Kommen wir zur Frage drei. Wem soll das Steueraufkommen zustehen? Ich setze mich mit allem Nachdruck dafür ein, dass die Besteuerung des Finanzsektors zu Haushaltsmehreinnahmen ausschließlich bei den Mitgliedsstaaten führen muss. Bund und Länder haben viel Geld in die Hand genommen und sind große Risiken eingegangen, um die Auswirkungen der Finanzkrise wieder in den Griff zu bekommen. Begehrlichkeiten der EU, die Gunst der Stunde zu nutzen, um eine europäisch abgestimmte Finanztransaktionssteuer oder Finanzaktivitätssteuer in den Haushalt der EU zu überführen, weise ich mit Entschiedenheit zurück. Diese Steuer darf keine unmittelbare Einnahmequelle der EU werden.
Lassen Sie mich zusammenfassend sagen: Im Ziel, die internationale Spekulation einzudämmen, sind wir uns einig. Ob das Konzept einer Finanztransaktionssteuer dazu tragfähig genug ist, wird sich an der konkreten Ausgestaltung erst noch erweisen müssen. Eine geringe internationale Einbindung genügt nicht. Eine wirkungsvolle Finanztransaktionssteuer muss von vielen Ländern, möglichst weltweit, getragen werden. Eine Finanztransaktionssteuer muss jene treffen, die getroffen werden sollen. Die Steuereinnahmen müssen in den nationalen Haushalten vereinnahmt werden.
machen, um noch etwas richtigzustellen, was Prof. Unland gesagt hat. Die private Vorsorge wäre durch eine solche Finanztransaktionssteuer eben nicht betroffen; denn selbst, wenn im Portfolio eines Riester-Sparers beispielsweise 60-mal im Jahr Umschichtungen vorgenommen würden, wäre bei einer Finanztransaktionssteuer zwischen 0,01 und 0,05 % der insgesamt auflaufende Betrag so gering, dass das tatsächlich gar keinen Einfluss auf die private Vorsorge hätte. Insofern ist das ein Stück Angstmacherei. Das muss ich ganz offen sagen. Wenn die Finanztransaktionssteuer nicht zu hoch wäre, würde sie sich tatsächlich nur gegen Spekulanten richten, die innerhalb von Minuten, Stunden, Tagen denken und zig Transaktionen machen. Insofern sollte man nicht mit dem Argument der privaten Vorsorge Stimmung gegen die Finanztransaktionssteuer machen. Das ist einfach Quatsch. – Danke.
Herr Staatsminister, möchten Sie erwidern? – Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist jetzt beendet. Herr Pecher, möchten Sie für die SPD-Fraktion noch ein Schlusswort halten? – Das haben Sie bereits getan.
Damit kommen wir zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 5/6216. Frau Hermenau, Sie möchten diesen noch einbringen und erhalten dazu Gelegenheit. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Was 2008 passiert ist, wissen wir, und die Wirtschaft ist darüber bis heute zu Recht noch entsetzt. Damals ist aufgeflogen, dass vagabundierendes Kapital ziemlich marodierend durch die Realwirtschaft gezogen ist.
Ich denke, dass es schon angemessen und wichtig ist, sich mit solch einer Sachfrage vertieft auseinanderzusetzen, auch wenn das hier bei manchen die Fleißbienchenfrage auslöst. Wir können uns mit diesen Fragen nicht tief und gründlich genug auseinandersetzen.
Die Schuldenkrise der öffentlichen Haushalte, mit der wir jetzt konfrontiert sind und die uns das Agieren in der Politik so erschwert, hat maßgeblich damit zu tun, dass man diese Fehlentwicklungen in den Kapitalmärkten in den öffentlichen Haushalten auffangen musste. Ich halte das für ein grundlegendes Problem der Gestaltungsoptionen für Politik. Selbstverständlich möchte ich, dass wir gründlich besprechen und diskutieren, welche Schritte wir unternehmen und wie diese aussehen. Deshalb haben wir diesen Änderungsantrag gestellt. Ich habe schon gehört, Herr Kollege Pecher, dass Sie ihn gern mit aufnehmen wollen.
Ich will es kurz erläutern: Wir legen zum Beispiel Wert darauf, dass im ersten Punkt dieses Antrages auch die außerbörslichen Geschäfte einbezogen sind. Soweit ich das bisher der Presse entnehmen konnte, ist auf EU-Ebene
noch unklar, ob sie dabei sein sollen. Um es am Beispiel zu erklären: Es macht für den deutschen Bundeshaushalt – falls die Einnahmen nach Deutschland gehen sollten, die dem deutschen Anteil entsprechen – einen Unterschied, ob man als Herr Schäuble 2 Milliarden Euro oder 12 Milliarden Euro einpreisen kann. Das ist der Unterschied zwischen nur börslichem Wertpapierhandel und börslichem und außerbörslichem Wertpapierhandel.
Außerbörslicher Wertpapierhandel ist im Prinzip dieser Over-the-counter – also Telefonhandel könnte man sagen –, bei dem Sie innerhalb weniger Minuten oder Sekunden entscheiden müssen, ob Sie das Geschäft nun machen oder nicht, und zwar im Direktverkehr. Da werden Wertpapiere gehandelt, die zum Teil börsennotiert sind, und manche sind es nicht. Das Entscheidende ist: Man will, dass diese Geschäfte nicht publik werden. Die heißen auch noch so. Das sind sogenannte Dark Pools. Man will nicht, dass diese Geschäfte publik werden. Sie würden aber ein Sechsfaches von dem einbringen, wenn man sie einbezöge, als das, was jetzt in Rede steht.
Vor diesem Hintergrund ist eine solche Spezialisierung wichtig. Man muss nicht verhöhnen, wenn sich jemand Mühe gibt, das im Detail zu verstehen. Ich glaube, ich habe Ihnen, Herr Scheel, damit unrecht getan. Ich nehme das hier – zu Protokoll – ausdrücklich zurück; es tut mir leid. Aber ich denke, es ist wichtig.
Es ist wichtig, sich gründlich mit diesen Fragen zu befassen. Das muss eigentlich erste Politikerpflicht in jeder Fraktion sein. Dass das nicht so gründlich gemacht wird, finde ich wirklich schwierig.
Vielen Dank, Frau Hermenau. Möchte jemand zum Änderungsantrag sprechen? – Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich über diesen abstimmen. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Drucksache 5/2532. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und zahlreichen Dafür-Stimmen hat der Antrag nicht die erforderliche Mehrheit gefunden und ist abgelehnt. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.
Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Wir beginnen mit der Aussprache. Zunächst hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort; Herr Abg. Lichdi.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am morgigen Donnerstag wird im Deutschen Bundestag eine der wesentlichsten Entscheidungen seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 fallen. Morgen wird der endgültige Ausstieg aus der Atomenergie bis zum Jahre 2022 in einem breiten, überparteilichen Konsens beschlossen. Wir sind der Ansicht, dass dieses historische Ereignis es wert ist, dass wir uns auch im Sächsischen Landtag damit befassen, zumal daraus für die sächsische Energiepolitik und die sächsische Politik Konsequenzen zu ziehen sind.
Ich halte es für bemerkenswert, was wir im Gegensatz zu den Aussagen von Herrn Röttgen oder Frau Merkel oder sogar von Politikerinnen und Politikern der FDP auf Bundesebene hier aus Sachsen in den letzten Wochen und Monaten zu hören bekommen haben.
Die sächsischen Regierungsparteien von der CDU und der FDP sind die letzten Mohikaner der Atomtechnologie.
Es gibt keinen anderen Landesverband der CDU oder der FDP in der Bundesrepublik Deutschland, der dermaßen offensiv gegen den Kurs der eigenen Bundeskanzlerin und der eigenen Regierung polemisiert.
Sie haben vielleicht mitbekommen, dass kein Geringerer als der Vizevorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion, Arnold Vaatz, Abgeordneter des Dresdner Wahlkreises Nord, und Herr Lämmel, designierter Vorsitzender des Kreisverbandes Dresden, am letzten Mittwoch eine Veranstaltung im Haus der Kirche durchgeführt haben, wo diese Dinge nochmals in extenso, in aller Breite, dargestellt wurden. Also von Einsicht keine Spur. Man muss sich allmählich schon Sorgen um die Mehrheit von Frau Merkel machen; jedenfalls aus Sachsen wird ihre Mehrheit nicht gesichert.
Sehen wir uns doch einmal im Einzelnen die Äußerungen maßgeblicher Politikerinnen und Politiker aus der Koalition hier in Sachsen an.
Herr Flath war noch relativ harmonisch gestimmt und hat davon gesprochen, dass das Atommoratorium der entscheidende Fehler gewesen sei. Das haben Sie im April gesagt, ich kann es Ihnen zeigen, es stimmt schon. Dann haben Sie wieder Ihr ewiges Mantra angeschaltet, Sie müssten sich mehr um die Stammwähler kümmern, und die würden verunsichert werden, und das wäre nicht gut.
Herr Zastrow hat dann etwas weiter nach oben gegriffen und von einem Fall von Planwirtschaft gesprochen. Da haben wir uns alle sehr gewundert, und es ist ja auch schon in der „Sächsischen Zeitung“ sehr schön in dem Interview zwischen Herrn Honecker und Herrn Zastrow verarbeitet worden. Aber Herr Zastrow hat dabei auch seine grundsätzliche Unkenntnis der Materie wieder einmal offenbart; denn ihm ist offensichtlich nicht bekannt, wie die Atomtechnologie in beiden deutschen Ländern in den Fünfzigerjahren angeschoben wurde. Es war doch der massive Wunsch sowohl der DDR-Führung als auch der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, in die Atomtechnologie einzusteigen, und zwar, was man immer wieder dazusagen muss, auch aus militärstrategischen und militärtechnischen Gründen. Man wollte eben die Atombombe auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs. Das gehört auch zur Wahrheit.
Aber, meine Damen und Herren, die Krone hat kein Geringerer als Herr Arnold Vaatz dieser gesamten Debatte aufgesetzt. Ihnen ist sicher auch dieser Artikel im „Handelsblatt“ vom 3. Juni dieses Jahres in die Hand gefallen. Ich glaube, es ist doch wert, dass ich Ihnen jetzt hier noch einmal die Erkenntnisse des Herrn Vaatz des Längeren zu Gehör bringe.
Zitat: „Uns treibt allerdings“ – hören Sie zu, Herr Krauß! – „keine übermütige Laune in solche Windmühlenkämpfe, sondern eine über die Jahrzehnte gewachsene Fehldisposition in der deutschen Gesellschaft. Sie kam mit den 68ern und besteht einerseits in ablehnender Skepsis gegenüber allen traditionellen Konstanten, die diese Gesellschaft zu einer der leistungsfähigsten der Welt gemacht haben, und andererseits in der selbstverständlichen Inanspruchnahme aller Annehmlichkeiten und Produkte, die diese hervorbrachte.“
„Der Motor“ – es wird noch besser, sparen Sie sich Ihr Klatschen! – „des Selbstverzehrs ist ein seit sehr Langem gewachsener Konformitätsdruck, der sich gegen alles dem 68er Milieu fremde Gedankengut richtet, das sich als nicht links, nicht technikfeindlich, nicht kapitalismusfeindlich, nicht multikulti zu erkennen gibt. Seine Deformationskraft“ – so Vaatz – „erstickt jede geistige Freiheit.
Ich zitiere weiter: „Seine Deformationskraft erstickt jede geistige Freiheit. Wer die von ihm geschützten Tabus berührt, gerät in das Räderwerk der Empörungsindustrie, das ihm in der Regel die Sprache nimmt. Die Kernenergie-Ethikkommission war ein Produkt und ein Teil dieses Konformitätsdrucks.“
Meine Damen und Herren! Das Erste, was ich hier feststellen möchte, ist: Herr Vaatz führt keine energiepolitische Debatte, er führt eine gesellschaftsideologische Debatte.
Das muss ich erst einmal feststellen. Was daraus zu entnehmen ist, ist eigentlich eine ernstere Geschichte. Dieser Artikel zeigt die gesamte Ratlosigkeit des deutschen Konservatismus, der nicht in der Lage ist, sich auf neue Erfordernisse einzustellen. Er ist ressentimenterfüllt, ich habe sogar manchmal das Gefühl, er ist geradezu hasserfüllt, er ist geprägt von einer manichäischen Weltsicht – hier die guten Konservativen, die die Bundesrepublik aufgebaut haben, dort die bösen Linksextremisten, die 68er usw. Herr Kollege Bandmann, Sie haben ja diese Ideologie hier in diesem Hause auch schon des Öfteren zur Kenntnis gegeben. Nein, meine Damen und Herren, ich denke, das ist nicht die richtige Art und Weise, sich mit dieser historischen Frage auseinanderzusetzen.