Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

Charakter auf niedrigstem Niveau haben. Es werden nur noch gigantische Massen herumgeschoben, um aufgrund der Milliardenbeträge Gewinne herauszuziehen. Das zu unterbinden muss Aufgabe der Finanztransaktionssteuer sein. Das muss auch so geschehen.

Nun kommen wir zu dem Wer. Ich wundere mich, dass wir hier eine solche Debatte anstoßen. Die Bundeskanzlerin ist mit einem Auftrag zum G-20-Gipfel gegangen. Sie hat versucht, beim G-20-Gipfel eine Mehrheit für eine solche globale Finanztransaktionssteuer zu gewinnen. Sie ist gescheitert. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. Sie ist gescheitert. Sie kam mit nichts zurück – zumindest was das angeht.

Wir stellen fest, dass sich auf europäischer Ebene eine ganze Menge bewegt. Am 8. März dieses Jahres hat das Europäische Parlament – Sie haben darauf hingewiesen – einen Entschließungsantrag der Sozialdemokratie befürwortet. Es sagte, es wolle eine solche Steuer. Da kommt Herr Barroso daher und erzählt, dass er nach der Sommerpause dem Europaparlament einen Gesetzentwurf vorlegen möchte. Diese Mitteilung ist erst ein paar Tage alt. Nun wird es wirklich spannend. Nun kommt der Finanzkommissar daher und sagt, dass er einen Haushaltsplan vorlegen werde. In diesen Haushaltsplan würde er die Einnahmen aus dieser Steuer schon einmal mit einpreisen.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Zwei Milliarden!)

Das habe ich an der Debatte vermisst: aktuelle Entwicklungen. Was machen wir nun? Die Europäische Union stellt sich vor, ihre erste eigene Steuer einzuführen. Deutschland stellt sich vor, das Geld als nationale Steuer für sich zu vereinnahmen. Alle sind sich – bis auf England – einig, dass sie diese Steuer haben wollen. Ich gehe davon aus, dass sie kommen wird. Es gibt ein Votum im Parlament. Es gibt den Willen der Kommission. Es gibt den Willen der Mitgliedsländer. Über die Verteilung sind wir uns alle noch nicht einig. Darüber könnten wir reden. Es wäre interessant, diesen Streit auszutragen, um zu sehen, wie sich unsere Staatsregierung in dieser Frage verhält.

Ansonsten stelle ich fest – das ist für mich ein positives Erlebnis –, dass sich auch andere Parteien darum bemühen, dem Konsolidierungsdruck der öffentlichen Haushalte auch mit Einnahmenerhöhungen zu begegnen.

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Das gehört meiner Meinung nach auch zur Redlichkeit der Debatte.

Die Irrleuchter in der FDP, die auf Bundesebene davon träumen, ihre Umfragewerte durch Steuersenkungen aufzupäppeln, werden wieder in die Schranken gewiesen und solche Debatten können gar nicht mehr stattfinden.

(Beifall bei den LINKEN)

Das, was die FDP macht, ist nicht im Interesse des Landes. Es ist nicht im Interesse der öffentlichen Haushalte, sondern nur im Interesse ihrer eigenen Umfragewerte.

Insofern werden wir diesem Antrag, da es ein ureigenes Thema der LINKEN ist – wir haben mehrfach auch mit der SPD zusammen an Initiativen gebastelt und im Bundestag thematisiert –, zustimmen. Wir hoffen, dass ein Signal aus Sachsen denjenigen den nötigen Schub gibt, die sich bereits auf dem Weg befinden, und ihnen einen Anreiz gibt, ein wenig schneller zu laufen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Nun ist die Fraktion der FDP an der Reihe; Herr Prof. Schmalfuß, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag und die Begründung des Antrags der SPDFraktion sind eher eine sozialdemokratische Anklageschrift gegen die Finanzmärkte als eine zustimmungsfähige Vorlage.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Kollege Pecher! Sowohl aus Ihrer Einbringungsrede als auch aus Ihrem Antrag geht nicht hervor, nach welchen Ausgestaltungskriterien die Finanztransaktionssteuer wo eingeführt und welche Finanzmarkttransaktion dabei erfasst werden soll. Die vorgenannte SPD-Forderung nach einer internationalen Finanzmarktsteuer lässt ebenso offen – im Gegensatz zum Antrag der SPD-Bundestagsfraktion mit der Nr. 17/6086 –, ob es sich dabei um eine Finanztransaktionssteuer oder Finanzaktivitätssteuer, die Besteuerung der Gehälter und Boni von Bankmanagern, handelt.

Meine Damen und Herren! Eine isolierte Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene wird zu einer schnellen Reaktion der Marktteilnehmer im Rahmen nachlaufender Steuervermeidungsstrategien führen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Mögliche Reaktionen der Marktteilnehmer im Zusammenhang mit einer isolierten Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Europa wären – ich bin mir sicher, dass es nicht nur mögliche Reaktionen sind, sondern dazu kommen wird –: erstens eine Reduktion des Handelsvolumens, zweitens das räumliche Ausweichen auf andere Finanzplätze und drittens die Entwicklung neuer steueroptimierter Finanzprodukte.

Darüber hinaus wären mit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer ebenso die Bürgerinnen und Bürger des Freistaates Sachsen betroffen, die für ihre Rente eine entsprechende Altersvorsorge oder für die Ausbildung

ihrer Kinder finanzielle Vorsorge betreiben. Die Befürworter einer Finanztransaktionsteuer sehen meines Erachtens als Zielsetzung die Verbreiterung der Einnahmenbasis des Staates mehr – Kollege Pecher bzw. Kollege Scheel haben das schon ausgeführt – als die Stabilisierung der Finanzmärkte oder die Marktregulierung der Finanzmärkte.

Meine Damen und Herren! Es wurden im Zuge der Finanzkrise bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Finanzmärkte stärker zu regulieren. Es kommt darauf an, dass wir diese Instrumente, die verändert worden sind, anwenden. Ich nenne hier nur erstens die Verschärfung des KWG, zweitens Basel III, das heißt die veränderten Eigenkapitalvorschriften, und drittens die Verschärfung des MaRisk, das heißt die Mindestanforderung an das Risikomanagement nach § 25a KWG.

(Beifall des Abg. Carsten Biesok, FDP)

Meine Damen und Herren! Ich denke, dass die FDPFraktion vor dem Hintergrund meiner Ausführungen ganz sicher den Antrag der SPD-Fraktion ablehnen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Frau Hermenau, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Erst einmal, Herr Pecher, heiße ich Sie willkommen zurück in der Runde derer, die sich auch gern einmal jenseits von Kommunal- und Landespolitik in Finanzfragen über den Tellerrand bewegen wollen. Das war im letzten Plenum noch anders. Ich finde es auch richtig, dass Sie diesen Antrag vorgestellt haben. In der Sache kann man das noch diskutieren. Das Desaster der Landesbank muss ja durchaus auch hier in diesem Parlament zu Einsichten führen. Wenn man gute Erfahrungen und kluge Hinweise hat, dann soll man die auch in die Debatte einspeisen. Ich finde, das kann man machen.

Trotzdem haben wir einen Änderungsantrag vorlegen müssen. Das ist ganz klar. Der ist ein bisschen schärfer als Ihrer, der jetzt schon ein Jahr herumliegt, und orientiert sich etwas mehr an der Aktuellen Debatte von vor ein paar Tagen im Bundestag zu dem Thema. Da treffen Sie Forderungen wieder, die übrigens auch die SPDBundestagsfraktion erhoben hat. Das müsste Ihnen also nicht sachfremd sein.

Die CDU hat auch im Bundestag, Herr Löffler, konditioniert argumentiert. Es müsse mindestens in der Eurozone gemacht werden, besser in der ganzen EU oder am besten weltweit. Den Versuch von Frau Merkel gab es. Aber selbst der Vorstandschef der Deutschen Bank ist inzwischen weiter als die sächsische CDU und vielleicht die auf Bundesebene. Er hat gesagt, er hält die Einführung dann für richtig, wenn mindestens die wichtigsten konti

nentaleuropäischen – da ist London draußen – Finanzplätze einbezogen würden.

(Beifall des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

Diesen Punkt haben wir erreicht. Bisher hat es keiner aufgegriffen von denen, die diskutiert haben. Vielleicht haben Sie heute noch keine Presse zur Kenntnis genommen. Am heutigen Tag hat Algirdas Semeta, das ist unser EU-Steuerkommissar in Brüssel, den Vorschlag für die Finanzplanung von 2014 bis 2020 vorgelegt.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Er hat doch abgeschrieben!)

Darin enthalten ist die Finanztransaktionssteuer in einem Korridor von 0,01 bis 0,05 % auf alle Börsengeschäfte. Das entspricht den Forderungen aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Luxemburg und dem Europäischen Parlament. Die Briten haben sich erwartungsgemäß dagegen verhalten, aber bei einem Schuldenstand von mindestens derselben prozentualen Höhe wie Griechenland sollte man vielleicht auch nicht so kleinlich sein.

Die FDP hat sich im Bundestag als einzige gegen die Finanztransaktionssteuer ausgesprochen. Sie haben, wie ich finde, im letzten Jahr ein politisches Ablenkungsmanöver entwickelt. Das heißt Finanzaktivitätssteuer. So ähnlich hat heute auch Herr Löffler argumentiert. Das ist der Stand der Debatte vom letzten Jahr.

Das Fazit, das ich politisch ziehen muss, ist, dass die Europapartei CDU im Bundestag von der FDP keine Unterstützung hat. Ich finde es schon bedenklich, dass Sie andere europafreundliche Fraktionen im Bundestag und offensichtlich auch hier im Landtag brauchen, um in einer so entscheidenden Frage weiterzukommen.

Ich wiederhole es noch einmal: In der heutigen Finanzplanung für die EU ist die Finanztransaktionssteuer eingepreist. Die ganze Debatte kommt im Prinzip zu spät. Man könnte auch sagen, dass sich der Antrag erledigt hat. Aber nachdem ich jetzt merke, dass die Vorredner diesen Kenntnisstand noch nicht hatten, hat sich die Debatte ja schon wieder gelohnt.

(Beifall bei den GRÜNEN – Demonstrativer Beifall bei der SPD – Stefan Brangs, SPD: Hoch, hoch! Schön, dass wir Sie haben!)

Alles gut. Alles wird gut bei der SPD. Будет, будет, всё будет!

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Hermenau?

Nein, danke.

Ein zweites Mal kann sich Deutschland keinen Bankenrettungsschirm mehr leisten. Jeder sollte sich durch den Kopf gehen lassen, was das bedeutet. Das heißt automatisch, dass jetzt angefangen werden muss, solche Regulationsmechanismen in Angriff zu nehmen. Es gibt da, denke ich, keine Alternative, obwohl ich diesen Satz nicht

gut finde. Es gibt aber manchmal Situationen, die lassen einem wirklich nicht viele Möglichkeiten.

Auch wenn wir Sachsen es geschafft haben, beim Desaster der Sachsen LB andere aktuell in Höhe von vielleicht 11 oder 12 Milliarden Euro für unseren Schaden bürgen zu lassen, kann man wohl doch nicht damit rechnen, dass es immer so weiter und so gut geht. Vor diesem Hintergrund bin ich der Meinung, dass es dem Hause gut zu Gesicht stünde, sich dazu zu bekennen, dass die Finanztransaktionssteuer ab heute in die europäische Politik einfließt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Scheel.