Protokoll der Sitzung vom 03.04.2012

(Widerspruch des Abg. Jürgen Gansel, NPD – Karl Nolle, SPD: Oh!)

Die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in der Altersgruppe der 60- bis 65-Jährigen hat sich in diesem Zeitraum sogar um 50 % erhöht.

(Karl Nolle, SPD: Nein?!)

Das heißt, auch wenn Sie es nicht glauben wollen, Herr Nolle, die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt kommt auch bei den älteren Arbeitslosen an.

(Beifall bei der FDP und der Staatsregierung – Karl Nolle, SPD: Ist das möglich?)

Auch die Jugendlichen in Sachsen profitieren von dieser Entwicklung. Die Zukunftschancen einer Region, sehr geehrte Damen und Herren, lassen sich daran erkennen, wie schnell die Integration junger Menschen in den Arbeitsmarkt gelingt. In Sachsen halbierte sich die Jugendarbeitslosigkeit seit 2005. Sie liegt heute bei 9 %. Auch hier hatten wir im letzten Jahr den höchsten Rückgang unter allen Bundesländern. Sachsen ist erfolgreich bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.

Neue Arbeitsplätze entstehen derzeit in fast allen Wirtschaftsbereichen, insbesondere jedoch im Bereich der Gesundheitswirtschaft, der Industrie und der Dienstleistungen. Die Unternehmen planen weitere Neueinstellungen.

Wir haben in diesem Hohen Hause schon oft darüber diskutiert, dass die Arbeitslosenquote die Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht vollständig beschreibt. Wir müssen auch die Menschen berücksichtigen, die in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme „geparkt“ werden, aber viel lieber einer Beschäftigung auf dem ersten Arbeits

markt nachgehen würden. Betrachten wir also die Unterbeschäftigung. Sie geht in Sachsen noch stärker zurück als die Arbeitslosenquote. Damit wird klar, dass wir konsequent alle Chancen nutzen, um Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt in Beschäftigung zu bringen, und wir nutzen sie erfolgreich.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Koalitionsparteien CDU und FDP haben im Koalitionsvertrag eine Konzentration der Arbeitsmarktpolitik auf den ersten Arbeitsmarkt vereinbart. Beim Haushalt haben wir erhebliche Änderungen bei der Förderung des Arbeits- und Ausbildungsmarktes vorgenommen. Ich werde auf die Details im weiteren Verlauf eingehen.

An dieser Stelle möchte ich festhalten, dass die Ausrichtung auf den ersten Arbeitsmarkt deutliche Wirkung zeigt und Früchte trägt. Die Menschen in diesem Land profitieren von dieser klaren Politik.

(Beifall bei der FDP)

Die Abwanderung ist gestoppt. Sachsen hat sich 2011 zu einem Zuwanderungsland entwickelt. Es sind mehr Menschen nach Sachsen gezogen, als den Freistaat verlassen haben. In Sachsen werden im Verhältnis zur Bevölkerung in deutschen Flächenländern die meisten Kinder geboren. Dresden steht mit 1,5 Kindern je Frau an der Spitze der deutschen Großstädte über 500 000 Einwohner. Wenn sich die Menschen in Sachsen immer öfter für Kinder entscheiden, ist dies ein deutliches Zeichen dafür, dass sie Vertrauen haben.

(Beifall bei der FDP und des Staatsministers Dr. Jürgen Martens)

Ja, die Menschen haben Vertrauen in ihre eigene berufliche Zukunft hier in unserer Region, hier in Sachsen. Und sie haben Vertrauen in die Politik der Sächsischen Staatsregierung. Sie vertrauen darauf, dass diese positive Entwicklung langfristig anhält.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Mein Haus, sehr geehrte Damen und Herren, hat die positiven Trends zum Anlass genommen, die Zahlen genauer zu betrachten. Die Ergebnisse geben mir die Gewissheit, dass die erfreuliche Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und die Wanderungsgewinne keine Einmaleffekte des vergangenen Jahres sind. Sachsen hat bereits heute den niedrigsten Pendlersaldo aller ostdeutschen Bundesländer. In Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern fahren dreimal mehr Menschen zu ihrer Arbeit über die Landesgrenze. Sachsen hat eine deutlich über dem Durchschnitt liegende Erwerbsquote sowohl bei Männern als auch bei Frauen. Sachsen hat die niedrigste Arbeitslosenquote auf dem ersten Arbeitsmarkt in Ostdeutschland. In Sachsen gibt es für jeden Jugendlichen eine Lehrstelle.

Das alles macht deutlich, dass noch mehr Menschen nach Sachsen kommen werden, um den Fachkräftebedarf der kommenden Jahre zu sichern.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Die meisten Arbeitgeber haben die Entwicklung auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt erkannt. Bereits während der Finanz- und Wirtschaftskrise haben Betriebe und Sozialpartner alles unternommen, um Fachkräfte in Beschäftigung zu halten. Für dieses umsichtige Verhalten gilt meine Anerkennung den Unternehmen, Beschäftigten und Gewerkschaften. Jetzt sehen wir, dass das Angebot an betrieblichen Lehrstellen zunimmt. Die Nachfrage nach Plätzen an den sächsischen Berufsakademien verharrt auf hohem Niveau. Beides, sehr geehrte Damen und Herren, ist angesichts rückläufiger Schulabsolventenzahlen keine Selbstverständlichkeit. Die Weitsicht, mit der sächsische Unternehmen, egal ob Bau, Handwerk, Dienstleistung oder Handel, agieren, zeigen aktuelle, noch nicht veröffentlichte Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung.

Demnach weist Sachsen im ostdeutschen Vergleich die mit Abstand höchste Übernahmequote von Auszubildenden auf. 72 % sind es in Sachsen, lediglich 68 % im ostdeutschen Durchschnitt. In Sachsen bilden die Betriebe im Verhältnis am meisten aus, allerdings sehe ich auch da noch Steigerungspotenzial. Daher ermutige ich die Unternehmen, sich noch intensiver mit den kommenden Herausforderungen des Arbeits- und Ausbildungsmarktes zu beschäftigen. Geben Sie auch denjenigen eine zweite Chance, die bisher keinen Zugang zum Arbeitsmarkt gefunden haben!

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung – Widerspruch des Abg. Mario Pecher, SPD)

Sachsen beweist, dass der erste Arbeitsmarkt Beschäftigungschancen, Wachstum und attraktive Einkommen in Einklang bringt. Die Arbeitslosigkeit ist nirgendwo in Deutschland 2011 so stark zurückgegangen wie in Sachsen. Gleichzeitig konnte der aktive Einsatz der Instrumente der Arbeitsmarktpolitik deutlich zurückgenommen werden. Wir haben mit einer entschlossenen Arbeitsmarktpolitik Menschen zurück in Arbeit gebracht, die vorher in Maßnahmen geparkt wurden. Im Januar 2012 zählte die Sächsische Arbeitsagentur 7 633 Stellen in öffentlich geförderter Beschäftigung. Zu Spitzenzeiten wie im September 2008 waren es noch sechsmal so viel, nämlich 49 000 Menschen.

Diese Zahlen zeigen nicht nur die Entlastung des Arbeitsmarktes durch die gute Konjunktur. Sie unterstreichen auch das, was ich zum Thema Unterbeschäftigung gesagt habe, die in Sachsen deutschlandweit am stärksten sinkt, und sie zeigen das unterschiedliche Verständnis von Arbeitsmarktpolitik, das in den Debatten in diesem Hohen Hause schon oft deutlich geworden ist. Wir vertrauen dem ersten Arbeitsmarkt, und wir vertrauen den Menschen, dass sie ihre Chancen, die ihnen der erste Arbeitsmarkt bietet, auch nutzen wollen. Menschen dauerhaft im zweiten Arbeitsmarkt zu „entsorgen“ ist weder verantwortungsbewusst noch sozial.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE)

Die positive Entwicklung auf dem sächsischen Arbeits- und Ausbildungsmarkt ist ein Gemeinschaftswerk. Die Bundesagentur für Arbeit begleitet unseren Kurs des Vorrangs einer Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt sehr intensiv. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich bei Frau Cordt und ihrer Mannschaft, bei den Job-Centern und bei den zugelassenen kommunalen Trägern.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ebenso geben uns die Reformen der Arbeitsmarktpolitik, die mit der Agenda 2010 auf bundesdeutscher Ebene erfolgten, Rückenwind. Während im Jahr 2005 noch 180 000 Arbeitssuchende laut SGB III zu verzeichnen waren, hat sich die Zahl seitdem um zwei Drittel reduziert.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Das betrifft SGB II!)

Im letzten Jahr ist die Zahl in Sachsen unter 60 000 gesunken.

Es wäre unverantwortlich, wenn, wie von einigen hier in diesem Haus gefordert, die Reformen zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes wieder rückgängig gemacht würden. Dies würde zulasten derer gehen, die bis heute noch nicht in den ersten Arbeitsmarkt integriert wurden und die wir integrieren wollen: zulasten von Geringqualifizierten, zulasten von Langzeitarbeitslosen und zulasten von lernschwachen Jugendlichen. Wir in Sachsen, sehr geehrte Damen und Herren, kümmern uns auch um diese Menschen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir wollen auch denen eine zweite Chance bieten, die in der schwierigen Zeit am Arbeitsmarkt nicht zum Zuge gekommen sind. Wir glauben an die Chancen jedes Einzelnen. Deswegen ist es das Ziel unserer Arbeitsmarktpolitik, auch für Geringqualifizierte, Langzeitarbeitslose und lernschwache Jugendliche einen Zugang zum ersten Arbeitsmarkt zu schaffen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Seit 2010 werden aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds Projekte zur individuellen Einstiegsbegleitung von Langzeitarbeitslosen unterstützt. Aus einem Ideenaufruf haben wir zunächst 25 Projekte ausgewählt. Mittlerweile wurden fast 6 Millionen Euro für Integration von Langzeitarbeitslosen bewilligt.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

In der aktuellen Ausschreibungsrunde wurden uns mehr als hundert Projekte mit einem Gesamtvolumen von über 30 Millionen Euro vorgelegt. Allein 70 der bei uns eingegangenen Projekte widmen sich dieser individuellen Einstiegsbegleitung und sollen bisher Benachteiligten eine zweite Chance geben. Wir helfen denjenigen, die aus der Langzeitarbeitslosigkeit nicht mehr allein rauskom

men, weil zum Beispiel psychologische oder Suchtprobleme die Chancen auf einen Wiedereinstieg erschweren. Durch gezieltes Schließen von Qualifikationslücken und bei Bedarf auch durch Betreuung und Begleitung beim beruflichen Wiedereinstieg holen wir diese Menschen Schritt für Schritt in die Gesellschaft zurück.

Das ist mehr als nur Arbeitsmarktpolitik, das ist auch Sozialpolitik. Auch die Langzeitarbeitslosen haben eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt verdient. Wir kümmern uns darum.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für benachteiligte Jugendliche werden wir in ähnlicher Weise aktiv. Wir wissen, dass mehr als jedes dritte ausbildungspflichtige Unternehmen in Sachsen unbesetzte Ausbildungsstellen hat. Wir kennen auch die Klagen hinsichtlich der Ausbildungsfähigkeit bestimmter Jugendlicher. Diese Diskrepanz zwischen unbesetzten Lehrstellen auf der einen Seite und unvermittelbaren Jugendlichen auf der anderen Seite wollen wir nicht länger akzeptieren. Junge Menschen brauchen übrigens keine weitere Qualifizierung, die sie dann wieder abbrechen. Diese Problemjugendlichen haben keinen Bock mehr auf Schule. Wir müssen ihnen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bieten.

(Zuruf von den LINKEN)

Wir werden daher in einem ersten Schritt 5 Millionen Euro einsetzen, um Jugendlichen mit schlechteren Startchancen zu einer betrieblichen Ausbildung zu verhelfen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Auch hier liegt in der individuellen Betreuung und im Eingehen auf die spezifischen Problemlagen der Schlüssel zum Erfolg.

Ich freue mich, dass auf Initiative von BMW das Projekt „Joblinge“ in der Region Leipzig etabliert wird. Es greift diesen neuen Ansatz der Integration junger Menschen in den Arbeitsprozess auf. Gestern erfolgte der Startschuss. Dieses Engagement ist nachahmenswert und wird von uns finanziell unterstützt. Ich bin mir sicher: Dieser Ansatz zur Integration lernschwächerer Jugendlicher wird sich bewähren. Wir werden auch diese Förderung in ein Standardinstrument des ESF umwandeln.

Ich ermuntere die Unternehmen, sich alle Jugendlichen anzusehen, wenn es darum geht, eine Ausbildungsstelle zu besetzen. Viele Jugendliche, die eine Vier in Mathe oder in Deutsch vorweisen, haben oftmals ihre Stärken in der Praxis. Wir kümmern uns ganz bewusst um die Zielgruppen, die aus eigener Kraft noch nicht an der guten Arbeitsmarktentwicklung teilnehmen. Wir müssen diesen Menschen eine zweite Chance geben, sich zu beweisen und es sich zu beweisen. Dafür lohnt sich die Mühe.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Innovation und Wachstum, sehr geehrte Damen und Herren, sind wichtige Katalysatoren für eine positive Arbeitsmarktentwicklung. Arbeitsmarktprobleme lassen sich am besten durch zusätzliche Arbeits- und Ausbil

dungsplätze und durch eine marktorientierte Arbeitsmarktpolitik lösen. Zusätzliche Arbeits- und Ausbildungsplätze bringen mehr Einkommen in eine Region, sie erhöhen Wohlstand und Steuereinnahmen. Sie schaffen damit die Voraussetzungen, dass Sachsen bis 2020 finanziell und wirtschaftlich auf eigenen Beinen steht.