Protokoll der Sitzung vom 14.12.2011

Unsere Befürchtungen, meine Damen und Herren, haben sich voll bestätigt. Wenn soeben über Demokratie gesprochen wurde und insbesondere von der CDU die Botschaft kam, man möge akzeptieren, wenn es eine demokratische Willensbildung gibt, sage ich Ihnen mit Bezug auf das in Rede stehende Thema: Hätten Sie damals auf die massiven Protestaktionen vor dem Landtag und in ganz Sachsen gehört, dann stünden wir heute nicht vor dieser Situation, die ich beschreiben muss.

(Beifall bei den LINKEN)

Wenn selbst der Chef der Diakonie in Sachsen, Herr Schönfelder, meint, dass uns die Kürzungen teuer zu stehen kommen werden, dann weiß er, worum es geht. Er

ist nicht jemand, der mir unbedingt weltanschaulich nahe steht.

Wie ist nun die Lage? Erstens. Sachsen hat hinsichtlich des Anteils der Sozialausgaben am jeweiligen Landeshaushalt den mit Anstand niedrigsten Anteil unter allen neuen Bundesländern. In den letzten Jahren ist dieser Anteil um ein Fünftel gesunken. Das ist nicht nur in diesem Doppelhaushalt der Fall, sondern war auch schon in den vorhergehenden Haushalten der Fall.

(Alexander Krauß, CDU: Haben Sie die Statistik selbst gefälscht?)

Zweitens. Das war nur deshalb möglich, weil zusätzliche Lasten auf die Kommunen in gleicher Höhe abgewälzt worden sind. Wenn ich allein den Anstieg der Sozialhilfekosten der letzten Jahre heranziehe, die ausschließlich von den Kommunen zu bezahlen waren, so sind diese seit dem Jahr 2005 um circa ein Fünftel angestiegen. Dazu hat der Freistaat Sachsen nichts beigetragen bzw. bezahlt. In meiner Heimatstadt Leipzig haben wir einen Anstieg um ein Drittel in diesem Zeitraum.

Das ist nicht etwa durch falsches Wirtschaften in den Kommunen entstanden, sondern es besteht Gott sei Dank ein Rechtsanspruch der Betroffenen darauf, und dieser muss bedient werden. Die Kommunen können nicht ohne Weiteres handeln und abschwächen.

Drittens. Sehr problematisch stellt sich die Situation in Vereinen und Verbänden dar. Wir werden in weiteren Redebeiträgen darauf zurückkommen. Die Leistungen für die Jugendhilfe wurden drastisch gekürzt. Es wurden 147 Stellen gestrichen. Bezüglich des Programms „Wir für Sachsen“ wird mir über die Presse mitgeteilt, dass das künftig völlig wegfallen oder zumindest umgestaltet

werden soll. Bereits heute reicht das, was damals eingestellt worden ist, bei Weitem nicht mehr aus.

Viertens. Durch den Bund sind weitere Haushaltserschwernisse gekommen, insbesondere im Bereich der Arbeitsmarktförderung, die sich verheerend auf die Situation in den Vereinen auswirken werden. Darauf wird noch einzugehen sein.

Deshalb Folgendes: Wir sollten dem am Nachmittag zur Debatte stehenden Antrag der GRÜNEN, den ich für sehr gut halte, einen Nachtragshaushalt zu verabschieden, in dem die Steuermehreinnahmen verankert sind, zustimmen. Wir sollten damit zumindest berücksichtigen, dass durch die Steuermehreinnahmen der soziale Kahlschlag, wie er durch Haushaltskürzungen eingetreten ist, verhindert wird und ihn wenigstens durch eine Aufstockung in diesem Bereich mindern helfen. Das wäre vor Weihnachten eine wichtige humanitäre Botschaft.

(Beifall bei den LINKEN)

Der nächste Redner spricht für die CDU-Fraktion. Es spricht Herr Krauß.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren von der Linkspartei! Auch wenn man Falschheiten ständig wiederholt, werden sie nicht wahr. Der Begriff „Kahlschlag“ ist völliger Unsinn.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie einmal nachschauen würden, was man unter „Kahlschlag“ versteht, dann wüssten Sie – ich lese es Ihnen gern vor –, was es bedeutet: „das großflächige Fällen aller Bäume in einem Wald“.

Ich hatte bei dieser Debatte ein wenig das Gefühl, dass Sie den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen haben, will Ihnen aber gern helfen,

(Beifall bei der CDU und der FDP)

dass Sie den Wald wirklich sehen. Schauen wir uns einmal an, was alles im Sozialbereich enthalten ist: 72 Millionen Euro für Krankenhäuser, 79 Millionen Euro für Kinder und Jugendliche – obwohl dafür hauptsächlich die Kommunen zuständig sind –,76 Millionen Euro für behinderte Menschen, 53 Millionen Euro für die psychiatrische Versorgung, für Suchthilfe und den Maßregelvollzug, 22 Millionen Euro für Kriegsopferfürsorge, Impfschäden und Opfer von Gewalttaten, 15 Millionen Euro für Gesundheitswesen und Verbraucherschutz, 8 Millionen Euro für Gleichstellung, Familie usw. usf.

Wenn Sie nun auf die Idee kommen, Ihre selbst erstellte Statistik zu bringen, bitte ich Sie, diese Zahlen zur Kenntnis zu nehmen und sich nicht hinzustellen und zu sagen: Es ist um ein Fünftel zurückgegangen.

Wenn Sie den Kita-Bereich herausrechnen, der zum Kultusministerium gehört, dann kommt man natürlich auf dieses eine Fünftel. Ansonsten hat sich relativ wenig

verändert, um es einmal freundlich zu sagen. Aber mit Sicherheit ist es kein Fünftel, Herr Pellmann.

Herr Krauß, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE, steht am Mikrofon)

Herr Krauß, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass ich mich prinzipiell nur auf Zahlen beziehe, die vom Amt für Statistik in Kamenz oder vom Bundesamt für Statistik gekommen sind? Würden Sie weiter zur Kenntnis nehmen, dass die Interpretation von Zahlen möglicherweise zwischen uns unterschiedlich gehandhabt wird? Würden Sie dann bitte zur Kenntnis nehmen, dass ich gesagt hatte, es geht um einen Ländervergleich sämtlicher Sozialausgaben und dem Anteil. Sie können doch hier nicht mit Einzelposten kommen und diese vorlesen. Rechnen Sie das einmal zusammen.

Herr Pellmann, Sie müssen bitte eine Frage stellen.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Ich hatte die Fragen formuliert, Herr Präsident, mit Verlaub.)

Ich nehme das zur Kenntnis, Herr Kollege Pellmann, dass der Haushaltsabschluss des Freistaates Sachsen zum Beispiel für 2010 noch gar nicht vorliegt. Da verfügen Sie jetzt entweder über prophetische Gaben, das mitbekommen zu haben, was darin steht, oder Sie haben sich dann Ihre Statistik irgendwo selbst zurechtgestutzt. Ich glaube, dass das Zweite mehr der Fall ist. Die offiziellen Zahlen liegen noch nicht vor. Sie haben diese Ausgaben nicht und können das auch nicht nachweisen.

Lassen Sie mich fortfahren. Ich will noch einmal auf das Jahr 2010 eingehen. Es ist ja keine Frage, dass es auch Veränderungen im Haushalt gegeben hat. In welcher Situation waren wir denn 2010? Wir haben noch nie einen so starken Rückgang des Wirtschaftswachstums in der Bundesrepublik Deutschland gehabt. Wir haben beim Wirtschaftswachstum ein Minus von 5 % gehabt, die Steuereinnahmen sind deutlich eingebrochen, und ohnehin kommt dazu, dass 200 Millionen Euro der westdeutschen Bundesländer weniger zur Verfügung stehen. Das war ein großer Handlungsdruck, das ist keine Frage, und auch eine schwierige Situation, hier Änderungen vorzunehmen. Natürlich war auch der Sozialbereich davon nicht ausgenommen. Noch einmal: Es bleibt aber dabei, es war, Herr Kollege Pellmann, kein Kahlschlag. Diesen Begriff sollten Sie zurücknehmen, denn er ist falsch.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Nein!)

Herr Kollege Pellmann, wenn Sie zum Friseur gehen, dann haben Sie danach doch auch keine Glatze. – Solche Vergleiche zu bringen, die nicht stimmen, sollte man lassen, Herr Kollege Pellmann.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Es kommt auf den Friseur an!)

Dann haben Sie vielleicht den falschen Friseur!

Ich will noch einmal auf Folgendes hinweisen. Wir haben natürlich in einigen Bereichen Akzentverschiebungen vorgenommen, die notwendig gewesen sind, und ich sage auch, wieso. Wenn die Zahl der Kinder und Jugendlichen um mehr als die Hälfte sinkt, dann ist doch klar, dass dies auch Auswirkungen hat. Wenn wir wissen, dass die Zahl der Senioren steigt, hat das natürlich auch Auswirkungen. Im Haushalt steht weniger Geld für Kinder und Jugendliche zur Verfügung, und bei den Senioren haben wir zum Beispiel Geld aufgestockt.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Das stimmt doch nicht!)

Natürlich! Sehen Sie es doch nach!

Lassen Sie mich noch auf Neuausrichtungen eingehen. Wir haben immer noch mehr Geld für Kinder und Jugendliche. Auch dort gab es ja innerhalb des Bereiches Umschichtungen. Wir haben das flexible Jugendmanagement gestärkt. Ich kann mich noch ganz gut daran erinnern. Erst haben Sie das gefordert, dass man das machen sollte, einen Monat später, nachdem wir danach handelten, kamen Sie dann auf die Idee, dass das ganz falsch ist. Es musste also immer das Gegenteil davon sein, was die CDU gemacht hat – ein ganz lustiges Beispiel.

Fakt ist doch, dass wir das flexible Jugendmanagement gestärkt haben. Wir haben dort mehr Geld eingestellt, weil wir dessen Wichtigkeit erkannten. Oder wir haben zusätzliches Geld für den Kinderschutz hineingenommen und damit das Kinderschutzgesetz ausfinanziert. Auch das kostet knapp 2 Millionen Euro. Wir haben auch gesagt, dass wir mehr Geld für das Thema Inklusion haben wollen, nämlich gesellschaftliche Beteiligung von behinderten Menschen. Auch dafür haben wir Geld für diese politische Schwerpunktaufgabe freigeschaufelt. Dies sollte einmal von Ihnen gewürdigt werden.

Man sollte auch einmal die Bundesländer vergleichen und sehen, wer wie viel ausgibt. Da müssen wir uns nicht verstecken, Herr Kollege Pellmann, wenn wir uns einmal besondere Leistungen ansehen, die es fast nur in Sachsen gibt.

Landeserziehungsgeld – es gibt wenige Bundesländer, die sich das leisten,

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Fünf Länder gibt es!)

Es sind vier.

und zwar für die Familien in unserem Land.

Wir haben die Ehrenamtsförderung. Wir sind das einzige Bundesland in ganz Deutschland, das eine Ehrenamtsförderung finanziert. Zeigen Sie mir einmal ein anderes Bundesland, das es ebenso macht.

Dazu kommt die Kinderwunschbehandlung. Auch das ist eine Leistung, die nur der Freistaat Sachsen so finanziert.

Wir machen also Dinge, die sich andere Bundesländer überhaupt nicht mehr leisten können. Deswegen, Herr Kollege Pellmann, liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen Sie sich genau an, wie viele Bäume es gibt. Wir haben keinen Kahlschlag, wir haben einen gut stehenden Wald, der natürlich auch Veränderungen unterworfen ist. Insofern führt Ihre Debatte vollkommen in die Irre. Sie geht an der Realität hier im Freistaat Sachsen vorbei.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion Herr Kollege Pecher, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit dem beginnen, was der Ministerpräsident vorgestern zum Jahrestag „Festveranstaltung Rechnungshof“ gesagt hat. Er sagte, wir müssen jeden Steuer-Cent sparsam ausgeben, und er erging sich dann in solchen Themen wie Schuldenbremse, Garantiefonds und ähnlichem. Vermisst habe ich, dass er nicht einmal gefragt hat, wozu wir Steuern erheben. Früher hat das ja der Alte Fritz gemacht, der gesagt hat, ich brauche das und das. Daraufhin hat er dann die entsprechenden Steuern erhoben. Über diese Zeit sind wir zum Glück hinweg.