Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie ganz herzlich und eröffne die 46. Sitzung des 5. Sächsischen Landtags. Folgende Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Herr Dr. Hahn, Herr Bartl, Herr Lehmann und Herr Winfried Petzold.
Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Folgende Redezeiten hat das Präsidium für die Tagesordnungspunkte 3 bis 9 festgelegt: CDU bis zu 105 Minuten, DIE LINKE bis zu 70 Minuten, SPD bis zu 42 Minuten, FDP bis zu
42 Minuten, GRÜNE bis zu 35 Minuten, NPD bis zu 35 Minuten und die Staatsregierung bis zu 70 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe keine Änderungsvorschläge oder Widerspruch gegen die Tagesordnung. Damit ist die Tagesordnung der 46. Sitzung bestätigt und wir treten in diese ein.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In jedem Ende steckt ein neuer Anfang – sagt zumindest der Volksmund. Das trifft auch auf die auslaufende Förderperiode der EU zu. Wir haben noch zwei Jahre die Strukturfondsförderperiode von 2007 bis 2013, die neue beginnt 2014 und geht bis zum Jahr 2020.
Wir werden jetzt über diese neue Strukturfondsförderperiode reden müssen. Es ist üblich, dass die Europäische Union ungefähr zwei Jahre, bevor die neue Förderperiode beginnt, die ersten Verordnungen im Entwurf vorlegt. Das hat sie vor zwei Monaten getan. Wir haben jetzt die Aufgabe, diese zu bewerten. Natürlich bilden diese Entwürfe auch den Auftakt für einen wahren Verhandlungsmarathon in und zwischen Brüssel, Berlin, Sachsen, den anderen Bundesländern, aber auch innerhalb der Staaten Europas.
Wir haben die Rechtstexte mittlerweile genauer prüfen können. Mit der heutigen Fachregierungserklärung, meine Damen und Herren, möchte ich Ihnen einen Zwischenstand über die ersten Pflöcke geben, die die EU in das Fördergefüge 2014 bis 2020 eingeschlagen hat. Die Verordnungsentwürfe stehen auch übermorgen im Bundesrat auf der Tagesordnung.
Meine Damen und Herren! Um die aktuelle Diskussion zur Agrarpolitik besser verstehen zu können, möchte ich eingangs einen kurzen Überblick über die Strukturen der europäischen Landwirtschaftsordnung geben. Das ist wichtig und hilfreich; denn wenn man von Agrarpolitik spricht, denken die meisten Menschen als Erstes daran,
dass die Landwirte einen Haufen Geld bekommen. Dem ist aber nicht so. Die Landwirte gehören keinesfalls zu den Großverdienern. Es werden aus dem Agrarhaushalt, der natürlich im europäischen Haushalt mit 40 % den größten Posten darstellt – immerhin 55 Milliarden Euro im Jahr stehen im Agrarhaushalt –, nicht nur die Landwirte finanziert, sondern auch Familien, Kindertagesstätten, Schulen, die naturgerechte Waldbewirtschaftung, die Breitbandförderung im ländlichen Raum und vieles andere mehr.
Außerdem, meine Damen und Herren, sorgen mithilfe dieser Gelder die Landwirte in Europa dafür, dass wir 365 Tage im Jahr unser tägliches Brot bekommen, und das bei Wind und Wetter.
Die Landwirte tun das in einem sehr engen Korsett aus europäischen Vorgaben. Die Landwirtschaft ist der Politikbereich, der historisch bedingt am weitesten in der europäischen Politik integriert ist und damit auch am meisten von Brüssel beeinflusst wird und – so fair muss man sein – auch viel für Europas Ernährungssicherheit mit gesunden und preiswerten Lebensmitteln getan hat, auch für die landwirtschaftlichen Unternehmen, und dass er für die Entwicklung des ländlichen Raumes sowie für die Umwelt insgesamt sehr viel bewegt hat.
Nach vielen Ausrichtungen und Reformen in der europäischen Agrarpolitik besteht diese jetzt aus zwei Säulen. Die erste Säule ist der Agrarmarkt. Sie enthält Vorgaben, mit denen die Produktion und der Verkauf verschiedener landwirtschaftlicher Erzeugnisse, zum Beispiel Zucker, Wein und Milch, geregelt sind. Über die erste Säule werden den Landwirten außerdem sogenannte Direktzah
lungen gewährt, um ihr Einkommen zu stützen. Wir hatten ursprünglich eine Kopplung, das heißt, dass die Direktzahlungen an die produzierte Menge gebunden sind. Das ist seit 2005 in Deutschland nicht mehr so; die Zahlungen sind von der Produktion entkoppelt, aber das ist noch nicht überall in Europa so. Diese Zahlungen erhalten die Landwirte als sogenannte Betriebsprämie. Diese ist an die Einhaltung sehr hoher rechtlicher Anforderungen im Umwelt-, Natur- und Tierschutz, an Tiergesundheit und Lebensmittelsicherheit, auch im internationalen Maßstab gesehen, gebunden. Ihnen sind diese Bedingungen vielleicht schon einmal unter dem Begriff Cross Compliance begegnet.
Die zweite Säule der gemeinsamen Agrarpolitik – abgekürzt GAP – betrifft den ländlichen Raum und damit, meine Damen und Herren, die vielen Maßnahmen, die wir in Form der integrierten Entwicklung bei der Unterstützung junger Familien, beim Erhalt und Ausbau von Wohnraum, in der Dorfentwicklung, in der Förderung des Tourismus, bei der Schaffung regionaler Wirtschaftskreisläufe, bei Agrarumweltmaßnahmen und bei investiven Förderungen in der Land- und Forstwirtschaft ausgeben.
Für diese beiden Säulen der Agrarpolitik hat die Europäische Kommission nun ihre Verordnungsentwürfe vorgelegt. Auch wenn wir innerhalb der Europäischen Union genügend Nahrungsmittel haben, bedarf es nach wie vor eines gemeinsamen europäischen Rahmens. Warum ist dieser gemeinsame europäische Rahmen für unsere sächsischen Landwirte so wichtig? Die GAP sichert mit einheitlichen Vorgaben einen fairen Wettbewerb innerhalb der Europäischen Union.
Die Europäische Union sichert diesen fairen Wettbewerb, und natürlich muss man auch sehen, dass es einzelne Länder gibt, die diese Maßnahmen der Europäischen Union im Alleingang verändern. Dann ist der Wettbewerb wieder verzerrt. Aber alle Grundlagen der Europäischen Union gewährleisten einen fairen Wettbewerb.
Die GAP sorgt mit gemeinsamen Normen auch auf dem gesamten Kontinent für eine gleichwertige Qualität und Sicherheit unserer Nahrungsmittel. Sie sichert öffentliche Güter wie Umwelt- und Tierschutz, die ein freier Markt im gegenwärtigen Umfang nicht ermöglichen würde, und sie sorgt für die weitere Unterstützung und Entwicklung des ländlichen Raums. Es ist deshalb gerechtfertigt, meine Damen und Herren, dass dieser Agrarhaushalt auch mit ausreichenden Mitteln ausgestattet ist.
Es ist für mich unerträglich, dass andere Politikbereiche in der Europäischen Union immer wieder auf den Agrarhaushalt zugreifen und ihre Aufgaben damit finanzieren wollen, die aus meiner Sicht manchmal gar keine europäischen Aufgaben sind, sondern Aufgaben, die bei den Nationalstaaten viel besser angesiedelt und aufgehoben
Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen nun für die beiden Säulen der Europäischen Agrarpolitik die Marschroute der Kommission sowie die sächsischen Positionen vorstellen. Um es kurz zusammenzufassen: Die Kompassnadel zeigt in die richtige Richtung. Die richtige Richtung ist, dass die Europäische Union Markt und freien Wettbewerb in der Landwirtschaft favorisiert. Die richtige Richtung heißt aber auch, dass es in einzelnen Punkten aus meiner Sicht sehr wohl Nachbesserungsbedarf gibt. Es ist bei 600 Seiten Verordnungsentwürfen nicht verwunderlich, dass da nicht alles eins zu eins mit unseren Interessen übereinstimmt.
Es ist neu, meine Damen und Herren, dass die Kommission die Direktzahlungen noch stärker als bisher an Umweltauflagen bindet. Das ist nachvollziehbar, denn Klimavorsorge, Energiewende sowie europäische Ziele der FFH- und Wasserrahmenrichtlinie sind ohne Einbeziehung der Landwirtschaft nicht umzusetzen.
Die Kommission plant deshalb, ab 2014 in der ersten Säule unter dem Stichwort „Greening“ neue Verpflichtungen einzuführen. Sie macht das Greening sogar zur zwingenden Voraussetzung, um überhaupt Direktbeihilfen zu bekommen. Damit will die Kommission stärker als bisher Umweltbelange in die landwirtschaftliche Flächennutzung integrieren. Das soll auch zu einer besseren Akzeptanz für staatliche Zuwendungen in der Öffentlichkeit führen. Ich glaube persönlich nicht daran, dass es mit diesem Mittel gelingt, Akzeptanz für staatliche Zuschüsse zu erreichen. Manche grünen Maßnahmen, meine Damen und Herren, wie ein vorgeschriebener maximaler Anteil einer Fruchtart oder das Verbot des Umbruchs von Dauergrünland, können auch im Sinne des Artenschutzes und der biologischen Vielfalt durchaus sinnvoll sein. Das sind Maßnahmen, die ich auch unterstütze.
Bei dem Anteil der Fruchtarten werden sächsische Betriebe eher weniger Probleme haben. Wenn ich zum Beispiel in den Freistaat Bayern mit den kleinen Strukturen bei Betrieben von 5 oder 6 Hektar schaue, wenn diese dann drei verschiedene Fruchtarten anbauen sollen, weiß ich nicht, ob das unbedingt im Sinne des Erfinders ist. Aber gut, damit müssen sich die Bayern auseinandersetzen.
Bedauerlich, meine Damen und Herren, ist es, dass bei dieser Diskussion um die Beihilfen für Agrarbetriebe die bisherigen Leistungen unserer Landwirte für Umwelt- und Naturschutz häufig außer Acht gelassen werden. Ich setze mich deshalb dafür ein, dass auch beim Greening diese bisherigen Maßnahmen anerkannt und angerechnet werden.
Viele Betriebe erbringen zusätzliche Leistungen, indem sie Agrarumweltmaßnahmen durchführen, die dazu beitragen, den Boden zu schützen, Wasser und Luft
Beispielsweise wird in Sachsen über die Hälfte der Ackerfläche pfluglos bearbeitet. Der Durchschnitt in Deutschland ist gerade andersherum. Dort wird über die Hälfte der Agrarfläche noch konventionell bearbeitet. Die pfluglose Bodenbearbeitung bringt enorme Pluspunkte für die Bodenfauna, das Bodengefüge und den Erosionsschutz und damit auch für den Gewässerschutz, da dadurch weniger Stoffe in die Gewässer eingetragen werden. Die Böden können Wasser besser aufnehmen. Auch das ist ein Beitrag der Landwirte zum Hochwasserschutz.
Besonders stolz, meine Damen und Herren, sind wir auf den Ökolandbau. Dazu möchte ich ausdrücklich erwähnen, wir haben in den letzten Jahren einen enormen Flächenzuwachs gehabt, was den Ökolandbau betrifft. 20 000 Hektar hatten wir und nach den letzten zehn Jahren haben wir 34 000 Hektar. Wir haben eine Steigerung auf das 2,4-Fache. Das ist eine sehr erfolgreiche Entwicklung und die lasse ich mir, meine Damen und Herren, auch von niemandem schlechtreden.
Seit 2004 haben wir mit dem höchsten Anstieg an Ökoflächen im gesamten Bundesgebiet. Nach den Ergebnissen der amtlichen Statistik gab es bei uns ein Plus von 34 %. Im Bundesdurchschnitt war der Zuwachs nur 17 %.
Da sich, meine Damen und Herren, die aktuelle Förderperiode nun dem Ende entgegenneigt und viele Maßnahmen über mehrere Jahre laufen, wäre normalerweise ab nächstem Jahr keine Neuantragstellung ohne ein gewisses finanzielles Risiko für den Freistaat Sachsen mehr möglich. Die Finanzverteilung für die neue Förderperiode ist noch völlig offen. Um jedoch diese gute Entwicklung im Ökolandbau nicht zu hemmen, ist es im Rahmen meiner Möglichkeiten mein Ziel, die finanziellen Mittel für einen nahtlosen Übergang in die neue Förderperiode bereitzustellen. Ich möchte nicht, dass es hier einen Abbruch gibt.
All diese Agrarumweltmaßnahmen, meine Damen und Herren, laufen freiwillig. Keiner wird zum Mitmachen gezwungen. Wir haben mit dieser Freiwilligkeit gute Erfahrungen gemacht. Ich hätte mir deshalb eher die Stärkung eines solchen freiwilligen Systems der Europäischen Union gewünscht, ein freiwilliges System mit ausreichenden Möglichkeiten und ausreichenden finanziellen Mitteln über die zweite Säule.
Zum Greening, meine Damen und Herren, gehört auch ein Vorschlag, den ich problematisch sehe. Die Kommission will ab 2014 jeden Betrieb verpflichten, 7 % seiner Acker- und Dauerkulturfläche als ökologische Vorrangfläche auszuweisen. Damit können diese Flächen nicht mehr für die Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln und für die Gewinnung von Energie genutzt werden. Ich möchte noch einmal daran erinnern, meine Damen und Herren: Auf unserem Planeten leben zurzeit 7 Milliarden Menschen. Nach vorsichtigen Schätzungen sind wir in der
Mitte dieses Jahrhunderts, also in knapp 40 Jahren, bei 9 Milliarden Menschen. Es gibt auch Schätzungen, die von 10 Milliarden Menschen ausgehen. Schon jetzt hungern eine Milliarde Menschen auf dieser Erde. Um sie zu ernähren, bedarf es neben einer besseren Produktivität auch ausreichender Flächen.
Eine politisch herbeigeführte Verknappung dieser landwirtschaftlichen Produktionsfläche kann nicht nur weniger Nahrungsmittel, sondern auch steigende Nahrungsmittelpreise zur Folge haben, die dann von den Hungernden dieser Welt noch weniger gezahlt werden können. Außerdem steigen bei uns die Pachtpreise.
Zudem, meine Damen und Herren – wir haben in Deutschland eine Energiewende beschlossen –, werden wir in Zukunft auch Flächen beanspruchen, um Energie zu erzeugen. Dabei spreche ich nicht nur von den Maisfeldern für die Biogasanlagen, sondern ich spreche auch von den Flächen, die gebraucht werden, um Windkraftanlagen aufzustellen. Ich rede auch von Flächen – aber nicht im Freistaat Sachsen, ich werde mich dafür einsetzen –, für Solaranlagen, die ganz einfach gebraucht werden.
Es ist auch so, dass sich die Fläche für die landwirtschaftliche Produktion, selbst wenn man die Energiewende ausklammert, ohnehin verringert. In Sachsen hat sie sich in den letzten Jahren, wenn man die Fläche betrachtet, die von unserer Agrarförderung erfasst wird, seit dem Jahr 2000 um 3 000 Hektar verringert.
Es ist deshalb erklärtes Ziel der Sächsischen Staatsregierung, den Flächenverbrauch einzudämmen. Wir haben im Augenblick einen Flächenbedarf von fünf Hektar pro Tag. Wir wollen diesen Flächenbedarf bis zum Jahr 2020 auf unter zwei Hektar pro Tag senken.
Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, habe ich mich bei der letzten Agrarministerkonferenz dafür ausgesprochen, bei Eingriffen in die Natur anstelle von Kompensationsmaßnahmen, die meistens auf landwirtschaftlichen Nutzflächen stattfinden, einen finanziellen Ausgleich zu akzeptieren. Damit könnten beispielsweise Industriebrachen entsiegelt oder Naturschutzprojekte finanziert und umgesetzt werden. Flächen zu sparen und der Schutz landwirtschaftlicher Flächen vor anderweitiger Nutzung stehen deswegen ganz oben auf meiner politischen Agenda. Deswegen kann ich den von der Kommission vorgeschlagenen Vorrangflächen überhaupt nichts abgewinnen, meine Damen und Herren.