, ein erfolgreiches Modellprojekt gehabt zu haben, wenn daraus nichts folgt?
Bei den jüngeren Kindern kann im Sinne eines präventiven Eingreifens mit relativ wenig Förderung sehr viel erreicht werden. Das ist eine strategische Investition in die Zukunft. Das Geld dafür ist übrigens da.
Bildung braucht auch Lehrerinnen und Lehrer. Ich habe gerade gesagt, dass wir das Vorangehen von Minister Wöller unterstützen. Wir würden vielleicht nicht mit so vielen Lehrer- bzw. Referendarstellen reingehen, wie er es vorgeschlagen hat; aber das muss die Union entscheiden. Wir sind jedoch der Meinung, dass man durchaus mit 500 pro Jahr zusätzlich anfangen kann.
Mehr Lehrende werden auch an den Hochschulen benötigt. Dafür würden wir 12 Millionen Euro pro Jahr ausgeben. Auch das wäre eine strategische Investition.
Ich höre von Ihrer Seite immer, wie sehr Sie es bedauern, dass wir so wenige Hochschulabsolventen haben, insbesondere in den Ingenieursfächern. Das scheint die Union in Sachsen zu bekümmern. Man kann Abhilfe schaffen: mit 12 Millionen Euro im Jahr. Die derzeitige Abbruchquote liegt im Schnitt bei 23 % – das ist fast jeder Vierte –, in den Ingenieursfächern sogar bei 35 %. Die Verbesserung der Lehrqualität ist eine entscheidende Voraussetzung, um die Studienabbruchquote auf die 10 %, die diskutiert werden, zu senken. Wenn das gelingt, die Zahl der Studienabbrüche also zurückgeht, kann der Rückgang der Studierendenzahlen kompensiert werden. Das Fach
kräfteproblem wäre nicht mehr so groß. Darüber kann man nachdenken, bevor man Ausländer einlädt, hierherzukommen. Noch einmal: Man kann die Studienabbrecherquote verringern, auch das ist möglich. Aber dafür muss man Geld in die Hand nehmen.
Es ist auch sinnvoll eingesetztes Geld, wenn die Jugendpauschale um 5 Millionen Euro angehoben wird. Ich verdeutliche das an einem Beispiel aus dem Landkreis Zwickau. Die Kompetenzagenturen bieten mobile Beratung für Jugendliche an und helfen mit, dass sie ausbildungsfähig werden. Wenn die Handwerkskammer Chemnitz sich bemüht, junge Leute, die Schwierigkeiten haben, ihren Schulabschluss zu schaffen, an Betriebe heranzuführen – ein interessantes Projekt von Herrn Lohse –, warum sind wir als Land dann nicht in der Lage, zu flankieren, indem wir solche Kompetenzagenturen unterstützen, die den jungen Leuten helfen wollen, hier in Sachsen ihr Auskommen zu finden und ihre Abschlüsse zu machen? Ich verstehe Ihre Politik nicht, meine Damen und Herren von der Koalition. Das passt überhaupt nicht mehr zusammen. Ihre Forderungen und Ihre Handlungen gehen weit auseinander.
Zu dem, was ich zur Kommunalfinanzierung immer wieder ausgeführt habe, kommt noch einiges hinzu. Fragen der Demografie und der Mindestfinanzierung stehen im Raum. Ich habe eine Bürgermeisterbereisung durchgeführt. Viele sind auf meine Vorschläge eingegangen; man ist bereit, darüber zu diskutieren.
Ich glaube, dass auch hier strategische Investitionen von großer Bedeutung sind. Wenn weniger Geld vorhanden ist, muss man auf Klasse setzen, wenn man die Masse nicht mehr hat. Das ist klar, einfach und für jeden einsichtig.