Protokoll der Sitzung vom 07.03.2012

Ich danke allen Mitgliedern der Staatsregierung für diese gemeinsamen Erfolge, und ich danke den Koalitionsfraktionen. Ihre Unterstützung macht es erst möglich, dass es gutes Regieren in diesem Lande gibt. CDU und FDP wissen, was zu tun ist.

(Lachen bei den LINKEN)

Wir wollen das Richtige tun, gemeinsam mit unseren Partnern in Gemeinden, in Gewerkschaften, in Vereinen, Verbänden, in der Bildung, in der Wissenschaft und in der Kultur, für unsere Heimat, für ein Sachsen mit Wohlstand für alle.

Meinen herzlichen Dank!

(Anhaltender Beifall bei der CDU und der FDP)

Das war die Regierungserklärung unseres Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich.

Wir kommen nun zur Aussprache. Folgende Redezeiten wurden festgelegt: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 24 Minuten, SPD 14 Minuten, FDP 14 Minuten, GRÜNE 12 Minuten, NPD 12 Minuten. Die Reihenfolge in der ersten Runde: DIE LINKE, CDU, SPD, FDP, GRÜNE, NPD; Staatsregierung, wenn gewünscht.

Als Erstes erhält Herr Kollege Hahn für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Hälfte der Wahlperiode liegt hinter uns. Es ist Zeit, Bilanz zu ziehen über die Arbeit der Regierung und der sie tragenden Koalition. Die Rede, die Sie eben gehalten haben, Herr Ministerpräsident, hatte aber mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme nichts zu tun; das war Schönfärberei pur.

(Beifall bei den LINKEN – Zuruf von der NPD: Allerdings!)

Maßstab der Bewertung Ihrer Arbeit kann und muss ja wohl der von Ihnen und von Herrn Zastrow unterzeichnete Koalitionsvertrag sein. Das Motto dieses Vertrages lautete „Freiheit. Verantwortung. Solidarität. – Gemeinsam für ein starkes und selbstbewusstes Sachsen“. Zur Hälfte der Amtszeit muss man konstatieren: CDU und FDP haben die Freiheit in Sachsen massiv eingeschränkt,

Verantwortung zwar postuliert, aber nie wirklich wahrgenommen, und sie haben ein ehemals starkes und selbstbewusstes Sachsen ins Mittelmaß abrutschen lassen. Das, Herr Tillich, ist Ergebnis Ihrer Politik.

(Beifall bei den LINKEN)

Sie haben bis heute nicht begriffen, Herr Tillich, dass es nicht ausreicht, lächelnd durchs Land zu laufen und sich aus allen wichtigen Entscheidungen herauszuhalten. So kommt Sachsen nicht voran.

(Beifall bei den LINKEN)

Die Koalitionsvereinbarung enthält auf 57 Seiten sehr viel Lyrik und unverbindliche Absichtserklärungen. Dadurch ist manches unkonkret und auch kaum überprüfbar.

Die Presseerklärung der Herren Tillich und Morlok vom Montag war jedoch an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten. Da wurde doch allen Ernstes behauptet, die Regierung hätte bereits jetzt 338 von 443 Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt, mehr als drei Viertel seien also jetzt schon erfüllt.

(Zuruf von den GRÜNEN: Davon haben wir nichts gemerkt!)

Das hat mich dann doch noch einmal bewogen, mir den Text genauer anzusehen. Dabei stellte sich Folgendes heraus: Fast 50 % dessen, was CDU und FDP vereinbart haben, ist so allgemein, dass es niemals wirklich abgerechnet werden kann. Ich nenne nur zwei Beispiele. So heißt es im Koalitionsvertrag: „Die Gleichstellung von Mann und Frau ist für uns ein wichtiges Anliegen.“

(Lachen bei der NPD)

Na toll, und ich nehme an, Sie werden diesen Punkt als erfüllt betrachten.

(Beifall und Lachen bei den LINKEN)

Dumm nur, dass die Menschen in diesem Land davon nichts merken. Das stimmt nicht ganz, denn der Landesfrauenrat hat natürlich die „Fürsorge“ der Regierung zu spüren bekommen, als seine staatlichen Zuschüsse als Strafe für aus Sicht der CDU unbotmäßiges Verhalten einfach mal so gestrichen wurden, und die zuständige Ministerin hat es widerspruchslos hingenommen.

An anderer Stelle ist im Koalitionsvertrag zu lesen, dass CDU und FDP für ein transparentes und leistungsorientiertes Besoldungsrecht eintreten sowie für die Schaffung weiterer Anreize für qualifizierte Bewerber, sich beim Freistaat zu bewerben.

Da Sie offenbar die Streichung des Weihnachtsgeldes für die Beamten im Land als einen geeigneten Beitrag dazu ansehen, werden Sie sicher auch diesen Punkt als erfüllt abgehakt haben. Das war aber mit Sicherheit kein Anreiz, sondern eher ein Reizpunkt für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, wie Tausende Widerspruchsverfahren und die Klagen der Betroffenen zeigen.

Sachsen muss sich schnellstens von der Niedriglohnstrategie verabschieden und endlich zu einem attraktiven Arbeitgeber und zum Vorreiter für gute und auch gut bezahlte Arbeit werden. Das ist Ihre Aufgabe, Herr Tillich!

(Beifall bei den LINKEN)

Aber zurück zur Koalitionsvereinbarung: Mit sehr viel gutem Willen sind daraus trotz der gemachten Einschränkungen dennoch 224 Zusagen, Versprechungen und Ziele herauslesbar. Davon sind bis heute sage und schreibe 21 umgesetzt worden. Das sind weniger als 10 % zur Halbzeit der Wahlperiode. Das können Sie auch mit noch so schönen, bunten Broschüren nicht kaschieren. Die Fakten sprechen eine deutliche Sprache: Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, haben in den allermeisten Fällen nicht geliefert. Wo dann doch einmal geliefert worden ist, war auch noch viel Schrott dabei.

(Lachen bei den LINKEN)

Die einzig greifbaren Effekte dieser Koalition sind – erstens – die Möglichkeit, sonntags Videos ausleihen und Autos waschen zu können,

(Zuruf von den GRÜNEN)

und – zweitens – ein Behörden-Umzugszirkus, der zunächst Umbaumaßnahmen in dreistelliger Millionenhöhe verursacht, während die Einspareffekte ungewiss sind.

Was haben CDU und FDP vor und nach ihrer Wahl nicht alles versprochen?! Eines dieser Versprechen lautete: „Wir werden die kommunale Selbstverwaltung ebenso stärken wie den kommunalen Entscheidungsspielraum.“

Wie sieht die Realität aus? Die Kommunen werden am finanzpolitischen Gängelband gehalten, bekommen

immer mehr Aufgaben übergeholfen, ohne dass ihnen die Mehrkosten dafür erstattet werden. Angesichts zunehmend knapper werdender Kassen sind immer mehr Landkreise, Städte und Gemeinden kaum noch in der Lage, die Aufgaben der sozialen Daseinsvorsorge zu erfüllen. Schutzschirme für Banken sind in den letzten Jahren genügend aufgespannt worden. Wir brauchen endlich auch einen Schutzschirm für die Kommunen in diesem Land.

(Beifall bei den LINKEN)

Dafür muss man auch über die Einnahmenseite sprechen und damit über eine längst überfällige grundlegende Steuerreform. In ihrer Koalitionsvereinbarung versprechen CDU und FDP, sich für ein gerechtes Steuersystem im Bund einzusetzen. Das klingt erst einmal gut. Doch wie sieht die Realität aus? Keine Wiedereinführung der Vermögenssteuer, keine Abschaffung des Ehegattensplittings, keine Anpassung der Pendlerpauschale an die immer weiter gestiegenen Spritpreise und auch immer noch keine Finanztransaktionssteuer. Einzig für Steuersenkungen für Hotelbesitzer, die sogenannte Mövenpicksteuer, haben Sie sich starkgemacht und dem Freistaat dadurch jährliche Mindereinnahmen von 100 Millio

nen Euro beschert. Aber die FDP hat ja dafür auch ein gutes Milliönchen als Parteispende bekommen. So versucht eben jeder, irgendwie über die Runden zu kommen.

Ich bin jedoch ganz sicher, Herr Zastrow, dass Ihnen auch das nicht mehr helfen wird. Kümmern sie sich schon mal um künftige Aufträge für Ihre Werbeagentur und weniger um eine eventuelle Verkleinerung des Landtages, denn davon werden Sie in der Tat nicht mehr betroffen sein.

(Beifall bei den LINKEN – Zuruf von der CDU: Das sagt der Richtige!)

Gleichwohl bleiben wir als LINKE hinsichtlich sinnvoller Änderungen an der Landesverfassung gesprächsbereit. Das gilt auch für das Thema Neuverschuldungsverbot, bei allen Bauchschmerzen, die wir dort haben. Grundsätzlich gilt: Unsere Schuldenbremse heißt Millionärssteuer!

(Unruhe bei der FDP)

Der Staat muss die Erfüllung seiner Aufgaben auch durch entsprechende Einnahmen sichern, und da müssen die wirklich Reichen in dieser Gesellschaft einen deutlich höheren Beitrag leisten, als das bisher der Fall ist!

Ich füge hinzu, Herr Ministerpräsident: Wenn wir nach 20 Jahren nun erstmals unsere Landesverfassung anfassen und über Modernisierungen nachdenken – was wir für richtig halten –, dann ist es niemandem zu vermitteln, wenn wir allein über Schuldenbremse und Generationenfonds reden; denn auch in anderen Feldern besteht dringender Handlungsbedarf. So müssen wir zum Beispiel endlich die Demokratiebremsen in diesem Land lösen und die Quoren für Volksbegehren spürbar absenken.

(Beifall bei den LINKEN)

Zwar steht davon leider nichts im Koalitionsvertrag, dennoch sollten wir es gemeinsam anpacken.

Nächstes Versprechen aus der Koalitionsvereinbarung: „Wir werden die Kommunen auch weiterhin durch eine Jugendpauschale unterstützen und die Kinder- und Jugendhilfe mit der Schulsozialarbeit verzahnen. Wir wollen Niveau und Angebote gerade auch im ländlichen Raum verbessern.“

Doch wie sieht die Realität aus? Die Jugendpauschale wurde ohne jede Not um ein Drittel gekürzt. Auch andere Fördertöpfe wurden spürbar reduziert. Im Ergebnis wurden existierende und leistungsfähige Strukturen im Jugend- und Sozialbereich einfach zerstört, und das vor allem auch im ländlichen Raum. Verbesserung sieht ganz sicher anders aus.

Noch ein letztes Beispiel aus dem Koalitionsvertrag. Dort heißt es: „Wir unterstützen die Vielfalt der sächsischen Kultur und werden die Kulturförderung auf dem hohen Niveau fortführen.“

Auch dagegen kann eigentlich niemand etwas haben. Doch wie sieht die Realität aus? Die Förderung der Kulturräume wird reduziert. Kulturinstitutionen werden zwangsfusioniert. Die Landesbühnen und der Staatsbetrieb Schlösser, Burgen und Gärten werden zur GmbH.

Orchester verschwinden von der Bildfläche. Theaterschließungen drohen und für jahrhundertelang frei zugängliche Parkanlagen soll plötzlich Eintritt erhoben werden.