Protokoll der Sitzung vom 29.06.2011

beginnt. Auch hier ist Potenzial vorhanden, damit der Jugendliche seine Ausbildung in Sachsen und nicht in einem anderen Bundesland beginnt. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund interessant, da in diesem Jahr erstmals die Anzahl der Ausbildungsplätze größer ist als die Anzahl der Jugendlichen. Auch hier haben wir gute Möglichkeiten, dafür zu sorgen, dass junge Leute nicht abwandern.

Wie gewinnen wir diese Menschen nun zurück? Sachsen hat eine Menge zu bieten. Dazu gehört unter anderem auch die Eierschecke. Aber es gibt noch viele andere spannende Dinge in unserem Land. Interessant ist es für die Menschen, wenn sie in Sachsen Freunde, Bekannte oder Verwandte haben. Das ist ein sehr wichtiges Argument, um hierzubleiben oder zurückzukommen.

Ein weiterer Grund ist die gute Kinderbetreuung in Sachsen. In meiner Bürgersprechstunde war ein Paar, das in München arbeitet – der Mann ist Tischler, die Frau Arzthelferin – und gesagt hat, dass es gern zurückkommen möchte, weil in Sachsen die Kinderbetreuung dreimal besser als in München sei. Das sind Argumente, die für Sachsen sprechen. Es ist sicherlich auch so, dass in dem einen oder anderen Ort die Miete etwas niedriger ist.

Eine wichtige Frage für die Pendler ist aber auch, welchen Lohn sie für ihre Arbeit in Sachsen bekommen. Das sind das A und das O, auf das es ankommt. Das ist eine Aufgabe, der sich die Wirtschaft stellen muss. Sie muss attraktive Jobs schaffen und eine attraktive Bezahlung bieten, damit junge Leute zurückkommen.

(Jürgen Gansel, NPD: Mindestlöhne!)

Im Antrag der NPD wird ein „Runder Tisch Rückkehrförderung“ gefordert. Sie nehmen damit Bezug auf den „Runden Tisch Anerkennung“. Dazu muss man eines sagen: Es gibt einen Unterschied zwischen Pendlern und Ausländern, welcher der NPD offenbar nicht bewusst ist. Pendler und Weggezogene sind deutsche Staatsbürger, die damit keine bürokratischen Hürden zu bewältigen haben, um auf den Arbeitsmarkt zu kommen. Jeder, der in München arbeitet und jetzt in Dresden oder in Chemnitz arbeiten möchte, kann dies ohne Probleme tun. Das ist für den Ausländer schon schwieriger, weil er eine Reihe von Hürden überwinden muss.

Insofern macht es Sinn, einen „Runden Tisch Anerkennung“ zu schaffen, aber es macht keinen Sinn, einen „Runden Tisch Rückkehrförderung“ ins Leben zu rufen. Aus diesem Grund macht der Antrag der NPD-Fraktion keinen Sinn und wir werden ihn ablehnen. Wir bitten die anderen Fraktionen, dies ebenfalls zu tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Ich frage die Abgeordneten, ob es weitere Wortmeldungen gibt. – Die Linksfraktion? – Nein. Die SPD-Fraktion? – Auch nicht. Die GRÜNEN? – Auch nicht. Die FDP? –

Auch nicht. Damit sind wir mit der ersten Runde durch. Ich habe noch eine Wortmeldung für die zweite Runde; Herr Abg. Apfel, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während sich selbst die Bundeskanzlerin kürzlich nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 21. Juni in einem seltenen Augenblick der Erleuchtung wegen der hohen Zahl an Langzeitarbeitslosen gegen die erleichterte Zuwanderung sogenannter ausländischer Fachkräfte ausgesprochen hat, setzt die Staatsregierung in Sachsen weiterhin auf genau diese Zuwanderung, und Innenminister Ulbig schwadroniert von einer neuen Willkommenskultur für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten. So geschehen anlässlich einer PRAktion der Staatsregierung.

Symbolischer, meine Damen und Herren, und treffender hätten Sie Ihre eigene Politik nicht beschreiben können als mit diesem Kontrast, hier auf der einen Seite die Werbung um ausländische Fachkräfte, ein WelcomeCenter soll eingerichtet werden, alles soll plötzlich ganz schnell gehen. Bürokratische Hemmnisse sollen abgebaut werden. Innerhalb von vier Wochen sollen die Ausländer ihre Arbeitserlaubnis bekommen. Die Einkommensgrenzen sollen gesenkt und ausländische Berufsabschlüsse beschleunigt anerkannt werden.

Parallel dazu können Ausländer schon beim „Runden Tisch“ Anerkennung ihren persönlichen Einzelfall vortragen bzw. dort einen Antrag auf Befassung stellen. Der Ausländerbeauftragte kümmert sich persönlich darum, damit all die dringend benötigten Fachkräfte auf dem globalen Arbeitsmarkt, die schon mit den Hufen scharren, um das attraktive Hochlohnland Sachsen mit ihrem Fachwissen und ihrer Arbeitskraft zu beglücken, sagen können: Da werden Sie geholfen!

Für die abgewanderten oder pendelnden Sachsen bleibt hingegen nur die Eierschecke, aber die – so viel sei verraten – ist eben auch nicht das Gelbe vom Ei. Wirklich geholfen wäre den in alle Winde verstreuten sächsischen Familien, die lieber heute als morgen in ihre Heimat zurückkehren würden, wenn endlich ihrer Qualifikation entsprechend angemessene Löhne gezahlt würden, die ein menschenwürdiges Leben ermöglichen,

(Beifall bei der NPD)

und wenn sich die Staatsregierung gezielt um die sächsischen Landsleute bemühen würde. 15 000 offene Stellen stehen 130 000 sächsischen Pendlern gegenüber. Niemand kennt die genaue Zahl der rückkehrbereiten Abgewanderten. Doch Sachsen leistet sich bisher immer noch den Luxus, ohne ein Programm und ohne eigene Agentur für Rückkehrer auszukommen. Angela Jain vom Berliner Nexus-Institut schätzt die Situation richtig ein, wenn sie in „Die Zeit“ vom 16. Juni sagt, dass eine umfassende Betreuung Rückkehrwilliger wichtig sei. Ich zitiere: „Dazu gehören Informationen zum Wohnungsmarkt oder Tipps für die Organisation von Kinderbetreuung.“

Genau darauf geht unser Antrag vom 15. Juni ein, in dem wir weitere wichtige Faktoren ansprechen, wie die Beratung und die Information bei der Arbeitsplatzsuche, Hilfe bei der Suche nach Studien-, Praktikums- und Ausbildungsplätzen, Unterstützung bei der Existenzgründung, bei Behördengängen und bei eher weichen Faktoren wie der Vereinsstruktur vor Ort oder Weiterbildungsmöglichkeiten.

Uns würde auch interessieren, inwieweit die Staatsregierung überhaupt schon tätig geworden ist, denn aus den uns bisher vorliegenden Antworten der Staatsregierung spricht zunächst vor allem eines: Desinteresse und/oder Unwissenheit. Herr Krauß, Sie brauchen auch nicht auf die bereits existierenden Rückkehrinitiativen im Freistaat Sachsen aufmerksam zu machen. Dabei handelt es sich nur um bloße Stellenbörsen. Sie sind kein Ersatz für eine aktive Rückkehrpolitik. Eine solche Rückkehragentur auf Landesebene hätte vor allem eine Lotsenfunktion und würde die Strategie zur Rückgewinnung sächsischer Arbeitskräfte koordinierend umzusetzen haben.

Vor dem Hintergrund einer nach wie vor hohen Anzahl von Langzeitarbeitslosen in Sachsen und eines wachsenden Niedriglohnsektors ist es allemal sinnvoll, Menschen nach Sachsen zu holen, die Deutsche sind und die die deutsche Sprache sprechen, oder ihnen zu ermöglichen, mit ihren Familien dauerhaft in Sachsen zu arbeiten, statt in die westlichen Bundesländer pendeln zu müssen.

Daher möchten wir, dass auch über den Sinn und die Finanzierbarkeit einer Rückkehrprämie nachgedacht wird, wie in Nummer 3 unseres Antrages niedergeschrieben steht. Wie soll ein ordentliches Familienleben unter den hierzulande herrschenden Bedingungen möglich sein? Das hat Auswirkungen auf weite Bereiche des Lebens – von der Familiengründung bis zur familiären Pflege von Angehörigen, wenn man zur Einkommenssicherung darauf angewiesen ist, der Beschäftigung als Arbeitsnomade hinterherzureisen. So kommen wir, meine Damen und Herren, aus der demografischen Falle nicht heraus.

Bei allem wirtschaftlichen Triumphgeheul darf eines nicht vergessen werden: Die Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort hat in den Jahren 2000 bis 2009 in Sachsen um über 9 % abgenommen. Es liegt auf der Hand: Die Mehrzahl der neuen Angebote aufgrund des sogenannten Wirtschaftsaufschwungs stammt von sogenannten Leiharbeitsfirmen, und die Arbeitsuchenden bekommen dort oft gerade einmal den Mindestlohn geboten.

Unter diesen Umständen wird niemand zurückkehren, jedenfalls niemand, der als Fachkraft einen ordentlichen Beruf und eine angemessene Entlohnung anstrebt. Diese Fachkräfte suchen Sie doch angeblich.

Nein, meine Damen und Herren der Regierung und der Koalitionsfraktionen, Sie täuschen uns nicht mit Ihren versemmelten PR-Aktionen. Sie zeigen immer wieder, dass es Ihnen nicht darum geht, dem eigenen Volk eine Zukunftsperspektive in der eigenen Heimat zu bieten.

Ihnen geht es auch nicht um das Wohl der Ausländer, denn Sie haben vor allem die Sorge, dass rein marktwirtschaftlich gedacht die Preise, sprich: die Löhne, steigen müssen, wenn die Nachfrage, sprich: der Arbeitskräftebedarf, steigt. Also muss nach Ihrer Auffassung das Angebot, sprich: die Zahl der potenziellen Billiglöhner, erhöht werden, um der globalisierten Konzernpolitik Rechnung zu tragen. Das Prinzip des Shareholder-Value hat längst über alle verantwortungsbewussten volkswirtschaftlichen und sozialstaatlichen Erwägungen triumphiert.

Sie, meine Damen und Herren, können uns natürlich Lügen strafen und uns heute das Gegenteil beweisen, wenn Sie dieses Mal – wenigstens dieses eine Mal – einem fachlich fundierten und jedes potenzielle Reizwort vermeidenden Antrag der NPD-Fraktion zustimmen würden.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Mir liegen keine Wortmeldungen für weitere Redebeiträge in der zweiten Runde vor. Ich frage deshalb die Staatsregierung. – Die Staatsregierung möchte auch nicht das Wort ergreifen. Damit kommen wir zum Schlusswort. – Die NPD verzichtet auf das Schlusswort.

Meine Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 5/6085 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Danke. Die Stimmenthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen und einigen Dafür-Stimmen ist die Drucksache 5/6085 mehrheitlich nicht beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 8

Übertragung der Anteile des Freistaates Sachsen von 22,37 % an der Sachsen-Finanzgruppe (Zustimmungserfordernis des Sächsischen Landtages gemäß § 65 Abs. 5 der Sächsischen Haushaltsordnung)

Drucksache 5/5555, Unterrichtung durch das Sächsische Staatsministerium der Finanzen

Drucksache 5/5756, Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses

Das Präsidium hat hierfür eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion festgelegt. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet: CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile dem Abg. Michel von der CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit der vorliegenden Übertragung von Anteilen des Freistaates an der Sachsen-Finanzgruppe auf die Finanzgruppe selbst zieht sich der Freistaat aus der SFG zurück. Der Freistaat Sachsen überträgt seine Anteile von 22,37 % und erhält für diese Anteile einen Kaufpreis von 108 Millionen Euro.

Dieser Kaufpreis wurde nach einer Unternehmensbewertung der Sachsen-Finanzgruppe ermittelt. Die Bewertung erhielt, bezogen auf den Stichtag 1. Januar 2011, eine Aktualisierung. Mit den Fragen der Bewertung hat sich der Haushalts- und Finanzausschuss lang und breit befasst.

Meine Damen und Herren! Die vorliegende Übertragungsvereinbarung enthält zusätzlich eine Regelung über die Zahlung von insgesamt 107 Millionen Euro an den Freistaat für das Herauslegen der Höchstbetragsgarantie hinsichtlich der Lasten der Sachsen LB. Die Details können Sie der Übertragungsvereinbarung entnehmen. Gemäß § 65 Abs. 5 der Sächsischen Haushaltsordnung besteht ein Zustimmungserfordernis des Landtags. Das Zustimmungserfordernis ist richtig und gut und lässt

keinerlei Zweifel an der Transparenz sächsischer Finanzpolitik.

(Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Gemäß § 9 der Übertragungsvereinbarung kann die SFG jederzeit von der Vereinbarung zurücktreten, wenn bis zum 30. Juni 2012 nicht die entsprechenden Änderungen des GörK realisiert werden. Diese Änderungen werden wir zu beraten und zu verabschieden haben. Zunächst ist Teil 1 zu verabschieden und Teil 2 der Anteilsübertragung folgt dann mit der Realisierung des GörK. Bekanntlich gehen wir in Sachsen systematisch, Schritt für Schritt vor. Kollege Biesok von unserem Koalitionspartner FDP wird dann noch auf einige Fragestellungen dazu eingehen.

Abschließend möchte ich anmerken, dass die Einnahmen des Freistaates in einer Höhe von 215 Millionen Euro aus dieser Übertragungsvereinbarung gemäß des Garantiefondsgesetzes in den Garantiefonds fließen werden. Wir werden das dort auch leider benötigen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Der nächste Redner für die Fraktion DIE LINKE ist Herr Scheel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren!

Mit der Drucksache 5/5555 will der Freistaat wieder einen Teilschritt zur Bewältigung des Erbes des Zusammenbruches der Sachsen LB absolvieren. Herr Michel hat soeben davon gesprochen, dass das der richtige Schritt sei. Wir, DIE LINKE, bleiben dabei: Es ist der richtige Schritt zur falschen Zeit.

(Richtig! von den LINKEN)

Es braucht zunächst das Gesetz über das öffentlichrechtliche Kreditwesen mit den Rahmenbedingungen und dann erst das vertragliche Auseinandergehen zwischen Freistaat und kommunalen Sparkassen. Dabei bleiben wir. Wir halten es auch für ungünstig, dass wir seit nunmehr drei Jahren ein unwürdiges Gezerre hinter den Kulissen erleben müssen, gerade wenn es um die Frage der Auseinandersetzung zwischen Freistaat und Kommunen geht.

Ich will hier zitieren aus der Präambel dieses Staatsvertrages, den wir nicht ändern können. Hier geht es nur darum, Ja oder Nein zu sagen. Ich zitiere: „... vorausgeschickt, dass die Parteien unterschiedliche Auffassungen darüber vertreten haben, ob dem Freistaat aufgrund der Herauslegung zweier Höchstbetragsgarantien über einen Betrag von insgesamt 2,75 Milliarden Euro (gemein- schaftliche Höchstbetragsgarantie) im Zusammenhang mit der Solvenzsicherung der Landesbank Sachsen AG Ansprüche gegenüber der SFG und/oder ihren kommunalen Anteilseignern zustehen.“