Protokoll der Sitzung vom 12.10.2011

(Christian Piwarz, CDU: Sie müssen sich nicht entschuldigen!)

Nein, nein, Sie haben sich – –

(Zuruf von der CDU)

In Hamburg ist es dasselbe, und nicht erst, seitdem die Sozialdemokraten dort die absolute Mehrheit haben.

Eine gewisse Aufweichung des Kooperationsverbots ist dadurch gegeben – hier sehen wir, dass man das offenbar nicht zu Ende gedacht hat –, dass Kooperationen auch auf dem Gebiet der Lehre ermöglicht wurden. In Artikel 91b heißt es: „Bund und Länder können aufgrund von Vereinbarungen zusammenwirken bei der Förderung von überregional bedeutsamen Vorhaben der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen.“

Was ist nun passiert? Die Länder nutzten ihre neuen Kompetenzen vor allen Dingen im Bereich der Besoldung, indem sie vom Bundesbesoldungsgesetz abwichen. Das Bundesverfassungsgericht hat inzwischen festgestellt, dass hier und da das Alimentationsprinzip verletzt wurde. Darüber werden wir hier sicherlich noch zu sprechen haben.

Das Wegberufungsverbot innerhalb von drei Jahren wurde von einigen Ländern aufgekündigt. Vor allem die finanzstarken Länder, zu denen Sachsen bekanntlich nicht gehört, nutzten ihre Möglichkeiten, um im Wettbewerb um die besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die finanzschwächeren Länder auszustechen. Das ist ein Problem, dem wir uns stellen müssen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Wir haben im Schulbereich – dazu möchte ich aber jetzt keine weiteren Ausführungen machen – ein ähnliches Problem.

Wenn es uns nicht gelingt, dieselben Gehälter wie die wohlhabenden Länder zu zahlen – ich nenne vor allem Baden-Württemberg –, dann werden wir auch nicht so hoch qualifizierte Hochschullehrer wie in BadenWürttemberg haben können.

Herr Colditz, Sie haben recht, Geld ist nicht alles, aber es spielt eben doch eine entscheidende Rolle in diesem

Bereich. Menschen sind nun einmal so. Sie ziehen dann weg aus Dresden. Sie wechseln eben nach Tübingen oder Heidelberg, wenn sie dort deutlich mehr geboten bekommen. Im Schulbereich – Sie wissen das – hat es, wie schon erwähnt, eine ähnliche Entwicklung gegeben.

Auch die Hochschulpakte und Exzellenzinitiativen sowie neuerdings die Idee von Bundesuniversitäten laufen im Grunde genommen dem Gedanken des Kooperationsverbots ebenfalls zuwider. Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die deutlich machen, dass man durch die Hintertür das Kooperationsverbot unterlaufen will. Dennoch bedarf es im Hochschulbereich dringend zusätzlicher Investitionen, die ärmere Länder ohne Bundeshilfen nicht gewährleisten können,

(Beifall bei den LINKEN)

zumal ihnen die sogenannte Schuldenbremse klare Schranken setzt – das ist bereits gesagt worden – und sich auch als Investitionsbremse erweist. Der Bund ist im Hinblick auf seine gesamtstaatliche Verantwortung gefordert, Bundesmittel zur Verfügung zu stellen. Bildung, Wissenschaft und Forschung sind als investive Aufgaben zu behandeln, ihr Charakter als Zukunftsinvestition muss deutlicher werden.

Es ist doch schwierig, wenn wir immer wieder lesen müssen – ich will nicht schon wieder auf die OECD oder jetzt den Sozialbericht für Deutschland eingehen –, dass es sehr wohl darauf ankommt, aus welchen Familien die Kinder und jungen Auszubildenden kommen. Das kann doch nicht so bleiben. Das können wir uns in der Bundesrepublik Deutschland nicht leisten. Hier muss so etwas wie Chancengleichheit hergestellt werden. Dazu sind Investitionen seitens des Bundes nötig.

Die Möglichkeiten des Bundes, Finanzhilfen für Investitionen der Länder zu gewähren, müssen ausgeweitet werden. Sie dürfen nicht auf den Fall von Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen beschränkt bleiben. Dies bedeutet keinesfalls, dass die Kompetenz der Länder im Bildungs- und Wissenschaftsbereich dadurch eingeengt werden muss, sondern dass die kooperativen Strukturen, also die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern auf diesen Feldern, wieder gestärkt werden müssen – ein Umstand, der auch – das scheint mir ebenso wichtig – die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Bereich von Bildung und Wissenschaft in den verschiedenen Bundesländern ausbalancieren könnte.

Es kann doch nicht sein, dass es nach dem Zufallsprinzip geht und es ausschlaggebend ist, ob man nun in der Nähe einer hoch qualifizierten Universität lebt oder nicht. Aufgrund eingeschränkter Mittel ist es nicht immer möglich, dass Studierende 500 Kilometer entfernt studieren. Das alles muss doch bedacht werden.

Vor dem geschilderten Hintergrund müssen wir diesen Komplex noch einmal überdenken, ganz im Sinne dessen, was die SPD-Fraktion und die Fraktion GRÜNE uns hier vorgelegt haben. Meine Kollegin Cornelia Falken hat es bereits gesagt: Wir werden diese Anträge unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Ich frage die SPDFraktion, ob noch das Wort gewünscht wird. – Das kann ich nicht feststellen. Die NPD? – Nein.

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich frage die Staatsregierung, ob das Wort gewünscht wird. – Herr Staatsminister Prof. Dr. Wöller, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht erst seit der Ausrufung der Bildungsrepublik Deutschland durch unsere Kanzlerin ist klar, dass das Thema Bildung von entscheidender Bedeutung ist

(Andreas Storr, NPD: Das ist doch alles Quatsch! Niemals war die Bildung so schlecht wie heute! – Ministerpräsident Stanislaw Tillich: Das mag bei Ihnen zutreffen!)

sowohl für das Wohlergehen des Einzelnen als auch für den Wohlstand unseres Landes und damit der gesamten Gesellschaft.

Die Bildungspolitik – nicht nur die sächsische Bildungspolitik – steht vor wichtigen und schwierigen Aufgaben. Der demografische Wandel muss bewältigt, die Unterrichtsversorgung sichergestellt, die Lehrerausbildung qualitativ weiterentwickelt und die Zahl der Schulabbrecher gesenkt werden. Dies sei nur beispielhaft genannt.

Um diese Aufgaben bewältigen zu können, müssen Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten klar definiert und abgegrenzt sein. Daher ist es gut, dass Bildungspolitik vor allem Ländersache ist. Die Föderalismusreform von 2006 war ja streng genommen keine echte Reform, da sich der Bund auch vorher nicht an der Grundfinanzierung der Bildung beteiligt, sondern nur projektbezogen gefördert hat. Aber im Rahmen ihrer Beschlüsse ist die Einteilung der Verantwortlichkeiten gestärkt worden.

Meine Damen und Herren! Nicht, dass Sie mich missverstehen: Als überzeugter Bildungsföderalist ist Bildungsföderalismus für mich kein Selbstzweck. Er dient einem Zweck, nämlich die bestmögliche Qualität im Rahmen eines Wettbewerbes hervorzubringen und damit die Qualität der Bildung entscheidend zu verbessern.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Bundesweit einheitliche Schulen würden unsere Eigenverantwortung aushöhlen, die Rahmenbedingungen und Entwicklungen in den einzelnen Bundesländern missachten und den Wettbewerb um Qualität zunichte machen. Ich wundere mich schon über Töne in diesem Hohen Haus, die gegen den Bildungsföderalismus reden. Es steht nicht mehr und nicht weniger auf dem Spiel als die Eigenständigkeit und die Eigenstaatlichkeit der Länder. Meine Damen und Herren, worüber wollen wir dann im

Kern noch diskutieren und debattieren und vor allem für unser Land entscheiden, wenn nicht in einer der entscheidenden Kernaufgaben, nämlich der Bildungspolitik der Länder?

Aber – auch das will ich sagen – Bildungsföderalismus heißt nicht, die Kooperation zwischen Bund und Ländern auszuschließen, im Gegenteil. Selbstverständlich müssen Bund und Länder kooperieren. Man kann und muss klare Verantwortlichkeiten benennen und zusammenarbeiten. Wir haben bereits im Rahmen des Grundgesetzes Möglichkeiten und Bereiche der Zusammenarbeit, und diese gilt es auszuschöpfen.

Ich persönlich habe den Eindruck, dass wir noch nicht annähernd an die Grenzen der Möglichkeiten der Kooperation gegangen sind. Lassen Sie es uns doch gemeinsam versuchen und ausprobieren. Bislang bin ich dabei nicht an die Grenzen gestoßen. Bund und Länder wirken bereits jetzt in verschiedenen Bereichen zusammen: in der frühkindlichen Bildung, beim Übergang von Schule zu Beruf, in der beruflichen Bildung und in der Weiterbildung. Dort existiert bereits eine sehr erfolgreiche Kooperation zum Nutzen und zum Wohle der Bildung in unserem gesamten Land, nicht nur in Sachsen.

Auch die von Sachsen vorgeschlagene Exzellenzinitiative Lehrerbildung wurde von Frau Bundesministerin Annette Schavan bereits aufgegriffen. Ich bin sehr dankbar, dass wir von Sachsen aus einen Impuls leisten können; denn Grundlagen für die Zukunft Deutschlands werden nicht nur in den Forschungslabors und Universitäten geschaffen, sondern dies beginnt im Klassenzimmer. Wir müssen gemeinsam dafür Sorge tragen, dass wir die besten Lehrerinnen und Lehrer nicht nur in den Klassenzimmern haben, sondern wir müssen sie auch an den Universitäten ausbilden. Deshalb müssen wir mehr tun als in der Vergangenheit, und zwar gemeinsam mit den Universitäten und der Wissenschaft. Das ist eine der entscheidenden Zukunftsaufgaben in unserem Land, die wir jetzt angehen wollen.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Dr. Eva-Maria Stange, SPD, steht am Mikrofon.)

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Frau Dr. Stange, bitte.

Vielen Dank. – Herr Wöller, das war ein interessanter Einwurf. Könnten Sie das ein wenig näher erläutern, wie Frau Schavan als Bundesbildungsministerin bei der Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer unterstützend wirken kann; denn Artikel 91b schließt, soweit ich weiß, die Unterstützung der Lehre aus?

Wir haben einen nicht allzu langen, aber intensi

ven Diskussionsprozess hinter uns. Übrigens bin ich sehr dankbar, dass die Wertschätzung und Anerkennung des Lehrerberufes und des Erzieherberufes überhaupt einmal in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt ist.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Das war in der Vergangenheit nicht so. Gerade Vertreter Ihrer Partei haben nicht dazu beigetragen, den Lehrerberuf besonders attraktiv zu machen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wir diskutieren das, und ich höre jetzt Zustimmung. Die Aufgabe wird gemeinsam darin bestehen,

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Frage beantworten!)

in den nächsten Jahren dafür Sorge zu tragen, dass wir das umsetzen können. Ich bin der Überzeugung, dass es mit den bisherigen Instrumenten im Rahmen der grundgesetzlich abgesteckten Möglichkeiten erreichbar sein wird, bei der Lehrerausbildung gemeinsam mehr zu tun und damit der gesamtstaatlichen Verantwortung von Bund und Ländern auch in diesem Bereich Rechnung zu tragen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das war Blabla und nicht die Frage!)

Herr Lichdi, beruhigen Sie sich doch! Sie sehen ja, dass wir in kürzester Zeit entsprechende Fortschritte gemacht haben. Aber die Lehrerausbildung ist nicht der einzige Bereich, in dem so etwas möglich ist.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Nur Blabla, Blabla!)

Ich bringe Ihnen gern ein Beispiel. Außerdem bereiten Bund und Länder derzeit eine gemeinsame Initiative zur Sprachförderung, Sprachdiagnostik und Leseförderung von der Kita bis zur Sekundarstufe I vor. Das sind ganz konkrete Beispiele, bei denen die Kooperation funktioniert. Sie funktioniert auch ohne eine Grundgesetzänderung sehr gut.

Auch andere Modelle sind im Gespräch. Sie wissen, dass ich mich in diesem Zusammenhang für gemeinsame Prüfungsaufgaben für die Abiturprüfung in Deutsch und Mathematik und für gemeinsame Prüfungen beim Hauptschul- und Realschulabschluss starkmache. Selbstverständlich müssen wir die Sorgen und Wünsche der Bürgerinnen und Bürger nach mehr Gemeinsamkeit und Mobilität ernst nehmen. Gerade deshalb bin ich dafür, den Bildungsföderalismus weiter zu entwickeln, und zwar verantwortungsvoll.