Protokoll der Sitzung vom 09.12.2009

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nicht so sehr am Thema Nachtragshaushalt festhalten. Ich fände es sehr spannend, wenn man sich austauschen würde, wie die neue Regierungskoalition die Schwerpunkte für das Jahr 2010 und folgende in Richtung mittelfristige Finanzplanung setzen will. Jetzt wird eine Debatte darüber verhindert, wie man die Struktur dieses Haushaltes mit den schon öfter benannten Mindereinnahmen gestalten will. Ein sehr frühzeitiges Einsteigen bietet sich an. Deshalb unterstützen wir die Forderung eines Nachtragshaushaltes.

Ich fand es bedauerlich, dass der Ministerpräsident gestern bei den kommunalen Verbänden gesagt hat, es gebe nicht mehr Geld in das System der Kommunen. Ich behaupte, wir brauchen mehr Geld in diesem System der Kommunen, weil sie die eigentliche Substanz dieses Freistaates sind und ihn ausmachen. Das heißt, dass wir den Haushalt auf den Prüfstand stellen müssen. Das gesellschaftliche Leben findet nicht in JVAs, auf Staatsstraßen oder im Polizeirevier statt, sondern in den Dörfern und Gemeinden im Zusammenleben.

(Michael Weichert, GRÜNE: Manchmal in der Schule!)

Ich möchte es der Koalition einfach machen, deshalb beantragen wir punktweise Abstimmung. Ich denke, und das wurde bei den Worten von Herrn Rohwer deutlich, die Punkte 2 und 4 sind durchaus unumstritten. Es ist unumstritten, parlamentarische Maßnahmen einzuleiten und gegenüber dem Parlament darzulegen, wie sie umgesetzt werden sollen. Wir beantragen auch deshalb punktweise Abstimmung, weil wir mit Punkt 1 dieses Antrages ein ernsthaftes Problem haben. Wir werden diesem Punkt nicht zustimmen, denn wenn wir diese Rücklage nicht auflösen, bedeutet das, dass die Bewirtschaftungsmaßnahmen in diesem Haushalt in noch größerem Umfang greifen.

Das wollen wir nicht ohne irgendeine Debatte, wie dieser Haushalt insgesamt gestaltet wird, weil diese Bewirtschaftungsmaßnahmen zwangsläufig dazu führen, dass die Menschen, die uns eigentlich besonders am Herzen liegen, im gesellschaftlichen Bereich, im sozialen Bereich usw., darunter leiden würden. Das möchten wir nicht.

Von daher Zustimmung seitens unserer Fraktion zu den Punkten 2, 3, 4; den Punkt 1 werden wir ablehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Pecher. – Nun ist die FDP-Fraktion an der Reihe. Es spricht Herr Abg. Prof. Schmalfuß. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der vergangenen Plenarsitzung haben wir über die finanziellen Auswirkungen des Koalitionsvertrages von CDU und FDP im Bund und für den Freistaat Sachsen und seine Städte und Gemeinden gesprochen.

Vor etwas mehr als einer Stunde haben wir wieder über ein „Konzept der Staatsregierung zur Kompensation der drastischen Einnahmeverluste der Kommunen infolge der Wirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise“ diskutiert. Jetzt reden wir über die „Finanzierung der Einnahmelücke 2010: Strukturelle Maßnahmen statt Auflösung der letzten Reserven“.

Sie merken, meine Damen und Herren von der Opposition, wir drehen uns im Kreis. Wir haben immer wieder dieselben Themen von Ihnen auf der Tagesordnung.

Nach den Ergebnissen der November-Steuerschätzung rechnet das Finanzministerium für 2009 mit Mindereinnahmen in Höhe von 361 Millionen Euro und für 2010 in Höhe von 864 Millionen Euro. Wie diese Mindereinnahmen gedeckt werden sollen, hat Herr Staatsminister Unland in seiner Pressekonferenz am 24.11.2009 detailliert dargelegt. Derzeit plant das SMF, über Bewirtschaftungsmaßnahmen, sonstige Entlastungen und die Auflösung der Haushaltsausgleichsrücklage die Einnahmelücke zu kompensieren.

Was Ihre Forderung nach strukturellen Maßnahmen betrifft, Herr Weichert, so kann ich Ihnen nur einen Blick

in den Koalitionsvertrag empfehlen. Wir setzen auf eine umfassende Staatsreform, um die Ausgaben des Staates zu senken. Bis 2020 stellen wir mit einer umfassenden Aufgaben-, Ausgaben- und Strukturkritik alles auf den Prüfstand.

Beispielsweise hat Sachsen nach der Wende den dreistufigen Verwaltungsaufbau übernommen. Damals, meine sehr geehrten Damen und Herren, mag dieses zum Aufbau einer funktionierenden Verwaltung erforderlich gewesen sein. Inzwischen hat der Freistaat Sachsen aber nur noch 4,2 Millionen Einwohner. Die drei Landesdirektionen in Chemnitz, Dresden und Leipzig kosten jährlich etwa 96 Millionen Euro. Andere Länder wie Niedersachsen mit fast 8 Millionen Einwohnern haben die von mir genannten Mittelbehörden längst abgeschafft. Deshalb wird auch der Freistaat Sachsen die Landesdirektionen zusammenfassen.

(Beifall des Abg. Tino Günther, FDP)

Außerdem werden wir bei den Staatsbetrieben ansetzen. Der Freistaat Sachsen leistet sich über 40 Staatsbetriebe und Unternehmensbeteiligungen. Hier wird es, meine sehr geehrten Damen und Herren, in Zukunft Änderungen geben. Herr Weichert – den Hinweis müssen Sie mir gestatten –, Sie fordern zwar, sich von Staatsvermögen zugunsten einer Haushaltskonsolidierung zu trennen, wenn es aber konkret wird, sind Sie dagegen.

Als die Stadt Dresden die WOBA verkauft hat, gehörten die GRÜNEN zu den größten Widersachern.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Aber auch unliebsame Entscheidungen müssen gefällt werden. Der Freistaat Sachsen wird um Behördenschließungen und Personalabbau nicht herumkommen. Ich hoffe, Herr Weichert, dass Sie uns bei diesen von Ihnen ja selbst geforderten strukturellen Maßnahmen unterstützen werden. Ich befürchte aber, dass Sie, wenn es tatsächlich zu strukturellen Maßnahmen kommt, diese wie beim Verkauf der WOBA ablehnen werden.

Herr Schmalfuß, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Ja, selbstverständlich.

Frau Jähnigen, bitte.

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass ein öffentliches Wohnunternehmen einer Stadt kein Staatsvermögen ist? Und ist Ihnen bekannt, dass der Verkauf der WOBA keine Sparmaßnahme war, sondern eine Vermögensreaktivierungsmaßnahme, die die Stadt jetzt sehr mit ihren Folgen beschäftigt?

Das waren zwei Fragen, die ich natürlich sehr gern beantworte. Zum ersten Teil Ihrer Frage: Ja.

Zum zweiten Teil: Ich als Chemnitzer schaue etwas neidisch auf die Stadt Dresden, die sehr solide Finanzen hat. Das würde ich mir auch für meine Heimatstadt wünschen. Ich denke, dass die Stadträte, die hier in Dresden diese Entscheidung getroffen haben, sehr verantwortungsvoll gehandelt haben, da sie im Prinzip durch kluges Agieren im Stadtrat die Stadt entschuldet und finanzielle Spielräume für die kommenden Jahre erreicht haben. Dafür zolle ich auch meinen Respekt.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch kurz zu den übrigen Punkten des Antrages der GRÜNEN kommen. Die Auflösung der Haushaltsrücklage steht im Moment noch gar nicht fest. Die Steuerschätzung im Frühjahr 2010 kann wie schon im November 2009 besser ausfallen. Dann wäre eine vollständige Auflösung nicht mehr erforderlich.

Eines Nachtragshaushaltes – das hatten wir auch hier im Plenum in dieser Legislaturperiode schon diskutiert – für 2010 bedarf es nicht, ebenso wie es keines Nachtragshaushaltes für die Landesbankgarantie in Höhe von 2,75 Milliarden Euro bedurfte.

Zur Finanzierung der Steuermindereinnahmen hat uns der Finanzminister bereits ausführlich berichtet.

Vor dem Hintergrund meiner Ausführungen werden wir den Antrag der Fraktion GRÜNE ablehnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Prof. Schmalfuß. – Für die NPD-Fraktion spricht Herr Abg. Arne Schimmer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz aller Lobgesänge dieser und früherer Staatsregierungen auf Ihre angeblich so solide Finanzpolitik befindet sich der Freistaat Sachsen in einer nicht gerade rosigen Situation, um es sehr vorsichtig auszudrücken. Ich möchte gleich zu Beginn meiner Rede knapp und präzise feststellen, woran dies meiner Meinung nach liegt.

Erstens – daran, dass die Landespolitik unter den Rahmenbedingungen der BRD, der EU und des globalen Wirtschafts- und Finanzsystems zwar einen Haushalt aufstellen und verabschieden darf, aber schon längst nicht mehr die Kompetenz hat, das dem Wirtschaftsleben zugrunde liegende wirtschaftliche Geflecht aus Leistung und Gegenleistung im Land ordnungspolitisch zu gestalten. Darauf komme ich gleich zurück.

Zweitens – daran, dass sich die Staatsregierung dazu hat hinreißen lassen, die Sächsische Landesbank in internationale Finanzmarktgeschäfte hineinzutreiben, die ebenso volkswirtschaftlich nutzlos, ja schädlich, wie finanzpolitisch ruinös für den Landeshaushalt waren.

Der Haushalt ist die Einnahmen- und Ausgabenrechnung des Staates, meine Damen und Herren. Über die angesetz

ten Steuereinnahmen wird die geplante Entwicklung der Volkswirtschaft abgebildet, also die wirtschaftliche Interaktion und Geschäftsentwicklung, wie Einkommen, Konsumverhalten usw.

Über die Ausgaben wird der Aufwand für Konsum und Investitionen im öffentlichen Bereich festgelegt. Das Ziel der Haushaltspolitik – natürlich in Verbindung mit einer aktiven Wirtschaftspolitik – muss logischerweise sein, einen angemessenen Teil der erwirtschafteten Einkommen für den öffentlichen Bereich so abzuzweigen und für öffentliche Abgaben so auszugeben, dass die wirtschaftliche Leistungsgemeinschaft unseres Landes, des Freistaates Sachsen, insgesamt gestärkt wird. Sie wird dann gestärkt, wenn mehr Bürger in den Wirtschaftsprozess einbezogen werden und mehr Wirtschaftstransaktionen zwischen sächsischen Bürgern stattfinden. Dadurch fließt auch mehr Geld in den Haushalt, sodass für die Haushaltspolitik und die Wirtschaftspolitik wiederum größere Handlungsspielräume entstehen.

In Sachsen wie im übrigen Deutschland wird aber die Wirtschaftspolitik nicht im Land selbst gemacht, sondern von übernationalen Kräften, die nicht im Interesse des Landes, sondern vielmehr im Interesse des herrschenden Wirtschafts- und Finanzsystems handeln. Die Folge für Sachsen ist, dass noch 20 Jahre nach der Wende der weitaus größte Teil unseres Landes in volkswirtschaftlicher Agonie verharrt und von den Einnahmen des Freistaates 35 % von außen zugeschustert werden müssen.

Warum ist das so? Weil es im Lande selbst an breit gestreuten, selbsterhaltenden wirtschaftlichen Aktivitäten fehlt, und zwar systembedingt, meine Damen und Herren.

Unter solchen Bedingungen ist es in der Tat kein Wunder, wenn die Buchhalter des Landeshaushaltes aus den unterschiedlichsten Anlässen sehr schnell große Probleme bekommen. Ein solcher Anlass ist beispielsweise die Bürgschaft über 2,75 Milliarden Euro für die Verbindlichkeiten der Sächsischen Landesbank bzw. ihrer in Irland angesiedelten dubiosen Zweckgesellschaften. Die Schuld der Landespolitik hierfür besteht darin, dass sie bereitwillig die Landesbank ihres Status als raumorientierter Regionalbank beraubte und sie vorsätzlich in unsinnige, aber ruinöse internationale Finanzmarktgeschäfte trieb.

So weit zu den tiefer liegenden politischen Ursachen der heutigen Haushaltslücke bzw. der drohenden noch größeren Haushaltslücken.

Wenn es nun um die Frage der Deckung durch Auflösung der Haushaltsrücklage oder strukturelle, also langfristige Einsparungsmaßnahmen geht, gibt meine Fraktion zu bedenken, dass eine Rücklage natürlich den Sinn hat, vorübergehende Einnahmerückgänge zu überbrücken, und zwar so, dass nicht durch die Einsparung eine zusätzliche Bremsung der Konjunktur als positive Rückkopplung entsteht. Wenn die Konjunktur Fahrt aufnimmt, werden nach dieser Denkweise die Rücklagen wieder aufgefüllt.

Wenn die GRÜNEN in ihrem Antrag nun Einsparungen statt Rücklagenauflösungen verlangen, so heißt dies

nichts anderes, als dass nach ihrer Auffassung die Krise eben nicht vorübergehend ist, sondern uns vielmehr auf lange Sicht erhalten bleiben wird. Damit haben sie wahrscheinlich auch recht, ebenso wie mit ihrer Forderung nach einem Nachtragshaushalt, die übrigens meine Fraktion in einem anderen Zusammenhang auch schon sehr früh gestellt hat.

Trotzdem wird sich meine Fraktion bei dem vorliegenden Antrag nur enthalten und einen Änderungsantrag einbringen, der den Ursprungsantrag in einem ganz wesentlichen Punkt erweitern wird, nämlich um ein Moratorium für Sparmaßnahmen, die die sozioökonomischen Grundlagen bereits gefährdeter Kommunen und Regionen existenziell bedrohen würden. Dazu später mehr.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Sind weitere Wortmeldungen seitens der Fraktionen gewünscht? Herr Weichert, Sie haben noch 50 Sekunden. – Das ist nicht der Fall. Wünscht die Staatsregierung das Wort? – Herr Staatsminister Prof. Dr. Unland, bitte.