Meine Damen und Herren! Die erste Runde ist beendet. Gibt es weiteren Redebedarf? – Seitens der Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Marion Junge.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordneten! Sachsens Kommunen geht das Geld aus. Wir merken das auf kommunaler Seite, wenn wir in den Stadträten, in den Kreistagen heute schon miteinander debattieren und uns letztendlich die Entwicklung für die nächsten Jahre anschauen.
Ich will das weniger aus finanzpolitischer, aus Zahlensicht sehen, sondern als 19-jährige Stadträtin
und stellvertretende Oberbürgermeisterin einer Stadt, die letztendlich in der Entwicklung des Kreises und auch der betroffenen Kreise schon wahrnimmt, dass es eben nicht nur eine Feststellung ist, das Finanzausgleichsgesetz reicht aus; sondern es müssen letztendlich Handlungsmaßnahmen kurzfristiger, mittelfristiger Art und Weise seitens des Landes in Zusammenarbeit mit den Spitzenverbänden möglich sein, um diese akute Finanzlage in den nächsten Jahren gemeinsam mit den Kommunen abzubauen.
Da kann man nicht so tun, sehr geehrte Herren und Damen der CDU und der FDP, dass man das Problem im Wesentlichen auf die Finanzsituation, auf die – sage ich mal – technische Situation bezieht, sondern man sollte schon aktuell die Meldungen vernehmen, die uns als Politiker tagtäglich begegnen.
Ich nehme sie ernst. Ich zitiere einmal aus einigen Meldungen: „OB Baumann will Rathaus verkaufen“. Es ist egal, wie es dazu gekommen ist. Diese Entwicklungen sind ja von Ihnen begleitet worden. Das war eine Meldung vom 30.11. aus der „Morgenpost“. Eine weitere: „Brückenbauprojekt in Chemnitz in Gefahr“ von der „Freien Presse“ am 1. Dezember. „Nordsachsen steht das Wasser bis zum Hals“, das haben wir schon in mehreren Redebeiträgen gehört, „Freie Presse“ 2. Dezember. Oder vom gestrigen Tag: „Schlechte Noten für Brücken“.
Das sind alles Probleme, die die Kommunen betreffen und wo Hilferufe aus den jeweiligen Landkreisen, Städten und Gemeinden an uns Politiker gesendet werden. Da können wir nicht sagen: Das vernehmen wir nicht; wir sehen hier keinen Handlungsbedarf.
Weil wir das so sehen, fordern wir, gemeinsam mit den Spitzenverbänden ein kommunales Finanzkonzept zu erarbeiten. Was ist daran schlecht?
Es gibt viele andere Beispiele, die auf die akute Gefahr hinweisen. Ich nenne noch einmal das Beispiel Finanzmisere im Landkreis Nordsachsen. Denn hier hat erstmals ein Landkreis seine akuten Probleme für das nächste Jahr und die Folgejahre angemeldet. Aber das ist nicht der
einzige Kreis, bei dem solch ein Defizit schrittweise entsteht. Man kann auch bei anderen Landkreisen nachvollziehen, dass die Einnahmen akut zurückgehen.
Beim Landkreis Nordsachsen ist es nicht nur ein Problem, das sich von selbst entwickelt hat, sondern es sind politische Fehler gemacht worden, nämlich bei der Durchsetzung der Kreisreform 2008. Das sind Fehler, die man heute korrigieren muss. Man kann den Kreis nicht alleine dastehen lassen. Sie wissen, wovon ich rede. Zwei wirtschaftlich schwache Kreise wurden durch die Kreisgebietsreform mit großen Schuldenbergen vereint. Dazu kam eine Bürgschaft in Höhe von 21 Millionen Euro für die Sanierung der gescheiterten Sparkasse, die jetzt fällig wird. Na toll! Sinkende Steuereinnahmen bei gleichzeitig steigenden Sozialkosten verschärfen zusätzlich die Finanzsituation. Dann sagt auch noch Ihr CDU-Landrat Czupalla: „Das werden wir nicht allein schaffen. Das sage ich in aller Deutlichkeit.“
Ich als Kommunalpolitikerin finde die Reaktion seitens des Ministerpräsidenten Herrn Tillich sehr unangemessen und auch wenig hilfreich. Herr Tillich lehnte weitere Hilfen für den in Not geratenen Landkreis Nordsachsen rigide ab, obwohl Sie und Ihre Landesregierung die Mitverursacher dieser Finanzmisere vor Ort sind.
Sie haben ohne Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger die Kreisgebietsreform 2008 durchgesetzt. Es gab viele Initiativen, die sich dabei einbringen wollten, aber nicht zugelassen wurden.
Es sind neue, wesentlich größere Kreise entstanden, mit größeren Aufgaben, Schulden und Problemen. Der Landkreis Nordsachsen ist nur ein Beispiel dafür, wie sich solch ein Problem entwickelt. Nun können Sie, meine Damen und Herren von der Landesregierung, die Verantwortung nicht den Landkreisen und Kommunen allein anlasten. Sie müssen jetzt schon im Sinne der Kommunen und der kommunalen Selbstverwaltung handeln. Dafür steht unser Antrag zu dem Konzept, das wir gemeinsam mit Ihnen erarbeiten wollen. Das ist unser Angebot.
Der Hilferuf der sächsischen Landkreise, Städte und Gemeinden sollte von uns gehört und dazu gemeinsam ein Handlungskonzept erarbeitet werden. Dazu reicht das Finanzausgleichsgesetz einfach nicht aus.
Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung, ob sie das Wort wünscht. – Herr Staatsminister Prof. Unland, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns den Antrag und die jetzt in der Debatte hinzugekommenen
Aspekte anschauen, dann fordert dieser Antrag im Grunde genommen ein Konzept zur Kompensation der krisenbedingten Einnahmeverluste bei den Kommunen. Ein Großteil der sächsischen Kommunen sei nach Auffassung der beantragenden Fraktion mit der Bewältigung der finanziellen Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise überfordert.
Ich stelle die Frage: Ist das zurzeit tatsächlich so? Ich möchte das mit einigen nüchternen Zahlen beleuchten. Im Ergebnis der angepassten Steuerschätzung vom November 2009 – sie liegt jetzt gerade vier Wochen zurück – liegen die kommunalen Steuereinnahmen mit 2,24 Milliarden Euro in diesem Jahr und mit 2,16 Milliarden Euro im nächsten Jahr, 2010, immer noch deutlich über den Einnahmen der Jahre bis einschließlich 2007. Daher ist das Bild eines massiven Einbruchs der Kommunalsteuern, das im Vergleich mit den außergewöhnlich hohen Einnahmen des Jahres 2008 gezeichnet wird, deutlich verzerrt. Auch im Kassenergebnis des dritten Quartals 2009 liegen die Steuereinnahmen sowohl der kreisfreien Städte als auch der kreisangehörigen Gemeinden über den Werten des Jahres 2007. Bekanntlich war das Jahr 2007 das zweitbeste Jahr. Darüber hinaus konnten sich die sächsischen Kommunen auf allen Ebenen weiter deutlich entschulden. Die Nettoentschuldung betrug in den ersten drei Quartalen dieses Jahres – ich habe mir die Zahlen aktuell geben lassen – rund 258 Millionen Euro und lag damit rund 41 Millionen Euro über dem Vergleichswert des Vorjahres.
Die Zahlen, die ich jetzt genannt habe, gelten natürlich für die Gesamtheit aller Gemeinden. Ich will nicht bestreiten, dass einzelne Gemeinden tatsächlich erhebliche Einnahmeverluste verzeichnen. Das Bild im Land ist sehr heterogen. Doch selbst dann liegt der Haushaltsausgleich ebenso wie die Vorsorge für unerwartete Steuerrückgänge zuallererst in der Verantwortung der Städte, der Gemeinden und der Landkreise. Gelingt es dann den Kommunen im Einzelfall nicht, ihre haushaltswirtschaftlichen Schwierigkeiten zu bewältigen, so haben sie die Möglichkeit, eine Bedarfszuweisung zum Zwecke der Haushaltssanierung zu beantragen.
Interessant ist allerdings die Situation, wie sie sich uns zurzeit darstellt. Gegenwärtig liegen dem Finanzministerium keine Anträge auf Bedarfszuweisungen vor, die sich aus der Finanz- und Wirtschaftskrise heraus begründen.
Sehr geehrter Herr Staatsminister, Sie haben eben von einer differenzierten Situation und von Einzelfällen gesprochen. Könnten Sie dem Hohen Haus mitteilen, wie viele Landkreise nach dem derzeitigen Überblick im kommenden Jahr keinen
Bisher habe ich dazu noch keine großen Ankündigungen erhalten. Unsere Einschätzung ist bei nüchterner Betrachtung der vorliegenden Zahlen die, dass das nächste Jahr auch für die kommunale Ebene noch nicht das entscheidende schlechte Jahr werden wird.
Insgesamt sichert der kommunale Finanzausgleich den Kommunen in den Jahren 2009 und 2010 eine stabile Finanzlage. Die mit dem Finanzausgleichsgesetz 2009/2010 festgelegte Höhe des kommunalen Finanzausgleichs bleibt auch im Jahr 2010 unverändert – und das vor dem Hintergrund stark sinkender Steuereinnahmen des Landes. Weder für das Land noch für die Kommunen wird die Situation ab 2011 leichter, sondern, sofern sich nichts Grundlegendes ändert, voraussichtlich deutlich schlechter.
Allerdings wurde im FAG Vorsorge getroffen. In diesem und im folgenden Jahr, also auch noch im Jahr 2010, fließen 372 Millionen Euro in das kommunale Vorsorgevermögen. Diese Mittel stehen ab dem Jahr 2011 zur Stabilisierung der Finanzausgleichsmasse zur Verfügung. Die Kommunen profitieren damit von der vorsorgenden Finanzpolitik unseres Staates und den ausgleichenden Mechanismen des FAG. Von einer finanziellen Überforderung der Kommunen in Gänze kann aus meiner Sicht derzeit nicht die Rede sein. Die finanzielle Lage der Kommunen ist zurzeit insgesamt stabil. Weisen Kommunen im Einzelfall eine kritische Haushaltslage auf, steht das gesetzlich geregelte Instrumentarium der Bedarfszuweisung als Hilfsmaßnahme zur Verfügung. Ich will allerdings nicht verhehlen, dass die kommunale Ebene gut beraten ist, sich auf die schlechteren Jahre ab dem Jahr 2011 einzustellen. Noch haben sie die Zeit – in einer Zeit, in der es dem Freistaat schon deutlich schlechter geht. Ein gesondertes Kommunalfinanzkonzept ist nicht erforderlich.
Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister, für Ihren Beitrag. – Meine Damen und Herren! Die Aussprache ist beendet. Die einreichende Fraktion, die Fraktion DIE LINKE, hat nun die Gelegenheit, ein Schlusswort zu halten. Herr Abg. Scheel, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke erst einmal für die Debatte. Allerdings muss ich schon sagen, dass mich eine Frage mittlerweile nervt. Ich kann die Sprechblasen nicht mehr hören. Sie können mir gern etwas von Standardabbau erzählen, Sie können mir gern etwas von Einsparpotenzia
len erzählen. Sagen Sie mir konkret, wo Sie etwas wegsparen wollen, woher Sie die Milliarden nehmen wollen.
Überlegen Sie mal, die Kommunen haben insgesamt 5 Milliarden Euro an Einnahmen. Da sind die Mittel aus dem FAG und die eigenen Steuermittel schon dabei. 5 Milliarden – und dann sagen Sie einfach, dass sich die Kommunen um die 600 Millionen bis 1 Milliarde Euro, die Sie ab 2011 verlieren sollen, selber kümmern müssen.
Ich will ein Missverständnis ausräumen, das irgendwie entstanden ist. Manchmal hilft auch Lesen. In diesem Antrag ist in keiner Weise irgendwo die Rede davon, dass der Gleichmäßigkeitsgrundsatz des FAG aufgehoben werden soll.
Es ist auch niemals Position meiner Fraktion gewesen, daran zu rütteln. Wir haben immer dafür gestritten, darüber zu reden, ob die Nulllinie noch zeitgemäß ist, ob 35,7 % für die kommunale Ebene wirklich das Aufgabenverteilungsverhältnis zwischen Freistaat und Kommune darstellen. Darüber haben wir immer gesprochen. Ich glaube, das ist auch Konsens mit den kommunalen Spitzenverbänden. Ich höre immer, dass der FAG-Beirat sagt: Wenn ich mir die Ausgabensteigerung anschaue, müsste eine Angleichung hergestellt werden. Schaue ich mir allerdings die Deckungsquote an: keine Angleichung. – Was kommt dabei heraus? Alle sehen sich schön in die Augen und sagen dann: Ach, machen wir lieber keine Angleichung.
Dass die Kommunen am Ende auf den steigenden Kosten sitzen bleiben, hat auch den Grund im fehlenden regelgebundenen Angleichungsmechanismus. Er ist nicht vorhanden, es ist keine Regel, sondern nur ein Aushandlungsprozess. Das führt dazu, dass die Kommunen am Ende auf den Kosten sitzen bleiben und die Einnahmeverluste noch obendrauf kommen. Das ist doch die Debatte, die wir zu führen haben: dass wir ein Konzept brauchen, wie wir das 2011 und 2012 regeln. Das Konzept können wir nicht erst im Jahr 2011 oder 2012 erstellen, sondern darüber müssen wir uns jetzt Gedanken machen, weil die Hilfeschreie kommen. Wir können mit offenen Augen sehen, auf welche Situation es hinausläuft.
Wir müssen dazu jetzt mit den Kommunen ins Gespräch kommen. Das ist das, was diese selber wollten. Sie haben den Freistaat gebeten, mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Dann bekommen die Kommunen vom Freistaat eine Abfuhr erteilt in Form von Aussagen wie „Kommunale Selbstverwaltung“, „Kümmert euch selbst“. Bei den Einnahmeverlusten, die vor uns stehen, die auch vor den Kommunen stehen, ist es keine Frage mehr, ob man mit einer schwierigen Zeit umgehen kann, sondern es ist die Frage, ob die Existenz der Kommunen und der kommunalen Aufgaben noch gewährleistet ist.
Wenn Sie sich das vergegenwärtigen, dann nehmen Sie in Ihren Herzen, in Ihren Köpfen zumindest die Idee auf, mit den Kommunen ins Gespräch zu kommen – wenn Sie sich schon nicht überwinden können, unserem Antrag zuzustimmen, wozu ich Sie aber hiermit auffordere.