Protokoll der Sitzung vom 23.11.2011

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Abgeordnete! Ich muss mich beeilen. Herr Michel, ich habe noch einmal nachgelesen: Sie waren persönlicher Referent des Finanzministers. Da hätte man erwartet, dass Sie etwas tiefer hineinblicken. Ich nenne Ihnen noch einmal kurz einige Verhandlungsbeispiele, von denen Sie gerade gesprochen haben. Sie haben gesagt, dass mit den Landräten gesprochen wird. Da ist zum Beispiel eines auf die Zukunft gerichtet: 26 Millionen Euro sollen die Landkreise aus den Steuerschätzungen, die Sie vorlegen werden, ab 2013 erhalten. Der Kuhhandel geht so: Dafür erhalten die Kommunen eine Investitionspauschaule, und zwar dann, wenn sie zu einer Erhöhung der Kreisumlage Ja sagen. Das sind die Gespräche, die geführt werden. Ich wünsche mir, dass die Hinweise und Kritiken, die die Landräte in Anhörungen und allen Gesprächen, die mit ihnen geführt werden, geben, die in dem Zwickauer Papier stehen – 13 Punkte zu Finanzen –, ernst genommen werden, denn das sind unsere Probleme der Zukunft. Darum bitte ich Sie.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN und der SPD – Zuruf von den LINKEN: Richtig!)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wünscht dennoch ein Abgeordneter das Wort? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Prof. Unland.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man sich die Medien der letzten Wochen anschaut, dann stellt man fest, dass von wachsenden Finanzierungsproblemen der Landkreise gesprochen wird; der heutige Antrag zielt auch darauf hin. In einem Fall hieß es sogar, dass ein Landkreis mit einem Fehlbetrag von rund 33 Millionen Euro im Jahre 2012 rechnen muss.

Ich denke, es ist zunächst einmal notwendig, sich die finanzielle Situation der Landkreise anzuschauen und sie zu analysieren. Wenn ich mir die Kassenstatistik der vergangenen Jahre anschaue, stelle ich fest: Die Situation ist in allen Landkreisen stabil. Wenn ich mir die laufenden Einnahmen und Ausgaben und auch den Saldo der vergangenen Jahre anschaue, stelle ich fest, dass der Saldo in den letzten Jahren durchweg positiv war.

Nehmen wir einmal das Jahr 2009: Das Jahr 2009 war charakterisiert durch die Finanz- und Wirtschaftskrise. Wenn ich mir einmal den kassenmäßigen Abschluss anschaue, hatten wir im Jahr 2009 rund 130 Millionen Euro Plus. Im Jahr 2010, wenn ich mir alle Landkreise zusammen betrachte, waren es rund 67 Millionen Euro Plus. Ich muss jedoch zugestehen, dass von den zehn Landkreisen acht einen positiven Saldo und zwei Landkreise einen leicht negativen hatten. Wenn wir uns das

Jahr 2011 anschauen, haben wir bisher in einem Landkreis keinen ausgeglichenen Haushalt. Analysieren wir den Fehlbetrag, so macht er gerade einmal ein Fünftel des Überschusses aus, den dieser Landkreis im Jahr 2010 hatte.

Um es kurz zu machen: Zurzeit sehe ich keine Anhaltspunkte für eine dramatische Situation. Das Jahr 2012 wird jedoch schwieriger. Warum? Schauen wir uns hierzu zunächst einmal die Finanzierung der Landkreise an. Die Hauptfinanzierungsquelle der Landkreise ist die Kreisumlage. Das ist der größte Anteil. Das Problem ist – das ist leider auch nicht anders lösbar –, dass die Daten, um die Bemessungsgrundlage zu finden, auf der Vergangenheit basieren. Es handelt sich um einen Phasenverzug von anderthalb Jahren. Das ist systemimmanent. Das ist aber allgemein bekannt.

Wenn man die Einnahmenquelle der Kommunen – also der Gemeinden – analysiert, dann ist die wichtigste in der Regel mit Abstand die Gewerbesteuer. Die Gewerbesteuer ist jedoch stark konjunkturabhängig. Zurzeit sprudeln die Gewerbesteuereinnahmen in der Regel recht gut. Es gibt natürlich auch Ausnahmen – wie immer.

Betrachten wir einmal einen strukturschwachen Kreis: den Kreis Görlitz. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum haben wir einen Anstieg von 50 % im ersten Halbjahr. Das Problem ist, dass die Landkreise von dieser aktuellen positiven Konjunkturlage noch nicht, sondern erst später profitieren.

Wenn wir die zweite Finanzquelle der Landkreise analysieren, sind das die Schlüsselzuweisungen aus dem Finanzausgleichsgesetz. Wir alle hier haben das Finanzausgleichsgesetz im Jahr 2010 verabschiedet. Sie wissen aber auch, dass diese Schlüsselzuweisungen spitz abgerechnet werden. Für das Jahr 2011 wird das im Jahr 2013 und für das Jahr 2012 im Jahr 2014 erfolgen. Heute wissen wir, dass sich die Steuereinnahmen zum Glück deutlich verbessern. Deshalb ist es nicht auszuschließen, dass die Kommunen und Landkreise einen entsprechenden Anspruch an das Land haben. Ich habe den HFA darüber informiert, dass wir in der nächsten Woche die entsprechenden Zahlen aus der Steuerschätzung veröffentlichen werden.

Wir haben allerdings im Jahr 2012 zwei Sondereffekte. Der erste Sondereffekt ist die Absenkung der Hartz-IVSoBEZs. Die Vereinbarung lautete, dass diese im Jahr 2010 überprüft werden sollten. Sie kennen das Ergebnis: Im Jahr 2010 gab es kein Ergebnis, weil man sich nicht einigen konnte. Die neuen Bundesländer haben auf der einen Seite damals dafür plädiert, die alten Beträge fortzuschreiben. Das war pro Jahr 1 Milliarde Euro für alle neuen Bundesländer zusammen. Das haben die westlichen Bundesländer nicht akzeptiert, weil – Sie kennen die politische Großwetterlage – wir in Deutschland nicht mehr alle Wünsche erfüllt bekommen. Auf der anderen Seite mussten wir uns vorhalten lassen, dass sich die Kennzahlen inzwischen deutlich positiv in Ostdeutschland verbessert haben.

Weil es vorhin angesprochen wurde, habe ich schnell eine Tabelle herausgegriffen. Sie wissen, dass zur Bemessung zwei Kennzahlen herangezogen werden: Das sind zum einen die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften und zum anderen die KdU-Ausgaben. Wenn ich mir anschaue, was sich in den letzten fünf Jahren bei den KdU-Ausgaben getan hat, dann waren wir im Jahr 2006 noch bei knapp 950 Millionen Euro. Im Jahr 2010 sind diese auf etwa 850 Millionen Euro abgesunken. Das ist eine Differenz oder eine Ersparnis von rund 100 Millionen Euro jährlich, was die Gesamtausgaben anbelangt.

Schaut man sich die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften an, so hatten wir in Sachsen im Jahr 2006 noch knapp 225 000 und im Jahr 2010 etwas weniger als 178 000. Hier können wir ebenfalls eine deutliche Reduzierung der Bedarfsgemeinschaften verzeichnen.

Wie geht es nun weiter? Wir haben uns darauf geeinigt, dass im Jahr 2011 der alte Betrag noch bezahlt wird – 1 Milliarde Euro für alle ostdeutschen Länder. Der überbezahlte Betrag wird in den Jahren 2012 und 2013 zurückbezahlt. In den Jahren 2012 und 2013 haben wir es somit mit einer überzeichneten Belastung zu tun.

Kommen wir zum zweiten Sondereffekt: Das ist die Übernahme der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund. Dieses Jahr übernimmt der Bund 16 %. Danach geht es stufenweise nach oben. Im Jahr 2012 sind es 45 %. Im Jahr 2013 werden es 75 % und im Jahr 2014 100 % sein. Hier werden wir eine deutliche Entlastung der kommunalen Ebene sehen. Das Problem ist, dass wir es hierbei mit einer zeitlichen Asymmetrie zwischen Belastung und Entlastung zu tun haben.

Ich habe das einmal mit einem dicken Daumen abgeschätzt. Wir werden im Jahr 2012 aus diesen beiden Effekten noch einen negativen Saldo haben – rund 36 Millionen Euro. Im Jahr 2014 wird es schon deutlich

positiver aussehen. Es werden dann wahrscheinlich rund 20 Millionen Euro Plus sein. In den Folgejahren wird dieser Effekt weiter positiv wachsen.

Ich möchte zusammenfassen: Für die kommunale Familie sehen die Deckungsmittel so aus, dass wir diese im Jahr 2012 im Vergleich zum Rekordniveau des Jahres 2008 – Sie erinnern sich, das Jahr 2008 war das Boomjahr – deutlich überschreiten werden. Wenn wir jetzt die Berechnungen abschließen, werden wir nach der Steuerschätzung im November noch einmal einen deutlichen Zuwachs bekommen.

Um es kurz zu machen: Das Problem ist zunächst einmal auf der kommunalen Ebene lösbar. Die Staatsregierung und die sie unterstützenden Fraktionen sind Partner der kommunalen Ebene. Wenn ich in der nächsten Woche die Steuerschätzung vorstellen werde, ist es höchstwahrscheinlich möglich, dass wir die kommunale Ebene zusätzlich unterstützen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit sind die Aktuellen Debatten beendet. Wir gehen nun in eine Pause – Mittagspause getraue ich mir nicht zu sagen.

(Unterbrechung von 14:28 bis 15:15 Uhr)

Meine Damen und Herren! Die Unterbrechung der Sitzung ist beendet. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Mittagspause. Wir setzen fort mit unserer Tagesordnung zur 44. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages.

Aufgerufen ist

Tagesordnungspunkt 3

2. Lesung des Entwurfs

Gesetz zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag

und zur Änderung weiterer Gesetze

Drucksache 5/5570, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 5/7465, Beschlussempfehlung des Ausschusses für

Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache in folgender Reihenfolge erteilt: CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie dies wünscht.

Meine Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion beginnt Herr Abg. Gemkow. Herr Gemkow, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns heute aus unserer Sicht an einem vorläufigen Schlusspunkt im Verfahren hin zu einer Neuordnung des Gebührenfinanzierungssystems des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wir haben eine lange Wegstrecke hinter uns, viele Verhandlungen, viele Anhörungen, viele Diskussio

nen. Wir werden heute einen Beschluss von großer Tragweite fassen, einen Beschluss über ein neues Finanzierungsmodell im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Nur wenige Landtage haben ihr Votum zu diesem Staatsvertrag noch nicht abgegeben. Wir gehören mit zu den Letzten, die hierzu votieren. Aber schon im Dezember wird die Befassung aller Landesparlamente abgeschlossen sein.

Dass die bevorstehende Reform des Rundfunkfinanzierungssystems in Deutschland nötig war, wurde parteiübergreifend so gesehen. Die veränderten technischen Empfangsmöglichkeiten von Rundfunk haben die Akzeptanz für die gegenwärtige Rundfunkgebühr ganz erheblich schwinden lassen. Darum war es für die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Ganzes wichtig, dass jetzt eine Neuregelung der Rundfunkgebühr auf den Weg gebracht wird. Denn die Bedeutung des öffentlichrechtlichen Rundfunks für unser Gemeinwesen steht bei aller Kritik, die nötig ist, außer Frage. Der öffentlichrechtliche Rundfunk ist von wesentlicher Bedeutung für die Vermittlung von Information und Bildung.

Was sind jetzt aber ganz konkret die Vorteile des neuen Finanzierungsmodells?

Mit der Anknüpfung der Beitragspflicht an den Haushalt statt wie bisher an ein Empfangsgerät wird eine Flucht aus der Beitragspflicht verhindert. Das bedeutet, dass der ehrliche Gebührenzahler in Zukunft schon deswegen entlastet wird, weil jetzt auch diejenigen zahlen müssen, die sich bisher ihrer Gebührenpflicht entzogen haben. Das verbreitert die Finanzierungsbasis des öffentlich

rechtlichen Rundfunks und schont am Ende alle Beitragspflichtigen. Außerdem ermöglicht das neue Modell eine Reduzierung des Verwaltungs- und Kontrollaufwands. Dadurch gehen mit dem neuen Gebührenfinanzierungsmodell auch Entlastungen der Privatsphäre der Rundfunknutzer einher. So wird zukünftig kein Betreten der Wohnungen der Gebührenschuldner mehr erforderlich sein, so wie das bisher der Fall ist, denn das Überprüfen des Bereithaltens eines Empfangsgeräts ist nicht mehr nötig. Das hat in letzter Konsequenz auch zur Folge, dass eine Reduzierung des Beauftragtendienstes und der GEZ eintritt.

Im Unternehmensbereich führt das neue Modell zur Entlastung kleinerer Betriebe und zu einer angemessenen Beteiligung großer Unternehmen und Konzerne. Unternehmer mit null bis acht Beschäftigten kommen in den Genuss eines ermäßigten Beitrags von nur einem Drittel. Außerdem werden mehr Unternehmen als bisher lediglich einen vollen Rundfunkbeitrag zahlen müssen. Das betrifft alle Unternehmen mit neun bis 19 Beschäftigten.

Statistisch gesehen brauchen mehr als 90 % aller betroffenen Unternehmen nicht mehr als einen vollen Beitrag zu zahlen und mehr als 75 % aller Unternehmen kommen sogar in den Genuss der Ein-Drittel-Privilegierung. Das zeigt ganz deutlich, dass kleine und mittelständische Unternehmen entlastet werden. Das kommt

uns in Sachsen mit unserer kleinteiligen Wirtschaftsstruktur zugute. Im Gegenzug sind leistungsfähigere Unternehmen zum Vorteil der kleineren Betriebsstätten stärker in Anspruch genommen.

Im Bereich der gewerblichen Fahrzeuge ist die Beitragsfreiheit des ersten Fahrzeugs je beitragspflichtiger Betriebsstätte vorgesehen. Damit werden Filialbetriebe deutlich entlastet, weil sie ihre Betriebsstätten beitragsmindernd auf ihre beitragspflichtigen Fahrzeuge anrechnen können.

Auch im neuen Gebührenstaatsvertrag sind Befreiungen unter anderem für Empfänger zur Hilfe zum Lebensunterhalt ebenso vorgesehen wie für Empfänger von Berufsausbildungsbeihilfe, Ausbildungsgeld und auch BAföG.

Alle übrigen leistungsfähigen Rundfunknutzer sollen sich richtigerweise im Sinne einer gerechten Beitragsverteilung am Beitragsaufkommen beteiligen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir ist es an dieser Stelle wichtig, auch der Staatsregierung für die Verhandlungen zu diesem Staatsvertrag zu danken. So hat zum Beispiel Sachsen die Werbefreiheit im öffentlichrechtlichen Rundfunk verhindert, was zur Folge hat, dass ein Anwachsen der Gebühr dank der Werbeeinnahmen in erheblichem Umfang verhindert werden konnte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Gesamtbetrachtung des Staatsvertrages ist festzustellen, dass hier ein guter Ausgleich zwischen einer gerechten Verteilung auf alle Gebührenzahler, einer geringeren Belastung der Privatsphäre und einem insgesamt verträglichen Systemwechsel gelungen ist.