Protokoll der Sitzung vom 03.04.2012

Wir brauchen Bildungsinfrastruktur. Ihre eigene Debatte im Bereich Lehrer zeigt doch, wie notwendig das ist. Wir brauchen die Investitionen in Sport oder in rentierliche Investitionen in unsere eigenen Immobilien, um Folgelasten im Bereich Energie abzubauen. Oder wie wäre es denn mit einem leistungsfähigen ÖPNV, bei denen wir 30 % der Mittel nachweislich fehlverwenden? Dort brauchen wir die Investitionen!

Wir brauchen nicht Dagobert Duck, der auf Kontoständen sitzt und das Geld hortet. Wir brauchen Investitionen in diesem Bereich! Dafür möchte ich auch werben. Sie müssen es doch im Bereich Bildung begriffen haben: Wo Unland hinlangt, entsteht Ödland! Das ist eine Tatsache!

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN – Volker Bandmann, CDU: Wahrscheinlich müssen Sie einmal zum Doktor gehen und sich eine neue Brille geben lassen!)

Herr Bandmann, an Ihrer Stelle würde ich auch den Arzt wechseln. Da haben Sie vollkommen recht. Außerdem haben Sie dort ein Mikrofon, da können Sie Ihre Ergüsse loslassen.

Ich glaube, dass es manchem Bürger durchaus schwerfällt, wenn er Dresden besucht, angesichts der Frauenkirche, der Waldschlößchenbrücke oder des neu gestalteten Altmarkts zu glauben, dass die Erstklässler in Dresden in Containern eingeschult werden.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Gib’s ihm, Mario!)

Das wissen sie nicht. Sie sehen dieses Bild. Sie sehen, dem Osten geht es gut, und dann gibt es bei diesen Schwierigkeiten solche Diskussionen. Es lohnt sich, in einem zweiten Beitrag darauf noch einmal einzugehen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Frau Abg. Hermenau, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bitte.

Aktuelle Debatten, meine Damen und Herren Kollegen, Frau Präsidentin, erlauben auch ab und zu ein bisschen Humor. Aber das hier ist eine Scheindebatte. Es ist zuerst einmal eine Scheindebatte, weil die Bürgermeister aus dem Ruhrpott alle Jahre wieder sagen, sie müssten so viel an den Osten bezahlen. Das ist nicht neu. Aber wer ein wenig Bescheid weiß – aber das sind wohl nicht so viele –, weiß, dass Nordrhein

Westfalen damals entlastet worden ist, als der Solidarpakt ausgehandelt wurde. Man hat den „Fonds Deutsche Einheit“ bis zum Jahr 2019 verlängert und Tilgungsstreckung gemacht. Aber das haben damals Herr Koch und Herr Runde ausgehandelt. Beide sind nicht mehr aktiv in der deutschen Politik.

Viel wichtiger – und das ist das Gefährliche an dieser Debatte – ist das Zündeln am Solidarpakt und an den Aufbau-Ost-Leistungen, das die FDP hier seit einigen Tagen abzieht. Das ist ein brandgefährliches Manöver auf dem Rücken der sächsischen Kommunen, ein Ablenkungsmanöver erster Klasse. Sie haben begriffen, dass sie im Bundesrat keine Mehrheit für Steuersenkungen auf Pump haben mit ihrem Vorschlag, die kalte Progression zu dämpfen, indem sie Neuverschuldung begünstigen.

Sie haben begriffen, dass die Senkung des Solis Besserverdienende begünstigt, und sie haben begriffen, dass die Steuersenkung politisch ein Verliererthema ist und dass die Eurorettung und die Sanierung der Haushalte vorgehen. Herr Lindner hat das erkannt. Er nennt das „Selbstkorrektur der FDP“. Nach dem 13.05. sind wir schlauer.

Aber unabhängig davon versuchen Sie jetzt ein riskantes Ablenkungsmanöver: Sie nennen das auch noch ein sensibles Thema, Herr Zastrow, als ob das Kapital ein scheues Reh sei. Also, die kommunalen Haushalte in Sachsen werden durch Ihr absurdes Drei-Stufen-Modell zur Absenkung des Solidarbeitrages belastet. Die Gefährdung, die daraus entsteht, ist die Gefährdung der vereinbarten Zahlungen zum Solidarpakt II bis 2019. Das ist nicht nur massive Wählertäuschung. Das ist gefährliche politische Zündelei. Es ist auch sozial ungerecht.

Ihr vergifteter Vorschlag zwei Tage vor der Wahl in NRW, der im Bundesrat einkassiert werden wird, sieht vor, Steuersenkung auf Pump vorzunehmen. Der Bundeshaushalt hat noch neue Schulden aufgenommen. Und dieser Vorschlag entlastet zur Hälfte die oberen 20 % der Einkommensteuerpflichtigen, wie zum Beispiel Herrn Winterkorn mit einem Jahresgehalt von 16,5 Millionen Euro.

Wenn Sie die Steuersätze innerhalb des Einkommensteuertarifs ändern würden, könnte man die kalte Progression entschärfen. Aber daran haben Sie kein Interesse. Wenn Herr Zastrow und sein limitierter Freundeskreis ein paar Hundert Euro im Jahr mehr Einkommensteuer bezahlen würde, könnte man die kalte Progression entschärfen. Das tun Sie natürlich nicht. Sie versuchen das auf die nächsten Generationen oder auf die sächsischen Kommunen abzuwälzen. Schämen Sie sich!

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Einer Qualitätsdebatte über die Verwendung der AufbauOst-Mittel hat sich diese Staatsregierung verschlossen. Minister Morlok wusste gar nicht, wovon ich rede. Das ist auch beredt.

Sie haben das Geld für Großprojekte im Aufbau Ost in den letzten Jahren hinausgeschmissen und nicht darauf geachtet, wie man nachhaltig investiert. Das ist die Bilanz

von Schwarz-Gelb in den letzten Jahren, und jetzt führt die FDP hier diese dreiste Schmierenkomödie auf. Wie gesagt: Zwei Tage vor der NRW-Wahl. Der Überlebenskampf der FDP kann doch nicht die Richtschnur für politisches Handeln in Sachsen und in Deutschland sein! Das kann es doch nicht sein!

Sie bauen sich Kampagnenthemen mit einer Schnapsidee nach der anderen auf. Der Kursschwenk, den ich gerade mit dem Drei-Stufen-Modell erwähnte, ist taufrisch. Wir werden am 14. Mai nach der NRW-Wahl den nächsten Kursschwenk der FDP zur Kenntnis nehmen. Aber diese politische Geisterfahrerei ist gefährlich, wie ich gerade ausgeführt habe.

Meine Damen und Herren Kollegen von der CDU: Die politische Geisterfahrerei der FDP wird nicht dadurch zur soliden Finanzpolitik, dass sich ein paar CDUler mit hinter das Kamikazesteuer klemmen. Damit verlieren Sie die letzten Reste Ihrer finanzpolitischen Kompetenz. Die Freien Wähler und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden Ihnen das in den Wahlen auch heimzahlen. Das ist gar keine Frage. Für den Wahlkampf können Sie sich frischmachen! Darauf können Sie sich freuen!

Sie hätten auf Ihren eigenen Kollegen, Herrn Barthle aus Baden-Württemberg, den ich kenne, er sitzt im Haushaltsausschuss des Bundestages, hören sollen. Er hat vorgeschlagen, die kalte Progression über die Tarifsteuerung im Einkommensteuerbereich zu machen. Es gebe also eine andere Möglichkeit. Es gebe auch andere Mehrheiten. Dazu sage ich nur: Matthäus 5, Vers 37: „Eure Rede aber sei: Ja, ja, nein, nein.“

Wie gesagt: Das ist ein gigantisches Täuschungsmanöver. Es läuft sozusagen darauf hinaus, dass man jetzt einmal behauptet, es wären die Bürgermeister im Ruhrpott. Es ist völlig irrelevant, was die Bürgermeister im Ruhrpott zum Soli sagen. Das sagen sie seit zehn Jahren. Sie haben auch einmal eine Broschüre dazu veröffentlicht, die auch kein Mensch gelesen hat. Das ist völlig wurst.

Aber das Gefährliche ist diese getarnte Attacke der FDP hier in Sachsen auf den Solidarpakt und die Auszahlung der dringend notwendigen Mittel. Die Bürgermeister werden sich diese Rede hier gründlich durchlesen. Die Landräte werden das auch tun. Sie sind sozusagen enttarnt. Sie können gern noch ein wenig Manöverkritik machen – ja, Herr Zastrow, man sieht sich im Leben immer zweimal, wie wir gerade merken, nicht wahr?

Ich bin der Auffassung, dass man dieses Manöver nicht breit genug beschreiben kann. Die CDU muss sich entscheiden, ob sie sich dann mit verhaften lassen möchte oder nicht, denn es ist Ihr gemeinsames Projekt. Wenn Sie das nicht so sehen, schlage ich vor, dass die CDU einmal versucht, hier eine vernünftige Finanzpolitik zu machen. Davon halte ich sehr viel. Aber bisher kann ich das bei dem Thema nicht erkennen.

(Zuruf des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Für die NPDFraktion spricht Herr Abg. Schimmer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Ein perverses System, das keinerlei inhaltliche Rechtfertigung mehr hat“ – mit diesen harten Worten geißelte Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau, selbst ein gebürtiger Hallenser, unlängst in der „Süddeutschen Zeitung“ den Solidarpakt II und reihte sich damit in die Riege derjenigen NRW-Bürgermeister ein, die einen möglichst baldigen Ausstieg aus dem Solidarpakt einfordern.

Dieser Vorstoß muss als polemisch bezeichnet werden; denn eines steht fest: Der Solidarpakt II hat so gut wie nichts mit den finanziellen Problemen der Ruhrgebietsstädte zu tun. Gerhard Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Bundes der Städte und Gemeinden, hat das vor Kurzem am Beispiel der Stadt Gelsenkirchen einmal vorgerechnet. Die Ruhrgebietsstadt, deren Bürgermeister auch zu den Kritikern des Solidarpaktes gehört, hat einen Haushalt von 845 Millionen Euro. 170 Millionen Euro davon werden für Sozialleistungen aufgewendet und gerade einmal 10 Millionen Euro werden für Beiträge für den Solidarpakt II aufgewendet.

Wir alle wissen, dass diese Beiträge Jahr für Jahr sinken. Sie werden bis zum Jahr 2019 auf null sinken. Dieses Auslaufen des Solidarpaktes ist beileibe nicht der einzige finanzielle Aderlass, dem die mitteldeutschen Länder jetzt entgegensehen müssen. Denn auch die Zuschüsse aus dem Länderfinanzausgleich oder auch die Fördermittel aus den EU-Strukturfonds nehmen genauso ab.

Wir alle wissen also: Dem Freistaat stehen schwere Zeiten bevor. Für die sächsischen Städte, Gemeinden und Kreise haben diese schweren Zeiten schon längst begonnen. Vor dem Hintergrund einer jährlichen Reduktion um

200 Millionen Euro an Solidarpaktzuweisungen allein für den Freistaat Sachsen muss man die Schuldzuweisungen an die mitteldeutschen Länder als völlig überzogen bezeichnen.

Schon eher – darauf hatte ich bereits in meiner Kurzintervention hingewiesen – sollte man sich darüber Gedanken machen, wieso jetzt die Brandmauer für den Euro auf mittlerweile 800 Milliarden Euro erhöht wurde, obwohl es in Wahrheit eigentlich ein Brandbeschleuniger ist, der weiterhin Misswirtschaft, Spekulation und Inflation fördern wird.

Schon eher sollte man sich auch darüber Gedanken machen, warum die deutsche Neuverschuldung allein in diesem Jahr um fast 9 Milliarden Euro erhöht wird, weil die direkten Einzahlungen in das Grundkapital des permanenten Eurorettungsschirmes ESM notwendig werden. Wir alle wissen: Wenn auch nur ein Bruchteil der Haftungssumme von 666 Milliarden Euro, die das Ifo-Institut in München als Haftungssumme für andere Länder der

Europäischen Währungsunion ausgerechnet hat, endlich einmal im eigenen Land eingesetzt würde, wäre möglich, was die einzige zielgerichtete Maßnahme wäre, nämlich eine wirklich zielgerichtete Wirtschaftsförderung in strukturschwachen Gebieten in West- und Mitteldeutschland.

Die Position der NPD ist in dieser Frage absolut klar. Eine gute Regional- und Kommunalpolitik ist auf jeden Fall auch immer die beste nationale Politik. Denn unser Land besteht nun einmal aus Regionen. Wenn diese verfallen, verfällt das gesamte Land. Dann ist uns auch nicht geholfen, wenn einige Leuchttürme in den Ballungszentren florieren.

Dieser Devise treu, hat die NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag vom ersten Tag an seit ihrem Einzug im Jahr 2004 einen deutlichen Schwerpunkt auf die Förderung der Kommunen gesetzt und immer wieder die leuchtturmorientierte Position der Staatsregierung kritisiert. Vor allem haben wir als NPD-Fraktion seit 2004 immer darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht den tatsächlichen finanziellen Belastungen und auch nicht den tatsächlichen finanziellen Bedürfnissen der sächsischen Kommunen entspricht, wenn die Gesamtfinanzmasse des Freistaates Sachsen nur zu 35,7 % den Kommunen zugutekommt, aber zu 64,3 % für zentrale Aufgaben des Freistaates verwendet wird. Jahrelang – eigentlich fast bis ins letzte Jahr hinein – war die NPD-Fraktion einsamer Rufer in der Wüste, aber mittlerweile kommt immer mehr Unterstützung gerade aus den kommunalen Spitzenverbänden, auch wenn man natürlich nicht gerade offen zugibt, dass man hier eigentlich eine NPD-Idee aufgreift.

(Heiterkeit des Abg. Jens Michel, CDU, und des Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich)

Das ist so. – Die Aufteilung der Finanzmasse zwischen Freistaat und Kommunen sprechen wir hier schon seit fast zehn Jahren an. Mittlerweile fordern das auch die kommunalen Spitzenverbände, und auf eines können Sie sich verlassen, meine Damen und Herren und auch Herr Ministerpräsident: Wir werden dieses absolut wichtige Thema auch wieder bei den kommenden Haushaltsberatungen ansprechen; denn eine Gesundung unseres Landes, damit es wieder auf soliden Beinen steht, wird sicherlich nur dann zustande kommen, wenn endlich die Finanzmasse neu aufgeteilt wird.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Wir gehen in die zweite Runde. Es beginnt wieder die CDU-Fraktion; Herr Abg. Michel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte versucht, eine Brücke für die sächsische SPD zu bauen, aber, Herr Pecher, es gab immer noch zu viel Verständnis für den West-OB Sierau.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Was? Ein bisschen deutlicher sprechen!)

Ich habe gesagt, es war mir zu viel Verständnis für den OB Sierau, dessen arme West-Kommune zu wenige Kommunaleinnahmen hat.

Wir können uns ja einmal die Eckdaten der Kommunalfinanzierung ansehen. Als Erstes muss man sagen: Die Kassenkredite der NRW-Kommunen sind von 1996 bis 2009 von insgesamt 1,5 Milliarden auf 17,2 Milliarden Euro gestiegen. Die Kassenkredite nach der neuen Statistik, die alle Verbindlichkeiten umfassen, sind im Jahr 2010 nach der neuen Berechnung nochmals um 17 % gestiegen. Dabei muss man beachten: Westdeutsche Kommunen sind nicht direkt bzw. unmittelbar an den laufenden Leistungen beteiligt – mit Ausnahme des Anteils am Fonds "Deutsche Einheit". Das macht 0,65 % aus. Der Rest ist eigentlich reine Ländersache.

Wie hat dann aber NRW seinen kommunalen Finanzausgleich gestaltet? Es ist eine Beteiligung der Kommunen an den "Belastungen" des Solidarpaktes, und es ist mit Abstand die höchste Beteiligungsquote, die die Kommunen an einer Länderfinanzierung tragen müssen.