Wenn Ihnen das Bild zu martialisch ist, dann sage ich: Nehmen Sie jetzt zumindest als Zugführer die Bremsklötze aus den Gleisen, die nach wie vor den Dialog mit der tschechischen Seite vonseiten der Staatsregierung behindern. Es findet dort viel – das meine ich positiv – Geheimdiplomatie statt und da ist auch in den letzten Wochen allerhand passiert und es wird in den nächsten Monaten noch mehr passieren. Aber als gemeinsames grenzüberschreitendes Projekt kann es nur etwas werden, wenn die Staatsregierung es offiziell als solches anerkennt und die tschechische Seite zum Mitmachen einlädt.
Sie wissen, dass von den 55 Objekten 17 aus Tschechien sind. Es ist nur grenzüberschreitend möglich und das macht gerade den einmaligen universellen Wert der Montanregion in dieser Bewerbung aus. Wenn man sich noch ein wenig den höheren Maßstab anschaut: Insgesamt sind seit 1972 über 900 Projekte UNESCO-Welterbe geworden, davon nur 30 aus dem Bereich der Industriekultur, die immer wieder von Ihnen, Frau Prof. Schorlemer, als Leitthema postuliert wird. In Deutschland gibt es nur vier: Zeche in Essen, Völklingen, Rammelsberg, erweitert jetzt mit dem Oberharzer Wasserregal, und die Fagus-Werke in Alfeld, also die Schuhleistenfabrik von Walther Gropius aus dem Jahr 1911.
Das Land Sachsen hätte eine große Chance, in diese Reihe aufgenommen zu werden. Dazu sind in den nächsten Wochen und Monaten intensiv Hausaufgaben zu machen, denn die Fristen – die Uhr tickt, sagte Herr Dr. Gerstenberg völlig zu Recht – sind schmal beschnit
ten. Da muss jetzt endlich gehandelt werden. Herr Ulbig, das ist eine große Chance. Tun Sie alles dafür, dass diese von Sachsen nicht vertan wird!
Für die Fraktion DIE LINKE sprach der Abg. Külow. – Für die SPD-Fraktion ergreift jetzt Frau Dr. Stange das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Prof. Schneider, ich bin wirklich etwas entsetzt, nach zwei Stunden Demokratiediskussion Ihren Beitrag zu hören. „Zukunft braucht Herkunft.“ Der Philosoph Udo Marquardt hat mit diesen Worten etwas umschrieben, was wir gerade in unserem Land auch mit der Identität der Menschen, mit ihrem Land, mit ihrer Geschichte sehr eng verbinden. Kaum ein anderes Land und seine Menschen fühlen sich diesem Anspruch so verpflichtet, wie es in Sachsen der Fall ist. Das konnte ich in den letzten Jahren sehr intensiv an vielen Orten erleben.
Daher war es nicht verwunderlich, dass die Sächsische Staatsregierung im Jahr 1998, als es die Bewegung von unten ergeben hat, zwei Welterbeprojekte auf die Tentativliste der KMK hat setzen lassen. Das war auf der einen Seite das Elbtal und auf der anderen Seite die Montanregion Erzgebirge. Ja, es ist von unten gewachsen und wurde und wird getragen. Das ist gut und muss so sein. Aber es ist bei der UNESCO bewusst keine Beantragung durch Vereine oder Initiativen möglich. Vielmehr beantragen die Landesregierungen bzw. die Bundesregierung den Welterbetitel. Von daher, Herr Prof. Schneider, ist es dringend notwendig, dass von unten und von oben gearbeitet wird,
dass es Verpflichtungen gibt, die von unten kommen und von unten getragen werden, und dass die Staatsregierung zu der Verpflichtung steht, die sie im Jahr 1998 eingegangen ist.
Das verursachte Trauma UNESCO-Weltkulturerbe Dresdner Elbtal scheint bei einigen Vertretern immer noch nachzuwirken; denn nicht anders ist die zögerliche und teilweise widersprüchliche Haltung in den letzten Monaten zu erklären. Nicht umsonst steht das Thema, wie es mit der Bewerbung um die Montanregion Erzgebirge weitergeht, jetzt schon zum zweiten Mal – mit der Anhörung zum dritten Mal – auf der Tagesordnung des Landtages. Da lese ich an einem Tag hintereinander zwei Überschriften in der Zeitung, in der einen Zeitung „Minister warnt vor Weltkulturerbe“ und in der anderen Zeitung „Sachsen ist jetzt für das Welterbe“. Entschuldigung, was soll ich als normaler Zeitungsleser davon halten? Jemand, der um die Sorgen bei diesem Projekt weiß, ist mit Si
Es wäre jetzt an der Zeit – das hat die Anhörung, die die LINKEN initiiert hatten, gezeigt –, der Welt zu zeigen, dass Sachsen aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat und vertrauensvoll mit der UNESCO an einem neuen kulturhistorisch einmaligen Projekt zusammenarbeitet. Ich will es wiederholen: Ich ziehe den Hut vor all denjenigen, die die Initiative Weltkulturerbe Montanregion Erzgebirge bis zum heutigen Tage getragen haben. Das sind zuallererst selbstverständlich die Initiatoren unter Prof. Dr. Albrecht, aber das sind auch die vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich in der Region engagiert haben, und das sind auch die Bürgermeister und Landräte, die zu diesem Projekt stehen.
In den letzten Jahren sind Studien erstellt worden. Übrigens, Herr Prof. Schneider, gerade die Realisierungsstudie 2007 war eigentlich eine Abwehrstudie, die vom Innenminister damals initiiert worden ist, um nachzuweisen, dass ein solch großes Projekt gar nicht realisierbar ist. Die Studie hat etwas anderes gezeigt, und es ist auch gut, dass auf dieser Grundlage die Umsetzungsstudien in den nächsten Jahren auf den Weg gebracht und die Kommunen Schritt für Schritt in dem Prozess sehr aktive Partner geworden sind.
800 Jahre Bergbau- und Technologiegeschichte, Montanwissenschaften, Kunst- und Brauchtum, aber auch ein außergewöhnlich hohes Engagement, die diese 800 Jahre geprägt haben, zum Erhalt und zur lebendigen Bewahrung dieser Tradition beitragen. Sonst hätten wir sie heute schon nicht mehr. Ohne diese Jahrhunderte währende Herkunft hätte diese Region nicht die glänzende Zukunft eines Ressourcenstandorts einschließlich der wissenschaftlichen Leistungen der Bergakademie Freiberg, wie wir gerade in den letzten Wochen lesen konnten. Es ist hier leider nicht die Zeit, darauf hinzuweisen, welche glanzvolle Zukunft noch vor dieser Region liegen wird, wenn das nationale Ressourcenzentrum weiter wachsen kann.
Ich bitte die Staatsregierung eindringlich, die heutige Debatte als letzten Anstoß zu sehen; denn es ist mehr als fünf vor zwölf, zu 100 % hinter dem Projekt zu stehen und Sachsen aus dem tiefen Tal der Tränen – so will ich es einmal sagen –, was das Trauma UNESCO-Weltkulturerbe Dresdner Elbtal anbelangt, herauszuführen und zu zeigen, dass die Staatsregierung einen vorbildhaften Weg mit den Akteuren vor Ort begleiten und zum Erfolg führen kann.
Gehen Sie auf die tschechische Regierung zu! Machen Sie es tatsächlich zu einem europäischen Projekt. Das ist es wert und ich denke, die Landesregierung hat auch hier das Zeug dazu, das zu unterstützen.
Das war für die SPDFraktion Frau Kollegin Stange. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt Kollege Karabinski.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Montanregion Erzgebirge ist eine Bergbaufolgelandschaft. Von Dresden, von Leipzig aus betrachtet – kann ich mir gut vorstellen –, wirkt das alles immer sehr romantisch. Sie denken natürlich an Räuchermännchen, an Pyramiden, an Schwibbögen.
Sie denken an Bergparaden und Sie denken an hübsche Landschaften mit Halden. Aber was Sie nicht sehen, sind eben auch die Gefahren, die in einer Bergbaufolgelandschaft liegen. Das sind Verbrüche bis zur Erdoberfläche, sogenannte Tagesbrüche. Sie kennen nicht das Gefühl, das entsteht, wenn man vormittags mit dem Großvater kurz vor Ostern noch an solch einer Halde Weidenkätzchen verschneidet. Die Oma sagt dann: „Ach, die sind schön, holt mir noch welche.“ Am Nachmittag kommt man wieder genau an dieselbe Stelle und da ist auf einmal ein 80 Meter tiefer Krater. Wenn Sie sich dann überlegen, was wäre gewesen, wenn der nicht am Mittag verbrochen wäre, sondern am Vormittag … Dann wären Sie oder Ihr Großvater oder Sie beide abgestürzt. All das gehört mit zu einer Bergbaufolgelandschaft, zu einer Montanregion. Das sind Gefahrenquellen, die wir im Erzgebirge immer mitdenken.
Für uns ist es eben nicht so leicht zu sagen, es ist alles nur hübsch und das ist alles irgendwie besonders, sondern für uns ist das immer ein Spannungsverhältnis, in dem wir uns bewegen. In diesem Spannungsfeld haben wir, die Menschen, die im Erzgebirge leben, uns entschieden, einen Antrag auf einen Weltkulturerbetitel zu stellen.
Die Menschen im Erzgebirge haben in diesem Zwiespalt genau das getan. Sie leben dafür. Aber sie wissen eben auch um die Probleme, die es in einer Montanregion gibt. Sie haben sich nie mit den Sorgen der Menschen im Erzgebirge befasst. Sie kennen das Erzgebirge doch nur von der Landkarte, wenn wieder irgendwo Straßenbauprojekte sind, die Sie verhindern wollen.
(Annekatrin Klepsch, DIE LINKE, steht am Mikrofon. – Klaus Tischendorf, DIE LINKE: Entschuldigen Sie sich dafür! – Unruhe)
Nein! – Im Jahr 2000 wurde die Projektgruppe um Helmuth Albrecht gegründet, um einen Antrag zu erarbeiten. Das wurde im Erzgebirge gemacht, durch die Erzgebirger, nicht durch Sie. Träger des Vorhabens sind 31 Kommunen und zwei Landkreise,
31 Städte und Gemeinden und zwei Landkreise. Die Stadträte und Gemeinderäte, die Kreisräte sind diejenigen, die für dieses Projekt brennen, die wirklich dafür leben, die es nicht für politische Spielchen missbrauchen, sondern die auf einen Image-Gewinn hoffen. Sie interessiert doch das, was im Erzgebirge passiert, überhaupt nicht!
Nein, immer noch nicht. – Die Projektgruppe hat jetzt die Aufgabe, bis zum 31. März 2012 Umsetzungsstudien, den ManagementPlan und die Vergleichsstudie zu erarbeiten und diese dann bis Juni abzugeben. Dann ist die Staatsregierung in der Situation, dass sie den Antrag stellen muss. Aber den Antrag erarbeiten muss die Projektgruppe.
Es wäre uns im Erzgebirge viel lieber, Sie ließen die Projektgruppe um Helmuth Albrecht intensiv arbeiten, anstatt hier mit Nebelbomben zu werfen und sie von ihrer wichtigen Arbeit abzuhalten. Wir im Erzgebirge wissen, was wir brauchen und was wir wollen. Wir wissen aber auch, was wir nicht brauchen. Das sind Ihre besserwisserischen Ratschläge. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Aufgaben! Da gibt es nämlich genug zu tun. Tragen Sie Frösche über die Straße, ketten Sie sich irgendwo an Bäume, aber lassen Sie uns in Ruhe. Wir arbeiten besser und erfolgreicher an dem Antrag, wenn Sie uns nicht permanent reinfunken. Respektieren Sie endlich, dass die Kommunen, die Menschen im Erzgebirge Träger des Vorhabens sind, dass wir für dieses Projekt brennen. Das sind nicht Sie!
(Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. Eva-Maria Stange, SPD, Dr. Volker Külow, DIE LINKE, und Eva Jähnigen, GRÜNE, stehen am Mikrofon. – Unruhe)
Für die FDP-Fraktion war das Herr Kollege Karabinski. – Jetzt sehe ich eine ganze Anzahl von Abgeordnetenkollegen, die Kurzinterventionen vortragen wollen. Jetzt muss ich einmal fragen – –
Die SPD hat ihre Kurzinterventionen verbraucht, Frau Kollegin Stange, Sie haben keine mehr. Die GRÜNEN haben ihre zwei Kurzinterventionen auch verbraucht. Die Linkspartei hat noch eine. Bitte, Herr Külow.
vor unseren Gästen – Herr Prof. Albrecht ist ja im Raum – für diesen Beitrag. Der ist auch so völlig dahergelabert. Ich sage es einmal so ganz deutlich.
Offenkundig wird also von der FDP in konzentrischen Kreisen das Demokratieverständnis immer weiter eingeengt. Vorhin durfte man nicht aus Berlin sein, um zu dem Thema zu sprechen. Jetzt darf man schon nicht aus Leipzig sein. Um vielleicht einmal eine persönliche Bemerkung zu machen – ich bin schon in den Sechzigerjahren ins Erzgebirge gereist.
Ich glaube, Herr Karabinski ist vom Jahrgang 1981. Ich habe schon 1994 dort als Bundestagskandidat für DIE LINKE kandidiert. Ich war im letzten Jahr 14 Tage im Urlaub und habe mir das gesamte Erzgebirge angeschaut. Ich habe mir viele Projektstädte angeschaut für diese Montanregion Erzgebirge. Wie man hier gewissermaßen als unqualifiziert abgestempelt wird, um zu einem Thema zu sprechen, wie es von Herrn Karabinski dargestellt wird, das spricht der Kultur in diesem Hause Hohn.
Herr Dr. Külow, Sie beschreiben genau das Phänomen desjenigen, der im Erzgebirge Urlaub macht. Wir freuen uns über diejenigen. Aber nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, dass es etwas anderes ist, in einer Montanregion zu leben, als dort Urlaub zu machen.